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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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von der Spree zur Gder

Auch die Rechnungen der Küchenmeister der Mecklenburger Herzöge von 1538
bis 1624 beweisen, daß in jenen Zeiten fast alljährlich dreißig Fuder und mehr
Gubener Wein auf dem Wasserwege über Stettin in die herzoglichen Kellereien
verfrachtet wurden. Noch 1816 schreibt das Schumannsche Lexikon: "Gegenwärtig
erbaut man fast ausschließlich rote" Wein, der dem Burgunder nicht nur nu Farbe,
sondern, wenn er einige Zeit gelegen hat, auch an Geschmack gleichkommt und
deshalb sehr geschätzt wird. Er gerät fast jedes Jahr, und in einer Reihe von
fünfzig Jahren ist er kaum zweimal so schlecht ausgefallen, daß man ihn nicht hatte
trinken können .., der höchste Jahresertrng ans dem Stadtgebiete war 4583 Eimer."
Neuerdings ist in Guben mehr und mehr der Anbau von edelm Obst und von Gemüsen
an Stelle des Weinbaus getreten. Wir trafen hier schon in der ersten Hälfte des
Aprils die Pfirsiche und Reineclauden in voller Blüte und ließen uns erzählen,
daß im Sommer der Salat loriweise nach Berlin verfrachtet würde.

Auch ein Bauwerken bietet Guben manches Interessante. Der weithin sicht¬
bare Mittelpunkt der Stadt, ist eine gewaltige Backstetnkirche; ihrem vielstöckigen
roten Turme fehlt die krönende Spitzhaube, dafür steht ein keckes Renaissance-
türmchen auf der breiten Plattform, das sich wie eine Schildwache ausnimmt.
Dicht neben der Kirche erhebt sich das vielgieblige, zierliche Rathaus mit schlanken?
Turm und der schöne gotische Zweitaiserbrunnen, dem Gedächtnis Wilhelms des
Ersten und Friedrichs des Dritte" geweiht. Hinter dem Brunnen ist an der
Wand der Kirche eine Gedächtnistafel für den geistlichen Sänger Johann Frank
(1618 bis 1677) angebracht, der in kursächsischer Zeit in Guben Bürgermeister
war. Sein Abendmahlslied "Schmücke dich, du liebe Seele" lebt noch in den
Herzen von Millionen evangelischer Christen, während die Gedichte eines andern
Poeten dieser Gegend, des Christoph Otto von Schönaich aus Umlitz an der Lubis,
den Gottsched 1752 in Leipzig zum Dichter krönen ließ, nur noch ein literarisches
Interesse haben.

Ein schönes Bild der Stadt hat man von der Mitte der Neißebrücke. Die
Reiße ist hier schon ein breiter und mächtiger Fluß, der schäumend und tosend
von zwei Wehren niederstürzt; am Nordende der Stadt wird er durch Aufnahme
der Lnbis schiffbar. Bei gutem Wasserstande können sogar größere Oderdampfer
bis in den Gubener Hafen heraufkomme". Auf einer grünen Insel nahe bei der
Lubismündung liegt das schöne Schauspielhaus; wenn darin Goethes "Iphigenie"
über die Bretter geht, wird man wohl daran denken, daß die erste Trägerin dieser
Rolle, seine schöne und ideal gesinnte Freundin Corona Schröter, 1751 in Guben als
Tochter eines Musikers geboren war. Weiter abwärts am Flusse liegen zahlreiche
anmutige Landhäuser. Überhaupt ist Guben, wenn man von dem eng zusammen-
gedrängten innersten Kern absieht, eine Garten- und Wnsserstndt; überall sieht man
zwischen den Häusern der Vorstädte junges Grün, überall malerische Prospekte
an den Flußufern und nach den Fruchthügeln hin. Leider konnten wir nicht allzu¬
lange in diesen anmutigen Gefilden verweilen, weil wir noch bei guter Zeit die
Oder selbst erreichen wollten.

Wir fuhren am linken Rande der Neißeniederung hin nach Wellmitz und vou
dn nach Ratzdorf. Als wir aus der mit niedrigen Häusern eingefaßten Dorfgasse
hinunter an den Gnsthof zum Anker kamen, sahen wir die Oder zum erstenmal
vor uns und waren erstaunt, wie sehr sie in bezug auf Wasserfarbe, Größe und
Gestaltung der Ufer unsrer heimischen Elbe ähnelt. Weidengebüsch, aus dein die
Kiebitze aufflogen, begleitet die Ufer, die durch rechtwinklig zur Stromrichtung
laufende Buhnen gestützt sind; dasselbe "Hvlüber" wie in Sachsen ruft auch hier
den Fährmann herbei; bald knirscht sein Boot auf dem groben Sande, wir steigen
ein, und es trägt uns sanft hinüber -ins rechte Ufer, wo hinter einem breiten
Gürtel von weidenbewachsnem Geröll ein ziemlich hoher Erddnmm und dahinter
die bescheidnen Gehöfte des Kossätendorfes Schiedlo liegen. Aus deu Stroh-
"ut Ziegeldächern erhebt sich breit der holzverkleidete Turm der alten Fachwerk-


