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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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westfälische Geschichten

gehn zu wollen, daran hatte er nicht einmal gedacht. Da saß sie hinter dem
Schenktisch auf ihrem hohen Stuhl und hatte die Augen zu Boden geschlagen, ganz
wie in der Kirche. Dem Kellner gab sie einen Wink; der stellte das Glas Bier
vor den Hinrich hin. Dann tat sie, als sähe sie den jungen Dorneckbauer nicht
mehr, ebensowenig wie alle die andern jungen Leute, die die Gaststube füllten bis
auf den letzten Platz. Da saß der Braunfels Karl, der Schürmcmns Jochen, der
Hamans Wilm. Da saßen sie in langen Reihen, die jungen Söhne aus den reichen
Bauernhäusern, und machten es alle, wie der Hinrich Dorment es machte. Da saßen
die feinen Herren ans der Stadt: die jungen Kaufleute und Gerichtsherren und
machten es alle wie der Hinrich Dorment: sie starrten die Nieka an.

Die trug ein schwarzes Kleid, das sich eng an ihre weichen, biegsamen Glieder
anlegte. Ihr schwarzes Haar umgab in wirrer Fülle deu feinen Kopf, das schmale
blasse Gesicht, in dem die tiefschwarzen Augen fast unheimlich glühten und stückelten,
wenn sie die Lider mit den langen schwarzen Wimpern aufschlug. Für gewöhnlich
hielt sie die Augen gesenkt und sah doch alles, was in der Gaststube vorging.
Ein Wink ihres Auges schickte deu Kellner, den sie genommen hatten, seitdem die
Rieka daheim war, dorthin, wo irgend ein Gast irgend etwas verlangte. Sie hatte
es dem Vater verweigert, die Gäste selbst zu bedienen. Sie führte die Aufsicht
und nahm das Geld ein, das der Kellner ihr bringen mußte. Wie einst auf dem
Spielplatz bei der Schule, so saß sie auch hier allein unter all deu Menschen. Der
Ausdruck des Stolzes, der Überlegenheit schien zu sagen: Macht mir alle den Hof,
bewundert mich, ich weiß, daß ichs wert bin, und daß ich mir nichts draus mache.
Wenn einer der jungen Männer an sie herantrat, mit ihr zu reden, hob sie kaum
die Lider; sie hatte kein Lächeln bereit, kein lautes Wort kam über ihre Lippen.
Ein Blitz ihres Auges, ein leises kurzes Wort, das aber immer den Kern traf,
das war alles. Sie wußte aus Erfahrung, daß das die beste Art sei, die Männer
an sich zu fesseln. Im Franziskaner der Universitätsstadt hatte sie die jungen
Studenten verrückt gemacht mit diesem Wesen. Einer hatte sich wegen der schwarzen
Rieka das Leben genommen, verschiedne andre hatten sich mit ihrer Familie über¬
warfen, weil sie die Kellnerin heiraten wollten. Der Franziskanerwirt hatte ihr
goldne Berge versprochen, wenn sie bleiben wollte. Der Haß, der mit ihr aufge¬
wachsen war, litt es nicht. In der Goldner Krone hatten sie schlecht gewirtschaftet
und saßen bis über die Ohren in Schulden. Was half es, daß der Clermontwirt
hinter dem Ofen hockte und fast kindisch geworden war? Der Clermonts Franz
hielt das Heft in Händen. Die Wirtschaft blühte mehr als je. Der Clermont¬
wirt war der Hauptgläubiger ihres Vaters, die schwarze Rieka wußte es. Der
Franz hatte auf Betreiben seiner Mutter die Schuldscheine aufgekauft. Jeden
Augenblick konnte er die Goldne Krone unter den Hammer bringen. Das dürfte
nicht sein. Sie, die Riekn, wollte das verhüten. Was den Eltern nicht gelungen
war, ihr mußte es gelingen: die Clermonts, der Franz mußten unter die Füße
gebracht werden. Darum kam sie heim, saß sie hinter dem Schenktisch in der
Gaststube der Bauern. Darum saß sie in dem Hinterstübchen, wo ihr Vater den
Spieltisch hielt. Stundenlang saß sie da auf dem Sofa, den Kopf in die Hand
gestützt. Die jungen Bauernsöhne ließen die blanken Taler über den Tisch rollen,
achteten nicht auf ihre Karten, auf den Gang des Spiels; sie sahen die schwarze
Rieka an. Die silbernen Taler fielen in die Tasche des Hera und seines alten
Freundes, des Clemens Lie. Goldne Tage waren für die Krone gekommen, und
das war gut. Es war die höchste Zeit gewesen. Hypothek über Hypothek war
auf das Grundstück aufgenommen worden. Die ordentlichen Leute hatten sich aus
der Gaststube des Hera zurückgezogen. Man wollte ihn auf falschem Spiel ertappt
haben. Zwar war es ihm nicht zu beweisen gewesen, der üble Eindruck aber blieb.
Als die schwarze Lotte begraben wurde, die nach kurzer Krankheit gestorben war,
gingen nur ein paar alte Weiber mit dem Begräbnis.

