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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Line Trojafahrt

erstanden hätte. Er bot ihm fünf Piaster, aber auch ein andrer wollte das Pracht¬
stück gern haben und bot einen Medschidsche. Daraus schloß der Besitzer, daß es
ein wertvolles Stück sein müsse, und setzte nun allen Angeboten, die bis zu drei
Medschidsche emporstiegen, ein "öoiri" (nein) entgegen. Übrigens drangen Münzen¬
händler auch frühmorgens in unsern Speiseraum und schütteten ihre Schätze vor
uns auf den Tisch; da hat mancher den Grund zu einer kleinen Sammlung antiker
Münzen gelegt.

Dort bei Tschiblak sah ich auch den ersten türkischen Soldaten. Ein völlig
zerlumpter Kerl, an dessen Uniform sämtliche Knopfe fehlten und kaum noch die
ursprünglich blaue Farbe zu erkennen war, der seine nackten Füße mit rohen Hammel¬
fellen umschnürt hatte, bezeichnete sich selbst stolz als ,,-z.stiAri ottoing,ni" (ottomanischer
Soldat). Dann steckte er den Finger in den Mund, gab uns mimisch zu verstehen,
daß er Lust habe zu rauchen, und nahm die ihm gebotnen Zigaretten freundlichst
an. Ich bekam durch diesen Mann einen seltsamen Begriff von der türkischen Armee.
Beim Selamlik freilich, den ich zwölf Tage später in der Hauptstadt mit ansah,
waren die Truppen so neu und sauber angezogen, wie nur immer unsre bei einer
Parade ans dem Tempelhofer Felde.

Der Rückweg führte uns auf der Südseite des Plateaus durch eine hüglige,
idyllische Landschaft, die in der Ferne durch das blaue, noch mit Schnee bedeckte
Jdagebirge abgeschlossen wurde. Wir wanderten unter lichtstehenden Eichen, unter
denen Gerste, Lupinen und Bohnen wuchsen. Die Eichen gehören zu einer Art,
deren Früchte eßbar sind und in großen Massen auf den Markt gebracht werden.
Viele Störche hatten sich zur Nachtruhe auf ihnen niedergelassen und klapperten
zum Teil noch ihr Abendlied. Ich zählte auf einem der Bäume dreizehn Stück -- aber¬
gläubisch scheinen diese klugen Vögel demnach nicht zu sein. Es ist nur wunderbar,
daß bei dieser großen Zahl von Störchen die Bevölkerung der troischen Landschaft
so dünn ist. Aber wer weiß, wer bei diesen Heiden und Türken die Kinder bringt!
Merkwürdigerweise kennt übrigens Homer die Störche noch nicht, der doch Schwäne,
Gänse, Kraniche und Reiher nicht selten erwähnt. Wahrscheinlich haben sie sich in
der Troas erst eingefunden, seitdem diese Persumpft ist, was zu des Priamos Zeiten
noch nicht der Fall war.

Am Nachmittag des zweiten Tages sollten die beiden Grabhügel des Aias
und des Achilles besucht werden, und zwar zu Pferde. Wiederum rieten mir weise
Männer, mein Bein zu schonen und in den Baracken zu bleiben, aber wiederum
schien mir Troja nicht der geeignete Ort, Beine zu schönen. Ich bestieg also meinen
alten Gaul und ritt mit der übrigen Gesellschaft los. Es sollte eine ereignisreiche
Tour werden, auf der wir die Landschaft und vor allem den Skamander gründ¬
lich kennen lernten.

Dieser Fluß hat die troische Ebne, die ursprünglich ein Meerbusen war, erst
geschaffen. Vom Jda wälzte er seine gelben Gewässer, wegen deren Farbe ihn die
homerischen Götter X-uitiios (den Blonden) nannten, zu Tal und füllte durch die
mitgeführten Stickstoffe den Meerbusen so weit aus, bis die Strömung der immer-
mehr eingeengten Meeresstraße stark genug wurde, alles, was nun noch herunter¬
kam, hinwegzuführen. Heutzutage wächst also die Ebne nicht mehr. Zur homerischen
Zeit mündete der Fluß weiter östlich beim Vorgebirge Rhöteion; man erkennt an
den Dünenreihen, die den alten Lauf begleiten, die lange Geschichte, die er hinter
sich hat. Der jetzige Fluß, der bei Kum-Kate mündet, hat keine Geschichte und keine
Dünen. Zwischen beiden liegt eine dritte persumpfte Mündung, die schon im Altertum
den Namen stoma, klare-s (Sumpfmündung) führte. Der Skamander ist ein schwieriges
und gefährliches Gewässer. Er hat viele tote und halbtote Arme und Stränge, die
sich aber bei Hochwasser leicht wieder füllen. Dann wird der Fluß so reißend, daß
er Baumstämme mit sich führt, und die Flut kann bei starken Regengüssen im
Gebiete seines Oberlaufs so plötzlich kommen, daß sie Reisekarawanen überfällt.
Wehe dann denen, die gerade mitten in der Furt weilen. Schon mancher ist bei


Line Trojafahrt

erstanden hätte. Er bot ihm fünf Piaster, aber auch ein andrer wollte das Pracht¬
stück gern haben und bot einen Medschidsche. Daraus schloß der Besitzer, daß es
ein wertvolles Stück sein müsse, und setzte nun allen Angeboten, die bis zu drei
Medschidsche emporstiegen, ein „öoiri" (nein) entgegen. Übrigens drangen Münzen¬
händler auch frühmorgens in unsern Speiseraum und schütteten ihre Schätze vor
uns auf den Tisch; da hat mancher den Grund zu einer kleinen Sammlung antiker
Münzen gelegt.

