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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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zu erreichen. Aber nördlich von Kottbus stellt sich ihr das von der Oder west¬
wärts zum Flciming streichende sandige, kiefernbedeckte wellige Hügelland in den
Weg. Sie biegt weit nach Westen aus, und nun beginnt ein ewiges Hin und
Her des Laufes je nach der Richtung der Hügelwellen, sodaß sie sogar ein großes
Stück wieder nach Südosten fließen muß, bis endlich zwischen Beeskow und Fürsteu¬
walde eine deutliche Nordwestrichtung zum Siege kommt und damit die Elbe statt
der Oder als Ziel erscheint, das sie von Spandau an in schwesterlicher Gemein¬
schaft mit der Havel zu erreichen sucht. Oft kann sich das hellbraune, durch Torf
und Eisen gefärbte Wasser der Spree aus den breiten Niederungen, die zwischen
den Hügelwellen liegen, kaum wieder herausfinden: dann entsteh" die Seen wie
der Drahmsee bei Alt-Schadow oder der weit gewaltigere Schwieloch nördlich von
^leberose oder der Müggelsee bei Köpenick; aber die größte dieser Anstauungen
>vcir doch der See, dessen ungeheure Wasserfläche sich vom Nordabhcmge des Kott-
buser Schloßberges bis nach Lübben erstreckte, das Gebiet des jetzigen obern Spree¬
waldes. Die östlichen Reste dieses Sees sind die großen Teiche südlich von der alten
Sumpf- und Wasserfestung Penz, seine nördliche Randlinie wird bezeichnet durch
die von Lübben über Neu-Zauche nach Straupitz führende Straße, die südliche
durch die von Lübben über Lübbenau und Vetschau nach Kottbns gehende Bahn,
die einem alten von den Elbstcidten Torgau und Wittenberg zur Oder führenden
den Spreewald südwärts umgehenden Handelswege folgt. Wenn man von den
Bahnhöfen oder Bahndämmen dieser Verkehrslinie auf die Spreewaldauen nieder¬
schaut, sieht man keinen Seespiegel mehr; infolge des Anbaues und verminderter
Zuflüsse aus den Quellgebieten ist der See verschwunden; er hatte für viele Jahr¬
hunderte einem schwer zugänglichen sumpfigen Urwalde Platz gemacht. Seit einigen
Jahrzehnten ist auch dieser gefällt; grüne Wiesen und durchsichtige Erlenzüge sind
an feine Stelle getreten, aber die Spree mit ihren Hunderten von teils natürlichen,
teils künstlichen Verästelungen, die "ein so verzweigtes Geäder darstellen wie die
Venen des menschlichen Körpers," ist die eigentliche Herrscherin des Geländes ge¬
blieben. In der Urzeit ragten aus der unabsehbaren Wasserfläche nur einzelne
diluvische Inseln heraus, die sich durch Anschwemmung und Anwehung von Sand
allmählich zu dunenartigen Erhebungen vergrößerten. Auf einer solchen, dem
Lutchenberge -- eine niederdeutsche Benennung von lüll klein, Berg der kleinen
Leute -- liegt der Kern des Dorfes Burg (Grod); eine andre bildete den ersten
Ansatz zum Schloßberge.

Die ersten Ansiedler auf diesen und andern Inseln waren, soweit die Gräber¬
funde Kunde geben, germanische Semnonen. Größere Vronzefunde, z. B. die beiden
Bronzewagen und der Halsschmuck von Baboo (teilweise im Königlichen Museum
für Völkerkunde in Berlin), deuten auf einen Tauschhandel mit den alten Etruskern,
Münzen der römischen Kaiserzeit auf einen Verkehr mit Rom. Der Kaiser Augustus
selbst ist der gewichtigste Zeuge dafür; er erzählt in dem großartigen Rechen¬
schaftsberichte über seine Regierung, im Uonumenwm ^,ne^rg,nun, die Semnonen
und andre Germanenstämme derselben Gegend hätten durch Gesandte um seine und
des römischen Volkes Freundschaft geworben. Unter den Stürmen der Völker¬
wanderung sind die Semnonen, den suebischen Stämmen beigezählt, aus der Lausitz
verschwunden; etwa im sechsten nachchristlichen Jahrhundert rückten die Slawen in
die verlassenen Wohnsitze ein; im zehnten Jahrhundert begann die späterhin oft
wieder abgeschüttelte Herrschaft der Deutschen, unter deren ersten Trägern die
wettinischen Markgrafen der Niederlausitz Dietrich der Zweite (1034) und Dedi
der Zweite (1046 bis 1075) erscheinen. Doch war die deutsche Herrschaft lange
Zeit auf die Behauptung einiger strategisch wichtiger Punkte beschränkt. Erst
Konrad der Große, Markgraf der Lausitz feit 1136, und sein Sohn Dietrich (115V
bis 1185) konnten unter der Beihilfe von Klöstern, z. B. Dobrilugks, gestiftet 1165,
an eine wirkliche deutsche Kolonisation des Spreegebiets denken. In den nord¬
östlichen Gegenden der Niederlausitz faßte das Deutschtum erst festen Fuß nach der


