Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Mönch von Weinfelder

Seht Ihr, wie stark ich bin? fragte sie triumphierend. Hab Euch nur ein
kleines Problem geben wollen. Nun mögt Ihr ermessen, wie diese Arme schön¬
tun können mit einem, dem ich übel gesinnt bin. So einer würde Wohl nicht
heil nach Haus gehn, es sei denn, er hätte Knochen von Eisen. Laßt mich bei
Euch diese Nacht, Ihr werdets nicht zu bereuen haben.

Er glaubte auf ihren Lippen ein vielsagendes Lächeln zu sehen und aus ihren
Worten die Stimme des Versuchers herauszuhören. Der eigentümliche Duft, den
ihr Haar in der schwülen Dämmerung doppelt kräftig ausströmte, nahm ihm fast
den Atem.

nett, sagte er, und seine Stimme klang freundlicher als sonst, nett,
deine Kraft und deinen Mut in Ehren! Es würde mir jedoch übel einstehn,
wollte ich zu meinem Schutz ein Mägdlein ins Haus nehmen. Was willst du
noch vou mir? Hast doch heut in der Frühe selbst gesagt, wir wären miteinander
quitt, ich hätte dich vor dem Feuer bewahrt, und du hättest mich mit dem Messer
verschont. Was willst du also noch weiter?

Unsre Rechnung stimmt noch nicht, Herr, antwortete die Dirne. Leben gegen
Leben --- das gleicht sich aus. Aber Ihr habt mir meinen Liebsten genommen,
und darum seid Ihr in meiner Schuld. Es ist billig, daß Ihr mir ein Wergeld
zahlet, und das je eher je besser.

Der Burgherr mußte lächeln.

Was begehrst du zur Sühne? fragte er, entschlossen, sich durch die Erfüllung
ihrer absonderlichen Forderung für alle Zeit seine Ruhe zu erkaufen. Willst du
ein Stück Ackers? Willst du eine Kuh? Willst du Geld?

Ihr schätzt eines Mannes Wert gering, entgegnete sie. Und wenn Ihr mir
all Eure liegende und fahrende Habe geben wolltet, Euer Haus samt Stall und
Vieh, Bougert und Weiher, Acker und Wald, Wildbann und Fischgerechtigkeit, es
wäre doch zu wenig. Für ein Mannsbild kann man billig ein Mannsbild fordern.
Seht, und deshalb hab ich Euch retten wollen. Wenn Ihr Euer Leben aus
meiner Hand empfangen habt, dann seid Ihr in meiner Schuld. Mehr will ich
nicht. Dann seid Ihr mein mit Leib und Seele, Ihr seid mein Höriger, und ob
Ihr auch als der Herr zu Weinfeldeu im Burghause sitzet.

Sie hatte mit einer Art von wilder Begeisterung gesprochen und ihm die
Hand auf den Nacken gelegt, als ob sie ihr Besitzrecht an ihm schon geltend
machen oder doch symbolisch andeuten wollte.

Da stieg ein lodernder Zorn in ihm auf -- nicht gegen den Dämon der
Verführung, der in der Hülle eines Weibes zu ihm sprach, sondern gegen die
armselige Hirteudirue, das letzte und erbärmlichste Geschöpf im Dorfe, das nichts
hatte als seinen feilen Leib und sich vermaß, die Freiheit seines Herrn anzutasten,
die Freiheit, die ihm das Höchste auf der Welt war, und die er mit der Ruhe
seines Herzens und mit der Sicherheit seines Lebens teuer genug erkauft hatte.

Er biß die Zähne zusammen, riß die Tür auf und packte die Freche mit
beiden Händen, um sie hinauszustoßen. Aber sie war gewandter als er, drehte
sich um und rang mit ihm unter Stöhnen und Jauchzen. Ihr krauses Haar
streifte sein Antlitz, ihr heißer Atem wehte ihn an, und ihr geschmeidiger Körper
preßte sich gegen seine Brust, daß er Mühe hatte, sich auf den Füßen zu erhalten.
Plötzlich fühlte er ihre warmen Lippen an seinem Halse. Sie hatte ihn geküßt --
aber mit einem Kusse, bei dem er ihre scharfen Zähne in seinem Fleische zu spüren
glaubte.