von der Spree zur Gder

Auch die Rechnungen der Küchenmeister der Mecklenburger Herzöge von 1538
bis 1624 beweisen, daß in jenen Zeiten fast alljährlich dreißig Fuder und mehr
Gubener Wein auf dem Wasserwege über Stettin in die herzoglichen Kellereien
verfrachtet wurden. Noch 1816 schreibt das Schumannsche Lexikon: „Gegenwärtig
erbaut man fast ausschließlich rote« Wein, der dem Burgunder nicht nur nu Farbe,
sondern, wenn er einige Zeit gelegen hat, auch an Geschmack gleichkommt und
deshalb sehr geschätzt wird. Er gerät fast jedes Jahr, und in einer Reihe von
fünfzig Jahren ist er kaum zweimal so schlecht ausgefallen, daß man ihn nicht hatte
trinken können .., der höchste Jahresertrng ans dem Stadtgebiete war 4583 Eimer."
Neuerdings ist in Guben mehr und mehr der Anbau von edelm Obst und von Gemüsen
an Stelle des Weinbaus getreten. Wir trafen hier schon in der ersten Hälfte des
Aprils die Pfirsiche und Reineclauden in voller Blüte und ließen uns erzählen,
daß im Sommer der Salat loriweise nach Berlin verfrachtet würde.

Auch ein Bauwerken bietet Guben manches Interessante. Der weithin sicht¬
bare Mittelpunkt der Stadt, ist eine gewaltige Backstetnkirche; ihrem vielstöckigen
roten Turme fehlt die krönende Spitzhaube, dafür steht ein keckes Renaissance-
türmchen auf der breiten Plattform, das sich wie eine Schildwache ausnimmt.
Dicht neben der Kirche erhebt sich das vielgieblige, zierliche Rathaus mit schlanken?
Turm und der schöne gotische Zweitaiserbrunnen, dem Gedächtnis Wilhelms des
Ersten und Friedrichs des Dritte« geweiht. Hinter dem Brunnen ist an der
Wand der Kirche eine Gedächtnistafel für den geistlichen Sänger Johann Frank
(1618 bis 1677) angebracht, der in kursächsischer Zeit in Guben Bürgermeister
war. Sein Abendmahlslied „Schmücke dich, du liebe Seele" lebt noch in den
Herzen von Millionen evangelischer Christen, während die Gedichte eines andern
Poeten dieser Gegend, des Christoph Otto von Schönaich aus Umlitz an der Lubis,
den Gottsched 1752 in Leipzig zum Dichter krönen ließ, nur noch ein literarisches
Interesse haben.

Ein schönes Bild der Stadt hat man von der Mitte der Neißebrücke. Die
Reiße ist hier schon ein breiter und mächtiger Fluß, der schäumend und tosend
von zwei Wehren niederstürzt; am Nordende der Stadt wird er durch Aufnahme
der Lnbis schiffbar. Bei gutem Wasserstande können sogar größere Oderdampfer
bis in den Gubener Hafen heraufkomme». Auf einer grünen Insel nahe bei der
Lubismündung liegt das schöne Schauspielhaus; wenn darin Goethes „Iphigenie"
über die Bretter geht, wird man wohl daran denken, daß die erste Trägerin dieser
Rolle, seine schöne und ideal gesinnte Freundin Corona Schröter, 1751 in Guben als
Tochter eines Musikers geboren war. Weiter abwärts am Flusse liegen zahlreiche
anmutige Landhäuser. Überhaupt ist Guben, wenn man von dem eng zusammen-
gedrängten innersten Kern absieht, eine Garten- und Wnsserstndt; überall sieht man
zwischen den Häusern der Vorstädte junges Grün, überall malerische Prospekte
an den Flußufern und nach den Fruchthügeln hin. Leider konnten wir nicht allzu¬
lange in diesen anmutigen Gefilden verweilen, weil wir noch bei guter Zeit die
Oder selbst erreichen wollten.

Wir fuhren am linken Rande der Neißeniederung hin nach Wellmitz und vou
dn nach Ratzdorf. Als wir aus der mit niedrigen Häusern eingefaßten Dorfgasse
hinunter an den Gnsthof zum Anker kamen, sahen wir die Oder zum erstenmal
vor uns und waren erstaunt, wie sehr sie in bezug auf Wasserfarbe, Größe und
Gestaltung der Ufer unsrer heimischen Elbe ähnelt. Weidengebüsch, aus dein die
Kiebitze aufflogen, begleitet die Ufer, die durch rechtwinklig zur Stromrichtung
laufende Buhnen gestützt sind; dasselbe „Hvlüber" wie in Sachsen ruft auch hier
den Fährmann herbei; bald knirscht sein Boot auf dem groben Sande, wir steigen
ein, und es trägt uns sanft hinüber -ins rechte Ufer, wo hinter einem breiten
Gürtel von weidenbewachsnem Geröll ein ziemlich hoher Erddnmm und dahinter
die bescheidnen Gehöfte des Kossätendorfes Schiedlo liegen. Aus deu Stroh-
»ut Ziegeldächern erhebt sich breit der holzverkleidete Turm der alten Fachwerk-


