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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Die Ulabunkerstraße

Hcinre nus der Stirn und rief mit gellender Stimme: Zähn Fänige das Schlick,
zählt Fänige! < ,< ^^<-^

Astr von Wvlsfenradt sah die Frau vor sich herwandern, und ihr fiel plötzlich
ein, daß Weihnachten nur noch ein paar Wochen entfernt wcw Sie hatte .wenig
an das bevorstehende Fest gedacht. In frühern Jahren hatte es Swckabende bei
der Äbtissin gegeben; aber in diesem Herbst war die alte Dame Viel kränklich ge¬
wesen, und ihr sonst so gastliches Haus war für jedermann verschlossen. Gräfin
Eberstein aber hatte wohl keine Lust gehabt, diese Strickabende zu übernehmen.¬

Es war ein böser Herbst gewesen. Die Influenza hatte sich in Wittekind ein
genistet, und fast alle Damen waren mehr oder weniger von der tückischen Krankheit
befallen worden. Auch Asta hatte einige Wochen lang mit einem schrecklichen Ubel-
befinden gekämpft, und ihr Bruder Wolf mußte denselben Zustand durchmachen. Er
arbeitete jetzt zwar wieder auf der Post und half gelegentlich dem noch immer
kränkelnden Rendanten bei den Klostergeschäften; aber er litt unter einer allgemeinen
Verstimmung und Müdigkeit, die für seine Schwester etwas niederdrückendes hatte.
Gerade sie bedürfte der Aufheiterung. Betty Eberstein war die einzige Stiftsdame,
die von der abscheulichen Krankheit verschont geblieben war. Sie regierte das
Kloster, als wäre sie schon dessen Äbtissin; sie hatte schon verschleime Neuerungen
eingeführt, sie verhandelte mit dem Klosterpächter, als wäre sie seine Herrin, und
bei der letzten Auszahlung der Stiftsdameneinnahme hatte sie jeder Konventualin
einen beträchtlichen Abzug gemacht, um, wie sie sagte, eine größere Summe zur
Verschönerung des Klosters verwenden zu können.

Die meisten Damen sagten nichts dazu; sie wußten, daß Gräfin Eberstein im
nächsten Jahre die Zügel der Regierung ganz und gar in die Hände bekommen
würde, und vielen war es auch ganz bequem, regiert zu werden. Aber Asta litt
bei alledem mehr, als sie sich selbst eingestand. Betty und sie sprachen nach ihrer
letzten Unterredung nur das Notwendigste miteinander; die Gräfin Eberstein be¬
handelte ihre einstige Jugendfreundin mit kühler Geringschätzung.

Da war es verständlich, daß sich Asta aus diesen unangenehmen Empfindungen
in eine andre Gedankenwelt rettete, und daß sie vor allem wieder darüber nach¬
dachte, wie sie Wolf helfen könnte. Er mußte sich von Elisabeth scheiden lassen
und Adele Mauska heiraten; das stand bei ihr fest. Sie liebte Frau von Manska,
und sie war überzeugt, die Freundin würde ihren Bruder glücklich macheu. Dazu
würde ihr Reichtum ihn in ein andres und standesgemäßes Leben führen.

Aber Wolf war lässig geworden, verdrießlich und müde. Die Influenza saß
vielleicht noch in ihm. Wenn er zu Astr tum, hatte er keine Lust zur Unterhaltung,
und wenn sie vou ihren Vorschlägen zu sprechen begann, konnte er sogar grob
werden. Es war klar; ihm war die Energie verloren gegangen, jemand anders
mußte kommen und ihn in den Sattel setzen, dann würde er schou wieder reiten
können. Deshalb hatte sich Asta kurz entschlossen, sobald es ihre Gesundheit erlaubte,
nach Hamburg zu reisen. Sie hatte zwar niemals nach Elisabeth gefragt; jetzt aber
wollte sie der unerquicklichen Geschichte ein Ende machen. Sie wollte die junge
Frau aufsuchen, ihr alles auseinandersetzen und sie darum bitten, Wolf freizugeben.
Ans ihrer Jugendzeit her lebten in Asta noch romantische Gedanken. Eine Frau,
die ihren Mann liebte, mußte ihn jederzeit freigeben, sobald sie erfuhr, daß es
ihm ohne sie besser gehn würde. Es sollte Elisabeth kein Schade daraus erwachsen.
Wenn sie sich willig zeigte, Was Verlangen zu erfüllen, wollte Fräulein von
Wolffenradt dafür sorgen, daß sie sich eine anständige Existenz gründen könnte.
Adele Mnnska hatte ein edles Gemüt; sie würde schon einspringen, und Asta würde
tun, was in ihren Kräften stand. Während Asta dnrch Hamburgs Straßen wanderte,
war es ganz angenehm, mit diesen Plänen beschäftigt zu sein. Der kalte Wind
blies hinter ihr her, und sie freute sich über ihn; es kam ihr vor, als wehte in
Wittekind niemals ein Wind. Die Luft blieb auf derselben Stelle, und die Gedanken
taten es auch. Wohin Asta hier sah, war Leben und Bewegung. Von den vornehm


