Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches konstruieren und als ganz flachen Deckel in Gesellschaften und auf Bällen in der In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts kannte man bei den evan¬ Nun kam das Jahr 1848, und da tauchte sehr bald der "Heckerhut" auf. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig Maßgebliches und Unmaßgebliches konstruieren und als ganz flachen Deckel in Gesellschaften und auf Bällen in der In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts kannte man bei den evan¬ Nun kam das Jahr 1848, und da tauchte sehr bald der „Heckerhut" auf. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0372" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293991"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1670" prev="#ID_1669"> konstruieren und als ganz flachen Deckel in Gesellschaften und auf Bällen in der<lb/> Hand halten und sich damit bequemer bewegen kann als mit dem steifen, hohen<lb/> Zylinder in der Hand. Ein leichter Druck von unten gegen den Deckel bringt die<lb/> röhrenförmige Gestalt wieder hervor, sodaß man den Klapphut wieder als Kopf¬<lb/> bedeckung verwenden kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1671"> In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts kannte man bei den evan¬<lb/> gelischen und den katholischen Geistlichen, insofern diese keinem besondern geistlichen<lb/> Orden angehörten, keine andre Kopfbedeckung als den Zylinderhut. Ebenso war<lb/> es bei den Beamten und überhaupt bei den bessern Ständen. Hier und da sah<lb/> man allerdings, sogar noch am Ende der dreißiger Jahre, ganz vereinzelt den<lb/> dreieckigen Hut bei Bürgern. Der Bauer trug, wie ja vielfach noch heute, den zu<lb/> seiner Landestracht gehörenden Hut verschiedner Gestalt. Je mehr aber die Landes¬<lb/> tracht zurückging, desto mehr trat auch hier der Zylinderhut an die Stelle, wenigstens<lb/> bei den reichern Bauern, namentlich Sonntags zum Kirchgang. In der Woche trug<lb/> man auf dem Lande und in den Städten Mützen verschiedner Gestalt aus Tuch,<lb/> mit Lederschirm gegen die Sonne.</p><lb/> <p xml:id="ID_1672"> Nun kam das Jahr 1848, und da tauchte sehr bald der „Heckerhut" auf.<lb/> Seine Gestalt war etwa den schwedischen und den Landsknechtshüten des Dreißig¬<lb/> jährigen Krieges nachgebildet, kleidete gut und wurde bald von der Jugend viel¬<lb/> fach getragen. Auf der großen Studentenversammlung in Eisenach, Pfingsten 1848,<lb/> trugen ihn namentlich die in stattlicher Zahl dort vertretnen Wiener Studenten.<lb/> Natürlich galt diese aus weichem Filz hergestellte und schlapp- oder nach dem<lb/> badischen Freischarenführer Hecker auch Heckerhut benannte Kopfbedeckung bald als<lb/> Kennzeichen des freiheitlich gesinnten Mannes. Sie fand deshalb nach Ablauf<lb/> einiger Jahre nach 1848 keine weitere Anwendung. Da man aber nun doch einen<lb/> kleinen Hut an Stelle der Mütze auch für den Gebrauch in der Woche, auf Reisen,<lb/> Spaziergängen usw. schätzen gelernt hatte, so entstand aus dem Schlapphut für<lb/> jeden gesinnungstüchtigen und politisch einwandfreien Mann der kleine, hulbkugel-<lb/> förmig gestaltete schwarze steife Filzhut, der heute noch im Gebrauch ist. Er machte<lb/> im Laufe der Zeiten dann noch verschiedne Wandlungen durch sowohl in der Farbe<lb/> als auch in der Gestalt, wenn er auch im allgemeinen nicht höher wurde als der<lb/> schwarze, steife, halbkugelförmige Filzhut. Hüte für Jagd, kleine Reisen usw. wurden<lb/> aus weichem schwarzem, auch grauem und grünem Filz hergestellt, dann auch oben mit<lb/> einer quer von hinten nach vorn laufenden Falte versehen. Heute nun gilt als modern<lb/> ein solcher weicher Filzhut, der vorn auf dem Kopfe zwei Vertiefungen trägt.<lb/> Hätte man einen Menschen noch vor zehn Jahren mit einem solchen jetzt modernen<lb/> Hute gesehen, so würde man nur angenommen haben, er käme ans einer herzhaften<lb/> Prügelei, bei der ihm ein Gegner zwei kräftige Faustschläge auf den Kopf versetzt<lb/> habe. Aber es ist eben Mode, und da trägt man „unentwegt" diese Faustschläge<lb/> auf dem modernen Hut im gewöhnlichen Leben. Thierrys Zyltnderhut aber<lb/> triumphiert noch heute nach hundert Jahren als Krone in der guten Gesellschaft,<lb/><note type="byline"> L. v. H.</note> und Thierry hat seine Wette gewonnen. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig<lb/> Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0372]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
konstruieren und als ganz flachen Deckel in Gesellschaften und auf Bällen in der
Hand halten und sich damit bequemer bewegen kann als mit dem steifen, hohen
Zylinder in der Hand. Ein leichter Druck von unten gegen den Deckel bringt die
röhrenförmige Gestalt wieder hervor, sodaß man den Klapphut wieder als Kopf¬
bedeckung verwenden kann.