Dort bei Tschiblak sah ich auch den ersten türkischen Soldaten. Ein völlig
zerlumpter Kerl, an dessen Uniform sämtliche Knopfe fehlten und kaum noch die
ursprünglich blaue Farbe zu erkennen war, der seine nackten Füße mit rohen Hammel¬
fellen umschnürt hatte, bezeichnete sich selbst stolz als ,,-z.stiAri ottoing,ni" (ottomanischer
Soldat). Dann steckte er den Finger in den Mund, gab uns mimisch zu verstehen,
daß er Lust habe zu rauchen, und nahm die ihm gebotnen Zigaretten freundlichst
an. Ich bekam durch diesen Mann einen seltsamen Begriff von der türkischen Armee.
Beim Selamlik freilich, den ich zwölf Tage später in der Hauptstadt mit ansah,
waren die Truppen so neu und sauber angezogen, wie nur immer unsre bei einer
Parade ans dem Tempelhofer Felde.

Der Rückweg führte uns auf der Südseite des Plateaus durch eine hüglige,
idyllische Landschaft, die in der Ferne durch das blaue, noch mit Schnee bedeckte
Jdagebirge abgeschlossen wurde. Wir wanderten unter lichtstehenden Eichen, unter
denen Gerste, Lupinen und Bohnen wuchsen. Die Eichen gehören zu einer Art,
deren Früchte eßbar sind und in großen Massen auf den Markt gebracht werden.
Viele Störche hatten sich zur Nachtruhe auf ihnen niedergelassen und klapperten
zum Teil noch ihr Abendlied. Ich zählte auf einem der Bäume dreizehn Stück — aber¬
gläubisch scheinen diese klugen Vögel demnach nicht zu sein. Es ist nur wunderbar,
daß bei dieser großen Zahl von Störchen die Bevölkerung der troischen Landschaft
so dünn ist. Aber wer weiß, wer bei diesen Heiden und Türken die Kinder bringt!
Merkwürdigerweise kennt übrigens Homer die Störche noch nicht, der doch Schwäne,
Gänse, Kraniche und Reiher nicht selten erwähnt. Wahrscheinlich haben sie sich in
der Troas erst eingefunden, seitdem diese Persumpft ist, was zu des Priamos Zeiten
noch nicht der Fall war.

Am Nachmittag des zweiten Tages sollten die beiden Grabhügel des Aias
und des Achilles besucht werden, und zwar zu Pferde. Wiederum rieten mir weise
Männer, mein Bein zu schonen und in den Baracken zu bleiben, aber wiederum
schien mir Troja nicht der geeignete Ort, Beine zu schönen. Ich bestieg also meinen
alten Gaul und ritt mit der übrigen Gesellschaft los. Es sollte eine ereignisreiche
Tour werden, auf der wir die Landschaft und vor allem den Skamander gründ¬
lich kennen lernten.

Dieser Fluß hat die troische Ebne, die ursprünglich ein Meerbusen war, erst
geschaffen. Vom Jda wälzte er seine gelben Gewässer, wegen deren Farbe ihn die
homerischen Götter X-uitiios (den Blonden) nannten, zu Tal und füllte durch die
mitgeführten Stickstoffe den Meerbusen so weit aus, bis die Strömung der immer-
mehr eingeengten Meeresstraße stark genug wurde, alles, was nun noch herunter¬
kam, hinwegzuführen. Heutzutage wächst also die Ebne nicht mehr. Zur homerischen
Zeit mündete der Fluß weiter östlich beim Vorgebirge Rhöteion; man erkennt an
den Dünenreihen, die den alten Lauf begleiten, die lange Geschichte, die er hinter
sich hat. Der jetzige Fluß, der bei Kum-Kate mündet, hat keine Geschichte und keine
Dünen. Zwischen beiden liegt eine dritte persumpfte Mündung, die schon im Altertum
den Namen stoma, klare-s (Sumpfmündung) führte. Der Skamander ist ein schwieriges
und gefährliches Gewässer. Er hat viele tote und halbtote Arme und Stränge, die
sich aber bei Hochwasser leicht wieder füllen. Dann wird der Fluß so reißend, daß
er Baumstämme mit sich führt, und die Flut kann bei starken Regengüssen im
Gebiete seines Oberlaufs so plötzlich kommen, daß sie Reisekarawanen überfällt.
Wehe dann denen, die gerade mitten in der Furt weilen. Schon mancher ist bei