Der Widerwillen, den er bei dieser Berührung des raubtierhaften Wesens
empfand, erhöhte seine Kraft. Er umschlang sie, hob sie in die Höhe und
schleuderte sie hinaus. Sie fiel nach Kcchenart auf die Füße, lachte laut auf und
rief: Nun gehört Ihr mir, Ihr mögt leben oder tot sein!

Dann eilte sie zum Pförtchen des Bongerts und verschwand in der Dunkelheit.

Noch immer bebend vor Zorn verriegelte er die Tür, ging in den Keller


Der Mönch von Weinfelder

Seht Ihr, wie stark ich bin? fragte sie triumphierend. Hab Euch nur ein
kleines Problem geben wollen. Nun mögt Ihr ermessen, wie diese Arme schön¬
tun können mit einem, dem ich übel gesinnt bin. So einer würde Wohl nicht
heil nach Haus gehn, es sei denn, er hätte Knochen von Eisen. Laßt mich bei
Euch diese Nacht, Ihr werdets nicht zu bereuen haben.

Er glaubte auf ihren Lippen ein vielsagendes Lächeln zu sehen und aus ihren
Worten die Stimme des Versuchers herauszuhören. Der eigentümliche Duft, den
ihr Haar in der schwülen Dämmerung doppelt kräftig ausströmte, nahm ihm fast
den Atem.

nett, sagte er, und seine Stimme klang freundlicher als sonst, nett,
deine Kraft und deinen Mut in Ehren! Es würde mir jedoch übel einstehn,
wollte ich zu meinem Schutz ein Mägdlein ins Haus nehmen. Was willst du
noch vou mir? Hast doch heut in der Frühe selbst gesagt, wir wären miteinander
quitt, ich hätte dich vor dem Feuer bewahrt, und du hättest mich mit dem Messer
verschont. Was willst du also noch weiter?

Unsre Rechnung stimmt noch nicht, Herr, antwortete die Dirne. Leben gegen
Leben -— das gleicht sich aus. Aber Ihr habt mir meinen Liebsten genommen,
und darum seid Ihr in meiner Schuld. Es ist billig, daß Ihr mir ein Wergeld
zahlet, und das je eher je besser.

Der Burgherr mußte lächeln.

Was begehrst du zur Sühne? fragte er, entschlossen, sich durch die Erfüllung
ihrer absonderlichen Forderung für alle Zeit seine Ruhe zu erkaufen. Willst du
ein Stück Ackers? Willst du eine Kuh? Willst du Geld?

Ihr schätzt eines Mannes Wert gering, entgegnete sie. Und wenn Ihr mir
all Eure liegende und fahrende Habe geben wolltet, Euer Haus samt Stall und
Vieh, Bougert und Weiher, Acker und Wald, Wildbann und Fischgerechtigkeit, es
wäre doch zu wenig. Für ein Mannsbild kann man billig ein Mannsbild fordern.
Seht, und deshalb hab ich Euch retten wollen. Wenn Ihr Euer Leben aus
meiner Hand empfangen habt, dann seid Ihr in meiner Schuld. Mehr will ich
nicht. Dann seid Ihr mein mit Leib und Seele, Ihr seid mein Höriger, und ob
Ihr auch als der Herr zu Weinfeldeu im Burghause sitzet.

Sie hatte mit einer Art von wilder Begeisterung gesprochen und ihm die
Hand auf den Nacken gelegt, als ob sie ihr Besitzrecht an ihm schon geltend
machen oder doch symbolisch andeuten wollte.

