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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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westfälische Geschichten

wie die Jungen. Wie ein Heiligenbild sitze sie hinter dem Schenktisch. Daß die
Männer alle ihretwegen verrückt seien, das sei nicht ihre Schuld. Sie mache sich
ans keinem etwas. Den Franz zog es wie mit Eisenketten in die Krone. Er
hätte sehen mögen, ob ein solches Wunder möglich sei. Die ehemals so wort¬
bereite kokette Rieka ein Heiligenbild? Ist nur Schein und Heuchelei, das stille
ehrbare Wesen, sagte die Mutter. Keiner kann herausfahren aus seiner Haut.

Seitdem der Hinrtch in die Krone ging, vermied er es, dem Franz zu be¬
gegnen. Sie waren ja Todfeinde, die in der Krone und die Clermontschen. Es
hätte die Rieka gegen ihn einnehmen können, wenn sie gesehen hätte, daß er mit
dem Franz Freundschaft hielt. Er hatte es dem Franz nicht sagen können, daß er
an die Rieka dachte. Der aber wußte es doch. Er hätte ja blöde sein müssen
und blind, wenn er nicht gewußt hätte, was sich die Weiber auf der Straße er¬
zählten: Der Dornecks Hinrich ist in die schwarze Rieka verliebt.

Er wäre der schlechteste nicht für sie, dachte der Franz und bäumte sich auf
gegen das Wehgefühl, das ihn packte bei diesem Gedanken. Was gings ihn an,
wen sie nahm, die Rieka? Tage, Wochen waren vergangen, und der Franz hatte
den Hinrich nicht gesprochen. Da, am Morgen nach dem Tage, wo der alte
Dorment sich rin der Firn verlobt hatte, trat der Hinrich zum Franz in die Stube.
Er sah heruntergekommen aus, war verlegen, konnte das Wort nicht finden.
Wunderst dich, daß ich komm, da ich so lang nicht dagewesen bin? Freut mich,
daß du jetzt da bist. Besser spät, als gar nicht. Der Hinrich wischte sich die
Stirn. Schweißperlen standen darauf. Weißt du noch nicht, was gestern passiert
ist auf dem Dorneckshof? Verspruch ist gewesen: die Fina . . . Dem Franz fiel
eine Zentnerlast von der Brust. Er streckte demi Freund die Hand entgegen: Mit
der Dirkiugs Fina hast du dich versprochen? Dazu gratulier ich: die paßt als
Bciurin ans den Dorneckshof.

Mir nicht, dn mußt dem Vater gratulieren, sagte der Hinrich, und seine
Stimme klang gepreßt: Der Alte hat sich verlobt. In sechs Wochen soll die Hoch¬
zeit sein.

Eine junge Frau auf dem Hofe, die nicht die deine ist? Und wenn nun
Kinder kommen, Hinrich? Wie ist das möglich, daß der Alte heiratet? Hat
mir doch kürzlich selbst gesagt, daß du heiraten müßtest, daß er sich zur Ruh
setzen wolle.

Die Rieka, sagte der Hinrich ganz leise, die Rieka, Franz. Weißt doch selbst,
daß ich mir nichts gemacht hab aus den Weibsleuten. Seit ich die Rieka gesehen
hab, bin ich wie verhext. Das Essen schmeckt mir nicht mehr, in der Nacht sind
ich keine Ruh. im Hanse leidets mich nicht. In die Krone muß ich gehn und
muß dasitzen und muß sie ansehen und find nicht Ruh noch Rast. Aufspringen
möcht ich von meinem Stuhl und sie an mich reißen und küssen, bis daß sie tot
wär, daß die andern sie nicht mehr ansehen könnten, die ganze Stube voll junger
Leut, die all die Rieka einsehen. Sie sagt fast kein Wort, aber ihre Augen, die
reden, Franz. Wenn ichs ihr sag, daß ich sie lieb hab, daß ich sie heiraten will,
da lacht sie: Wirklich, lieb hast mich, heiraten willst mich? Viel Ehr ists für mich.
Will mirs überlegen. Gestern hat sie mir gesagt: Wenn du deu Franz zu uns
bringst in die Spielstub, den Vermonts Franz, dann will ich dir sagen, ob ich
dich nehmen will. Nun bitt ich dich. Franz. um Gottes Barmherzigkeit willen bitt
ich dich, komm mit in die Krone für heut Abend, damit ich endlich Ruhe krieg und
erfahr, wie ich dran bin mit ihr.

Dein Vater heiratet wieder, du verlierst dein Erbe und willst um die Rieka
freien? Weißt du nicht, daß die Krone über und über verschuldet ist? Der
Hinrich hörte nicht darauf. Komm mit in die Krone, Franz, ich bitt dich, komm
mit. Bist doch der einzige ledige Bursch, der nicht da war, seitdem die Rieka
hinter dem Schenktisch sitzt.

Das war es, es wurmte sie, darum sollte er kommen, mußte er kommen.


