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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Der Tod des Herzogs von Lnghien

foppen. Talleyrand machte der kurbadischen Regierung den Vorwurf der Un¬
dankbarkeit und Zweideutigkeit und verlangte gebieterisch eine unverzügliche,
zufriedenstellende Erklärung, die den Wunsch enthalten müsse, daß der russischen
Note keine Folge gegeben werde. Dalberg äußerte voll Verzweiflung: Das
Messer sitzt uns an der Kehle! Es blieb nichts übrig, als sich dem Zwange
des Gewaltigen zu beugen. Am 27. Juni gab Edelsheim darum dem Grasen
Görtz die Ermächtigung, in der nächsten Sitzung eine Erklärung zu verlesen,
die in allen Stücken der französischen Forderung genügte. Dieser Auftrag wurde
am 2. Juli vollzogen. Um nun allen Schwierigkeiten und peinlichen Erörterungen
aus dem Wege zu gehn, fand man in Regensburg schließlich das schmachvolle
Mittel, noch vor Beginn der offiziellen Ferien, die erst Ende August anfingen,
schleunigst abzureisen. Damit war der traurige Fall Enghien vor dem Reis¬
tage endgiltig abgetan. Konnte die Ohnmacht und Erbärmlichkeit des Reiches
deutscher Nation vor aller Welt deutlicher dargetan werden?

Aber die Jammerseligkeit dieser Politik der namenlosen Schwäche rächte
sich an Deutschland bitter. Wie hätte Bonapartes Übermut nicht ins Unge¬
messene steigen sollen, da er sehen mußte, wie schlechte Hüter ihrer Rechte die
deutschen Fürsten waren! Ungestraft hatte er das badische Gebiet verletzt^ un¬
gestraft tat er dasselbe 1806 an Preußen, ungestraft behandelte er zwei ^ahre
später zu Erfurt das "Parkett von Königen" en w^tollo. Erst das Volt,
das gemißhandelte und geknechtete deutsche Volk, zahlte ihm. als es zum Be¬
wußtsein seiner Würde und Kraft gelangt war. seine Sünden heim.

Im Jahre 1816 - Bonaparte saß schou in seinem FZenkerker Se^Helena
Ueß Ludwig der Achtzehnte durch eine besondre Kommission nach dem Opfer
v°n 1804 Nachforschungen anstellen. Man fand alle seine Reste, der Schädel
?°r durch Kugeln ganz zertrümmert. Von den Kleidern fand man noch Über¬
bleibsel, die gleichfalls Kugelspuren auswiesen. Man fand d:e goldne K t.
den Ring, die Geldtasche mit dem Wappen der Condes. einen kleinen Schlüssel
und schließlich noch siebzig Dukaten und Gulden in Rollen, die ihm bei ver
Trennung in Straßburg noch der treue Jacques übergeben hatte. (Das Pro¬
tokoll der Kommission ist abgedruckt als Lxtrait, <w Nonitsur an 30 raars 1"to
bei Maquart: K^i-in as xmdliö x"r N. 1° ano 6e ^o.
Paris. 1823. S 53 u ff.) Die Reste des beklagenswerten Opfers bonapartischer
Rachsucht wurden am 21. Mai in einem Bleisarge mit allen seinem fürstlichen
Stande zukommenden Ehren in demselben Saale beigesetzt, wo er zum Tode
verurteilt worden war Der Saal wurde in eine Kapelle verwandelt, und dem
Gemordeten daselbst auch ein Denkmal errichtet. Hundert Jahre sind seit Mer
Mürznacht verflossen; die napoleonische Herrlichkeit ist versunken; andre, bessere
Zeiten sind gekommen, aber die Gegenwart soll mit teilmhmvollem Auge
hineinschauen in die Abgründe der Vergangenheit.




Der Tod des Herzogs von Lnghien

foppen. Talleyrand machte der kurbadischen Regierung den Vorwurf der Un¬
dankbarkeit und Zweideutigkeit und verlangte gebieterisch eine unverzügliche,
zufriedenstellende Erklärung, die den Wunsch enthalten müsse, daß der russischen
Note keine Folge gegeben werde. Dalberg äußerte voll Verzweiflung: Das
Messer sitzt uns an der Kehle! Es blieb nichts übrig, als sich dem Zwange
des Gewaltigen zu beugen. Am 27. Juni gab Edelsheim darum dem Grasen
Görtz die Ermächtigung, in der nächsten Sitzung eine Erklärung zu verlesen,
die in allen Stücken der französischen Forderung genügte. Dieser Auftrag wurde
am 2. Juli vollzogen. Um nun allen Schwierigkeiten und peinlichen Erörterungen
aus dem Wege zu gehn, fand man in Regensburg schließlich das schmachvolle
Mittel, noch vor Beginn der offiziellen Ferien, die erst Ende August anfingen,
schleunigst abzureisen. Damit war der traurige Fall Enghien vor dem Reis¬
tage endgiltig abgetan. Konnte die Ohnmacht und Erbärmlichkeit des Reiches
deutscher Nation vor aller Welt deutlicher dargetan werden?

Aber die Jammerseligkeit dieser Politik der namenlosen Schwäche rächte
sich an Deutschland bitter. Wie hätte Bonapartes Übermut nicht ins Unge¬
messene steigen sollen, da er sehen mußte, wie schlechte Hüter ihrer Rechte die
deutschen Fürsten waren! Ungestraft hatte er das badische Gebiet verletzt^ un¬
gestraft tat er dasselbe 1806 an Preußen, ungestraft behandelte er zwei ^ahre
später zu Erfurt das „Parkett von Königen" en w^tollo. Erst das Volt,
das gemißhandelte und geknechtete deutsche Volk, zahlte ihm. als es zum Be¬
wußtsein seiner Würde und Kraft gelangt war. seine Sünden heim.

