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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Deutsche Reise eines großen Briten vor ^56 Jahren

auch in der Natur des Landes bemerkt man große Mannigfaltigkeit. Der erste
Teil, bis Wiesbaden, ist sehr gebirgig und waldreich, aber trotzdem volkreich und
wohlangebaut. Stellenweise liegt noch tiefer Schnee. Das Fahren ist dort nicht
angenehm, weil die Straße an Abgründen hinführt, von deren Rande der Wagen
oft kaum einen Zoll breit entfernt ist. Nassau, die Hauptstadt ^ des Prinzen
von Oranien, ist nur ein unscheinbares Dorf. Von da führt die Straße am Main
hin durch eine wunderschöne Ebene; ich habe niemals reichern und besser an¬
gebauten Boden gesehen, ganz mit Saat und gepflegten Wiesen (sown Ki-ass) be¬
deckt; Naturgras gibt es in Deutschland nicht. Frankfurt ist eine sehr große und
reiche, schön gebaute Handelsstadt. Rings herum liegen die kleinen Landhäuser der
Bürger, die ersten dieser Art, die wir in Deutschland bemerkt haben. Sonst
wohnen nur die Bauern auf dem Lande, alle übrigen Menschen in der Stadt.
Ob sie das der Geselligkeit, oder der größern Sicherheit wegen, oder aus Frömmig¬
keit tun, vermag ich nicht zu sagen. Fürsten allerdings haben ihre Schlösser und
Mönche ihre Klöster auf dem Lande, aber kein Privatmann von Stand wohnt da.
und das muß doch seine Unzuträglichkeiten haben.

Würzburg, 30. März.

Die erste Stadt hinter Frankfurt ist Hanau, das dem Landgrafen von Hessen
gehört, mit einem Palast, der für einen König gut genug wäre, den aber der
Landgraf fast niemals bewohnt. Hanau ist eine sehr schöne, aber nicht große Stadt
am Main. Die Häuser haben in Deutschland alle einen Mörtelüberzug über der
Holzwand oder der Ziegelmauer, und viele sind bunt getüncht, was einen
lustigen Anblick gewährt. Die Bauernhäuser sind teils mit Mörtel überzogen, teils
bestehen sie aus Holz und Lehm, haben zwei Stockwerke und sehen gut aus. Nahe
bei Hanau liegt das Dorf Dettingen, wo wir das Schlachtfeld besichtigten. sDie
Engländer, Hannoveraner und Hessen hatten hier unter der Anführung des Königs
Georg des Zweiten die Franzosen besiegt. Hume schildert ausführlich die Situation.^
Würzburg ist wohlgebaut und liegt in einem schönen Tale am Main. Die hohen Flu߬
ufer sind mit Weinpflauzuugen bedeckt. Der Strom durchfließt die Stadt; man
passiert ihn ans einer sehr schönen Brücke. Die größte Merkwürdigkeit der Stadt
aber ist ein Bauwerk, das uus alle überraschte, Weil wir nie davon gehört hatten
und gar nicht erwarteten, so etwas hier zu finden. Es ist der wunderherrliche
Palast des Bischofs, des regierenden Fürsten der Stadt. Ich glaube nicht, daß
der König von Frankreich eine solche Residenz besitzt; Versailles mag größer sein,
aber dieses Schloß hier ist ein vollendeteres Ganze. Es ist ganz aus Hanstein
aufgeführt und von reichster Architektur. Wie wunderlich, daß diese kleinen Fürsten
solche Paläste bauen können! Allerdings hat der Bau fünfzig Jahre gedauert, und
Bauen ist die Hauptausgabe der geistlichen Fürsten. Den Bischof von Würzburg
wählen die Canonici aus ihrer Mitte, und sie haben einen hübschen Kniff ersonnen
zu dem Zweck, geborne Fürsten auszuschließen. Jeder, der ins Kapitel eintritt,
bekommt von den übrigen eine Tracht Prügel. Der Bruder des Kurfürsten von
Bayern hat vergebens eine Million Gulden geboten, um sich von dieser Zeremonie
loszukaufen.

Regensburg, 2. April.

Die Stadt Nürnberg, unser vorletztes Nachtquartier, hat uns allen ausnehmend
gefallen. Die Häuser sind zwar altmodisch und grotesk (manche haben fünf bis
sechs Dachstvckwerke), aber solid, gut gebaut und reinlich; die Menschen hübsch, gut
gekleidet und genährt; das Ganze macht den Eindruck, daß Gewerbfleiß und Zu¬
friedenheit ohne Prunk vorherrschen. Die Stadt ist eine protestantische Republik
an den Ufern eines Nebenflusses des Mains, dessen Namen ich vergessen habe, und
der für Boote schiffbar ist. Als wir dann die Grenze des Landes des Kurfürsten
von Bayern überschritten, fiel uns der Kontrast im Ansehen der Bewohner auf.
Aus den Gesichtern schaute große Armut, die erste Armut, die wir in Deutschland
gesehen haben. Wir kamen auch durch einen Teil des kurpfälzischen Gebiets und