Der Clermouts Franz war nicht mitgegangen. Die Dora litt es nicht. Sieh


westfälische Geschichten

gehn zu wollen, daran hatte er nicht einmal gedacht. Da saß sie hinter dem
Schenktisch auf ihrem hohen Stuhl und hatte die Augen zu Boden geschlagen, ganz
wie in der Kirche. Dem Kellner gab sie einen Wink; der stellte das Glas Bier
vor den Hinrich hin. Dann tat sie, als sähe sie den jungen Dorneckbauer nicht
mehr, ebensowenig wie alle die andern jungen Leute, die die Gaststube füllten bis
auf den letzten Platz. Da saß der Braunfels Karl, der Schürmcmns Jochen, der
Hamans Wilm. Da saßen sie in langen Reihen, die jungen Söhne aus den reichen
Bauernhäusern, und machten es alle, wie der Hinrich Dorment es machte. Da saßen
die feinen Herren ans der Stadt: die jungen Kaufleute und Gerichtsherren und
machten es alle wie der Hinrich Dorment: sie starrten die Nieka an.

Die trug ein schwarzes Kleid, das sich eng an ihre weichen, biegsamen Glieder
anlegte. Ihr schwarzes Haar umgab in wirrer Fülle deu feinen Kopf, das schmale
blasse Gesicht, in dem die tiefschwarzen Augen fast unheimlich glühten und stückelten,
wenn sie die Lider mit den langen schwarzen Wimpern aufschlug. Für gewöhnlich
hielt sie die Augen gesenkt und sah doch alles, was in der Gaststube vorging.
Ein Wink ihres Auges schickte deu Kellner, den sie genommen hatten, seitdem die
Rieka daheim war, dorthin, wo irgend ein Gast irgend etwas verlangte. Sie hatte
es dem Vater verweigert, die Gäste selbst zu bedienen. Sie führte die Aufsicht
und nahm das Geld ein, das der Kellner ihr bringen mußte. Wie einst auf dem
Spielplatz bei der Schule, so saß sie auch hier allein unter all deu Menschen. Der
Ausdruck des Stolzes, der Überlegenheit schien zu sagen: Macht mir alle den Hof,
bewundert mich, ich weiß, daß ichs wert bin, und daß ich mir nichts draus mache.
Wenn einer der jungen Männer an sie herantrat, mit ihr zu reden, hob sie kaum
die Lider; sie hatte kein Lächeln bereit, kein lautes Wort kam über ihre Lippen.
Ein Blitz ihres Auges, ein leises kurzes Wort, das aber immer den Kern traf,
das war alles. Sie wußte aus Erfahrung, daß das die beste Art sei, die Männer
an sich zu fesseln. Im Franziskaner der Universitätsstadt hatte sie die jungen
Studenten verrückt gemacht mit diesem Wesen. Einer hatte sich wegen der schwarzen
Rieka das Leben genommen, verschiedne andre hatten sich mit ihrer Familie über¬
warfen, weil sie die Kellnerin heiraten wollten. Der Franziskanerwirt hatte ihr
goldne Berge versprochen, wenn sie bleiben wollte. Der Haß, der mit ihr aufge¬
wachsen war, litt es nicht. In der Goldner Krone hatten sie schlecht gewirtschaftet
und saßen bis über die Ohren in Schulden. Was half es, daß der Clermontwirt
hinter dem Ofen hockte und fast kindisch geworden war? Der Clermonts Franz
hielt das Heft in Händen. Die Wirtschaft blühte mehr als je. Der Clermont¬
wirt war der Hauptgläubiger ihres Vaters, die schwarze Rieka wußte es. Der
Franz hatte auf Betreiben seiner Mutter die Schuldscheine aufgekauft. Jeden
Augenblick konnte er die Goldne Krone unter den Hammer bringen. Das dürfte
nicht sein. Sie, die Riekn, wollte das verhüten. Was den Eltern nicht gelungen
war, ihr mußte es gelingen: die Clermonts, der Franz mußten unter die Füße
gebracht werden. Darum kam sie heim, saß sie hinter dem Schenktisch in der
Gaststube der Bauern. Darum saß sie in dem Hinterstübchen, wo ihr Vater den
Spieltisch hielt. Stundenlang saß sie da auf dem Sofa, den Kopf in die Hand
gestützt. Die jungen Bauernsöhne ließen die blanken Taler über den Tisch rollen,
achteten nicht auf ihre Karten, auf den Gang des Spiels; sie sahen die schwarze
Rieka an. Die silbernen Taler fielen in die Tasche des Hera und seines alten
Freundes, des Clemens Lie. Goldne Tage waren für die Krone gekommen, und
das war gut. Es war die höchste Zeit gewesen. Hypothek über Hypothek war
auf das Grundstück aufgenommen worden. Die ordentlichen Leute hatten sich aus
der Gaststube des Hera zurückgezogen. Man wollte ihn auf falschem Spiel ertappt
haben. Zwar war es ihm nicht zu beweisen gewesen, der üble Eindruck aber blieb.
Als die schwarze Lotte begraben wurde, die nach kurzer Krankheit gestorben war,
gingen nur ein paar alte Weiber mit dem Begräbnis.