Da stieg ein lodernder Zorn in ihm auf — nicht gegen den Dämon der
Verführung, der in der Hülle eines Weibes zu ihm sprach, sondern gegen die
armselige Hirteudirue, das letzte und erbärmlichste Geschöpf im Dorfe, das nichts
hatte als seinen feilen Leib und sich vermaß, die Freiheit seines Herrn anzutasten,
die Freiheit, die ihm das Höchste auf der Welt war, und die er mit der Ruhe
seines Herzens und mit der Sicherheit seines Lebens teuer genug erkauft hatte.

Er biß die Zähne zusammen, riß die Tür auf und packte die Freche mit
beiden Händen, um sie hinauszustoßen. Aber sie war gewandter als er, drehte
sich um und rang mit ihm unter Stöhnen und Jauchzen. Ihr krauses Haar
streifte sein Antlitz, ihr heißer Atem wehte ihn an, und ihr geschmeidiger Körper
preßte sich gegen seine Brust, daß er Mühe hatte, sich auf den Füßen zu erhalten.
Plötzlich fühlte er ihre warmen Lippen an seinem Halse. Sie hatte ihn geküßt —
aber mit einem Kusse, bei dem er ihre scharfen Zähne in seinem Fleische zu spüren
glaubte.

Der Widerwillen, den er bei dieser Berührung des raubtierhaften Wesens
empfand, erhöhte seine Kraft. Er umschlang sie, hob sie in die Höhe und
schleuderte sie hinaus. Sie fiel nach Kcchenart auf die Füße, lachte laut auf und
rief: Nun gehört Ihr mir, Ihr mögt leben oder tot sein!

Dann eilte sie zum Pförtchen des Bongerts und verschwand in der Dunkelheit.

