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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Erinnerungen aus der Kriegsgefangenschaft in den Jahren ^370 und ^87!^

zu Verfertiger, Nüsse zu vergolden, Zuckersachen und Lichte zu beschaffen und zurecht
zu machen. Am Abend vereinigte der schön geschmückte und im hellen Lichterglanze
strahlende Baum vierunddreißig Deutsche um sich; wir erfreuten uns an seinem
Anblick, und natürlich erschienen dabei auch die Familie des Wirts und das Personal.
Dann wurden kleine Geschenke verlost, Bowle getrunken, deutsche Weihnachtslieder
gesungen, und auf diese Weise verstrich der Abend in traulichem Verein. Doch weckte
der Weihnachtsbaum natürlich auch ganz besonders stark die schmerzlichen und weh¬
mütigen Gedanken an die Heimat, die Eltern und Geschwister, die Braut oder die
Gattin und Kinder, an die Kameraden im Felde. Wohl dankte jeder Gott, diesen
Abend zu verleben und zu feiern, aber viel lieber wäre doch jeder von uns bei
seinem Truppenteile gewesen und hätte auf einer Feldwache oder in einem kalten
Biwak Weihnachten verbracht. In ähnlicher Weise wurde der Silvesterabend in
kleinen oder größern Kreisen gefeiert, doch fehlte hier mit dem schönen Baume auch
der äußere Anreiz zur Freude, und so war wohl in allen Gruppen die Stimmung
sehr gedrückt, der Rückblick auf das verflossene Jahr trübe, der Ausblick in die
Zukunft fast hoffnungslos.

Zweimal hatten wir auch die traurige Pflicht, einen unsrer Schicksalsgenossen
zu Grabe zu geleiten. Im Januar starb ein Schiffskapitän, an dessen Beerdigung
wir natürlich sämtlich teilnahmen, auch die, die den Entschlafnen gar nicht gekannt
hatten; ein bayrischer Offizier hielt am Grabe eine Ansprache. Als bald nachher
ein gefangner Dragonerleutnant einem schweren Typhusanfall erlag, wurde von uns
dafür gesorgt, daß seine Bestattung mit den nach französischem Brauch für einen
Leutnant üblichen militärischen Ehren erfolgte (in Le Puy lag das Depotbataillon
eines Infanterieregiments), und auf gemeinsame Kosten ließen wir den protestantischen
Geistlichen aus Se. Etienne kommen, der am Grabe die Leichenrede hielt und die
in der reformierten Kirche gebräuchlichen Ritualien verrichtete. Zur Charakterisierung
der Bewohner von Le Puy will ich hinzufügen, daß sich natürlich eine große
Menschenmenge den Leichenzug anschaute und der Bestattung beiwohnte, daß sie sich
dabei aber immer höchst angemessen und würdig benahmen und weder gegen uns
Prussiens noch gegen den ihnen unbekannten und unsympathischen reformierten Ritus
irgendwie demonstrierten. Und man muß doch bedenken, daß die streng katholischen
Bewohner des Innern Frankreichs uus Protestanten kaum noch für Christen halten;
mir wenigstens sagte einstmals eine Bürgersfrau in Le Puy, mit der ich mich aus
Anlaß der Statue der Not,rs äg,ins as Kranes über die Verehrung der Mutter
Maria unterhielt, auf meine Äußerung, daß wir die Maria wohl ehrten als die
Mutter Jesu, aber nicht zu ihr beteten, kurz und bestimmt: ^lors vous n'ßtss xg."
cQl'vtlövs!

Am 29. Januar begegneten einige von uns dem erwähnten Kapitän der
Gendarmerie, der sich beeilte, uns zu erzählen, daß die amtliche Nachricht von dem
Abschluß des Waffenstillstandes eingetroffen sei. Da erwachte natürlich in uns allen
die Hoffnung, daß nun unsre Gefangenschaft bald ein Ende haben werde. Nach
wenig Tagen brachten die Zeitungen die Bedingungen des Waffenstillstandes, zu
denen ja auch die Auswechslung der gefangnen deutschen Offiziere und Soldaten
gegen ebensoviele Franzosen gehörte. Aber unsre Hoffnung ging nicht so bald in
Erfüllung, unsre Geduld wurde noch auf eine sehr lange und harte Probe gestellt,
von Tag zu Tag wurde der Befehl erwartet, daß wir abreisen und der deutschen
Behörde übergeben werden sollten, doch er kam nicht. Ja, als am 19. Februar
der Befehl eintraf, daß die Kapitäne und Steuerleute abreisen sollten, fühlten wir
Offiziere uns sehr enttäuscht und niedergeschlagen, und es verbreitete sich auch das
Gerücht, auf Gambettas Befehl sollten wir nach Korsika oder gar nach Algier geschafft
werden, um als Pfand zu dienen. Dazu kam es nun freilich nicht, aber warten
mußten wir noch weiter. Etwas erleichtert wurde das allerdings durch das Pracht¬
volle Jrühliugswetter, das uns oft hinauslockte in die schöne und an interessanten
und lieblichen Punkten reiche Umgegend, hinauf auf den stellen LovKsr as 8t. Motivi