Aus dem Zpreewaldc

zu erreichen. Aber nördlich von Kottbus stellt sich ihr das von der Oder west¬
wärts zum Flciming streichende sandige, kiefernbedeckte wellige Hügelland in den
Weg. Sie biegt weit nach Westen aus, und nun beginnt ein ewiges Hin und
Her des Laufes je nach der Richtung der Hügelwellen, sodaß sie sogar ein großes
Stück wieder nach Südosten fließen muß, bis endlich zwischen Beeskow und Fürsteu¬
walde eine deutliche Nordwestrichtung zum Siege kommt und damit die Elbe statt
der Oder als Ziel erscheint, das sie von Spandau an in schwesterlicher Gemein¬
schaft mit der Havel zu erreichen sucht. Oft kann sich das hellbraune, durch Torf
und Eisen gefärbte Wasser der Spree aus den breiten Niederungen, die zwischen
den Hügelwellen liegen, kaum wieder herausfinden: dann entsteh» die Seen wie
der Drahmsee bei Alt-Schadow oder der weit gewaltigere Schwieloch nördlich von
^leberose oder der Müggelsee bei Köpenick; aber die größte dieser Anstauungen
>vcir doch der See, dessen ungeheure Wasserfläche sich vom Nordabhcmge des Kott-
buser Schloßberges bis nach Lübben erstreckte, das Gebiet des jetzigen obern Spree¬
waldes. Die östlichen Reste dieses Sees sind die großen Teiche südlich von der alten
Sumpf- und Wasserfestung Penz, seine nördliche Randlinie wird bezeichnet durch
die von Lübben über Neu-Zauche nach Straupitz führende Straße, die südliche
durch die von Lübben über Lübbenau und Vetschau nach Kottbns gehende Bahn,
die einem alten von den Elbstcidten Torgau und Wittenberg zur Oder führenden
den Spreewald südwärts umgehenden Handelswege folgt. Wenn man von den
Bahnhöfen oder Bahndämmen dieser Verkehrslinie auf die Spreewaldauen nieder¬
schaut, sieht man keinen Seespiegel mehr; infolge des Anbaues und verminderter
Zuflüsse aus den Quellgebieten ist der See verschwunden; er hatte für viele Jahr¬
hunderte einem schwer zugänglichen sumpfigen Urwalde Platz gemacht. Seit einigen
Jahrzehnten ist auch dieser gefällt; grüne Wiesen und durchsichtige Erlenzüge sind
an feine Stelle getreten, aber die Spree mit ihren Hunderten von teils natürlichen,
teils künstlichen Verästelungen, die „ein so verzweigtes Geäder darstellen wie die
Venen des menschlichen Körpers," ist die eigentliche Herrscherin des Geländes ge¬
blieben. In der Urzeit ragten aus der unabsehbaren Wasserfläche nur einzelne
diluvische Inseln heraus, die sich durch Anschwemmung und Anwehung von Sand
allmählich zu dunenartigen Erhebungen vergrößerten. Auf einer solchen, dem
Lutchenberge — eine niederdeutsche Benennung von lüll klein, Berg der kleinen
Leute — liegt der Kern des Dorfes Burg (Grod); eine andre bildete den ersten
Ansatz zum Schloßberge.

Die ersten Ansiedler auf diesen und andern Inseln waren, soweit die Gräber¬
funde Kunde geben, germanische Semnonen. Größere Vronzefunde, z. B. die beiden
Bronzewagen und der Halsschmuck von Baboo (teilweise im Königlichen Museum
für Völkerkunde in Berlin), deuten auf einen Tauschhandel mit den alten Etruskern,
Münzen der römischen Kaiserzeit auf einen Verkehr mit Rom. Der Kaiser Augustus
selbst ist der gewichtigste Zeuge dafür; er erzählt in dem großartigen Rechen¬
schaftsberichte über seine Regierung, im Uonumenwm ^,ne^rg,nun, die Semnonen
und andre Germanenstämme derselben Gegend hätten durch Gesandte um seine und
des römischen Volkes Freundschaft geworben. Unter den Stürmen der Völker¬
wanderung sind die Semnonen, den suebischen Stämmen beigezählt, aus der Lausitz
verschwunden; etwa im sechsten nachchristlichen Jahrhundert rückten die Slawen in
die verlassenen Wohnsitze ein; im zehnten Jahrhundert begann die späterhin oft
wieder abgeschüttelte Herrschaft der Deutschen, unter deren ersten Trägern die
wettinischen Markgrafen der Niederlausitz Dietrich der Zweite (1034) und Dedi
der Zweite (1046 bis 1075) erscheinen. Doch war die deutsche Herrschaft lange
Zeit auf die Behauptung einiger strategisch wichtiger Punkte beschränkt. Erst
Konrad der Große, Markgraf der Lausitz feit 1136, und sein Sohn Dietrich (115V
bis 1185) konnten unter der Beihilfe von Klöstern, z. B. Dobrilugks, gestiftet 1165,
an eine wirkliche deutsche Kolonisation des Spreegebiets denken. In den nord¬
östlichen Gegenden der Niederlausitz faßte das Deutschtum erst festen Fuß nach der


