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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Die Festlegung der zweijährigen Dienstzeit

!wei Artikel der Reichsverfassung sind von Veränderungen be-
droht: Artikel 32, der bestimmt, daß die Mitglieder des Reichs¬
tags als solche keine Besoldung oder Entschädigung beziehn
dürfen, und Artikel 59, der die dreijährige Dienstpflicht bei den
I Fahnen ausspricht. In bezug auf Artikel 32 hat sich der Bundes¬
rat bisher, wenn auch nicht rund ablehnend, so doch ausweichend verhalten,
in bezug auf Artikel 59 liegt dagegen nicht nur die Praxis eines zehnjährigen
Bestehens der zweijährigen Dienstzeit der Fußtruppen, sondern auch die be¬
stimmte Zusage des preußischen Kriegsministers vor, daß mit der Ein¬
bringung eines neuen Neichsmilitärgesetzes die dauernde gesetzliche Festlegung
der zweijährigen Dienstzeit, d, h. eine Abänderung der Reichsverfassung in diesen,
Sinne, erfolgen werde.

Für die verbündeten Regierungen wäre es vielleicht ein einfacher und
sichrer Weg gewesen, bei einer sich darbietenden Gelegenheit, etwa in einer
Thronrede, zu erklären, daß sie in absehbarer Zeit in keinerlei Abänderung der
Verfassung, des Bundesvertrags, zu willigen entschlossen seien. Damit hätten
sich alle Sturmlaufversuche auf eine granitne Wand gerichtet, und die Volks¬
vertretung hätte sich fügen und es anerkennen müssen, wenn die Regierungen
"Recht und Vertrag" -- im Uhlandschen Sinne -- unangetastet aufrecht er¬
halten wissen wollten. Es wäre dies eine sichere und sturmfreie Basis für die
Verteidigung der Verfassung gewesen, die Regierungen waren in dieser Rolle
die stärkern. während sie bei einem Nachgeben, sogar unter Kompensationen,
vielleicht die schwachem sein werden. Artikel 32 der Verfassung ist zudem so
klipp und klar, daß man an den Bezug heimlicher Besoldungen und Ent¬
schädigungen den Mandatsvcrlust, die Hinfälligkeit des Maubads ipso lÄow,
knüpfen könnte. Der Präsident des Reichstags Hütte nur von jedem Abgeordneten
die Erklärung an Eidesstatt zu fordern, daß er für die Ausübung des Maubads
keinerlei Besoldung oder Entschädigung beziehe; mit der Feststellung des Gegen¬
teils, worüber im Streitfalle ein Senat des Reichsgerichts oder dieses in xlsno
zu entscheiden hätte, wäre das Mandat erloschen.

Aber diese logische Konsequenz ans der Verfassung ist zu andern Zeiten
nicht gezogen worden, wo das vielleicht noch ein Leichtes und jedenfalls unver-


Grenzboim l 1904 4i)


Die Festlegung der zweijährigen Dienstzeit

!wei Artikel der Reichsverfassung sind von Veränderungen be-
droht: Artikel 32, der bestimmt, daß die Mitglieder des Reichs¬
tags als solche keine Besoldung oder Entschädigung beziehn
dürfen, und Artikel 59, der die dreijährige Dienstpflicht bei den
I Fahnen ausspricht. In bezug auf Artikel 32 hat sich der Bundes¬
rat bisher, wenn auch nicht rund ablehnend, so doch ausweichend verhalten,
in bezug auf Artikel 59 liegt dagegen nicht nur die Praxis eines zehnjährigen
Bestehens der zweijährigen Dienstzeit der Fußtruppen, sondern auch die be¬
stimmte Zusage des preußischen Kriegsministers vor, daß mit der Ein¬
bringung eines neuen Neichsmilitärgesetzes die dauernde gesetzliche Festlegung
der zweijährigen Dienstzeit, d, h. eine Abänderung der Reichsverfassung in diesen,
Sinne, erfolgen werde.