Die Ulabunkerstraße

Hcinre nus der Stirn und rief mit gellender Stimme: Zähn Fänige das Schlick,
zählt Fänige! < ,< ^^<-^

Astr von Wvlsfenradt sah die Frau vor sich herwandern, und ihr fiel plötzlich
ein, daß Weihnachten nur noch ein paar Wochen entfernt wcw Sie hatte .wenig
an das bevorstehende Fest gedacht. In frühern Jahren hatte es Swckabende bei
der Äbtissin gegeben; aber in diesem Herbst war die alte Dame Viel kränklich ge¬
wesen, und ihr sonst so gastliches Haus war für jedermann verschlossen. Gräfin
Eberstein aber hatte wohl keine Lust gehabt, diese Strickabende zu übernehmen.¬

Es war ein böser Herbst gewesen. Die Influenza hatte sich in Wittekind ein
genistet, und fast alle Damen waren mehr oder weniger von der tückischen Krankheit
befallen worden. Auch Asta hatte einige Wochen lang mit einem schrecklichen Ubel-
befinden gekämpft, und ihr Bruder Wolf mußte denselben Zustand durchmachen. Er
arbeitete jetzt zwar wieder auf der Post und half gelegentlich dem noch immer
kränkelnden Rendanten bei den Klostergeschäften; aber er litt unter einer allgemeinen
Verstimmung und Müdigkeit, die für seine Schwester etwas niederdrückendes hatte.
Gerade sie bedürfte der Aufheiterung. Betty Eberstein war die einzige Stiftsdame,
die von der abscheulichen Krankheit verschont geblieben war. Sie regierte das
Kloster, als wäre sie schon dessen Äbtissin; sie hatte schon verschleime Neuerungen
eingeführt, sie verhandelte mit dem Klosterpächter, als wäre sie seine Herrin, und
bei der letzten Auszahlung der Stiftsdameneinnahme hatte sie jeder Konventualin
einen beträchtlichen Abzug gemacht, um, wie sie sagte, eine größere Summe zur
Verschönerung des Klosters verwenden zu können.

Die meisten Damen sagten nichts dazu; sie wußten, daß Gräfin Eberstein im
nächsten Jahre die Zügel der Regierung ganz und gar in die Hände bekommen
würde, und vielen war es auch ganz bequem, regiert zu werden. Aber Asta litt
bei alledem mehr, als sie sich selbst eingestand. Betty und sie sprachen nach ihrer
letzten Unterredung nur das Notwendigste miteinander; die Gräfin Eberstein be¬
handelte ihre einstige Jugendfreundin mit kühler Geringschätzung.

Da war es verständlich, daß sich Asta aus diesen unangenehmen Empfindungen
in eine andre Gedankenwelt rettete, und daß sie vor allem wieder darüber nach¬
dachte, wie sie Wolf helfen könnte. Er mußte sich von Elisabeth scheiden lassen
und Adele Mauska heiraten; das stand bei ihr fest. Sie liebte Frau von Manska,
und sie war überzeugt, die Freundin würde ihren Bruder glücklich macheu. Dazu
würde ihr Reichtum ihn in ein andres und standesgemäßes Leben führen.

Aber Wolf war lässig geworden, verdrießlich und müde. Die Influenza saß
vielleicht noch in ihm. Wenn er zu Astr tum, hatte er keine Lust zur Unterhaltung,
und wenn sie vou ihren Vorschlägen zu sprechen begann, konnte er sogar grob
werden. Es war klar; ihm war die Energie verloren gegangen, jemand anders
mußte kommen und ihn in den Sattel setzen, dann würde er schou wieder reiten
können. Deshalb hatte sich Asta kurz entschlossen, sobald es ihre Gesundheit erlaubte,
nach Hamburg zu reisen. Sie hatte zwar niemals nach Elisabeth gefragt; jetzt aber
wollte sie der unerquicklichen Geschichte ein Ende machen. Sie wollte die junge
Frau aufsuchen, ihr alles auseinandersetzen und sie darum bitten, Wolf freizugeben.
Ans ihrer Jugendzeit her lebten in Asta noch romantische Gedanken. Eine Frau,
die ihren Mann liebte, mußte ihn jederzeit freigeben, sobald sie erfuhr, daß es
ihm ohne sie besser gehn würde. Es sollte Elisabeth kein Schade daraus erwachsen.
Wenn sie sich willig zeigte, Was Verlangen zu erfüllen, wollte Fräulein von
Wolffenradt dafür sorgen, daß sie sich eine anständige Existenz gründen könnte.
Adele Mnnska hatte ein edles Gemüt; sie würde schon einspringen, und Asta würde
tun, was in ihren Kräften stand. Während Asta dnrch Hamburgs Straßen wanderte,
war es ganz angenehm, mit diesen Plänen beschäftigt zu sein. Der kalte Wind
blies hinter ihr her, und sie freute sich über ihn; es kam ihr vor, als wehte in
Wittekind niemals ein Wind. Die Luft blieb auf derselben Stelle, und die Gedanken
taten es auch. Wohin Asta hier sah, war Leben und Bewegung. Von den vornehm