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[0348] Line Trojafahrt erstanden hätte. Er bot ihm fünf Piaster, aber auch ein andrer wollte das Pracht¬ stück gern haben und bot einen Medschidsche. Daraus schloß der Besitzer, daß es ein wertvolles Stück sein müsse, und setzte nun allen Angeboten, die bis zu drei Medschidsche emporstiegen, ein „öoiri" (nein) entgegen. Übrigens drangen Münzen¬ händler auch frühmorgens in unsern Speiseraum und schütteten ihre Schätze vor uns auf den Tisch; da hat mancher den Grund zu einer kleinen Sammlung antiker Münzen gelegt. Dort bei Tschiblak sah ich auch den ersten türkischen Soldaten. Ein völlig zerlumpter Kerl, an dessen Uniform sämtliche Knopfe fehlten und kaum noch die ursprünglich blaue Farbe zu erkennen war, der seine nackten Füße mit rohen Hammel¬ fellen umschnürt hatte, bezeichnete sich selbst stolz als ,,-z.stiAri ottoing,ni" (ottomanischer Soldat). Dann steckte er den Finger in den Mund, gab uns mimisch zu verstehen, daß er Lust habe zu rauchen, und nahm die ihm gebotnen Zigaretten freundlichst an. Ich bekam durch diesen Mann einen seltsamen Begriff von der türkischen Armee. Beim Selamlik freilich, den ich zwölf Tage später in der Hauptstadt mit ansah, waren die Truppen so neu und sauber angezogen, wie nur immer unsre bei einer Parade ans dem Tempelhofer Felde. Der Rückweg führte uns auf der Südseite des Plateaus durch eine hüglige, idyllische Landschaft, die in der Ferne durch das blaue, noch mit Schnee bedeckte Jdagebirge abgeschlossen wurde. Wir wanderten unter lichtstehenden Eichen, unter denen Gerste, Lupinen und Bohnen wuchsen. Die Eichen gehören zu einer Art, deren Früchte eßbar sind und in großen Massen auf den Markt gebracht werden. Viele Störche hatten sich zur Nachtruhe auf ihnen niedergelassen und klapperten zum Teil noch ihr Abendlied. Ich zählte auf einem der Bäume dreizehn Stück — aber¬ gläubisch scheinen diese klugen Vögel demnach nicht zu sein. Es ist nur wunderbar, daß bei dieser großen Zahl von Störchen die Bevölkerung der troischen Landschaft so dünn ist. Aber wer weiß, wer bei diesen Heiden und Türken die Kinder bringt! Merkwürdigerweise kennt übrigens Homer die Störche noch nicht, der doch Schwäne, Gänse, Kraniche und Reiher nicht selten erwähnt. Wahrscheinlich haben sie sich in der Troas erst eingefunden, seitdem diese Persumpft ist, was zu des Priamos Zeiten noch nicht der Fall war. Am Nachmittag des zweiten Tages sollten die beiden Grabhügel des Aias und des Achilles besucht werden, und zwar zu Pferde. Wiederum rieten mir weise Männer, mein Bein zu schonen und in den Baracken zu bleiben, aber wiederum schien mir Troja nicht der geeignete Ort, Beine zu schönen. Ich bestieg also meinen alten Gaul und ritt mit der übrigen Gesellschaft los. Es sollte eine ereignisreiche Tour werden, auf der wir die Landschaft und vor allem den Skamander gründ¬ lich kennen lernten. Dieser Fluß hat die troische Ebne, die ursprünglich ein Meerbusen war, erst geschaffen. Vom Jda wälzte er seine gelben Gewässer, wegen deren Farbe ihn die homerischen Götter X-uitiios (den Blonden) nannten, zu Tal und füllte durch die mitgeführten Stickstoffe den Meerbusen so weit aus, bis die Strömung der immer- mehr eingeengten Meeresstraße stark genug wurde, alles, was nun noch herunter¬ kam, hinwegzuführen. Heutzutage wächst also die Ebne nicht mehr. Zur homerischen Zeit mündete der Fluß weiter östlich beim Vorgebirge Rhöteion; man erkennt an den Dünenreihen, die den alten Lauf begleiten, die lange Geschichte, die er hinter sich hat. Der jetzige Fluß, der bei Kum-Kate mündet, hat keine Geschichte und keine Dünen. Zwischen beiden liegt eine dritte persumpfte Mündung, die schon im Altertum den Namen stoma, klare-s (Sumpfmündung) führte. Der Skamander ist ein schwieriges und gefährliches Gewässer. Er hat viele tote und halbtote Arme und Stränge, die sich aber bei Hochwasser leicht wieder füllen. Dann wird der Fluß so reißend, daß er Baumstämme mit sich führt, und die Flut kann bei starken Regengüssen im Gebiete seines Oberlaufs so plötzlich kommen, daß sie Reisekarawanen überfällt. Wehe dann denen, die gerade mitten in der Furt weilen. Schon mancher ist bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/348>, abgerufen am 25.07.2024.