Der Clermouts Franz war nicht mitgegangen. Die Dora litt es nicht. Sieh


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[0122] westfälische Geschichten gehn zu wollen, daran hatte er nicht einmal gedacht. Da saß sie hinter dem Schenktisch auf ihrem hohen Stuhl und hatte die Augen zu Boden geschlagen, ganz wie in der Kirche. Dem Kellner gab sie einen Wink; der stellte das Glas Bier vor den Hinrich hin. Dann tat sie, als sähe sie den jungen Dorneckbauer nicht mehr, ebensowenig wie alle die andern jungen Leute, die die Gaststube füllten bis auf den letzten Platz. Da saß der Braunfels Karl, der Schürmcmns Jochen, der Hamans Wilm. Da saßen sie in langen Reihen, die jungen Söhne aus den reichen Bauernhäusern, und machten es alle, wie der Hinrich Dorment es machte. Da saßen die feinen Herren ans der Stadt: die jungen Kaufleute und Gerichtsherren und machten es alle wie der Hinrich Dorment: sie starrten die Nieka an. Die trug ein schwarzes Kleid, das sich eng an ihre weichen, biegsamen Glieder anlegte. Ihr schwarzes Haar umgab in wirrer Fülle deu feinen Kopf, das schmale blasse Gesicht, in dem die tiefschwarzen Augen fast unheimlich glühten und stückelten, wenn sie die Lider mit den langen schwarzen Wimpern aufschlug. Für gewöhnlich hielt sie die Augen gesenkt und sah doch alles, was in der Gaststube vorging. Ein Wink ihres Auges schickte deu Kellner, den sie genommen hatten, seitdem die Rieka daheim war, dorthin, wo irgend ein Gast irgend etwas verlangte. Sie hatte es dem Vater verweigert, die Gäste selbst zu bedienen. Sie führte die Aufsicht und nahm das Geld ein, das der Kellner ihr bringen mußte. Wie einst auf dem Spielplatz bei der Schule, so saß sie auch hier allein unter all deu Menschen. Der Ausdruck des Stolzes, der Überlegenheit schien zu sagen: Macht mir alle den Hof, bewundert mich, ich weiß, daß ichs wert bin, und daß ich mir nichts draus mache. Wenn einer der jungen Männer an sie herantrat, mit ihr zu reden, hob sie kaum die Lider; sie hatte kein Lächeln bereit, kein lautes Wort kam über ihre Lippen. Ein Blitz ihres Auges, ein leises kurzes Wort, das aber immer den Kern traf, das war alles. Sie wußte aus Erfahrung, daß das die beste Art sei, die Männer an sich zu