Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

angenehmer und gefahrloser als durch das Kattegat und das Skagerrak geht.
Aber bei der Niesenentfernung, die russische Kriegsschiffe auf dem Wege von Kron¬
stäbe bis Port Arthur zurückzulegen haben, mit so dielen Aufenthalten unterwegs,
fallen diese 24 Stunden wenig in das Gewicht und wiegen jedenfalls den Nach¬
teil nicht auf, der für Rußland entstünde, wenn Deutschland daraufhin einer gegen
Rußland in die Ostsee eindringenden feindlichen Flotte den Kanal ebenfalls öffnen
müßte. Für eine eindringende feindliche Flotte würde von der Nordsee bis Kron¬
stäbe die Ersparnis wesentlich größer sein und für den operativen Zweck ganz anders
in das Gewicht fallen. Der Krieg ist erst in seinen Anfängen; heute ist es jeden¬
falls unübersehbar, welche Dimensionen er annehmen, welche Staaten er noch in
Mitleidenschaft ziehn wird. Bei allem Wohlwollen für Nußland wird Deutschland
dieser Macht doch jedenfalls einen großem Dienst leisten, wenn es den russischen
Schiffen den Durchzug versagt, damit es ihn gegebnenfalls auch andern fremden
Flotten versagen kann, als wenn es heute einige russische Schiffe passieren ließe,
und daraufhin vielleicht im Laufe des Jahres irgend eine Flotte gegen Rußland
passieren lassen müßte. So viel bekannt ist, hat aber Rußland bis jetzt einen
solchen Antrag gar nicht gestellt, Deutschland hat ihn deshalb auch nicht abzulehnen
brauchen. Einstweilen ist der Kronstadter Hafen auch Wohl noch zugefroren.

Es knüpft sich daran die weitere Frage, ob Deutschland imstande sein würde,
auch die Erzwingung einer Durchfahrt einer mächtigen Flotte zu verhindern. Bezüglich
der Ostseite bejaht sich diese Frage ohne weiteres, denn keine feindliche Flotte dürfte
geneigt sein, die Einfahrt in den Kieler Hafen zu erzwingen, wenigstens würde
nicht viel übrig bleiben, das nachher noch durch den Kanal fahren könnte. Was
die Einfahrt von der Westseite, von Brunsbüttel her, anbelangt, so ist auch dort
dafür gesorgt, daß sich jede feindliche Flotte die Sache lieber zweimal überlegen
wird, zumal da sie ja schließlich in den Kieler Hafen wie in einen Sack hineinkäme.
Der Kanal kann zu Kriegszwecken allein für Deutschland und seine Verbündeten
in Betracht kommen. Hoffen wir, daß das auf absehbare Zeit nicht der Fall sein,
und Deutschland namentlich von jeder Berührung mit den jetzigen Verwicklungen
frei bleiben werde. Mit einer Anweisung auf eine im Jahre 1920 fertig werdende
Flotte, die dann halb so stark sein wird, als sie nach Lage der Dinge sein müßte,
können wir uns in Händel, die zur See ausgefochten werden, nicht mischen. Viel
wäre schon gewonnen, wenn wir die Bauzeit für unsre Linienschiffe auf 28 Monate
herabsetzten; die deutschen Werften könnten es sehr wohl leisten. Aber bei einem
Reichstage, dessen Mitglieder fähig sind, wie die Abgeordneten Payer und Müller
(Fulda). in der Sitzung der Budgetkommission vom 19. dieses Monats, die Frage
auszuwerfen, was wir überhaupt in Ostasien zu tun haben, wird es uns mit der
Flotte ergehn wie der Stadt Schilda bei ihrem berühmten Rathcmsbau. Zu der
Einsicht, daß die Kosten einer starken Flotte für Deutschland nur die Prämie der
Versicherung gegen Feuersgefahr darstellen, können sich unsre kurzsichtigen Parlaments-
politiker noch immer nicht aufschwingen. Einem siegreichen Feinde würde man freilich
mit größter Beschleunigung das Vielfache von dem zahlen und zahlen müssen, was
man heute dem eignen Baterlande versagt, obwohl der weitaus größte Teil dieser
Flottenkosten in die Hände deutscher Arbeiter fließt.

