Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.Die Alabunkerstraße Sie sollen nur an mich denken. Haben Sie mich verstanden? Ich bin Ihr Lesen Sie Ihre Sachen, und reden Sie nicht so närrisch! rief Melitta unge¬ In der letzten Zeit ließ sie sich nicht mehr alles von Klaus Fuchsius gefallen. Als sich Melitta von ihrem Dichter getrennt hatte, ging sie, wie es ihre Melitta empfand seine wachsende Gleichgiltigkeit, und in ihrem Herzen wurde Meine Zeit in Unruhe. Ja, die Unruhe war groß. Und die Hoffnung? Heute Plauderte Melitta eine ganze Stunde mit Alois, dann hörte sie die Als sie jetzt aber allein und unbeobachtet war, nahm ihr Gesicht einen düstern Was wollen Sie hier, Herr Fuchsius? Ich suche Sie, entgegnete er trotzig. Mich? Sie warf den Kopf in den Nacken. Das ist gegen die Verabredung. Am Vormittag schenke ich Ihnen schon über¬ Sie wollte an ihm vorübergehn, er aber stellte sich ihr in den Weg. Ich habe gehört, der Maler wäre einstmals Ihr Freund gewesen. Ist Lieber Herr Fuchsius -- Melitta nahm vorsichtig ihr Kleid in die Hand --, Klaus bog etwas zur Seite, sodaß sie an ihm vorübergehn konnte, dann aber Melitta, Sie lieben doch nur mich allein, nicht wahr? fragte er kläglich. Sie Die junge Frau blieb stehn und lächelte. Solche Worte berührten sie immer Wir wollen gute Freunde bleiben, Herr Fuchsius; aber, bitte, laufen Sie mir Die Alabunkerstraße Sie sollen nur an mich denken. Haben Sie mich verstanden? Ich bin Ihr Lesen Sie Ihre Sachen, und reden Sie nicht so närrisch! rief Melitta unge¬ In der letzten Zeit ließ sie sich nicht mehr alles von Klaus Fuchsius gefallen. Als sich Melitta von ihrem Dichter getrennt hatte, ging sie, wie es ihre Melitta empfand seine wachsende Gleichgiltigkeit, und in ihrem Herzen wurde Meine Zeit in Unruhe. Ja, die Unruhe war groß. Und die Hoffnung? Heute Plauderte Melitta eine ganze Stunde mit Alois, dann hörte sie die Als sie jetzt aber allein und unbeobachtet war, nahm ihr Gesicht einen düstern Was wollen Sie hier, Herr Fuchsius? Ich suche Sie, entgegnete er trotzig. Mich? Sie warf den Kopf in den Nacken. Das ist gegen die Verabredung. Am Vormittag schenke ich Ihnen schon über¬ Sie wollte an ihm vorübergehn, er aber stellte sich ihr in den Weg. Ich habe gehört, der Maler wäre einstmals Ihr Freund gewesen. Ist Lieber Herr Fuchsius — Melitta nahm vorsichtig ihr Kleid in die Hand —, Klaus bog etwas zur Seite, sodaß sie an ihm vorübergehn konnte, dann aber Melitta, Sie lieben doch nur mich allein, nicht wahr? fragte er kläglich. Sie Die junge Frau blieb stehn und lächelte. Solche Worte berührten sie immer Wir wollen gute Freunde bleiben, Herr Fuchsius; aber, bitte, laufen Sie mir <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0745" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293546"/> <fw type="header" place="top"> Die Alabunkerstraße</fw><lb/> <p xml:id="ID_4278"> Sie sollen nur an mich denken. Haben Sie mich verstanden? Ich bin Ihr<lb/> Herr! Ich, ganz allein!</p><lb/> <p xml:id="ID_4279"> Lesen Sie Ihre Sachen, und reden Sie nicht so närrisch! rief Melitta unge¬<lb/> duldig.</p><lb/> <p xml:id="ID_4280"> In der letzten Zeit ließ sie sich nicht mehr alles von Klaus Fuchsius gefallen.<lb/> Der herrische Ton schien Eindruck auf ihn zu machen. Er las nicht, aber er<lb/> sprach leise einige schwermütige, liebeglühende Verse, und Melitta hörte ihm träumend<lb/> Zu. Sie war oft weich und dachte dann an Liebe, an die Liebe, die nie vergehn<lb/> soll. Gab es solche Liebe?