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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

fassungen, und nicht nur diese, von dem äußersten rechten Flügel der Protestantischen
Orthodoxie bis zum äußersten linken eines kirchlichen Radikalismus weit auseinander.
Dieser rechte Flügel steht dem Katholizismus, und politisch dem Zentrum, viel
näher als jenem linken Flügel der eignen Glaubensgemeinschaft. Aber diese Spal¬
tungen sind ebenso wie die zahlreichen politischen Parteibildungen unsers Bürger¬
tums in der Hauptsache Früchte eines langen Friedens, der Nährquelle der In¬
differenz und der Unzufriedenheit. Vor allen Dingen werden sich die protestantischen
Geistlichen aufmachen müssen und -- im besten Sinne des Worts -- "in das
Volk gehn." Proteste gegen die Aufhebung sind ja laut geworden, aber sie ent¬
behren des elementaren Nachdrucks, der zur Berücksichtigung zwingt und der Re¬
gierung gar keine Wahl läßt. Ob es dennoch durchaus notwendig war, den Para¬
graphen 2 trotz früherer Reichstagsbeschlüsse aufzuheben, darüber kann man ja
gewiß verschiedner Ansicht sein. Die Verantwortliche Neichsleitung hat geglaubt,
mit der Aufhebung das richtige zu tun, und hat sich dafür auf wiederholte positive
Zeugnisse der konservativen, freikonservativen und nationalliberalen Abgeordneten
von Bedeutung stützen können. Es ist richtig, daß diese Parteien nicht einheitlich
gestimmt haben, ein Teil blieb immer Gegner der Aufhebung. Aber sehr ge¬
mäßigt denkende Männer, namentlich unter den Nationalliberalen, auch in privaten
Kreisen, haben sich mit so großer Bestimmtheit für die Aufhebung ausgesprochen,
daß die Negierung, wenn sie nun einmal das Zentrum in dieser Frage zu be¬
friedigen wünschte, dies mit gutem Gewissen tuu konnte. Schwierigkeiten werden
sich ja in der Folge unzweifelhaft ergeben; bei Überschreitungen des Paragraphen 1
werden die Behörden oft nicht wissen, was sie zu tun haben. Sorgt das Zentrum
und sorgen die Bischöfe, deren einem ja ein ganz besondrer Anteil an der Um-
stimmung, die die Aufhebung ermöglichte, zugeschrieben wird, nicht dafür, daß die
Jesuiten in Zukunft jeden Konflikt mit dem Paragraphen 1 vermeiden, so können
daraus noch recht bedenkliche und für die wünschenswerte Beruhigung nichts
weniger als förderliche Folgen entstehn. Beruhige"!) wirkt es jedenfalls nicht, daß
Zentrumsredner und ZentrumSblätter schon heute auch die Aufhebung des Para¬
graphen 1 in sichre Aussicht stellen. Damit rufen sie das allgemeine Mißtrauen
wach und diskreditieren das Wohlwollen, das die Regierung nicht aus Vorliebe
für Zentrum oder Jesuiten, sondern in der Hoffnung auf eine verständige Haltung
des Zentrums gezeigt hat. Jetzt heißt es für den Protestantismus: Auf die
Schanzen! Es ist ja viel weniger die Aufhebung des Paragraphen 2 an sich, als
die beschleunigte und überraschende Art des Vorgehens, die einen so tiefen Ein¬
druck gemacht hat. Das ergab sich am deutlichsten daraus, daß die Debatte im
Abgeordnetenhause rein subjektiv verlief, ohne jedes objektive Eingehn in die
Sache selbst.

Der eigentliche Untergrund der Verstimmung, die in diesen Debatten nach
Ausdruck rang, war wohl viel weniger die Aufhebung des Paragraphen 2, als
vielmehr der Erlaß des Kultusministers wegen der marianischen Kongregationen,
dessen bedenkliche Tragweite sür unser Schulwesen auch in Berliner Regierungs¬
kreisen nicht verkannt wird, und schließlich auch noch die vom Bischof von Metz
so recht unnötig ausgeworfne Kirchhofsfrage. Der elsässische Unterstaatssekretär
Petri hat im Straßburger Landesausschuß das Vorgehn dieses von so hoher Gunst
getragnen Bischofs scharf getadelt und Remedur in Aussicht gestellt; der Staats¬
sekretär von Köller hat es aber in einer folgenden Sitzung für nützlich gehalten,
Herrn Petri nachdrücklich zu rektifizieren. Er hat sich damit in einen bedenklichen
Gegensatz zur Protestantischen Bevölkerung des Landes gestellt, in der sich Herr
Petri der höchste" Achtung und Sympathie erfreut. Alle diese gleichzeitigen Vor¬
gänge sind selbstverständlich nur zu sehr dazu angetan, die Aufhebung des Jesuiten¬
paragraphen in einem ungünstigern Lichte erscheinen zu lassen, als dies sonst vielleicht
der Fall gewesen wäre. Aber täuschen darf man sich in protestantischen Kreisen darüber
nicht, daß die unleugbar großen Fortschritte des Katholizismus in Deutschland, die