Grenzboten II 1904 16
westfälische Geschichten

wie die Jungen. Wie ein Heiligenbild sitze sie hinter dem Schenktisch. Daß die
Männer alle ihretwegen verrückt seien, das sei nicht ihre Schuld. Sie mache sich
ans keinem etwas. Den Franz zog es wie mit Eisenketten in die Krone. Er
hätte sehen mögen, ob ein solches Wunder möglich sei. Die ehemals so wort¬
bereite kokette Rieka ein Heiligenbild? Ist nur Schein und Heuchelei, das stille
ehrbare Wesen, sagte die Mutter. Keiner kann herausfahren aus seiner Haut.

Seitdem der Hinrtch in die Krone ging, vermied er es, dem Franz zu be¬
gegnen. Sie waren ja Todfeinde, die in der Krone und die Clermontschen. Es
hätte die Rieka gegen ihn einnehmen können, wenn sie gesehen hätte, daß er mit
dem Franz Freundschaft hielt. Er hatte es dem Franz nicht sagen können, daß er
an die Rieka dachte. Der aber wußte es doch. Er hätte ja blöde sein müssen
und blind, wenn er nicht gewußt hätte, was sich die Weiber auf der Straße er¬
zählten: Der Dornecks Hinrich ist in die schwarze Rieka verliebt.

Er wäre der schlechteste nicht für sie, dachte der Franz und bäumte sich auf
gegen das Wehgefühl, das ihn packte bei diesem Gedanken. Was gings ihn an,
wen sie nahm, die Rieka? Tage, Wochen waren vergangen, und der Franz hatte
den Hinrich nicht gesprochen. Da, am Morgen nach dem Tage, wo der alte
Dorment sich rin der Firn verlobt hatte, trat der Hinrich zum Franz in die Stube.
Er sah heruntergekommen aus, war verlegen, konnte das Wort nicht finden.
Wunderst dich, daß ich komm, da ich so lang nicht dagewesen bin? Freut mich,
daß du jetzt da bist. Besser spät, als gar nicht. Der Hinrich wischte sich die
Stirn. Schweißperlen standen darauf. Weißt du noch nicht, was gestern passiert
ist auf dem Dorneckshof? Verspruch ist gewesen: die Fina . . . Dem Franz fiel
eine Zentnerlast von der Brust. Er streckte demi Freund die Hand entgegen: Mit
der Dirkiugs Fina hast du dich versprochen? Dazu gratulier ich: die paßt als
Bciurin ans den Dorneckshof.

Mir nicht, dn mußt dem Vater gratulieren, sagte der Hinrich, und seine
Stimme klang gepreßt: Der Alte hat sich verlobt. In sechs Wochen soll die Hoch¬
zeit sein.

Eine junge Frau auf dem Hofe, die nicht die deine ist? Und wenn nun
Kinder kommen, Hinrich? Wie ist das möglich, daß der Alte heiratet? Hat
mir doch kürzlich selbst gesagt, daß du heiraten müßtest, daß er sich zur Ruh
setzen wolle.

Die Rieka, sagte der Hinrich ganz leise, die Rieka, Franz. Weißt doch selbst,
daß ich mir nichts gemacht hab aus den Weibsleuten. Seit ich die Rieka gesehen
hab, bin ich wie verhext. Das Essen schmeckt mir nicht mehr, in der Nacht sind
ich keine Ruh. im Hanse leidets mich nicht. In die Krone muß ich gehn und
muß dasitzen und muß sie ansehen und find nicht Ruh noch Rast. Aufspringen
möcht ich von meinem Stuhl und sie an mich reißen und küssen, bis daß sie tot
wär, daß die andern sie nicht mehr ansehen könnten, die ganze Stube voll junger
Leut, die all die Rieka einsehen. Sie sagt fast kein Wort, aber ihre Augen, die
reden, Franz. Wenn ichs ihr sag, daß ich sie lieb hab, daß ich sie heiraten will,
da lacht sie: Wirklich, lieb hast mich, heiraten willst mich? Viel Ehr ists für mich.
Will mirs überlegen. Gestern hat sie mir gesagt: Wenn du deu Franz zu uns
bringst in die Spielstub, den Vermonts Franz, dann will ich dir sagen, ob ich
dich nehmen will. Nun bitt ich dich. Franz. um Gottes Barmherzigkeit willen bitt
ich dich, komm mit in die Krone für heut Abend, damit ich endlich Ruhe krieg und
erfahr, wie ich dran bin mit ihr.

Dein Vater heiratet wieder, du verlierst dein Erbe und willst um die Rieka
freien? Weißt du nicht, daß die Krone über und über verschuldet ist? Der
Hinrich hörte nicht darauf. Komm mit in die Krone, Franz, ich bitt dich, komm
mit. Bist doch der einzige ledige Bursch, der nicht da war, seitdem die Rieka
hinter dem Schenktisch sitzt.

Das war es, es wurmte sie, darum sollte er kommen, mußte er kommen.