Erinnerungen aus der Kriegsgefangenschaft in den Jahren ^370 und ^87!^

zu Verfertiger, Nüsse zu vergolden, Zuckersachen und Lichte zu beschaffen und zurecht
zu machen. Am Abend vereinigte der schön geschmückte und im hellen Lichterglanze
strahlende Baum vierunddreißig Deutsche um sich; wir erfreuten uns an seinem
Anblick, und natürlich erschienen dabei auch die Familie des Wirts und das Personal.
Dann wurden kleine Geschenke verlost, Bowle getrunken, deutsche Weihnachtslieder
gesungen, und auf diese Weise verstrich der Abend in traulichem Verein. Doch weckte
der Weihnachtsbaum natürlich auch ganz besonders stark die schmerzlichen und weh¬
mütigen Gedanken an die Heimat, die Eltern und Geschwister, die Braut oder die
Gattin und Kinder, an die Kameraden im Felde. Wohl dankte jeder Gott, diesen
Abend zu verleben und zu feiern, aber viel lieber wäre doch jeder von uns bei
seinem Truppenteile gewesen und hätte auf einer Feldwache oder in einem kalten
Biwak Weihnachten verbracht. In ähnlicher Weise wurde der Silvesterabend in
kleinen oder größern Kreisen gefeiert, doch fehlte hier mit dem schönen Baume auch
der äußere Anreiz zur Freude, und so war wohl in allen Gruppen die Stimmung
sehr gedrückt, der Rückblick auf das verflossene Jahr trübe, der Ausblick in die
Zukunft fast hoffnungslos.

Zweimal hatten wir auch die traurige Pflicht, einen unsrer Schicksalsgenossen
zu Grabe zu geleiten. Im Januar starb ein Schiffskapitän, an dessen Beerdigung
wir natürlich sämtlich teilnahmen, auch die, die den Entschlafnen gar nicht gekannt
hatten; ein bayrischer Offizier hielt am Grabe eine Ansprache. Als bald nachher
ein gefangner Dragonerleutnant einem schweren Typhusanfall erlag, wurde von uns
dafür gesorgt, daß seine Bestattung mit den nach französischem Brauch für einen
Leutnant üblichen militärischen Ehren erfolgte (in Le Puy lag das Depotbataillon
eines Infanterieregiments), und auf gemeinsame Kosten ließen wir den protestantischen
Geistlichen aus Se. Etienne kommen, der am Grabe die Leichenrede hielt und die
in der reformierten Kirche gebräuchlichen Ritualien verrichtete. Zur Charakterisierung
der Bewohner von Le Puy will ich hinzufügen, daß sich natürlich eine große
Menschenmenge den Leichenzug anschaute und der Bestattung beiwohnte, daß sie sich
dabei aber immer höchst angemessen und würdig benahmen und weder gegen uns
Prussiens noch gegen den ihnen unbekannten und unsympathischen reformierten Ritus
irgendwie demonstrierten. Und man muß doch bedenken, daß die streng katholischen
Bewohner des Innern Frankreichs uus Protestanten kaum noch für Christen halten;
mir wenigstens sagte einstmals eine Bürgersfrau in Le Puy, mit der ich mich aus
Anlaß der Statue der Not,rs äg,ins as Kranes über die Verehrung der Mutter
Maria unterhielt, auf meine Äußerung, daß wir die Maria wohl ehrten als die
Mutter Jesu, aber nicht zu ihr beteten, kurz und bestimmt: ^lors vous n'ßtss xg.»
cQl'vtlövs!

Am 29. Januar begegneten einige von uns dem erwähnten Kapitän der
Gendarmerie, der sich beeilte, uns zu erzählen, daß die amtliche Nachricht von dem
Abschluß des Waffenstillstandes eingetroffen sei. Da erwachte natürlich in uns allen
die Hoffnung, daß nun unsre Gefangenschaft bald ein Ende haben werde. Nach
wenig Tagen brachten die Zeitungen die Bedingungen des Waffenstillstandes, zu
denen ja auch die Auswechslung der gefangnen deutschen Offiziere und Soldaten
gegen ebensoviele Franzosen gehörte. Aber unsre Hoffnung ging nicht so bald in
Erfüllung, unsre Geduld wurde noch auf eine sehr lange und harte Probe gestellt,
von Tag zu Tag wurde der Befehl erwartet, daß wir abreisen und der deutschen
Behörde übergeben werden sollten, doch er kam nicht. Ja, als am 19. Februar
der Befehl eintraf, daß die Kapitäne und Steuerleute abreisen sollten, fühlten wir
Offiziere uns sehr enttäuscht und niedergeschlagen, und es verbreitete sich auch das
Gerücht, auf Gambettas Befehl sollten wir nach Korsika oder gar nach Algier geschafft
werden, um als Pfand zu dienen. Dazu kam es nun freilich nicht, aber warten
mußten wir noch weiter. Etwas erleichtert wurde das allerdings durch das Pracht¬
volle Jrühliugswetter, das uns oft hinauslockte in die schöne und an interessanten
und lieblichen Punkten reiche Umgegend, hinauf auf den stellen LovKsr as 8t. Motivi