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fassungen, und nicht nur diese, von dem äußersten rechten Flügel der Protestantischen
Orthodoxie bis zum äußersten linken eines kirchlichen Radikalismus weit auseinander.
Dieser rechte Flügel steht dem Katholizismus, und politisch dem Zentrum, viel
näher als jenem linken Flügel der eignen Glaubensgemeinschaft. Aber diese Spal¬
tungen sind ebenso wie die zahlreichen politischen Parteibildungen unsers Bürger¬
tums in der Hauptsache Früchte eines langen Friedens, der Nährquelle der In¬
differenz und der Unzufriedenheit. Vor allen Dingen werden sich die protestantischen
Geistlichen aufmachen müssen und — im besten Sinne des Worts — „in das
Volk gehn." Proteste gegen die Aufhebung sind ja laut geworden, aber sie ent¬
behren des elementaren Nachdrucks, der zur Berücksichtigung zwingt und der Re¬
gierung gar keine Wahl läßt. Ob es dennoch durchaus notwendig war, den Para¬
graphen 2 trotz früherer Reichstagsbeschlüsse aufzuheben, darüber kann man ja
gewiß verschiedner Ansicht sein. Die Verantwortliche Neichsleitung hat geglaubt,
mit der Aufhebung das richtige zu tun, und hat sich dafür auf wiederholte positive
Zeugnisse der konservativen, freikonservativen und nationalliberalen Abgeordneten
von Bedeutung stützen können. Es ist richtig, daß diese Parteien nicht einheitlich
gestimmt haben, ein Teil blieb immer Gegner der Aufhebung. Aber sehr ge¬
mäßigt denkende Männer, namentlich unter den Nationalliberalen, auch in privaten
Kreisen, haben sich mit so großer Bestimmtheit für die Aufhebung ausgesprochen,
daß die Negierung, wenn sie nun einmal das Zentrum in dieser Frage zu be¬
friedigen wünschte, dies mit gutem Gewissen tuu konnte. Schwierigkeiten werden
sich ja in der Folge unzweifelhaft ergeben; bei Überschreitungen des Paragraphen 1
werden die Behörden oft nicht wissen, was sie zu tun haben. Sorgt das Zentrum
und sorgen die Bischöfe, deren einem ja ein ganz besondrer Anteil an der Um-
stimmung, die die Aufhebung ermöglichte, zugeschrieben wird, nicht dafür, daß die
Jesuiten in Zukunft jeden Konflikt mit dem Paragraphen 1 vermeiden, so können
daraus noch recht bedenkliche und für die wünschenswerte Beruhigung nichts
weniger als förderliche Folgen entstehn. Beruhige»!) wirkt es jedenfalls nicht, daß
Zentrumsredner und ZentrumSblätter schon heute auch die Aufhebung des Para¬
graphen 1 in sichre Aussicht stellen. Damit rufen sie das allgemeine Mißtrauen
wach und diskreditieren das Wohlwollen, das die Regierung nicht aus Vorliebe
für Zentrum oder Jesuiten, sondern in der Hoffnung auf eine verständige Haltung
des Zentrums gezeigt hat. Jetzt heißt es für den Protestantismus: Auf die
Schanzen! Es ist ja viel weniger die Aufhebung des Paragraphen 2 an sich, als
die beschleunigte und überraschende Art des Vorgehens, die einen so tiefen Ein¬
druck gemacht hat. Das ergab sich am deutlichsten daraus, daß die Debatte im
Abgeordnetenhause rein subjektiv verlief, ohne jedes objektive Eingehn in die
Sache selbst.

Der eigentliche Untergrund der Verstimmung, die in diesen Debatten nach
Ausdruck rang, war wohl viel weniger die Aufhebung des Paragraphen 2, als
vielmehr der Erlaß des Kultusministers wegen der marianischen Kongregationen,
dessen bedenkliche Tragweite sür unser Schulwesen auch in Berliner Regierungs¬
kreisen nicht verkannt wird, und schließlich auch noch die vom Bischof von Metz
so recht unnötig ausgeworfne Kirchhofsfrage. Der elsässische Unterstaatssekretär
Petri hat im Straßburger Landesausschuß das Vorgehn dieses von so hoher Gunst
getragnen Bischofs scharf getadelt und Remedur in Aussicht gestellt; der Staats¬
sekretär von Köller hat es aber in einer folgenden Sitzung für nützlich gehalten,
Herrn Petri nachdrücklich zu rektifizieren. Er hat sich damit in einen bedenklichen
Gegensatz zur Protestantischen Bevölkerung des Landes gestellt, in der sich Herr
Petri der höchste» Achtung und Sympathie erfreut. Alle diese gleichzeitigen Vor¬
gänge sind selbstverständlich nur zu sehr dazu angetan, die Aufhebung des Jesuiten¬
paragraphen in einem ungünstigern Lichte erscheinen zu lassen, als dies sonst vielleicht
der Fall gewesen wäre. Aber täuschen darf man sich in protestantischen Kreisen darüber
nicht, daß die unleugbar großen Fortschritte des Katholizismus in Deutschland, die