In den Betrachtungen über die sogenannte "Kunstdebatte" im Reichstage
haben einige Blätter Verwunderung darüber zu erkennen gegeben, daß der Reichs¬
kanzler diesen Erörterungen fern geblieben ist. Nach unsrer Ansicht hatte er gar
keine Veranlassung, sich daran zu beteiligen. Die Ansprache des Kaisers an die
Berliner Künstler, um die sich die Debatte zum nicht geringen Teile gedreht hat,
hat in Gegenwart des preußischen Kultusministers stattgefunden, und wenn für
solche Meinungsäußerungen des Monarchen überhaupt eine ministerielle Verant¬
wortlichkeit zu statuieren ist. so fällt sie dem Kultusminister zu. Man redet zwar
vou einer "deutschen" Kunst, aber diese Kunst ist nicht Reichssache, sondern ihre
Pflege geht die Einzelstaaten an. Der Anlaß, aus dem der Kaiser, in diesem Falle


Maßgebliches und Unmaßgebliches

angenehmer und gefahrloser als durch das Kattegat und das Skagerrak geht.
Aber bei der Niesenentfernung, die russische Kriegsschiffe auf dem Wege von Kron¬
stäbe bis Port Arthur zurückzulegen haben, mit so dielen Aufenthalten unterwegs,
fallen diese 24 Stunden wenig in das Gewicht und wiegen jedenfalls den Nach¬
teil nicht auf, der für Rußland entstünde, wenn Deutschland daraufhin einer gegen
Rußland in die Ostsee eindringenden feindlichen Flotte den Kanal ebenfalls öffnen
müßte. Für eine eindringende feindliche Flotte würde von der Nordsee bis Kron¬
stäbe die Ersparnis wesentlich größer sein und für den operativen Zweck ganz anders
in das Gewicht fallen. Der Krieg ist erst in seinen Anfängen; heute ist es jeden¬
falls unübersehbar, welche Dimensionen er annehmen, welche Staaten er noch in
Mitleidenschaft ziehn wird. Bei allem Wohlwollen für Nußland wird Deutschland
dieser Macht doch jedenfalls einen großem Dienst leisten, wenn es den russischen
Schiffen den Durchzug versagt, damit es ihn gegebnenfalls auch andern fremden
Flotten versagen kann, als wenn es heute einige russische Schiffe passieren ließe,
und daraufhin vielleicht im Laufe des Jahres irgend eine Flotte gegen Rußland
passieren lassen müßte. So viel bekannt ist, hat aber Rußland bis jetzt einen
solchen Antrag gar nicht gestellt, Deutschland hat ihn deshalb auch nicht abzulehnen
brauchen. Einstweilen ist der Kronstadter Hafen auch Wohl noch zugefroren.

Es knüpft sich daran die weitere Frage, ob Deutschland imstande sein würde,
auch die Erzwingung einer Durchfahrt einer mächtigen Flotte zu verhindern. Bezüglich
der Ostseite bejaht sich diese Frage ohne weiteres, denn keine feindliche Flotte dürfte
geneigt sein, die Einfahrt in den Kieler Hafen zu erzwingen, wenigstens würde
nicht viel übrig bleiben, das nachher noch durch den Kanal fahren könnte. Was
die Einfahrt von der Westseite, von Brunsbüttel her, anbelangt, so ist auch dort
dafür gesorgt, daß sich jede feindliche Flotte die Sache lieber zweimal überlegen
wird, zumal da sie ja schließlich in den Kieler Hafen wie in einen Sack hineinkäme.
Der Kanal kann zu Kriegszwecken allein für Deutschland und seine Verbündeten
in Betracht kommen. Hoffen wir, daß das auf absehbare Zeit nicht der Fall sein,
und Deutschland namentlich von jeder Berührung mit den jetzigen Verwicklungen
frei bleiben werde. Mit einer Anweisung auf eine im Jahre 1920 fertig werdende
Flotte, die dann halb so stark sein wird, als sie nach Lage der Dinge sein müßte,
können wir uns in Händel, die zur See ausgefochten werden, nicht mischen. Viel
wäre schon gewonnen, wenn wir die Bauzeit für unsre Linienschiffe auf 28 Monate
herabsetzten; die deutschen Werften könnten es sehr wohl leisten. Aber bei einem
Reichstage, dessen Mitglieder fähig sind, wie die Abgeordneten Payer und Müller
(Fulda). in der Sitzung der Budgetkommission vom 19. dieses Monats, die Frage
auszuwerfen, was wir überhaupt in Ostasien zu tun haben, wird es uns mit der
Flotte ergehn wie der Stadt Schilda bei ihrem berühmten Rathcmsbau. Zu der
Einsicht, daß die Kosten einer starken Flotte für Deutschland nur die Prämie der
Versicherung gegen Feuersgefahr darstellen, können sich unsre kurzsichtigen Parlaments-
politiker noch immer nicht aufschwingen. Einem siegreichen Feinde würde man freilich
mit größter Beschleunigung das Vielfache von dem zahlen und zahlen müssen, was
man heute dem eignen Baterlande versagt, obwohl der weitaus größte Teil dieser
Flottenkosten in die Hände deutscher Arbeiter fließt.

