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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

zeitig ein englisch-französischer Krieg gegen Deutschland und ein englischer gegen
Frankreich, dabei ein fortgesetztes Schüren gegen Deutschland verbunden mit tiefen
Verbeugungen bor Rußland, die Brüskierung des so englandfreundlichen russischen
Botschafters von Benkendorf durch ein Blaubuch und zugleich ein Verbot an die
Singspielhallen, die Volksstimmung gegen Rußland und den Zaren zu montieren --
das alles sollte eigentlich den Schluß zulassen, daß die englische Politik sich an
einem Scheidewege befindet, aber über die weiter einzuschlagende Richtung im
unklaren ist. Wenigstens was Ostasien anbelangt. Dort einzugreifen hat Eng¬
land zunächst kein Interesse. Es könnte das auch nur zur See tun, und da fehlt
es an einem Kampsobjekt. Einstweilen hält ja die japanische Flotte die russische
im Schach. Mit Truppen in die Mandschurei zu gehn, dafür würde England
sich bestens bedanken, es hat an kostspieligen Vergnüge" dieser Art vollständig
genug. Die großen asiatischen Interessen Englands liegen vielmehr auf der Linie
vom Persischen Golf bis Tibet, dort handelt es sich um den direkten Schutz
Indiens und der Grenzländer. Während des südafrikanischen Krieges hat Kaiser
Nikolaus der Königin Viktoria bekanntlich das Versprechen gegeben, daß er die
Verlegenheiten Englands nicht ausnutzen "volle. Ob England jetzt bereit sein wird,
Reziprozität zu üben, oder ob es mit Beschleunigung alles daran setzen wird, durch
Besetzung vorgeschobner Positionen in Mittelasien und durch Etablierung einer
Hegemonie über Persien dem bisher so unaufhaltsamen russischen Eroberungsgange
Halt zu gebieten?

Auf dem eigentlichen Kriegstheater wird England ruhig zusehen, solange
Rußland dort keinen Verbündeten hat, oder bis die Chinesen etwa in den Krieg
eingreifen und dann ein neuer Aufstand gegen die Fremden in China die un¬
vermeidliche Folge sein wird. Dann würden freilich Situationen eintreten, die auch
uns nicht gleichgiltig lassen könnten. Bei jeder Gebietsverschiebung in Ostasien
infolge des Kriegs könnte England "zur Herstellung des Gleichgewichts" Kom¬
pensationen verlangen, wenn es sich nicht schon vorher vertraulich mit Rußland
darüber verständigt, und auch diese Kompensationen könnten unsre Interessen be¬
rühren. England leistet schon durch eine bloße Sympathie, fern von jedem aktiven
Beistande, Japan die wertvollste Hilfe, indem es den russischen Schiffen im Mittel¬
meer, am Suezkanal usw. die Kohlen versagt, und es so jedem russischen Geschwader,
das uicht eine Kohlenflotte mit sich führt, fast unmöglich macht, nach Ostasien zu
gelangen. Die trefflich redigierten Wochenübersichten der "Marine-Rundschau"
haben zwar ein Verzeichnis der Rußland zur Verfügung stehenden Kohlenstationen
gegeben, aber ob dort Kohlen in größerm Umfange zu erhalten sein werden?
Man erinnere sich, daß als Prinz Heinrich mit der "Deutschland" hinausging,
England an allen Häfen von Port Said bis Hongkong sämtliche Kohlenvorräte
ausgekauft hatte, und es nur dem energischen Zugreifen eines deutschen Konsuls zu
verdauten war, daß die deutschen Schiffe unterwegs noch Kohlen fanden. Unter
diesen Umständen ist es wenig wahrscheinlich, daß Rußland im Frühling seine
Ostseeflotte nach Ostasien senden oder gar einen Versuch mit der Flotte des Schwarzen
Meeres machen wird. Sogar wenn England seine Zustimmung gäbe, daß die letzt¬
genannte die Dardanellen passiere, würde Rußland im eignen Interesse diese Ge¬
schwader zuhause lassen, weil es England gegenüber wehrlos wäre, sobald es in
der Ostsee und auf dem Schwarzen Meere keine Flotte mehr hätte. Bedingung
für diese Entsendung wäre eine absolut korrekte Neutralität Englands und die
formelle Zusage, daß England gegen Rußland keinen Krieg führen werde. Aber
auch nach Überwindung all dieser Wenn und Aber käme immer noch das größte --
die Balkanfrage.