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[0235] Aus dem Zpreewaldc zu erreichen. Aber nördlich von Kottbus stellt sich ihr das von der Oder west¬ wärts zum Flciming streichende sandige, kiefernbedeckte wellige Hügelland in den Weg. Sie biegt weit nach Westen aus, und nun beginnt ein ewiges Hin und Her des Laufes je nach der Richtung der Hügelwellen, sodaß sie sogar ein großes Stück wieder nach Südosten fließen muß, bis endlich zwischen Beeskow und Fürsteu¬ walde eine deutliche Nordwestrichtung zum Siege kommt und damit die Elbe statt der Oder als Ziel erscheint, das sie von Spandau an in schwesterlicher Gemein¬ schaft mit der Havel zu erreichen sucht. Oft kann sich das hellbraune, durch Torf und Eisen gefärbte Wasser der Spree aus den breiten Niederungen, die zwischen den Hügelwellen liegen, kaum wieder herausfinden: dann entsteh» die Seen wie der Drahmsee bei Alt-Schadow oder der weit gewaltigere Schwieloch nördlich von ^leberose oder der Müggelsee bei Köpenick; aber die größte dieser Anstauungen >vcir doch der See, dessen ungeheure Wasserfläche sich vom Nordabhcmge des Kott- buser Schloßberges bis nach Lübben erstreckte, das Gebiet des jetzigen obern Spree¬ waldes. Die östlichen Reste dieses Sees sind die großen Teiche südlich von der alten Sumpf- und Wasserfestung Penz, seine nördliche Randlinie wird bezeichnet durch die von Lübben über Neu-Zauche nach Straupitz führende Straße, die südliche durch die von Lübben über Lübbenau und Vetschau nach Kottbns gehende Bahn, die einem alten von den Elbstcidten Torgau und Wittenberg zur Oder führenden den Spreewald südwärts umgehenden Handelswege folgt. Wenn man von den Bahnhöfen oder Bahndämmen dieser Verkehrslinie auf die Spreewaldauen nieder¬ schaut, sieht man keinen Seespiegel mehr; infolge des Anbaues und verminderter Zuflüsse aus den Quellgebieten ist der See verschwunden; er hatte für viele Jahr¬ hunderte einem schwer zugänglichen sumpfigen Urwalde Platz gemacht. Seit einigen Jahrzehnten ist auch dieser gefällt; grüne Wiesen und durchsichtige Erlenzüge sind an feine Stelle getreten, aber die Spree mit ihren Hunderten von teils natürlichen, teils künstlichen Verästelungen, die „ein so verzweigtes Geäder darstellen wie die Venen des menschlichen Körpers," ist die eigentliche Herrscherin des Geländes ge¬ blieben. In der Urzeit ragten aus der unabsehbaren Wasserfläche nur einzelne diluvische Inseln heraus, die sich durch Anschwemmung und Anwehung von Sand allmählich zu dunenartigen Erhebungen vergrößerten. Auf einer solchen, dem Lutchenberge — eine niederdeutsche Benennung von lüll klein, Berg der kleinen Leute — liegt der Kern des Dorfes Burg (Grod); eine andre bildete den ersten Ansatz zum Schloßberge. Die ersten Ansiedler auf diesen und andern Inseln waren, soweit die Gräber¬ funde Kunde geben, germanische Semnonen. Größere Vronzefunde, z. B. die beiden Bronzewagen und der Halsschmuck von Baboo (teilweise im Königlichen Museum für Völkerkunde in Berlin), deuten auf einen Tauschhandel mit den alten Etruskern, Münzen der römischen Kaiserzeit auf einen Verkehr mit Rom. Der Kaiser Augustus selbst ist der gewichtigste Zeuge dafür; er erzählt in dem großartigen Rechen¬ schaftsberichte über seine Regierung, im Uonumenwm ^,ne^rg,nun, die Semnonen und andre Germanenstämme derselben Gegend hätten durch Gesandte um seine und des römischen Volkes Freundschaft geworben. Unter den Stürmen der Völker¬ wanderung sind die Semnonen, den suebischen Stämmen beigezählt, aus der Lausitz verschwunden; etwa im sechsten nachchristlichen Jahrhundert rückten die Slawen in die verlassenen Wohnsitze ein; im zehnten Jahrhundert begann die späterhin oft wieder abgeschüttelte Herrschaft der Deutschen, unter deren ersten Trägern die wettinischen Markgrafen der Niederlausitz Dietrich der Zweite (1034) und Dedi der Zweite (1046 bis 1075) erscheinen. Doch war die deutsche Herrschaft lange Zeit auf die Behauptung einiger strategisch wichtiger Punkte beschränkt. Erst Konrad der Große, Markgraf der Lausitz feit 1136, und sein Sohn Dietrich (115V bis 1185) konnten unter der Beihilfe von Klöstern, z. B. Dobrilugks, gestiftet 1165, an eine wirkliche deutsche Kolonisation des Spreegebiets denken. In den nord¬ östlichen Gegenden der Niederlausitz faßte das Deutschtum erst festen Fuß nach der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/235>, abgerufen am 23.07.2024.