</p><lb/> <p xml:id="ID_4281"> Als sich Melitta von ihrem Dichter getrennt hatte, ging sie, wie es ihre<lb/> Gewohnheit war, ins Äbtissinnenhaus, ruhte ein wenig, legte ein andres Kleid an<lb/> und begab sich gleich nach dem frühen Mittagessen in die Kirche. Hier arbeitete<lb/> Alois Heinemann jetzt in der Sakristei, und um die Mittagszeit war er immer<lb/> allein. Der Verkehr der zwei Menschen hatte sich seltsam gestaltet. Der Maler<lb/> war so ruhig geworden, daß er sich selbst darüber wunderte. Er malte jetzt an<lb/> einem schlanken Engel, der Elsies kindliche Züge trug, und wenn er mit Melitta<lb/> sprach, und ihre Stimme sich schmeichelnd um ihn legte, dann sah er in die klaren<lb/> Augen des Engels, und der weiche Ton an seinem Ohr erschien ihm wie ein Klang<lb/> aus fremdem Lande — aus dem Lande der Leidenschaft und der Verzweiflung,<lb/> das ihm immer weiter in die Ferne und in die Vergessenheit glitt.</p><lb/> <p xml:id="ID_4282"> Melitta empfand seine wachsende Gleichgiltigkeit, und in ihrem Herzen wurde<lb/> es still und traurig. Aber sie ließ es sich nicht merken. Niemals plauderte sie<lb/> heiterer, als in der kleinen Sakristei, niemals lächelte sie strahlender. Nur wenn<lb/> ste ganz allein war, wenn sie im Äbtissinnengarten auf und nieder ging und auf<lb/> das Raunen der Büsche horchte, dann konnten ihre Züge einen müden Ausdruck<lb/> annehmen, dann konnte sie auf eine Bank sinken und stundenlang vor sich hinstarren<lb/> oder auf die funkelnden Buchstaben der Sonnenuhr schauen.</p><lb/> <p xml:id="ID_4283"> Meine Zeit in Unruhe. Ja, die Unruhe war groß. Und die Hoffnung?<lb/> Konnte sie sagen: Meine Hoffnung in Gott?</p><lb/> <p xml:id="ID_4284"> Heute Plauderte Melitta eine ganze Stunde mit Alois, dann hörte sie die<lb/> Arbeiter wiederkommen, stand auf und verließ die Kirche. Mit einem Scherzwort<lb/> auf den Lippen und einem Lächeln in den Augen. Wie Alois sie immer sah, und<lb/> wie sie von ihm gesehen werden wollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_4285"> Als sie jetzt aber allein und unbeobachtet war, nahm ihr Gesicht einen düstern<lb/> Ausdruck an. Mit gefalteter Stirn trat sie aus dem Kirchenportal und sah<lb/> Klaus Fuchsius vor sich stehn. Er schien sie erwartet zu haben, denn er ging<lb/> ihr einige Schritte entgegen; sie aber erstarrte plötzlich zu Eis.</p><lb/> <p xml:id="ID_4286"> Was wollen Sie hier, Herr Fuchsius?</p><lb/> <p xml:id="ID_4287"> Ich suche Sie, entgegnete er trotzig.</p><lb/> <p xml:id="ID_4288"> Mich? Sie warf den Kopf in den Nacken.</p><lb/> <p xml:id="ID_4289"> Das ist gegen die Verabredung. Am Vormittag schenke ich Ihnen schon über¬<lb/> genug Zeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_4290"> Sie wollte an ihm vorübergehn, er aber stellte sich ihr in den Weg.</p><lb/> <p xml:id="ID_4291"> Ich habe gehört, der Maler wäre einstmals Ihr Freund gewesen. Ist<lb/> das wahr?</p><lb/> <p xml:id="ID_4292"> Lieber Herr Fuchsius — Melitta nahm vorsichtig ihr Kleid in die Hand —,<lb/> d'ete, gehn Sie mir aus dem Wege. Sie belästigen mich.</p><lb/> <p xml:id="ID_4293"> Klaus bog etwas zur Seite, sodaß sie an ihm vorübergehn konnte, dann aber<lb/> folgte er ihr.</p><lb/> <p xml:id="ID_4294"> Melitta, Sie lieben doch nur mich allein, nicht wahr? fragte er kläglich. Sie<lb/> wissen doch, ich öffne Ihnen meine Seele, meine große einsame Seele.</p><lb/> <p xml:id="ID_4295"> Die junge Frau blieb stehn und lächelte. Solche Worte berührten sie immer<lb/> angenehm.</p><lb/> <p xml:id="ID_4296" next="#ID_4297"> Wir wollen gute Freunde bleiben, Herr Fuchsius; aber, bitte, laufen Sie mir</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0745]
Die Alabunkerstraße
Sie sollen nur an mich denken. Haben Sie mich verstanden? Ich bin Ihr
Herr! Ich, ganz allein!