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[0751] Maßgebliches und Unmaßgebliches fassungen, und nicht nur diese, von dem äußersten rechten Flügel der Protestantischen Orthodoxie bis zum äußersten linken eines kirchlichen Radikalismus weit auseinander. Dieser rechte Flügel steht dem Katholizismus, und politisch dem Zentrum, viel näher als jenem linken Flügel der eignen Glaubensgemeinschaft. Aber diese Spal¬ tungen sind ebenso wie die zahlreichen politischen Parteibildungen unsers Bürger¬ tums in der Hauptsache Früchte eines langen Friedens, der Nährquelle der In¬ differenz und der Unzufriedenheit. Vor allen Dingen werden sich die protestantischen Geistlichen aufmachen müssen und — im besten Sinne des Worts — „in das Volk gehn." Proteste gegen die Aufhebung sind ja laut geworden, aber sie ent¬ behren des elementaren Nachdrucks, der zur Berücksichtigung zwingt und der Re¬ gierung gar keine Wahl läßt. Ob es dennoch durchaus notwendig war, den Para¬ graphen 2 trotz früherer Reichstagsbeschlüsse aufzuheben, darüber kann man ja gewiß verschiedner Ansicht sein. Die Verantwortliche Neichsleitung hat geglaubt, mit der Aufhebung das richtige zu tun, und hat sich dafür auf wiederholte positive Zeugnisse der konservativen, freikonservativen und nationalliberalen Abgeordneten von Bedeutung stützen können. Es ist richtig, daß diese Parteien nicht einheitlich gestimmt haben, ein Teil blieb immer Gegner der Aufhebung. Aber sehr ge¬ mäßigt denkende Männer, namentlich unter den Nationalliberalen, auch in privaten Kreisen, haben sich mit so großer Bestimmtheit für die Aufhebung ausgesprochen, daß die Negierung, wenn sie nun einmal das Zentrum in dieser Frage zu be¬ friedigen wünschte, dies mit gutem Gewissen tuu konnte. Schwierigkeiten werden sich ja in der Folge unzweifelhaft ergeben; bei Überschreitungen des Paragraphen 1 werden die Behörden oft nicht wissen, was sie zu tun haben. Sorgt das Zentrum und sorgen die Bischöfe, deren einem ja ein ganz besondrer Anteil an der Um- stimmung, die die Aufhebung ermöglichte, zugeschrieben wird, nicht dafür, daß die Jesuiten in Zukunft jeden Konflikt mit dem Paragraphen 1 vermeiden, so können daraus noch recht bedenkliche und für die wünschenswerte Beruhigung nichts weniger als förderliche Folgen entstehn. Beruhige»!) wirkt es jedenfalls nicht, daß Zentrumsredner und ZentrumSblätter schon heute auch die Aufhebung des Para¬ graphen 1 in sichre Aussicht stellen. Damit rufen sie das allgemeine Mißtrauen wach und diskreditieren das Wohlwollen, das die Regierung nicht aus Vorliebe für Zentrum oder Jesuiten, sondern in der Hoffnung auf eine verständige Haltung des Zentrums gezeigt hat. Jetzt heißt es für den Protestantismus: Auf die Schanzen! Es ist ja viel weniger die Aufhebung des Paragraphen 2 an sich, als die beschleunigte und überraschende Art des Vorgehens, die einen so tiefen Ein¬ druck gemacht hat. Das ergab sich am deutlichsten daraus, daß die Debatte im Abgeordnetenhause rein subjektiv verlief, ohne jedes objektive Eingehn in die Sache selbst. Der eigentliche Untergrund der Verstimmung, die in diesen Debatten nach Ausdruck rang, war wohl viel weniger die Aufhebung des Paragraphen 2, als vielmehr der Erlaß des Kultusministers wegen der marianischen Kongregationen, dessen bedenkliche Tragweite sür unser Schulwesen auch in Berliner Regierungs¬ kreisen nicht verkannt wird, und schließlich auch noch die vom Bischof von Metz so recht unnötig ausgeworfne Kirchhofsfrage. Der elsässische Unterstaatssekretär Petri hat im Straßburger Landesausschuß das Vorgehn dieses von so hoher Gunst getragnen Bischofs scharf getadelt und Remedur in Aussicht gestellt; der Staats¬ sekretär von Köller hat es aber in einer folgenden Sitzung für nützlich gehalten, Herrn Petri nachdrücklich zu rektifizieren. Er hat sich damit in einen bedenklichen Gegensatz zur Protestantischen Bevölkerung des Landes gestellt, in der sich Herr Petri der höchste» Achtung und Sympathie erfreut. Alle diese gleichzeitigen Vor¬ gänge sind selbstverständlich nur zu sehr dazu angetan, die Aufhebung des Jesuiten¬ paragraphen in einem ungünstigern Lichte erscheinen zu lassen, als dies sonst vielleicht der Fall gewesen wäre. Aber täuschen darf man sich in protestantischen Kreisen darüber nicht, daß die unleugbar großen Fortschritte des Katholizismus in Deutschland, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/751>, abgerufen am 03.07.2024.