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[0298] von der Spree zur Gder Auch die Rechnungen der Küchenmeister der Mecklenburger Herzöge von 1538 bis 1624 beweisen, daß in jenen Zeiten fast alljährlich dreißig Fuder und mehr Gubener Wein auf dem Wasserwege über Stettin in die herzoglichen Kellereien verfrachtet wurden. Noch 1816 schreibt das Schumannsche Lexikon: „Gegenwärtig erbaut man fast ausschließlich rote« Wein, der dem Burgunder nicht nur nu Farbe, sondern, wenn er einige Zeit gelegen hat, auch an Geschmack gleichkommt und deshalb sehr geschätzt wird. Er gerät fast jedes Jahr, und in einer Reihe von fünfzig Jahren ist er kaum zweimal so schlecht ausgefallen, daß man ihn nicht hatte trinken können .., der höchste Jahresertrng ans dem Stadtgebiete war 4583 Eimer." Neuerdings ist in Guben mehr und mehr der Anbau von edelm Obst und von Gemüsen an Stelle des Weinbaus getreten. Wir trafen hier schon in der ersten Hälfte des Aprils die Pfirsiche und Reineclauden in voller Blüte und ließen uns erzählen, daß im Sommer der Salat loriweise nach Berlin verfrachtet würde. Auch ein Bauwerken bietet Guben manches Interessante. Der weithin sicht¬ bare Mittelpunkt der Stadt, ist eine gewaltige Backstetnkirche; ihrem vielstöckigen roten Turme fehlt die krönende Spitzhaube, dafür steht ein keckes Renaissance- türmchen auf der breiten Plattform, das sich wie eine Schildwache ausnimmt. Dicht neben der Kirche erhebt sich das vielgieblige, zierliche Rathaus mit schlanken? Turm und der schöne gotische Zweitaiserbrunnen, dem Gedächtnis Wilhelms des Ersten und Friedrichs des Dritte« geweiht. Hinter dem Brunnen ist an der Wand der Kirche eine Gedächtnistafel für den geistlichen Sänger Johann Frank (1618 bis 1677) angebracht, der in kursächsischer Zeit in Guben Bürgermeister war. Sein Abendmahlslied „Schmücke dich, du liebe Seele" lebt noch in den Herzen von Millionen evangelischer Christen, während die Gedichte eines andern Poeten dieser Gegend, des Christoph Otto von Schönaich aus Umlitz an der Lubis, den Gottsched 1752 in Leipzig zum Dichter krönen ließ, nur noch ein literarisches Interesse haben. Ein schönes Bild der Stadt hat man von der Mitte der Neißebrücke. Die Reiße ist hier schon ein breiter und mächtiger Fluß, der schäumend und tosend von zwei Wehren niederstürzt; am Nordende der Stadt wird er durch Aufnahme der Lnbis schiffbar. Bei gutem Wasserstande können sogar größere Oderdampfer bis in den Gubener Hafen heraufkomme». Auf einer grünen Insel nahe bei der Lubismündung liegt das schöne Schauspielhaus; wenn darin Goethes „Iphigenie" über die Bretter geht, wird man wohl daran denken, daß die erste Trägerin dieser Rolle, seine schöne und ideal gesinnte Freundin Corona Schröter, 1751 in Guben als Tochter eines Musikers geboren war. Weiter abwärts am Flusse liegen zahlreiche anmutige Landhäuser. Überhaupt ist Guben, wenn man von dem eng zusammen- gedrängten innersten Kern absieht, eine Garten- und Wnsserstndt; überall sieht man zwischen den Häusern der Vorstädte junges Grün, überall malerische Prospekte an den Flußufern und nach den Fruchthügeln hin. Leider konnten wir nicht allzu¬ lange in diesen anmutigen Gefilden verweilen, weil wir noch bei guter Zeit die Oder selbst erreichen wollten. Wir fuhren am linken Rande der Neißeniederung hin nach Wellmitz und vou dn nach Ratzdorf. Als wir aus der mit niedrigen Häusern eingefaßten Dorfgasse hinunter an den Gnsthof zum Anker kamen, sahen wir die Oder zum erstenmal vor uns und waren erstaunt, wie sehr sie in bezug auf Wasserfarbe, Größe und Gestaltung der Ufer unsrer heimischen Elbe ähnelt. Weidengebüsch, aus dein die Kiebitze aufflogen, begleitet die Ufer, die durch rechtwinklig zur Stromrichtung laufende Buhnen gestützt sind; dasselbe „Hvlüber" wie in Sachsen ruft auch hier den Fährmann herbei; bald knirscht sein Boot auf dem groben Sande, wir steigen ein, und es trägt uns sanft hinüber -ins rechte Ufer, wo hinter einem breiten Gürtel von weidenbewachsnem Geröll ein ziemlich hoher Erddnmm und dahinter die bescheidnen Gehöfte des Kossätendorfes Schiedlo liegen. Aus deu Stroh- »ut Ziegeldächern erhebt sich breit der holzverkleidete Turm der alten Fachwerk-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/298>, abgerufen am 22.07.2024.