Für die verbündeten Regierungen wäre es vielleicht ein einfacher und
sichrer Weg gewesen, bei einer sich darbietenden Gelegenheit, etwa in einer
Thronrede, zu erklären, daß sie in absehbarer Zeit in keinerlei Abänderung der
Verfassung, des Bundesvertrags, zu willigen entschlossen seien. Damit hätten
sich alle Sturmlaufversuche auf eine granitne Wand gerichtet, und die Volks¬
vertretung hätte sich fügen und es anerkennen müssen, wenn die Regierungen
„Recht und Vertrag" — im Uhlandschen Sinne — unangetastet aufrecht er¬
halten wissen wollten. Es wäre dies eine sichere und sturmfreie Basis für die
Verteidigung der Verfassung gewesen, die Regierungen waren in dieser Rolle
die stärkern. während sie bei einem Nachgeben, sogar unter Kompensationen,
vielleicht die schwachem sein werden. Artikel 32 der Verfassung ist zudem so
klipp und klar, daß man an den Bezug heimlicher Besoldungen und Ent¬
schädigungen den Mandatsvcrlust, die Hinfälligkeit des Maubads ipso lÄow,
knüpfen könnte. Der Präsident des Reichstags Hütte nur von jedem Abgeordneten
die Erklärung an Eidesstatt zu fordern, daß er für die Ausübung des Maubads
keinerlei Besoldung oder Entschädigung beziehe; mit der Feststellung des Gegen¬
teils, worüber im Streitfalle ein Senat des Reichsgerichts oder dieses in xlsno
zu entscheiden hätte, wäre das Mandat erloschen.

Aber diese logische Konsequenz ans der Verfassung ist zu andern Zeiten
nicht gezogen worden, wo das vielleicht noch ein Leichtes und jedenfalls unver-


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[0383] [Abbildung] Die Festlegung der zweijährigen Dienstzeit !wei Artikel der Reichsverfassung sind von Veränderungen be- droht: Artikel 32, der bestimmt, daß die Mitglieder des Reichs¬ tags als solche keine Besoldung oder Entschädigung beziehn dürfen, und Artikel 59, der die dreijährige Dienstpflicht bei den I Fahnen ausspricht. In bezug auf Artikel 32 hat sich der Bundes¬ rat bisher, wenn auch nicht rund ablehnend, so doch ausweichend verhalten, in bezug auf Artikel 59 liegt dagegen nicht nur die Praxis eines zehnjährigen Bestehens der zweijährigen Dienstzeit der Fußtruppen, sondern auch die be¬ stimmte Zusage des preußischen Kriegsministers vor, daß mit der Ein¬ bringung eines neuen Neichsmilitärgesetzes die dauernde gesetzliche Festlegung der zweijährigen Dienstzeit, d, h. eine Abänderung der Reichsverfassung in diesen, Sinne, erfolgen werde. Für die verbündeten Regierungen wäre es vielleicht ein einfacher und sichrer Weg gewesen, bei einer sich darbietenden Gelegenheit, etwa in einer Thronrede, zu erklären, daß sie in absehbarer Zeit in keinerlei Abänderung der Verfassung, des Bundesvertrags, zu willigen entschlossen seien. Damit hätten sich alle Sturmlaufversuche auf eine granitne Wand gerichtet, und die Volks¬ vertretung hätte sich fügen und es anerkennen müssen, wenn die Regierungen „Recht und Vertrag" — im Uhlandschen Sinne — unangetastet aufrecht er¬ halten wissen wollten. Es wäre dies eine sichere und sturmfreie Basis für die Verteidigung der Verfassung gewesen, die Regierungen waren in dieser Rolle die stärkern. während sie bei einem Nachgeben, sogar unter Kompensationen, vielleicht die schwachem sein werden. Artikel 32 der Verfassung ist zudem so klipp und klar, daß man an den Bezug heimlicher Besoldungen und Ent¬ schädigungen den Mandatsvcrlust, die Hinfälligkeit des Maubads ipso lÄow, knüpfen könnte. Der Präsident des Reichstags Hütte nur von jedem Abgeordneten die Erklärung an Eidesstatt zu fordern, daß er für die Ausübung des Maubads keinerlei Besoldung oder Entschädigung beziehe; mit der Feststellung des Gegen¬ teils, worüber im Streitfalle ein Senat des Reichsgerichts oder dieses in xlsno zu entscheiden hätte, wäre das Mandat erloschen. Aber diese logische Konsequenz ans der Verfassung ist zu andern Zeiten nicht gezogen worden, wo das vielleicht noch ein Leichtes und jedenfalls unver- Grenzboim l 1904 4i)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/383>, abgerufen am 22.07.2024.