In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts kannte man bei den evan¬
gelischen und den katholischen Geistlichen, insofern diese keinem besondern geistlichen
Orden angehörten, keine andre Kopfbedeckung als den Zylinderhut. Ebenso war
es bei den Beamten und überhaupt bei den bessern Ständen. Hier und da sah
man allerdings, sogar noch am Ende der dreißiger Jahre, ganz vereinzelt den
dreieckigen Hut bei Bürgern. Der Bauer trug, wie ja vielfach noch heute, den zu
seiner Landestracht gehörenden Hut verschiedner Gestalt. Je mehr aber die Landes¬
tracht zurückging, desto mehr trat auch hier der Zylinderhut an die Stelle, wenigstens
bei den reichern Bauern, namentlich Sonntags zum Kirchgang. In der Woche trug
man auf dem Lande und in den Städten Mützen verschiedner Gestalt aus Tuch,
mit Lederschirm gegen die Sonne.
Nun kam das Jahr 1848, und da tauchte sehr bald der „Heckerhut" auf.
Seine Gestalt war etwa den schwedischen und den Landsknechtshüten des Dreißig¬
jährigen Krieges nachgebildet, kleidete gut und wurde bald von der Jugend viel¬
fach getragen. Auf der großen Studentenversammlung in Eisenach, Pfingsten 1848,
trugen ihn namentlich die in stattlicher Zahl dort vertretnen Wiener Studenten.
Natürlich galt diese aus weichem Filz hergestellte und schlapp- oder nach dem
badischen Freischarenführer Hecker auch Heckerhut benannte Kopfbedeckung bald als
Kennzeichen des freiheitlich gesinnten Mannes. Sie fand deshalb nach Ablauf
einiger Jahre nach 1848 keine weitere Anwendung. Da man aber nun doch einen
kleinen Hut an Stelle der Mütze auch für den Gebrauch in der Woche, auf Reisen,
Spaziergängen usw. schätzen gelernt hatte, so entstand aus dem Schlapphut für
jeden gesinnungstüchtigen und politisch einwandfreien Mann der kleine, hulbkugel-
förmig gestaltete schwarze steife Filzhut, der heute noch im Gebrauch ist. Er machte
im Laufe der Zeiten dann noch verschiedne Wandlungen durch sowohl in der Farbe
als auch in der Gestalt, wenn er auch im allgemeinen nicht höher wurde als der
schwarze, steife, halbkugelförmige Filzhut. Hüte für Jagd, kleine Reisen usw. wurden
aus weichem schwarzem, auch grauem und grünem Filz hergestellt, dann auch oben mit
einer quer von hinten nach vorn laufenden Falte versehen. Heute nun gilt als modern
ein solcher weicher Filzhut, der vorn auf dem Kopfe zwei Vertiefungen trägt.
Hätte man einen Menschen noch vor zehn Jahren mit einem solchen jetzt modernen
Hute gesehen, so würde man nur angenommen haben, er käme ans einer herzhaften
Prügelei, bei der ihm ein Gegner zwei kräftige Faustschläge auf den Kopf versetzt
habe. Aber es ist eben Mode, und da trägt man „unentwegt" diese Faustschläge
auf dem modernen Hut im gewöhnlichen Leben. Thierrys Zyltnderhut aber
triumphiert noch heute nach hundert Jahren als Krone in der guten Gesellschaft,
L. v. H. und Thierry hat seine Wette gewonnen.
Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig
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