Deutsche Reise eines großen Briten vor ^56 Jahren

auch in der Natur des Landes bemerkt man große Mannigfaltigkeit. Der erste
Teil, bis Wiesbaden, ist sehr gebirgig und waldreich, aber trotzdem volkreich und
wohlangebaut. Stellenweise liegt noch tiefer Schnee. Das Fahren ist dort nicht
angenehm, weil die Straße an Abgründen hinführt, von deren Rande der Wagen
oft kaum einen Zoll breit entfernt ist. Nassau, die Hauptstadt ^ des Prinzen
von Oranien, ist nur ein unscheinbares Dorf. Von da führt die Straße am Main
hin durch eine wunderschöne Ebene; ich habe niemals reichern und besser an¬
gebauten Boden gesehen, ganz mit Saat und gepflegten Wiesen (sown Ki-ass) be¬
deckt; Naturgras gibt es in Deutschland nicht. Frankfurt ist eine sehr große und
reiche, schön gebaute Handelsstadt. Rings herum liegen die kleinen Landhäuser der
Bürger, die ersten dieser Art, die wir in Deutschland bemerkt haben. Sonst
wohnen nur die Bauern auf dem Lande, alle übrigen Menschen in der Stadt.
Ob sie das der Geselligkeit, oder der größern Sicherheit wegen, oder aus Frömmig¬
keit tun, vermag ich nicht zu sagen. Fürsten allerdings haben ihre Schlösser und
Mönche ihre Klöster auf dem Lande, aber kein Privatmann von Stand wohnt da.
und das muß doch seine Unzuträglichkeiten haben.

Würzburg, 30. März.

Die erste Stadt hinter Frankfurt ist Hanau, das dem Landgrafen von Hessen
gehört, mit einem Palast, der für einen König gut genug wäre, den aber der
Landgraf fast niemals bewohnt. Hanau ist eine sehr schöne, aber nicht große Stadt
am Main. Die Häuser haben in Deutschland alle einen Mörtelüberzug über der
Holzwand oder der Ziegelmauer, und viele sind bunt getüncht, was einen
lustigen Anblick gewährt. Die Bauernhäuser sind teils mit Mörtel überzogen, teils
bestehen sie aus Holz und Lehm, haben zwei Stockwerke und sehen gut aus. Nahe
bei Hanau liegt das Dorf Dettingen, wo wir das Schlachtfeld besichtigten. sDie
Engländer, Hannoveraner und Hessen hatten hier unter der Anführung des Königs
Georg des Zweiten die Franzosen besiegt. Hume schildert ausführlich die Situation.^
Würzburg ist wohlgebaut und liegt in einem schönen Tale am Main. Die hohen Flu߬
ufer sind mit Weinpflauzuugen bedeckt. Der Strom durchfließt die Stadt; man
passiert ihn ans einer sehr schönen Brücke. Die größte Merkwürdigkeit der Stadt
aber ist ein Bauwerk, das uus alle überraschte, Weil wir nie davon gehört hatten
und gar nicht erwarteten, so etwas hier zu finden. Es ist der wunderherrliche
Palast des Bischofs, des regierenden Fürsten der Stadt. Ich glaube nicht, daß
der König von Frankreich eine solche Residenz besitzt; Versailles mag größer sein,
aber dieses Schloß hier ist ein vollendeteres Ganze. Es ist ganz aus Hanstein
aufgeführt und von reichster Architektur. Wie wunderlich, daß diese kleinen Fürsten
solche Paläste bauen können! Allerdings hat der Bau fünfzig Jahre gedauert, und
Bauen ist die Hauptausgabe der geistlichen Fürsten. Den Bischof von Würzburg
wählen die Canonici aus ihrer Mitte, und sie haben einen hübschen Kniff ersonnen
zu dem Zweck, geborne Fürsten auszuschließen. Jeder, der ins Kapitel eintritt,
bekommt von den übrigen eine Tracht Prügel. Der Bruder des Kurfürsten von
Bayern hat vergebens eine Million Gulden geboten, um sich von dieser Zeremonie
loszukaufen.

Regensburg, 2. April.

Die Stadt Nürnberg, unser vorletztes Nachtquartier, hat uns allen ausnehmend
gefallen. Die Häuser sind zwar altmodisch und grotesk (manche haben fünf bis
sechs Dachstvckwerke), aber solid, gut gebaut und reinlich; die Menschen hübsch, gut
gekleidet und genährt; das Ganze macht den Eindruck, daß Gewerbfleiß und Zu¬
friedenheit ohne Prunk vorherrschen. Die Stadt ist eine protestantische Republik
an den Ufern eines Nebenflusses des Mains, dessen Namen ich vergessen habe, und
der für Boote schiffbar ist. Als wir dann die Grenze des Landes des Kurfürsten
von Bayern überschritten, fiel uns der Kontrast im Ansehen der Bewohner auf.
Aus den Gesichtern schaute große Armut, die erste Armut, die wir in Deutschland
gesehen haben. Wir kamen auch durch einen Teil des kurpfälzischen Gebiets und