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[0375] Die Ulabunkerstraße Hcinre nus der Stirn und rief mit gellender Stimme: Zähn Fänige das Schlick, zählt Fänige! < ,< ^^<-^ Astr von Wvlsfenradt sah die Frau vor sich herwandern, und ihr fiel plötzlich ein, daß Weihnachten nur noch ein paar Wochen entfernt wcw Sie hatte .wenig an das bevorstehende Fest gedacht. In frühern Jahren hatte es Swckabende bei der Äbtissin gegeben; aber in diesem Herbst war die alte Dame Viel kränklich ge¬ wesen, und ihr sonst so gastliches Haus war für jedermann verschlossen. Gräfin Eberstein aber hatte wohl keine Lust gehabt, diese Strickabende zu übernehmen.¬ Es war ein böser Herbst gewesen. Die Influenza hatte sich in Wittekind ein genistet, und fast alle Damen waren mehr oder weniger von der tückischen Krankheit befallen worden. Auch Asta hatte einige Wochen lang mit einem schrecklichen Ubel- befinden gekämpft, und ihr Bruder Wolf mußte denselben Zustand durchmachen. Er arbeitete jetzt zwar wieder auf der Post und half gelegentlich dem noch immer kränkelnden Rendanten bei den Klostergeschäften; aber er litt unter einer allgemeinen Verstimmung und Müdigkeit, die für seine Schwester etwas niederdrückendes hatte. Gerade sie bedürfte der Aufheiterung. Betty Eberstein war die einzige Stiftsdame, die von der abscheulichen Krankheit verschont geblieben war. Sie regierte das Kloster, als wäre sie schon dessen Äbtissin; sie hatte schon verschleime Neuerungen eingeführt, sie verhandelte mit dem Klosterpächter, als wäre sie seine Herrin, und bei der letzten Auszahlung der Stiftsdameneinnahme hatte sie jeder Konventualin einen beträchtlichen Abzug gemacht, um, wie sie sagte, eine größere Summe zur Verschönerung des Klosters verwenden zu können. Die meisten Damen sagten nichts dazu; sie wußten, daß Gräfin Eberstein im nächsten Jahre die Zügel der Regierung ganz und gar in die Hände bekommen würde, und vielen war es auch ganz bequem, regiert zu werden. Aber Asta litt bei alledem mehr, als sie sich selbst eingestand. Betty und sie sprachen nach ihrer letzten Unterredung nur das Notwendigste miteinander; die Gräfin Eberstein be¬ handelte ihre einstige Jugendfreundin mit kühler Geringschätzung. Da war es verständlich, daß sich Asta aus diesen unangenehmen Empfindungen in eine andre Gedankenwelt rettete, und daß sie vor allem wieder darüber nach¬ dachte, wie sie Wolf helfen könnte. Er mußte sich von Elisabeth scheiden lassen und Adele Mauska heiraten; das stand bei ihr fest. Sie liebte Frau von Manska, und sie war überzeugt, die Freundin würde ihren Bruder glücklich macheu. Dazu würde ihr Reichtum ihn in ein andres und standesgemäßes Leben führen. Aber Wolf war lässig geworden, verdrießlich und müde. Die Influenza saß vielleicht noch in ihm. Wenn er zu Astr tum, hatte er keine Lust zur Unterhaltung, und wenn sie vou ihren Vorschlägen zu sprechen begann, konnte er sogar grob werden. Es war klar; ihm war die Energie verloren gegangen, jemand anders mußte kommen und ihn in den Sattel setzen, dann würde er schou wieder reiten können. Deshalb hatte sich Asta kurz entschlossen, sobald es ihre Gesundheit erlaubte, nach Hamburg zu reisen. Sie hatte zwar niemals nach Elisabeth gefragt; jetzt aber wollte sie der unerquicklichen Geschichte ein Ende machen. Sie wollte die junge Frau aufsuchen, ihr alles auseinandersetzen und sie darum bitten, Wolf freizugeben. Ans ihrer Jugendzeit her lebten in Asta noch romantische Gedanken. Eine Frau, die ihren Mann liebte, mußte ihn jederzeit freigeben, sobald sie erfuhr, daß es ihm ohne sie besser gehn würde. Es sollte Elisabeth kein Schade daraus erwachsen. Wenn sie sich willig zeigte, Was Verlangen zu erfüllen, wollte Fräulein von Wolffenradt dafür sorgen, daß sie sich eine anständige Existenz gründen könnte. Adele Mnnska hatte ein edles Gemüt; sie würde schon einspringen, und Asta würde tun, was in ihren Kräften stand. Während Asta dnrch Hamburgs Straßen wanderte, war es ganz angenehm, mit diesen Plänen beschäftigt zu sein. Der kalte Wind blies hinter ihr her, und sie freute sich über ihn; es kam ihr vor, als wehte in Wittekind niemals ein Wind. Die Luft blieb auf derselben Stelle, und die Gedanken taten es auch. Wohin Asta hier sah, war Leben und Bewegung. Von den vornehm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/375>, abgerufen am 24.08.2024.