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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Das deutsche Gffizierkorps und das deutsche Volk

Offizier im Zivilauzuge steht nur mit einem Fuß im Heere. Der Zivilanzug
ist das Capua der Armee, er erschlafft, er macht nachlässig, er läßt dem Offizier
seine Uniform nicht mehr als Ehrenkleid, sondern als einen lustigen Zwang
erscheinen. Damit streift er die ritterliche Gesinnung ab, die eine der ersten
Grundlagen seines Standes sein soll. In dieser Hinsicht wäre wohl eine größere
Strenge am Platze. In die nämliche Kategorie gehört die Ausdehnung von
Modenarrhciten auf die Uniform, Rockkragen von unglaublicher Höhe, verkürzte
Paletots, bald größere, bald kleinere Mützen und dergleichen mehr. Was da
dem Bürger auffällt, der solchen Unfug staunend betrachtet, sollte doch auch
den Vorgesetzten nicht entgehn.

Es ist hie und da getadelt worden, daß der Forbacher Prozeß in voller
Öffentlichkeit abgehandelt worden ist; man hat in diesem Verfahren die Gefahr
einer Herabsetzung des Standes vor dem In- und dem Auslande, eine Gefährdung
der Disziplin gesehen. Hätte nicht das Bilsesche Buch vorgelegen, worin alle
diese Dinge fast mit Namensnennung öffentlich behandelt waren, sondern wäre
die Anklage gegen die einzelnen Offiziere auf Grund einer Anzeige oder auf
Grund dienstlichen Einschreitens erhoben worden, so konnte wenigstens zum
Teil die Ausschließung der Öffentlichkeit als zulässig oder geboten erachtet werden.
Da aber dem ganzen Verfahren das Bilsesche Buch zugrunde lag, hätte die
Ausschließung der Öffentlichkeit zu der Annahme geführt, daß es sich um die
Vertuschung "och wesentlich schlimmerer Dinge handle. Die volle Öffentlichkeit
des Prozesses war zu dein Beweise nötig, daß der Geist der Armee gesund genug
sei, da, wo sich faule Stellen zeigen, die Ausrottung des Übels an der Wurzel
zu ertragen, ohne daß das Ganze irgendwie in Mitleidenschaft gezogen wird.
Auch hat der Prozeß deutlich genug ergeben, daß "die kleine Garnison" mir
zufällig den Untergrund geboten hat. Dieselben Elemente würden in einer großen
Garnison nicht viel anders gelebt haben, die Spielerprozesse in Hannover
haben seinerzeit zur Genüge dargetan, was auch in einer großen Garnison
möglich ist, wenn der Kommandeur nicht mit Vateraugen über den ihm an¬
vertrauten Offizieren wacht. Auch für unsre deutschen Offiziere wollen wir
das Dichterwort gelten lassen:

Man hat ehedem unser Offizierkorps als volksfeindlich bezeichnet, als re¬
aktionär, junkerhaft und dergleichen. Das war schon damals eine arge Übertreibung,
als es sich in der Mehrzahl noch aus jenem altpreußischen Schwertadel rekrutierte,
der zu dem großen Ersatz bei weitem nicht mehr ausreicht. Heute mehr als je
ist die Armee die stolzeste und höchste Vertreterin des nationalen Gedankens und
Empfindens, an ihrer Spitze steht ein Offizierkorps, das in der Gesamtheit unsrer
gebildete,: Stände seinen Ursprung und seinen unversiegbarer Jungbrunnen hat.
Wenn schon im Konfliktsjahre 1866 der damalige demokratische Abgeordnete
Ziegler ausrufen konnte: "Das Herz des preußischen Volks ist dn, wo die
preußischen Fahnen wehen" -- heute trifft noch in viel höherm Grade das Wort
zu: Das Herz Deutschlands schlüge in seinem Heer und in seiner Flotte.


Das deutsche Gffizierkorps und das deutsche Volk

Offizier im Zivilauzuge steht nur mit einem Fuß im Heere. Der Zivilanzug
ist das Capua der Armee, er erschlafft, er macht nachlässig, er läßt dem Offizier
seine Uniform nicht mehr als Ehrenkleid, sondern als einen lustigen Zwang
erscheinen. Damit streift er die ritterliche Gesinnung ab, die eine der ersten
Grundlagen seines Standes sein soll. In dieser Hinsicht wäre wohl eine größere
Strenge am Platze. In die nämliche Kategorie gehört die Ausdehnung von
Modenarrhciten auf die Uniform, Rockkragen von unglaublicher Höhe, verkürzte
Paletots, bald größere, bald kleinere Mützen und dergleichen mehr. Was da
dem Bürger auffällt, der solchen Unfug staunend betrachtet, sollte doch auch
den Vorgesetzten nicht entgehn.

Es ist hie und da getadelt worden, daß der Forbacher Prozeß in voller
Öffentlichkeit abgehandelt worden ist; man hat in diesem Verfahren die Gefahr
einer Herabsetzung des Standes vor dem In- und dem Auslande, eine Gefährdung
der Disziplin gesehen. Hätte nicht das Bilsesche Buch vorgelegen, worin alle
diese Dinge fast mit Namensnennung öffentlich behandelt waren, sondern wäre
die Anklage gegen die einzelnen Offiziere auf Grund einer Anzeige oder auf
Grund dienstlichen Einschreitens erhoben worden, so konnte wenigstens zum
Teil die Ausschließung der Öffentlichkeit als zulässig oder geboten erachtet werden.
Da aber dem ganzen Verfahren das Bilsesche Buch zugrunde lag, hätte die
Ausschließung der Öffentlichkeit zu der Annahme geführt, daß es sich um die
Vertuschung »och wesentlich schlimmerer Dinge handle. Die volle Öffentlichkeit
des Prozesses war zu dein Beweise nötig, daß der Geist der Armee gesund genug
sei, da, wo sich faule Stellen zeigen, die Ausrottung des Übels an der Wurzel
zu ertragen, ohne daß das Ganze irgendwie in Mitleidenschaft gezogen wird.
Auch hat der Prozeß deutlich genug ergeben, daß „die kleine Garnison" mir
zufällig den Untergrund geboten hat. Dieselben Elemente würden in einer großen
Garnison nicht viel anders gelebt haben, die Spielerprozesse in Hannover
haben seinerzeit zur Genüge dargetan, was auch in einer großen Garnison
möglich ist, wenn der Kommandeur nicht mit Vateraugen über den ihm an¬
vertrauten Offizieren wacht. Auch für unsre deutschen Offiziere wollen wir
das Dichterwort gelten lassen:

