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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Englisch - deutsche Bundesgenossenschaft

reitungen zu einer Landung in England. Die hierdurch in große Besorgnis
geratenden Engländer verwandten außerordentliche Mittel auf die Verstärkung
ihrer Seemacht und suchten durch die Presse und durch Flugschriften, durch
Geldspenden und Versprechungen in ganz Europa zum Kriege gegen Frankreich
zu Hetzen. Über Napoleons Auftreten in Norddeutschland und in Italien beun¬
ruhigt, erklärten auch tatsächlich Rußland, Schweden, Österreich und Neapel
Frankreich den Krieg. Dieses war jedoch auf dem Festlande überall siegreich,
und die berühmte Dreikaiserschlacht bei Austerlitz (1805) entschied den Krieg zu
seinen Gunsten. Doch fast zu derselben Zeit wurde in der Schlacht bei Tra-
falgnr die gesamte Seemacht Frankreichs durch die Engländer vernichtet und
Englands Seeherrschaft besiegelt.

Nach dem Frieden von Preßburg (1805) wandte sich Napoleons Zorn
gegen Preußen, das während des Krieges zwischen Frankreich und Österreich
eine bewaffnete Neutralität gehalten und dadurch beide Parteien gegen sich auf¬
gebracht hatte. Durch fortgesetzte Demütigungen veranlaßte er es zum Kriege;
dieser verlief sehr ungünstig für Preußen, und nach den unglücklichen Schlachten
von Jena und Auerstädt machte sich Napoleon bald zum Herrn des ganzen
Landes. Rußland und auch England, das sich vor Ausbruch des Krieges mit
Preußen wegen Hannovers überworfen hatte, halfen nun zwar Preußen, doch
ließ Rußland, als seine eignen Grenzen ernstlich bedroht wurden, bald vom
Kampfe ab, und England war nicht imstande, auf dem Festlande, wo der
Kampf zwischen Preußen und Frankreich ausgefochten wurde, Preußen wirksam
zu unterstützen. Darum verlor dieses Land --- trotz seines Bündnisses mit
Rußland und England -- im Frieden von Tilsit (1807) die Hälfte seines da¬
maligen Gebiets.

Auf seine gesicherte Lage und seine alle Meere beherrschende Flotte ver¬
trauend, schloß England auch jetzt keinen Frieden mit Frankreich. Es wagte
sogar durch einen Gewaltstreich gegen Dänemark, dessen Hauptstadt es mitten
im Frieden bombardierte, und dessen Flotte es wegnahm (1807), ganz Europa
gegen sich zu empören. Napoleons Auftreten in Deutschland und Südeuropa
erbitterte jedoch die Nationen des Festlandes noch mehr und führte England
bald wieder Bundesgenossen zu. Es waren zunächst Spanien und Portugal,
die Napoleon ebenfalls seinem großen Reich angliedern wollte. Die nun be¬
ginnenden Kämpfe in Spanien waren Napoleons erster Mißerfolg. Wenn auch
die spanischen Armeen von den französischen geschlagen wurden, so entbrannte
doch sehr bald im ganzen Lande ein Volkskrieg, der von der an ihrer Unab¬
hängigkeit, ihren nationalen und religiösen Gebräuchen hängenden Bevölkerung
mit außerordentlicher Erbitterung geführt wurde. Die kräftige Unterstützung
Englands mit Waffen, Material, Führern und geschulten Truppen erhöhte
Spaniens Widerstandsfähigkeit dermaßen, daß Napoleon dieses Landes, obwohl
er selbst mit einem großen Heer und seinen tüchtigsten Feldherren auf dem
Kriegsschauplatz erschien, trotz zahlreicher Siege auf die Dauer nicht Herr
werden konnte.

