Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Die italienische Regierung denkt natürlich über Bündnistreue ganz anders. Wäre also Deutschland isoliert? Schon im vergangnen Dezember hat ein Aber besonders groß scheint das Vertrauen auf die Schiedsgerichte doch nicht So scheint es denn mit der "neuen Ära, die die Friedensapostel infolge der Die Verquickung der Schiedsgerichtsidee mit politischen Absichten wird ihr Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig Maßgebliches und Unmaßgebliches Die italienische Regierung denkt natürlich über Bündnistreue ganz anders. Wäre also Deutschland isoliert? Schon im vergangnen Dezember hat ein Aber besonders groß scheint das Vertrauen auf die Schiedsgerichte doch nicht So scheint es denn mit der „neuen Ära, die die Friedensapostel infolge der Die Verquickung der Schiedsgerichtsidee mit politischen Absichten wird ihr Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0312" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293931"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1385"> Die italienische Regierung denkt natürlich über Bündnistreue ganz anders.<lb/> Aber auch das italienische Volk, das in dem rein parlamentarisch regierten Land<lb/> eine Macht ist? Wie man ans den Äußerungen der italienischen Presse bei dem<lb/> Vertragsabschluß mit Frankreich erkennen kann, hoffen auch jenseits der Alpen weite<lb/> Kreise, daß durch diesen Vertrag, so wenig bedeutungsvoll er in seinem Inhalt ist,<lb/> die Beteiligung Italiens an einem Kriege gegen Frankreich unmöglich gemacht werde.<lb/> In Frankreich wie in Italien legt man eben mehr in den Text des Vertrags, als<lb/> wirklich darin steht, und darin liegt die Gefahr.</p><lb/> <p xml:id="ID_1386"> Wäre also Deutschland isoliert? Schon im vergangnen Dezember hat ein<lb/> gewiß unparteiisches Blatt, die „Neue Züricher Zeitung," darauf hingewiesen, daß<lb/> die heutigen Erobererstaaten — England, Frankreich, Rußland, die Vereinigten<lb/> Staaten — so viel Wesens von den Schiedsgerichten machen, während die fried¬<lb/> fertigste Großmacht der Welt, Deutschland, sich kühl abseits halte. Dann wäre es<lb/> ja eine sxlsnäiä isolaticm!</p><lb/> <p xml:id="ID_1387"> Aber besonders groß scheint das Vertrauen auf die Schiedsgerichte doch nicht<lb/> zu sein. Warum haben denn England und Portugal soeben trotz des Schieds¬<lb/> gerichtshofs im Haag ihre Streitigkeiten wegen des Barotselandes dem Könige von<lb/> Italien zur Entscheidung überwiesen? Wenn irgend ein Fall für den Haag geeignet<lb/> war, dann war es doch dieser."</p><lb/> <p xml:id="ID_1388"> So scheint es denn mit der „neuen Ära, die die Friedensapostel infolge der<lb/> hier besprochnen Verträge schon für hereingebrochen erklärten, noch nicht viel auf<lb/> sich zu haben. Und besonders zu denken muß es geben, daß anch die Sozial-<lb/> demokratie diese Verträge als eine Bürgschaft für die „allgemeine Völkerver¬<lb/> brüderung" freudig begrüßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1389"> Die Verquickung der Schiedsgerichtsidee mit politischen Absichten wird ihr<lb/><note type="byline"> L. v. Bruchhäuser</note> sicherlich auf die Dauer nicht zum Vorteil gereichen. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig<lb/> Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0312]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die italienische Regierung denkt natürlich über Bündnistreue ganz anders.
Aber auch das italienische Volk, das in dem rein parlamentarisch regierten Land
eine Macht ist? Wie man ans den Äußerungen der italienischen Presse bei dem
Vertragsabschluß mit Frankreich erkennen kann, hoffen auch jenseits der Alpen weite
Kreise, daß durch diesen Vertrag, so wenig bedeutungsvoll er in seinem Inhalt ist,
die Beteiligung Italiens an einem Kriege gegen Frankreich unmöglich gemacht werde.
In Frankreich wie in Italien legt man eben mehr in den Text des Vertrags, als
wirklich darin steht, und darin liegt die Gefahr.
Wäre also Deutschland isoliert? Schon im vergangnen Dezember hat ein
gewiß unparteiisches Blatt, die „Neue Züricher Zeitung," darauf hingewiesen, daß
die heutigen Erobererstaaten — England, Frankreich, Rußland, die Vereinigten
Staaten — so viel Wesens von den Schiedsgerichten machen, während die fried¬
fertigste Großmacht der Welt, Deutschland, sich kühl abseits halte. Dann wäre es
ja eine sxlsnäiä isolaticm!
Aber besonders groß scheint das Vertrauen auf die Schiedsgerichte doch nicht
zu sein. Warum haben denn England und Portugal soeben trotz des Schieds¬
gerichtshofs im Haag ihre Streitigkeiten wegen des Barotselandes dem Könige von
Italien zur Entscheidung überwiesen? Wenn irgend ein Fall für den Haag geeignet
war, dann war es doch dieser."
So scheint es denn mit der „neuen Ära, die die Friedensapostel infolge der
hier besprochnen Verträge schon für hereingebrochen erklärten, noch nicht viel auf
sich zu haben. Und besonders zu denken muß es geben, daß anch die Sozial-
demokratie diese Verträge als eine Bürgschaft für die „allgemeine Völkerver¬
brüderung" freudig begrüßt.
Die Verquickung der Schiedsgerichtsidee mit politischen Absichten wird ihr
L. v. Bruchhäuser sicherlich auf die Dauer nicht zum Vorteil gereichen.
Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig
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