fesseln. Im Franziskaner der Universitätsstadt hatte sie die jungen Studenten verrückt gemacht mit diesem Wesen. Einer hatte sich wegen der schwarzen Rieka das Leben genommen, verschiedne andre hatten sich mit ihrer Familie über¬ warfen, weil sie die Kellnerin heiraten wollten. Der Franziskanerwirt hatte ihr goldne Berge versprochen, wenn sie bleiben wollte. Der Haß, der mit ihr aufge¬ wachsen war, litt es nicht. In der Goldner Krone hatten sie schlecht gewirtschaftet und saßen bis über die Ohren in Schulden. Was half es, daß der Clermontwirt hinter dem Ofen hockte und fast kindisch geworden war? Der Clermonts Franz hielt das Heft in Händen. Die Wirtschaft blühte mehr als je. Der Clermont¬ wirt war der Hauptgläubiger ihres Vaters, die schwarze Rieka wußte es. Der Franz hatte auf Betreiben seiner Mutter die Schuldscheine aufgekauft. Jeden Augenblick konnte er die Goldne Krone unter den Hammer bringen. Das dürfte nicht sein. Sie, die Riekn, wollte das verhüten. Was den Eltern nicht gelungen war, ihr mußte es gelingen: die Clermonts, der Franz mußten unter die Füße gebracht werden. Darum kam sie heim, saß sie hinter dem Schenktisch in der Gaststube der Bauern. Darum saß sie in dem Hinterstübchen, wo ihr Vater den Spieltisch hielt. Stundenlang saß sie da auf dem Sofa, den Kopf in die Hand gestützt. Die jungen Bauernsöhne ließen die blanken Taler über den Tisch rollen, achteten nicht auf ihre Karten, auf den Gang des Spiels; sie sahen die schwarze Rieka an. Die silbernen Taler fielen in die Tasche des Hera und seines alten Freundes, des Clemens Lie. Goldne Tage waren für die Krone gekommen, und das war gut. Es war die höchste Zeit gewesen. Hypothek über Hypothek war auf das Grundstück aufgenommen worden. Die ordentlichen Leute hatten sich aus der Gaststube des Hera zurückgezogen. Man wollte ihn auf falschem Spiel ertappt haben. Zwar war es ihm nicht zu beweisen gewesen, der üble Eindruck aber blieb. Als die schwarze Lotte begraben wurde, die nach kurzer Krankheit gestorben war, gingen nur ein paar alte Weiber mit dem Begräbnis. Der Clermouts Franz war nicht mitgegangen. Die Dora litt es nicht. Sieh

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/122>, abgerufen am 04.07.2024.