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[0792] Erinnerungen aus der Kriegsgefangenschaft in den Jahren ^370 und ^87!^ zu Verfertiger, Nüsse zu vergolden, Zuckersachen und Lichte zu beschaffen und zurecht zu machen. Am Abend vereinigte der schön geschmückte und im hellen Lichterglanze strahlende Baum vierunddreißig Deutsche um sich; wir erfreuten uns an seinem Anblick, und natürlich erschienen dabei auch die Familie des Wirts und das Personal. Dann wurden kleine Geschenke verlost, Bowle getrunken, deutsche Weihnachtslieder gesungen, und auf diese Weise verstrich der Abend in traulichem Verein. Doch weckte der Weihnachtsbaum natürlich auch ganz besonders stark die schmerzlichen und weh¬ mütigen Gedanken an die Heimat, die Eltern und Geschwister, die Braut oder die Gattin und Kinder, an die Kameraden im Felde. Wohl dankte jeder Gott, diesen Abend zu verleben und zu feiern, aber viel lieber wäre doch jeder von uns bei seinem Truppenteile gewesen und hätte auf einer Feldwache oder in einem kalten Biwak Weihnachten verbracht. In ähnlicher Weise wurde der Silvesterabend in kleinen oder größern Kreisen gefeiert, doch fehlte hier mit dem schönen Baume auch der äußere Anreiz zur Freude, und so war wohl in allen Gruppen die Stimmung sehr gedrückt, der Rückblick auf das verflossene Jahr trübe, der Ausblick in die Zukunft fast hoffnungslos. Zweimal hatten wir auch die traurige Pflicht, einen unsrer Schicksalsgenossen zu Grabe zu geleiten. Im Januar starb ein Schiffskapitän, an dessen Beerdigung wir natürlich sämtlich teilnahmen, auch die, die den Entschlafnen gar nicht gekannt hatten; ein bayrischer Offizier hielt am Grabe eine Ansprache. Als bald nachher ein gefangner Dragonerleutnant einem schweren Typhusanfall erlag, wurde von uns dafür gesorgt, daß seine Bestattung mit den nach französischem Brauch für einen Leutnant üblichen militärischen Ehren erfolgte (in Le Puy lag das Depotbataillon eines Infanterieregiments), und auf gemeinsame Kosten ließen wir den protestantischen Geistlichen aus Se. Etienne kommen, der am Grabe die Leichenrede hielt und die in der reformierten Kirche gebräuchlichen Ritualien verrichtete. Zur Charakterisierung der Bewohner von Le Puy will ich hinzufügen, daß sich natürlich eine große Menschenmenge den Leichenzug anschaute und der Bestattung beiwohnte, daß sie sich dabei aber immer höchst angemessen und würdig benahmen und weder gegen uns Prussiens noch gegen den ihnen unbekannten und unsympathischen reformierten Ritus irgendwie demonstrierten. Und man muß doch bedenken, daß die streng katholischen Bewohner des Innern Frankreichs uus Protestanten kaum noch für Christen halten; mir wenigstens sagte einstmals eine Bürgersfrau in Le Puy, mit der ich mich aus Anlaß der Statue der Not,rs äg,ins as Kranes über die Verehrung der Mutter Maria unterhielt, auf meine Äußerung, daß wir die Maria wohl ehrten als die Mutter Jesu, aber nicht zu ihr beteten, kurz und bestimmt: ^lors vous n'ßtss xg.» cQl'vtlövs! Am 29. Januar begegneten einige von uns dem erwähnten Kapitän der Gendarmerie, der sich beeilte, uns zu erzählen, daß die amtliche Nachricht von dem Abschluß des Waffenstillstandes eingetroffen sei. Da erwachte natürlich in uns allen die Hoffnung, daß nun unsre Gefangenschaft bald ein Ende haben werde. Nach wenig Tagen brachten die Zeitungen die Bedingungen des Waffenstillstandes, zu denen ja auch die Auswechslung der gefangnen deutschen Offiziere und Soldaten gegen ebensoviele Franzosen gehörte. Aber unsre Hoffnung ging nicht so bald in Erfüllung, unsre Geduld wurde noch auf eine sehr lange und harte Probe gestellt, von Tag zu Tag wurde der Befehl erwartet, daß wir abreisen und der deutschen Behörde übergeben werden sollten, doch er kam nicht. Ja, als am 19. Februar der Befehl eintraf, daß die Kapitäne und Steuerleute abreisen sollten, fühlten wir Offiziere uns sehr enttäuscht und niedergeschlagen, und es verbreitete sich auch das Gerücht, auf Gambettas Befehl sollten wir nach Korsika oder gar nach Algier geschafft werden, um als Pfand zu dienen. Dazu kam es nun freilich nicht, aber warten mußten wir noch weiter. Etwas erleichtert wurde das allerdings durch das Pracht¬ volle Jrühliugswetter, das uns oft hinauslockte in die schöne und an interessanten und lieblichen Punkten reiche Umgegend, hinauf auf den stellen LovKsr as 8t. Motivi

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/792>, abgerufen am 22.07.2024.