Noch immer bebend vor Zorn verriegelte er die Tür, ging in den Keller


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0424" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294043"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Mönch von Weinfelder</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1919"> Seht Ihr, wie stark ich bin? fragte sie triumphierend. Hab Euch nur ein<lb/>
kleines Problem geben wollen. Nun mögt Ihr ermessen, wie diese Arme schön¬<lb/>
tun können mit einem, dem ich übel gesinnt bin. So einer würde Wohl nicht<lb/>
heil nach Haus gehn, es sei denn, er hätte Knochen von Eisen. Laßt mich bei<lb/>
Euch diese Nacht, Ihr werdets nicht zu bereuen haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1920"> Er glaubte auf ihren Lippen ein vielsagendes Lächeln zu sehen und aus ihren<lb/>
Worten die Stimme des Versuchers herauszuhören. Der eigentümliche Duft, den<lb/>
ihr Haar in der schwülen Dämmerung doppelt kräftig ausströmte, nahm ihm fast<lb/>
den Atem.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1921"> nett, sagte er, und seine Stimme klang freundlicher als sonst, nett,<lb/>
deine Kraft und deinen Mut in Ehren! Es würde mir jedoch übel einstehn,<lb/>
wollte ich zu meinem Schutz ein Mägdlein ins Haus nehmen. Was willst du<lb/>
noch vou mir? Hast doch heut in der Frühe selbst gesagt, wir wären miteinander<lb/>
quitt, ich hätte dich vor dem Feuer bewahrt, und du hättest mich mit dem Messer<lb/>
verschont.  Was willst du also noch weiter?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1922"> Unsre Rechnung stimmt noch nicht, Herr, antwortete die Dirne. Leben gegen<lb/>
Leben -&#x2014; das gleicht sich aus. Aber Ihr habt mir meinen Liebsten genommen,<lb/>
und darum seid Ihr in meiner Schuld. Es ist billig, daß Ihr mir ein Wergeld<lb/>
zahlet, und das je eher je besser.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1923"> Der Burgherr mußte lächeln.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1924"> Was begehrst du zur Sühne? fragte er, entschlossen, sich durch die Erfüllung<lb/>
ihrer absonderlichen Forderung für alle Zeit seine Ruhe zu erkaufen. Willst du<lb/>
ein Stück Ackers?  Willst du eine Kuh?  Willst du Geld?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1925"> Ihr schätzt eines Mannes Wert gering, entgegnete sie. Und wenn Ihr mir<lb/>
all Eure liegende und fahrende Habe geben wolltet, Euer Haus samt Stall und<lb/>
Vieh, Bougert und Weiher, Acker und Wald, Wildbann und Fischgerechtigkeit, es<lb/>
wäre doch zu wenig. Für ein Mannsbild kann man billig ein Mannsbild fordern.<lb/>
Seht, und deshalb hab ich Euch retten wollen. Wenn Ihr Euer Leben aus<lb/>
meiner Hand empfangen habt, dann seid Ihr in meiner Schuld. Mehr will ich<lb/>
nicht. Dann seid Ihr mein mit Leib und Seele, Ihr seid mein Höriger, und ob<lb/>
Ihr auch als der Herr zu Weinfeldeu im Burghause sitzet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1926"> Sie hatte mit einer Art von wilder Begeisterung gesprochen und ihm die<lb/>
Hand auf den Nacken gelegt, als ob sie ihr Besitzrecht an ihm schon geltend<lb/>
machen oder doch symbolisch andeuten wollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1927"> Da stieg ein lodernder Zorn in ihm auf &#x2014; nicht gegen den Dämon der<lb/>
Verführung, der in der Hülle eines Weibes zu ihm sprach, sondern gegen die<lb/>
armselige Hirteudirue, das letzte und erbärmlichste Geschöpf im Dorfe, das nichts<lb/>
hatte als seinen feilen Leib und sich vermaß, die Freiheit seines Herrn anzutasten,<lb/>
die Freiheit, die ihm das Höchste auf der Welt war, und die er mit der Ruhe<lb/>
seines Herzens und mit der Sicherheit seines Lebens teuer genug erkauft hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1928"> Er biß die Zähne zusammen, riß die Tür auf und packte die Freche mit<lb/>
beiden Händen, um sie hinauszustoßen. Aber sie war gewandter als er, drehte<lb/>
sich um und rang mit ihm unter Stöhnen und Jauchzen. Ihr krauses Haar<lb/>
streifte sein Antlitz, ihr heißer Atem wehte ihn an, und ihr geschmeidiger Körper<lb/>
preßte sich gegen seine Brust, daß er Mühe hatte, sich auf den Füßen zu erhalten.<lb/>
Plötzlich fühlte er ihre warmen Lippen an seinem Halse. Sie hatte ihn geküßt &#x2014;<lb/>
aber mit einem Kusse, bei dem er ihre scharfen Zähne in seinem Fleische zu spüren<lb/>
glaubte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1929"> Der Widerwillen, den er bei dieser Berührung des raubtierhaften Wesens<lb/>