Man hat ehedem unser Offizierkorps als volksfeindlich bezeichnet, als re¬
aktionär, junkerhaft und dergleichen. Das war schon damals eine arge Übertreibung,
als es sich in der Mehrzahl noch aus jenem altpreußischen Schwertadel rekrutierte,
der zu dem großen Ersatz bei weitem nicht mehr ausreicht. Heute mehr als je
ist die Armee die stolzeste und höchste Vertreterin des nationalen Gedankens und
Empfindens, an ihrer Spitze steht ein Offizierkorps, das in der Gesamtheit unsrer
gebildete,: Stände seinen Ursprung und seinen unversiegbarer Jungbrunnen hat.
Wenn schon im Konfliktsjahre 1866 der damalige demokratische Abgeordnete
Ziegler ausrufen konnte: „Das Herz des preußischen Volks ist dn, wo die
preußischen Fahnen wehen" — heute trifft noch in viel höherm Grade das Wort
zu: Das Herz Deutschlands schlüge in seinem Heer und in seiner Flotte.


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[0022] Das deutsche Gffizierkorps und das deutsche Volk Offizier im Zivilauzuge steht nur mit einem Fuß im Heere. Der Zivilanzug ist das Capua der Armee, er erschlafft, er macht nachlässig, er läßt dem Offizier seine Uniform nicht mehr als Ehrenkleid, sondern als einen lustigen Zwang erscheinen. Damit streift er die ritterliche Gesinnung ab, die eine der ersten Grundlagen seines Standes sein soll. In dieser Hinsicht wäre wohl eine größere Strenge am Platze. In die nämliche Kategorie gehört die Ausdehnung von Modenarrhciten auf die Uniform, Rockkragen von unglaublicher Höhe, verkürzte Paletots, bald größere, bald kleinere Mützen und dergleichen mehr. Was da dem Bürger auffällt, der solchen Unfug staunend betrachtet, sollte doch auch den Vorgesetzten nicht entgehn. Es ist hie und da getadelt worden, daß der Forbacher Prozeß in voller Öffentlichkeit abgehandelt worden ist; man hat in diesem Verfahren die Gefahr einer Herabsetzung des Standes vor dem In- und dem Auslande, eine Gefährdung der Disziplin gesehen. Hätte nicht das Bilsesche Buch vorgelegen, worin alle diese Dinge fast mit Namensnennung öffentlich behandelt waren, sondern wäre die Anklage gegen die einzelnen Offiziere auf Grund einer Anzeige oder auf Grund dienstlichen Einschreitens erhoben worden, so konnte wenigstens zum Teil die Ausschließung der Öffentlichkeit als zulässig oder geboten erachtet werden. Da aber dem ganzen Verfahren das Bilsesche Buch zugrunde lag, hätte die Ausschließung der Öffentlichkeit zu der Annahme geführt, daß es sich um die Vertuschung »och wesentlich schlimmerer Dinge handle. Die volle Öffentlichkeit des Prozesses war zu dein Beweise nötig, daß der Geist der Armee gesund genug sei, da, wo sich faule Stellen zeigen, die Ausrottung des Übels an der Wurzel zu ertragen, ohne daß das Ganze irgendwie in Mitleidenschaft gezogen wird. Auch hat der Prozeß deutlich genug ergeben, daß „die kleine Garnison" mir zufällig den Untergrund geboten hat. Dieselben Elemente würden in einer großen Garnison nicht viel anders gelebt haben, die Spielerprozesse in Hannover haben seinerzeit zur Genüge dargetan, was auch in einer großen Garnison möglich ist, wenn der Kommandeur nicht mit Vateraugen über den ihm an¬ vertrauten Offizieren wacht. Auch für unsre deutschen Offiziere wollen wir das Dichterwort gelten lassen: Man hat ehedem unser Offizierkorps als volksfeindlich bezeichnet, als re¬ aktionär, junkerhaft und dergleichen. Das war schon damals eine arge Übertreibung, als es sich in der Mehrzahl noch aus jenem altpreußischen Schwertadel rekrutierte, der zu dem großen Ersatz bei weitem nicht mehr ausreicht. Heute mehr als je ist die Armee die stolzeste und höchste Vertreterin des nationalen Gedankens und Empfindens, an ihrer Spitze steht ein Offizierkorps, das in der Gesamtheit unsrer gebildete,: Stände seinen Ursprung und seinen unversiegbarer Jungbrunnen hat. Wenn schon im Konfliktsjahre 1866 der damalige demokratische Abgeordnete Ziegler ausrufen konnte: „Das Herz des preußischen Volks ist dn, wo die preußischen Fahnen wehen" — heute trifft noch in viel höherm Grade das Wort zu: Das Herz Deutschlands schlüge in seinem Heer und in seiner Flotte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/22>, abgerufen am 22.07.2024.