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[0403] Deutsche Reise eines großen Briten vor ^56 Jahren auch in der Natur des Landes bemerkt man große Mannigfaltigkeit. Der erste Teil, bis Wiesbaden, ist sehr gebirgig und waldreich, aber trotzdem volkreich und wohlangebaut. Stellenweise liegt noch tiefer Schnee. Das Fahren ist dort nicht angenehm, weil die Straße an Abgründen hinführt, von deren Rande der Wagen oft kaum einen Zoll breit entfernt ist. Nassau, die Hauptstadt ^ des Prinzen von Oranien, ist nur ein unscheinbares Dorf. Von da führt die Straße am Main hin durch eine wunderschöne Ebene; ich habe niemals reichern und besser an¬ gebauten Boden gesehen, ganz mit Saat und gepflegten Wiesen (sown Ki-ass) be¬ deckt; Naturgras gibt es in Deutschland nicht. Frankfurt ist eine sehr große und reiche, schön gebaute Handelsstadt. Rings herum liegen die kleinen Landhäuser der Bürger, die ersten dieser Art, die wir in Deutschland bemerkt haben. Sonst wohnen nur die Bauern auf dem Lande, alle übrigen Menschen in der Stadt. Ob sie das der Geselligkeit, oder der größern Sicherheit wegen, oder aus Frömmig¬ keit tun, vermag ich nicht zu sagen. Fürsten allerdings haben ihre Schlösser und Mönche ihre Klöster auf dem Lande, aber kein Privatmann von Stand wohnt da. und das muß doch seine Unzuträglichkeiten haben. Würzburg, 30. März. Die erste Stadt hinter Frankfurt ist Hanau, das dem Landgrafen von Hessen gehört, mit einem Palast, der für einen König gut genug wäre, den aber der Landgraf fast niemals bewohnt. Hanau ist eine sehr schöne, aber nicht große Stadt am Main. Die Häuser haben in Deutschland alle einen Mörtelüberzug über der Holzwand oder der Ziegelmauer, und viele sind bunt getüncht, was einen lustigen Anblick gewährt. Die Bauernhäuser sind teils mit Mörtel überzogen, teils bestehen sie aus Holz und Lehm, haben zwei Stockwerke und sehen gut aus. Nahe bei Hanau liegt das Dorf Dettingen, wo wir das Schlachtfeld besichtigten. sDie Engländer, Hannoveraner und Hessen hatten hier unter der Anführung des Königs Georg des Zweiten die Franzosen besiegt. Hume schildert ausführlich die Situation.^ Würzburg ist wohlgebaut und liegt in einem schönen Tale am Main. Die hohen Flu߬ ufer sind mit Weinpflauzuugen bedeckt. Der Strom durchfließt die Stadt; man passiert ihn ans einer sehr schönen Brücke. Die größte Merkwürdigkeit der Stadt aber ist ein Bauwerk, das uus alle überraschte, Weil wir nie davon gehört hatten und gar nicht erwarteten, so etwas hier zu finden. Es ist der wunderherrliche Palast des Bischofs, des regierenden Fürsten der Stadt. Ich glaube nicht, daß der König von Frankreich eine solche Residenz besitzt; Versailles mag größer sein, aber dieses Schloß hier ist ein vollendeteres Ganze. Es ist ganz aus Hanstein aufgeführt und von reichster Architektur. Wie wunderlich, daß diese kleinen Fürsten solche Paläste bauen können! Allerdings hat der Bau fünfzig Jahre gedauert, und Bauen ist die Hauptausgabe der geistlichen Fürsten. Den Bischof von Würzburg wählen die Canonici aus ihrer Mitte, und sie haben einen hübschen Kniff ersonnen zu dem Zweck, geborne Fürsten auszuschließen. Jeder, der ins Kapitel eintritt, bekommt von den übrigen eine Tracht Prügel. Der Bruder des Kurfürsten von Bayern hat vergebens eine Million Gulden geboten, um sich von dieser Zeremonie loszukaufen. Regensburg, 2. April. Die Stadt Nürnberg, unser vorletztes Nachtquartier, hat uns allen ausnehmend gefallen. Die Häuser sind zwar altmodisch und grotesk (manche haben fünf bis sechs Dachstvckwerke), aber solid, gut gebaut und reinlich; die Menschen hübsch, gut gekleidet und genährt; das Ganze macht den Eindruck, daß Gewerbfleiß und Zu¬ friedenheit ohne Prunk vorherrschen. Die Stadt ist eine protestantische Republik an den Ufern eines Nebenflusses des Mains, dessen Namen ich vergessen habe, und der für Boote schiffbar ist. Als wir dann die Grenze des Landes des Kurfürsten von Bayern überschritten, fiel uns der Kontrast im Ansehen der Bewohner auf. Aus den Gesichtern schaute große Armut, die erste Armut, die wir in Deutschland gesehen haben. Wir kamen auch durch einen Teil des kurpfälzischen Gebiets und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/403>, abgerufen am 25.07.2024.