In den Betrachtungen über die sogenannte „Kunstdebatte" im Reichstage
haben einige Blätter Verwunderung darüber zu erkennen gegeben, daß der Reichs¬
kanzler diesen Erörterungen fern geblieben ist. Nach unsrer Ansicht hatte er gar
keine Veranlassung, sich daran zu beteiligen. Die Ansprache des Kaisers an die
Berliner Künstler, um die sich die Debatte zum nicht geringen Teile gedreht hat,
hat in Gegenwart des preußischen Kultusministers stattgefunden, und wenn für
solche Meinungsäußerungen des Monarchen überhaupt eine ministerielle Verant¬
wortlichkeit zu statuieren ist. so fällt sie dem Kultusminister zu. Man redet zwar
vou einer „deutschen" Kunst, aber diese Kunst ist nicht Reichssache, sondern ihre
Pflege geht die Einzelstaaten an. Der Anlaß, aus dem der Kaiser, in diesem Falle


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0497" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293294"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2792" prev="#ID_2791"> angenehmer und gefahrloser als durch das Kattegat und das Skagerrak geht.<lb/>
Aber bei der Niesenentfernung, die russische Kriegsschiffe auf dem Wege von Kron¬<lb/>
stäbe bis Port Arthur zurückzulegen haben, mit so dielen Aufenthalten unterwegs,<lb/>
fallen diese 24 Stunden wenig in das Gewicht und wiegen jedenfalls den Nach¬<lb/>
teil nicht auf, der für Rußland entstünde, wenn Deutschland daraufhin einer gegen<lb/>
Rußland in die Ostsee eindringenden feindlichen Flotte den Kanal ebenfalls öffnen<lb/>
müßte. Für eine eindringende feindliche Flotte würde von der Nordsee bis Kron¬<lb/>
stäbe die Ersparnis wesentlich größer sein und für den operativen Zweck ganz anders<lb/>
in das Gewicht fallen. Der Krieg ist erst in seinen Anfängen; heute ist es jeden¬<lb/>
falls unübersehbar, welche Dimensionen er annehmen, welche Staaten er noch in<lb/>
Mitleidenschaft ziehn wird. Bei allem Wohlwollen für Nußland wird Deutschland<lb/>
dieser Macht doch jedenfalls einen großem Dienst leisten, wenn es den russischen<lb/>
Schiffen den Durchzug versagt, damit es ihn gegebnenfalls auch andern fremden<lb/>
Flotten versagen kann, als wenn es heute einige russische Schiffe passieren ließe,<lb/>
und daraufhin vielleicht im Laufe des Jahres irgend eine Flotte gegen Rußland<lb/>
passieren lassen müßte.  So viel bekannt ist, hat aber Rußland bis jetzt einen<lb/>
solchen Antrag gar nicht gestellt, Deutschland hat ihn deshalb auch nicht abzulehnen<lb/>
brauchen.  Einstweilen ist der Kronstadter Hafen auch Wohl noch zugefroren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2793"> Es knüpft sich daran die weitere Frage, ob Deutschland imstande sein würde,<lb/>
auch die Erzwingung einer Durchfahrt einer mächtigen Flotte zu verhindern. Bezüglich<lb/>
der Ostseite bejaht sich diese Frage ohne weiteres, denn keine feindliche Flotte dürfte<lb/>
geneigt sein, die Einfahrt in den Kieler Hafen zu erzwingen, wenigstens würde<lb/>
nicht viel übrig bleiben, das nachher noch durch den Kanal fahren könnte. Was<lb/>
die Einfahrt von der Westseite, von Brunsbüttel her, anbelangt, so ist auch dort<lb/>
dafür gesorgt, daß sich jede feindliche Flotte die Sache lieber zweimal überlegen<lb/>
wird, zumal da sie ja schließlich in den Kieler Hafen wie in einen Sack hineinkäme.<lb/>
Der Kanal kann zu Kriegszwecken allein für Deutschland und seine Verbündeten<lb/>
in Betracht kommen. Hoffen wir, daß das auf absehbare Zeit nicht der Fall sein,<lb/>