Die Absendung der Flotte des Schwarzen Meeres nach Ostasien käme einem Ver¬
zicht Rußlands auf seine aktive Beteiligung an der Lösung der Balkanwirren gleich
eine Rolle, in die kein russischer Kaiser willigen kann. Von dem Augenblick an wäre
Rußland mit seinen Balkaninteresfen England auf Gnade oder Ungnade ausgeliefert


Maßgebliches und Unmaßgebliches

zeitig ein englisch-französischer Krieg gegen Deutschland und ein englischer gegen
Frankreich, dabei ein fortgesetztes Schüren gegen Deutschland verbunden mit tiefen
Verbeugungen bor Rußland, die Brüskierung des so englandfreundlichen russischen
Botschafters von Benkendorf durch ein Blaubuch und zugleich ein Verbot an die
Singspielhallen, die Volksstimmung gegen Rußland und den Zaren zu montieren —
das alles sollte eigentlich den Schluß zulassen, daß die englische Politik sich an
einem Scheidewege befindet, aber über die weiter einzuschlagende Richtung im
unklaren ist. Wenigstens was Ostasien anbelangt. Dort einzugreifen hat Eng¬
land zunächst kein Interesse. Es könnte das auch nur zur See tun, und da fehlt
es an einem Kampsobjekt. Einstweilen hält ja die japanische Flotte die russische
im Schach. Mit Truppen in die Mandschurei zu gehn, dafür würde England
sich bestens bedanken, es hat an kostspieligen Vergnüge» dieser Art vollständig
genug. Die großen asiatischen Interessen Englands liegen vielmehr auf der Linie
vom Persischen Golf bis Tibet, dort handelt es sich um den direkten Schutz
Indiens und der Grenzländer. Während des südafrikanischen Krieges hat Kaiser
Nikolaus der Königin Viktoria bekanntlich das Versprechen gegeben, daß er die
Verlegenheiten Englands nicht ausnutzen »volle. Ob England jetzt bereit sein wird,
Reziprozität zu üben, oder ob es mit Beschleunigung alles daran setzen wird, durch
Besetzung vorgeschobner Positionen in Mittelasien und durch Etablierung einer
Hegemonie über Persien dem bisher so unaufhaltsamen russischen Eroberungsgange
Halt zu gebieten?

Auf dem eigentlichen Kriegstheater wird England ruhig zusehen, solange
Rußland dort keinen Verbündeten hat, oder bis die Chinesen etwa in den Krieg
eingreifen und dann ein neuer Aufstand gegen die Fremden in China die un¬
vermeidliche Folge sein wird. Dann würden freilich Situationen eintreten, die auch
uns nicht gleichgiltig lassen könnten. Bei jeder Gebietsverschiebung in Ostasien
infolge des Kriegs könnte England „zur Herstellung des Gleichgewichts" Kom¬
pensationen verlangen, wenn es sich nicht schon vorher vertraulich mit Rußland
darüber verständigt, und auch diese Kompensationen könnten unsre Interessen be¬
rühren. England leistet schon durch eine bloße Sympathie, fern von jedem aktiven
Beistande, Japan die wertvollste Hilfe, indem es den russischen Schiffen im Mittel¬
meer, am Suezkanal usw. die Kohlen versagt, und es so jedem russischen Geschwader,
das uicht eine Kohlenflotte mit sich führt, fast unmöglich macht, nach Ostasien zu
gelangen. Die trefflich redigierten Wochenübersichten der „Marine-Rundschau"
haben zwar ein Verzeichnis der Rußland zur Verfügung stehenden Kohlenstationen
gegeben, aber ob dort Kohlen in größerm Umfange zu erhalten sein werden?
Man erinnere sich, daß als Prinz Heinrich mit der „Deutschland" hinausging,
England an allen Häfen von Port Said bis Hongkong sämtliche Kohlenvorräte
ausgekauft hatte, und es nur dem energischen Zugreifen eines deutschen Konsuls zu
verdauten war, daß die deutschen Schiffe unterwegs noch Kohlen fanden. Unter
diesen Umständen ist es wenig wahrscheinlich, daß Rußland im Frühling seine
Ostseeflotte nach Ostasien senden oder gar einen Versuch mit der Flotte des Schwarzen
Meeres machen wird. Sogar wenn England seine Zustimmung gäbe, daß die letzt¬
genannte die Dardanellen passiere, würde Rußland im eignen Interesse diese Ge¬
schwader zuhause lassen, weil es England gegenüber wehrlos wäre, sobald es in
der Ostsee und auf dem Schwarzen Meere keine Flotte mehr hätte. Bedingung
für diese Entsendung wäre eine absolut korrekte Neutralität Englands und die
formelle Zusage, daß England gegen Rußland keinen Krieg führen werde. Aber
auch nach Überwindung all dieser Wenn und Aber käme immer noch das größte —
die Balkanfrage.