Im Jahre 1809 rief der wieder ausbrechende Krieg mit Österreich Napoleon
aus Spanien ab. Drei Jahre später sah er sich gezwungen, zum Kampfe mit


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reitungen zu einer Landung in England. Die hierdurch in große Besorgnis
geratenden Engländer verwandten außerordentliche Mittel auf die Verstärkung
ihrer Seemacht und suchten durch die Presse und durch Flugschriften, durch
Geldspenden und Versprechungen in ganz Europa zum Kriege gegen Frankreich
zu Hetzen. Über Napoleons Auftreten in Norddeutschland und in Italien beun¬
ruhigt, erklärten auch tatsächlich Rußland, Schweden, Österreich und Neapel
Frankreich den Krieg. Dieses war jedoch auf dem Festlande überall siegreich,
und die berühmte Dreikaiserschlacht bei Austerlitz (1805) entschied den Krieg zu
seinen Gunsten. Doch fast zu derselben Zeit wurde in der Schlacht bei Tra-
falgnr die gesamte Seemacht Frankreichs durch die Engländer vernichtet und
Englands Seeherrschaft besiegelt.

Nach dem Frieden von Preßburg (1805) wandte sich Napoleons Zorn
gegen Preußen, das während des Krieges zwischen Frankreich und Österreich
eine bewaffnete Neutralität gehalten und dadurch beide Parteien gegen sich auf¬
gebracht hatte. Durch fortgesetzte Demütigungen veranlaßte er es zum Kriege;
dieser verlief sehr ungünstig für Preußen, und nach den unglücklichen Schlachten
von Jena und Auerstädt machte sich Napoleon bald zum Herrn des ganzen
Landes. Rußland und auch England, das sich vor Ausbruch des Krieges mit
Preußen wegen Hannovers überworfen hatte, halfen nun zwar Preußen, doch
ließ Rußland, als seine eignen Grenzen ernstlich bedroht wurden, bald vom
Kampfe ab, und England war nicht imstande, auf dem Festlande, wo der
Kampf zwischen Preußen und Frankreich ausgefochten wurde, Preußen wirksam
zu unterstützen. Darum verlor dieses Land -— trotz seines Bündnisses mit
Rußland und England — im Frieden von Tilsit (1807) die Hälfte seines da¬
maligen Gebiets.

Auf seine gesicherte Lage und seine alle Meere beherrschende Flotte ver¬
trauend, schloß England auch jetzt keinen Frieden mit Frankreich. Es wagte
sogar durch einen Gewaltstreich gegen Dänemark, dessen Hauptstadt es mitten
im Frieden bombardierte, und dessen Flotte es wegnahm (1807), ganz Europa
gegen sich zu empören. Napoleons Auftreten in Deutschland und Südeuropa
erbitterte jedoch die Nationen des Festlandes noch mehr und führte England
bald wieder Bundesgenossen zu. Es waren zunächst Spanien und Portugal,
die Napoleon ebenfalls seinem großen Reich angliedern wollte. Die nun be¬
ginnenden Kämpfe in Spanien waren Napoleons erster Mißerfolg. Wenn auch
die spanischen Armeen von den französischen geschlagen wurden, so entbrannte
doch sehr bald im ganzen Lande ein Volkskrieg, der von der an ihrer Unab¬
hängigkeit, ihren nationalen und religiösen Gebräuchen hängenden Bevölkerung
mit außerordentlicher Erbitterung geführt wurde. Die kräftige Unterstützung
Englands mit Waffen, Material, Führern und geschulten Truppen erhöhte
Spaniens Widerstandsfähigkeit dermaßen, daß Napoleon dieses Landes, obwohl
er selbst mit einem großen Heer und seinen tüchtigsten Feldherren auf dem
Kriegsschauplatz erschien, trotz zahlreicher Siege auf die Dauer nicht Herr
werden konnte.

Im Jahre 1809 rief der wieder ausbrechende Krieg mit Österreich Napoleon
aus Spanien ab. Drei Jahre später sah er sich gezwungen, zum Kampfe mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/133>, abgerufen am 25.07.2024.