und Deutschland namentlich von jeder Berührung mit den jetzigen Verwicklungen<lb/>
frei bleiben werde. Mit einer Anweisung auf eine im Jahre 1920 fertig werdende<lb/>
Flotte, die dann halb so stark sein wird, als sie nach Lage der Dinge sein müßte,<lb/>
können wir uns in Händel, die zur See ausgefochten werden, nicht mischen. Viel<lb/>
wäre schon gewonnen, wenn wir die Bauzeit für unsre Linienschiffe auf 28 Monate<lb/>
herabsetzten; die deutschen Werften könnten es sehr wohl leisten.  Aber bei einem<lb/>
Reichstage, dessen Mitglieder fähig sind, wie die Abgeordneten Payer und Müller<lb/>
(Fulda). in der Sitzung der Budgetkommission vom 19. dieses Monats, die Frage<lb/>
auszuwerfen, was wir überhaupt in Ostasien zu tun haben, wird es uns mit der<lb/>
Flotte ergehn wie der Stadt Schilda bei ihrem berühmten Rathcmsbau.  Zu der<lb/>
Einsicht, daß die Kosten einer starken Flotte für Deutschland nur die Prämie der<lb/>
Versicherung gegen Feuersgefahr darstellen, können sich unsre kurzsichtigen Parlaments-<lb/>
politiker noch immer nicht aufschwingen. Einem siegreichen Feinde würde man freilich<lb/>
mit größter Beschleunigung das Vielfache von dem zahlen und zahlen müssen, was<lb/>
man heute dem eignen Baterlande versagt, obwohl der weitaus größte Teil dieser<lb/>
Flottenkosten in die Hände deutscher Arbeiter fließt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2794" next="#ID_2795"> In den Betrachtungen über die sogenannte &#x201E;Kunstdebatte" im Reichstage<lb/>
haben einige Blätter Verwunderung darüber zu erkennen gegeben, daß der Reichs¬<lb/>
kanzler diesen Erörterungen fern geblieben ist. Nach unsrer Ansicht hatte er gar<lb/>
keine Veranlassung, sich daran zu beteiligen. Die Ansprache des Kaisers an die<lb/>
Berliner Künstler, um die sich die Debatte zum nicht geringen Teile gedreht hat,<lb/>
hat in Gegenwart des preußischen Kultusministers stattgefunden, und wenn für<lb/>
solche Meinungsäußerungen des Monarchen überhaupt eine ministerielle Verant¬<lb/>
wortlichkeit zu statuieren ist. so fällt sie dem Kultusminister zu. Man redet zwar<lb/>
vou einer &#x201E;deutschen" Kunst, aber diese Kunst ist nicht Reichssache, sondern ihre<lb/>
Pflege geht die Einzelstaaten an. Der Anlaß, aus dem der Kaiser, in diesem Falle</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0497] Maßgebliches und Unmaßgebliches angenehmer und gefahrloser als durch das Kattegat und das Skagerrak geht. Aber bei der Niesenentfernung, die russische Kriegsschiffe auf dem Wege von Kron¬ stäbe bis Port Arthur zurückzulegen haben, mit so dielen Aufenthalten unterwegs, fallen diese 24 Stunden wenig in das Gewicht und wiegen jedenfalls den Nach¬ teil nicht auf, der für Rußland entstünde, wenn Deutschland daraufhin einer gegen Rußland in die Ostsee eindringenden feindlichen Flotte den Kanal ebenfalls öffnen müßte. Für eine eindringende feindliche Flotte würde von der Nordsee bis Kron¬ stäbe die Ersparnis wesentlich größer sein und für den operativen Zweck ganz anders in das Gewicht fallen. Der Krieg ist erst in seinen Anfängen; heute ist es jeden¬ falls unübersehbar, welche Dimensionen er annehmen, welche Staaten er noch in Mitleidenschaft ziehn wird. Bei allem Wohlwollen für Nußland wird Deutschland dieser Macht doch jedenfalls einen großem Dienst leisten, wenn es den russischen Schiffen den Durchzug versagt, damit es ihn gegebnenfalls auch andern