Grenzboten II 1904 16
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[0125] westfälische Geschichten wie die Jungen. Wie ein Heiligenbild sitze sie hinter dem Schenktisch. Daß die Männer alle ihretwegen verrückt seien, das sei nicht ihre Schuld. Sie mache sich ans keinem etwas. Den Franz zog es wie mit Eisenketten in die Krone. Er hätte sehen mögen, ob ein solches Wunder möglich sei. Die ehemals so wort¬ bereite kokette Rieka ein Heiligenbild? Ist nur Schein und Heuchelei, das stille ehrbare Wesen, sagte die Mutter. Keiner kann herausfahren aus seiner Haut. Seitdem der Hinrtch in die Krone ging, vermied er es, dem Franz zu be¬ gegnen. Sie waren ja Todfeinde, die in der Krone und die Clermontschen. Es hätte die Rieka gegen ihn einnehmen können, wenn sie gesehen hätte, daß er mit dem Franz Freundschaft hielt. Er hatte es dem Franz nicht sagen können, daß er an die Rieka dachte. Der aber wußte es doch. Er hätte ja blöde sein müssen und blind, wenn er nicht gewußt hätte, was sich die Weiber auf der Straße er¬ zählten: Der Dornecks Hinrich ist in die schwarze Rieka verliebt. Er wäre der schlechteste nicht für sie, dachte der Franz und bäumte sich auf gegen das Wehgefühl, das ihn packte bei diesem Gedanken. Was gings ihn an, wen sie nahm, die Rieka? Tage, Wochen waren vergangen, und der Franz hatte den Hinrich nicht gesprochen. Da, am Morgen nach dem Tage, wo der alte Dorment sich rin der Firn verlobt hatte, trat der Hinrich zum Franz in die Stube. Er sah heruntergekommen aus, war verlegen, konnte das Wort nicht finden. Wunderst dich, daß ich komm, da ich so lang nicht dagewesen bin? Freut mich, daß du jetzt da bist. Besser spät, als gar nicht. Der Hinrich wischte sich die Stirn. Schweißperlen standen darauf. Weißt du noch nicht, was gestern passiert ist auf dem Dorneckshof? Verspruch ist gewesen: die Fina . . . Dem Franz fiel eine Zentnerlast von der Brust. Er streckte demi Freund die Hand entgegen: Mit der Dirkiugs Fina hast du dich versprochen? Dazu gratulier ich: die paßt als Bciurin ans den Dorneckshof. Mir nicht, dn mußt dem Vater gratulieren, sagte der Hinrich, und seine Stimme klang gepreßt: Der Alte hat sich verlobt. In sechs Wochen soll die Hoch¬ zeit sein. Eine junge Frau auf dem Hofe, die nicht die deine ist? Und wenn nun Kinder kommen, Hinrich? Wie ist das möglich, daß der Alte heiratet? Hat mir doch kürzlich selbst gesagt, daß du heiraten müßtest, daß er sich zur Ruh setzen wolle. Die Rieka, sagte der Hinrich ganz leise, die Rieka, Franz. Weißt doch selbst, daß ich mir nichts gemacht hab aus den Weibsleuten. Seit ich die Rieka gesehen hab, bin ich wie verhext. Das Essen schmeckt mir nicht mehr, in der Nacht sind ich keine Ruh. im Hanse leidets mich nicht. In die Krone muß ich gehn und muß dasitzen und muß sie ansehen und find nicht Ruh noch Rast. Aufspringen möcht ich von meinem Stuhl und sie an mich reißen und küssen, bis daß sie tot wär, daß die andern sie nicht mehr ansehen könnten, die ganze Stube voll junger Leut, die all die Rieka einsehen. Sie sagt fast kein Wort, aber ihre Augen, die reden, Franz. Wenn ichs ihr sag, daß ich sie lieb hab, daß ich sie heiraten will, da lacht sie: Wirklich, lieb hast mich, heiraten willst mich? Viel Ehr ists für mich. Will mirs überlegen. Gestern hat sie mir gesagt: Wenn du deu Franz zu uns bringst in die Spielstub, den Vermonts Franz, dann will ich dir sagen, ob ich dich nehmen will. Nun bitt ich dich. Franz. um Gottes Barmherzigkeit willen bitt ich dich, komm mit in die Krone für heut Abend, damit ich endlich Ruhe krieg und erfahr, wie ich dran bin mit ihr. Dein Vater heiratet wieder, du verlierst dein Erbe und willst um die Rieka freien? Weißt du nicht, daß die Krone über und über verschuldet ist? Der Hinrich hörte nicht darauf. Komm mit in die Krone, Franz, ich bitt dich, komm mit. Bist doch der einzige ledige Bursch, der nicht da war, seitdem die Rieka hinter dem Schenktisch sitzt. Das war es, es wurmte sie, darum sollte er kommen, mußte er kommen. Grenzboten II 1904 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/125>, abgerufen am 30.06.2024.