Im Jahre 1816 - Bonaparte saß schou in seinem FZenkerker Se^Helena
Ueß Ludwig der Achtzehnte durch eine besondre Kommission nach dem Opfer
v°n 1804 Nachforschungen anstellen. Man fand alle seine Reste, der Schädel
?°r durch Kugeln ganz zertrümmert. Von den Kleidern fand man noch Über¬
bleibsel, die gleichfalls Kugelspuren auswiesen. Man fand d:e goldne K t.
den Ring, die Geldtasche mit dem Wappen der Condes. einen kleinen Schlüssel
und schließlich noch siebzig Dukaten und Gulden in Rollen, die ihm bei ver
Trennung in Straßburg noch der treue Jacques übergeben hatte. (Das Pro¬
tokoll der Kommission ist abgedruckt als Lxtrait, <w Nonitsur an 30 raars 1»to
bei Maquart: K^i-in as xmdliö x»r N. 1° ano 6e ^o.
Paris. 1823. S 53 u ff.) Die Reste des beklagenswerten Opfers bonapartischer
Rachsucht wurden am 21. Mai in einem Bleisarge mit allen seinem fürstlichen
Stande zukommenden Ehren in demselben Saale beigesetzt, wo er zum Tode
verurteilt worden war Der Saal wurde in eine Kapelle verwandelt, und dem
Gemordeten daselbst auch ein Denkmal errichtet. Hundert Jahre sind seit Mer
Mürznacht verflossen; die napoleonische Herrlichkeit ist versunken; andre, bessere
Zeiten sind gekommen, aber die Gegenwart soll mit teilmhmvollem Auge
hineinschauen in die Abgründe der Vergangenheit.




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[0665] Der Tod des Herzogs von Lnghien foppen. Talleyrand machte der kurbadischen Regierung den Vorwurf der Un¬ dankbarkeit und Zweideutigkeit und verlangte gebieterisch eine unverzügliche, zufriedenstellende Erklärung, die den Wunsch enthalten müsse, daß der russischen Note keine Folge gegeben werde. Dalberg äußerte voll Verzweiflung: Das Messer sitzt uns an der Kehle! Es blieb nichts übrig, als sich dem Zwange des Gewaltigen zu beugen. Am 27. Juni gab Edelsheim darum dem Grasen Görtz die Ermächtigung, in der nächsten Sitzung eine Erklärung zu verlesen, die in allen Stücken der französischen Forderung genügte. Dieser Auftrag wurde am 2. Juli vollzogen. Um nun allen Schwierigkeiten und peinlichen Erörterungen aus dem Wege zu gehn, fand man in Regensburg schließlich das schmachvolle Mittel, noch vor Beginn der offiziellen Ferien, die erst Ende August anfingen, schleunigst abzureisen. Damit war der traurige Fall Enghien vor dem Reis¬ tage endgiltig abgetan. Konnte die Ohnmacht und Erbärmlichkeit des Reiches deutscher Nation vor aller Welt deutlicher dargetan werden? Aber die Jammerseligkeit dieser Politik der namenlosen Schwäche rächte sich an Deutschland bitter. Wie hätte Bonapartes Übermut nicht ins Unge¬ messene steigen sollen, da er sehen mußte, wie schlechte Hüter ihrer Rechte die deutschen Fürsten waren! Ungestraft hatte er das badische Gebiet verletzt^ un¬ gestraft tat er dasselbe 1806 an Preußen, ungestraft behandelte er zwei ^ahre später zu Erfurt das „Parkett von Königen" en w^tollo. Erst das Volt, das gemißhandelte und geknechtete deutsche Volk, zahlte ihm. als es zum Be¬ wußtsein seiner Würde und Kraft gelangt war. seine Sünden heim. Im Jahre 1816 - Bonaparte saß schou in seinem FZenkerker Se^Helena Ueß Ludwig der Achtzehnte durch eine besondre Kommission nach dem Opfer v°n 1804 Nachforschungen anstellen. Man fand alle seine Reste, der Schädel ?°r durch Kugeln ganz zertrümmert. Von den Kleidern fand man noch Über¬ bleibsel, die gleichfalls Kugelspuren auswiesen. Man fand d:e goldne K t. den Ring, die Geldtasche mit dem Wappen der Condes. einen kleinen Schlüssel und schließlich noch siebzig Dukaten und Gulden in Rollen, die ihm bei ver Trennung in Straßburg noch der treue Jacques übergeben hatte. (Das Pro¬ tokoll der Kommission ist abgedruckt als Lxtrait, <w Nonitsur an 30 raars 1»to bei Maquart: K^i-in as xmdliö x»r N. 1° ano 6e ^o. Paris. 1823. S 53 u ff.) Die Reste des beklagenswerten Opfers bonapartischer Rachsucht wurden am 21. Mai in einem Bleisarge mit allen seinem fürstlichen Stande zukommenden Ehren in demselben Saale beigesetzt, wo er zum Tode verurteilt worden war Der Saal wurde in eine Kapelle verwandelt, und dem Gemordeten daselbst auch ein Denkmal errichtet. Hundert Jahre sind seit Mer Mürznacht verflossen; die napoleonische Herrlichkeit ist versunken; andre, bessere Zeiten sind gekommen, aber die Gegenwart soll mit teilmhmvollem Auge hineinschauen in die Abgründe der Vergangenheit.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/665>, abgerufen am 24.08.2024.