fremden Flotten versagen kann, als wenn es heute einige russische Schiffe passieren ließe, und daraufhin vielleicht im Laufe des Jahres irgend eine Flotte gegen Rußland passieren lassen müßte. So viel bekannt ist, hat aber Rußland bis jetzt einen solchen Antrag gar nicht gestellt, Deutschland hat ihn deshalb auch nicht abzulehnen brauchen. Einstweilen ist der Kronstadter Hafen auch Wohl noch zugefroren. Es knüpft sich daran die weitere Frage, ob Deutschland imstande sein würde, auch die Erzwingung einer Durchfahrt einer mächtigen Flotte zu verhindern. Bezüglich der Ostseite bejaht sich diese Frage ohne weiteres, denn keine feindliche Flotte dürfte geneigt sein, die Einfahrt in den Kieler Hafen zu erzwingen, wenigstens würde nicht viel übrig bleiben, das nachher noch durch den Kanal fahren könnte. Was die Einfahrt von der Westseite, von Brunsbüttel her, anbelangt, so ist auch dort dafür gesorgt, daß sich jede feindliche Flotte die Sache lieber zweimal überlegen wird, zumal da sie ja schließlich in den Kieler Hafen wie in einen Sack hineinkäme. Der Kanal kann zu Kriegszwecken allein für Deutschland und seine Verbündeten in Betracht kommen. Hoffen wir, daß das auf absehbare Zeit nicht der Fall sein, und Deutschland namentlich von jeder Berührung mit den jetzigen Verwicklungen frei bleiben werde. Mit einer Anweisung auf eine im Jahre 1920 fertig werdende Flotte, die dann halb so stark sein wird, als sie nach Lage der Dinge sein müßte, können wir uns in Händel, die zur See ausgefochten werden, nicht mischen. Viel wäre schon gewonnen, wenn wir die Bauzeit für unsre Linienschiffe auf 28 Monate herabsetzten; die deutschen Werften könnten es sehr wohl leisten. Aber bei einem Reichstage, dessen Mitglieder fähig sind, wie die Abgeordneten Payer und Müller (Fulda). in der Sitzung der Budgetkommission vom 19. dieses Monats, die Frage auszuwerfen, was wir überhaupt in Ostasien zu tun haben, wird es uns mit der Flotte ergehn wie der Stadt Schilda bei ihrem berühmten Rathcmsbau. Zu der Einsicht, daß die Kosten einer starken Flotte für Deutschland nur die Prämie der Versicherung gegen Feuersgefahr darstellen, können sich unsre kurzsichtigen Parlaments- politiker noch immer nicht aufschwingen. Einem siegreichen Feinde würde man freilich mit größter Beschleunigung das Vielfache von dem zahlen und zahlen müssen, was man heute dem eignen Baterlande versagt, obwohl der weitaus größte Teil dieser Flottenkosten in die Hände deutscher Arbeiter fließt. In den Betrachtungen über die sogenannte „Kunstdebatte" im Reichstage haben einige Blätter Verwunderung darüber zu erkennen gegeben, daß der Reichs¬ kanzler diesen Erörterungen fern geblieben ist. Nach unsrer Ansicht hatte er gar keine Veranlassung, sich daran zu beteiligen. Die Ansprache des Kaisers an die Berliner Künstler, um die sich die Debatte zum nicht geringen Teile gedreht hat, hat in Gegenwart des preußischen Kultusministers stattgefunden, und wenn für solche Meinungsäußerungen des Monarchen überhaupt eine ministerielle Verant¬ wortlichkeit zu statuieren ist. so fällt sie dem Kultusminister zu. Man redet zwar vou einer „deutschen" Kunst, aber diese Kunst ist nicht Reichssache, sondern ihre Pflege geht die Einzelstaaten an. Der Anlaß, aus dem der Kaiser, in diesem Falle

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/497
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/497>, abgerufen am 26.06.2024.