empfand, erhöhte seine Kraft. Er umschlang sie, hob sie in die Höhe und<lb/>
schleuderte sie hinaus. Sie fiel nach Kcchenart auf die Füße, lachte laut auf und<lb/>
rief: Nun gehört Ihr mir, Ihr mögt leben oder tot sein!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1930"> Dann eilte sie zum Pförtchen des Bongerts und verschwand in der Dunkelheit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1931" next="#ID_1932"> Noch immer bebend vor Zorn verriegelte er die Tür, ging in den Keller</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0424] Der Mönch von Weinfelder Seht Ihr, wie stark ich bin? fragte sie triumphierend. Hab Euch nur ein kleines Problem geben wollen. Nun mögt Ihr ermessen, wie diese Arme schön¬ tun können mit einem, dem ich übel gesinnt bin. So einer würde Wohl nicht heil nach Haus gehn, es sei denn, er hätte Knochen von Eisen. Laßt mich bei Euch diese Nacht, Ihr werdets nicht zu bereuen haben. Er glaubte auf ihren Lippen ein vielsagendes Lächeln zu sehen und aus ihren Worten die Stimme des Versuchers herauszuhören. Der eigentümliche Duft, den ihr Haar in der schwülen Dämmerung doppelt kräftig ausströmte, nahm ihm fast den Atem. nett, sagte er, und seine Stimme klang freundlicher als sonst, nett, deine Kraft und deinen Mut in Ehren! Es würde mir jedoch übel einstehn, wollte ich zu meinem Schutz ein Mägdlein ins Haus nehmen. Was willst du noch vou mir? Hast doch heut in der Frühe selbst gesagt, wir wären miteinander quitt, ich hätte dich vor dem Feuer bewahrt, und du hättest mich mit dem Messer verschont. Was willst du also noch weiter? Unsre Rechnung stimmt noch nicht, Herr, antwortete die Dirne. Leben gegen Leben -— das gleicht sich aus. Aber Ihr habt mir meinen Liebsten genommen, und darum seid Ihr in meiner Schuld. Es ist billig, daß Ihr mir ein Wergeld zahlet, und das je eher je besser. Der Burgherr mußte lächeln. Was begehrst du zur Sühne? fragte er, entschlossen, sich durch die Erfüllung ihrer absonderlichen Forderung für alle Zeit seine Ruhe zu erkaufen. Willst du ein Stück Ackers? Willst du eine Kuh? Willst du Geld? Ihr schätzt eines Mannes Wert gering, entgegnete sie. Und wenn Ihr mir all Eure liegende und fahrende Habe geben wolltet, Euer Haus samt Stall und Vieh, Bougert und Weiher, Acker und Wald, Wildbann und Fischgerechtigkeit, es wäre doch zu wenig. Für ein Mannsbild kann man billig ein Mannsbild fordern. Seht, und deshalb hab ich Euch retten wollen. Wenn Ihr Euer Leben aus meiner Hand empfangen habt, dann seid Ihr in meiner Schuld. Mehr will ich nicht. Dann seid Ihr mein mit Leib und Seele, Ihr seid mein Höriger, und ob Ihr auch als der Herr zu Weinfeldeu im Burghause sitzet. Sie hatte mit einer Art von wilder Begeisterung gesprochen und ihm die Hand auf den Nacken gelegt, als ob sie ihr Besitzrecht an ihm schon geltend machen oder doch symbolisch andeuten wollte. Da stieg ein lodernder Zorn in ihm auf — nicht gegen den Dämon der Verführung, der in der Hülle eines Weibes zu ihm sprach, sondern gegen die armselige Hirteudirue, das letzte und erbärmlichste Geschöpf im Dorfe, das nichts hatte als seinen feilen Leib und sich vermaß, die Freiheit seines Herrn anzutasten, die Freiheit, die ihm das Höchste auf der Welt war, und die er mit der Ruhe seines Herzens und mit der Sicherheit seines Lebens teuer genug erkauft hatte. Er biß die Zähne zusammen, riß die Tür auf und packte die Freche mit beiden Händen, um sie hinauszustoßen. Aber sie war gewandter als er, drehte sich um und rang mit ihm unter Stöhnen und Jauchzen. Ihr krauses Haar streifte sein Antlitz, ihr heißer Atem wehte ihn an, und ihr geschmeidiger Körper preßte sich gegen seine Brust, daß er Mühe hatte, sich auf den Füßen zu erhalten. Plötzlich fühlte er ihre warmen Lippen an seinem Halse. Sie hatte ihn geküßt — aber mit einem Kusse, bei dem er ihre scharfen Zähne in seinem Fleische zu spüren glaubte. Der Widerwillen, den er bei dieser Berührung des raubtierhaften Wesens empfand, erhöhte seine Kraft. Er umschlang sie, hob sie in die Höhe und schleuderte sie hinaus. Sie fiel nach Kcchenart auf die Füße, lachte laut auf und rief: Nun gehört Ihr mir, Ihr mögt leben oder tot sein! Dann eilte sie zum Pförtchen des Bongerts und verschwand in der Dunkelheit. Noch immer bebend vor Zorn verriegelte er die Tür, ging in den Keller

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/424
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/424>, abgerufen am 04.07.2024.