Die Absendung der Flotte des Schwarzen Meeres nach Ostasien käme einem Ver¬
zicht Rußlands auf seine aktive Beteiligung an der Lösung der Balkanwirren gleich
eine Rolle, in die kein russischer Kaiser willigen kann. Von dem Augenblick an wäre
Rußland mit seinen Balkaninteresfen England auf Gnade oder Ungnade ausgeliefert


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[0619] Maßgebliches und Unmaßgebliches zeitig ein englisch-französischer Krieg gegen Deutschland und ein englischer gegen Frankreich, dabei ein fortgesetztes Schüren gegen Deutschland verbunden mit tiefen Verbeugungen bor Rußland, die Brüskierung des so englandfreundlichen russischen Botschafters von Benkendorf durch ein Blaubuch und zugleich ein Verbot an die Singspielhallen, die Volksstimmung gegen Rußland und den Zaren zu montieren — das alles sollte eigentlich den Schluß zulassen, daß die englische Politik sich an einem Scheidewege befindet, aber über die weiter einzuschlagende Richtung im unklaren ist. Wenigstens was Ostasien anbelangt. Dort einzugreifen hat Eng¬ land zunächst kein Interesse. Es könnte das auch nur zur See tun, und da fehlt es an einem Kampsobjekt. Einstweilen hält ja die japanische Flotte die russische im Schach. Mit Truppen in die Mandschurei zu gehn, dafür würde England sich bestens bedanken, es hat an kostspieligen Vergnüge» dieser Art vollständig genug. Die großen asiatischen Interessen Englands liegen vielmehr auf der Linie vom Persischen Golf bis Tibet, dort handelt es sich um den direkten Schutz Indiens und der Grenzländer. Während des südafrikanischen Krieges hat Kaiser Nikolaus der Königin Viktoria bekanntlich das Versprechen gegeben, daß er die Verlegenheiten Englands nicht ausnutzen »volle. Ob England jetzt bereit sein wird, Reziprozität zu üben, oder ob es mit Beschleunigung alles daran setzen wird, durch Besetzung vorgeschobner Positionen in Mittelasien und durch Etablierung einer Hegemonie über Persien dem bisher so unaufhaltsamen russischen Eroberungsgange Halt zu gebieten? Auf dem eigentlichen Kriegstheater wird England ruhig zusehen, solange Rußland dort keinen Verbündeten hat, oder bis die Chinesen etwa in den Krieg eingreifen und dann ein neuer Aufstand gegen die Fremden in China die un¬ vermeidliche Folge sein wird. Dann würden freilich Situationen eintreten, die auch uns nicht gleichgiltig lassen könnten. Bei jeder Gebietsverschiebung in Ostasien infolge des Kriegs könnte England „zur Herstellung des Gleichgewichts" Kom¬ pensationen verlangen, wenn es sich nicht schon vorher vertraulich mit Rußland darüber verständigt, und auch diese Kompensationen könnten unsre Interessen be¬ rühren. England leistet schon durch eine bloße Sympathie, fern von jedem aktiven Beistande, Japan die wertvollste Hilfe, indem es den russischen Schiffen im Mittel¬ meer, am Suezkanal usw. die Kohlen versagt, und es so jedem russischen Geschwader, das uicht eine Kohlenflotte mit sich führt, fast unmöglich macht, nach Ostasien zu gelangen. Die trefflich redigierten Wochenübersichten der „Marine-Rundschau" haben zwar ein Verzeichnis der Rußland zur Verfügung stehenden Kohlenstationen gegeben, aber ob dort Kohlen in größerm Umfange zu erhalten sein werden? Man erinnere sich, daß als Prinz Heinrich mit der „Deutschland" hinausging, England an allen Häfen von Port Said bis Hongkong sämtliche Kohlenvorräte ausgekauft hatte, und es nur dem energischen Zugreifen eines deutschen Konsuls zu verdauten war, daß die deutschen Schiffe unterwegs noch Kohlen fanden. Unter diesen Umständen ist es wenig wahrscheinlich, daß Rußland im Frühling seine Ostseeflotte nach Ostasien senden oder gar einen Versuch mit der Flotte des Schwarzen Meeres machen wird. Sogar wenn England seine Zustimmung gäbe, daß die letzt¬ genannte die Dardanellen passiere, würde Rußland im eignen Interesse diese Ge¬ schwader zuhause lassen, weil es England gegenüber wehrlos wäre, sobald es in der Ostsee und auf dem Schwarzen Meere keine Flotte mehr hätte. Bedingung für diese Entsendung wäre eine absolut korrekte Neutralität Englands und die formelle Zusage, daß England gegen Rußland keinen Krieg führen werde. Aber auch nach Überwindung all dieser Wenn und Aber käme immer noch das größte — die Balkanfrage. Die Absendung der Flotte des Schwarzen Meeres nach Ostasien käme einem Ver¬ zicht Rußlands auf seine aktive Beteiligung an der Lösung der Balkanwirren gleich eine Rolle, in die kein russischer Kaiser willigen kann. Von dem Augenblick an wäre Rußland mit seinen Balkaninteresfen England auf Gnade oder Ungnade ausgeliefert

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/619>, abgerufen am 22.07.2024.