Lesen Sie Ihre Sachen, und reden Sie nicht so närrisch! rief Melitta unge¬
duldig.
In der letzten Zeit ließ sie sich nicht mehr alles von Klaus Fuchsius gefallen.
Der herrische Ton schien Eindruck auf ihn zu machen. Er las nicht, aber er
sprach leise einige schwermütige, liebeglühende Verse, und Melitta hörte ihm träumend
Zu. Sie war oft weich und dachte dann an Liebe, an die Liebe, die nie vergehn
soll. Gab es solche Liebe?
Als sich Melitta von ihrem Dichter getrennt hatte, ging sie, wie es ihre
Gewohnheit war, ins Äbtissinnenhaus, ruhte ein wenig, legte ein andres Kleid an
und begab sich gleich nach dem frühen Mittagessen in die Kirche. Hier arbeitete
Alois Heinemann jetzt in der Sakristei, und um die Mittagszeit war er immer
allein. Der Verkehr der zwei Menschen hatte sich seltsam gestaltet. Der Maler
war so ruhig geworden, daß er sich selbst darüber wunderte. Er malte jetzt an
einem schlanken Engel, der Elsies kindliche Züge trug, und wenn er mit Melitta
sprach, und ihre Stimme sich schmeichelnd um ihn legte, dann sah er in die klaren
Augen des Engels, und der weiche Ton an seinem Ohr erschien ihm wie ein Klang
aus fremdem Lande — aus dem Lande der Leidenschaft und der Verzweiflung,
das ihm immer weiter in die Ferne und in die Vergessenheit glitt.
Melitta empfand seine wachsende Gleichgiltigkeit, und in ihrem Herzen wurde
es still und traurig. Aber sie ließ es sich nicht merken. Niemals plauderte sie
heiterer, als in der kleinen Sakristei, niemals lächelte sie strahlender. Nur wenn
ste ganz allein war, wenn sie im Äbtissinnengarten auf und nieder ging und auf
das Raunen der Büsche horchte, dann konnten ihre Züge einen müden Ausdruck
annehmen, dann konnte sie auf eine Bank sinken und stundenlang vor sich hinstarren
oder auf die funkelnden Buchstaben der Sonnenuhr schauen.
Meine Zeit in Unruhe. Ja, die Unruhe war groß. Und die Hoffnung?
Konnte sie sagen: Meine Hoffnung in Gott?
Heute Plauderte Melitta eine ganze Stunde mit Alois, dann hörte sie die
Arbeiter wiederkommen, stand auf und verließ die Kirche. Mit einem Scherzwort
auf den Lippen und einem Lächeln in den Augen. Wie Alois sie immer sah, und
wie sie von ihm gesehen werden wollte.
Als sie jetzt aber allein und unbeobachtet war, nahm ihr Gesicht einen düstern
Ausdruck an. Mit gefalteter Stirn trat sie aus dem Kirchenportal und sah
Klaus Fuchsius vor sich stehn. Er schien sie erwartet zu haben, denn er ging
ihr einige Schritte entgegen; sie aber erstarrte plötzlich zu Eis.
Was wollen Sie hier, Herr Fuchsius?
Ich suche Sie, entgegnete er trotzig.
Mich? Sie warf den Kopf in den Nacken.
Das ist gegen die Verabredung. Am Vormittag schenke ich Ihnen schon über¬
genug Zeit.
Sie wollte an ihm vorübergehn, er aber stellte sich ihr in den Weg.
Ich habe gehört, der Maler wäre einstmals Ihr Freund gewesen. Ist
das wahr?
Lieber Herr Fuchsius — Melitta nahm vorsichtig ihr Kleid in die Hand —,
d'ete, gehn Sie mir aus dem Wege. Sie belästigen mich.
Klaus bog etwas zur Seite, sodaß sie an ihm vorübergehn konnte, dann aber
folgte er ihr.
Melitta, Sie lieben doch nur mich allein, nicht wahr? fragte er kläglich. Sie
wissen doch, ich öffne Ihnen meine Seele, meine große einsame Seele.
Die junge Frau blieb stehn und lächelte. Solche Worte berührten sie immer
angenehm.
Wir wollen gute Freunde bleiben, Herr Fuchsius; aber, bitte, laufen Sie mir
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |