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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Die Alabunkerstraße

Noch immer drei, mein Kind. Für einen Posteleven allerdings etwas viel;
aber ich werde natürlich einmal Oberpostmeister. Die Leute warten schon auf mich.

Wie lange mußt du eigentlich auf der Post arbeiten, um es zu etwas zu
bringen? fragte seine Schwester.

Langsam löffelte er seinen Kaffee.

Ein Jahr muß ich mindestens lernen, dann ein Examen machen, bei dem ich
zuerst durchfallen werde. Dann dauerts noch ein Jahr; und dann werde ich all¬
mählich angestellt werden.

Also eine lange Geschichte.

Sie sagte es nachdenklich. Wolf sah sie von der Seite an. Ich hoffe, fuhr
er fort, liebe Schwester, daß du mir mit deiner guten Klostereinnahme beistehn
wirst. Blut ist dicker als Wasser, mein Kind.

Wenn er verlegen war, sagte er immer "mein Kind" zu der um fünfzehn
Jahre ältern Schwester. Sie achtete nicht darauf. Nachdenklich sah sie ihn an.

Lieber Wolf, ich tue, was ich kann. Aber so viel, wie du brauchst, kann ich
dir doch nicht geben. Das habe ich niemals gekonnt.

Sie hatte Recht. Wolf hatte jederzeit über seine Verhältnisse gelebt, und sie
hatte ihm immer beigestanden, obgleich sie selbst, ehe sie Stiftsdame geworden war,
nur ein schmales Einkommen gehabt hatte. Die Wolffenradts waren nicht reich.
Auch der Majoratsherr, Bruder Felix, der auf der Wolffenburg wohnte, mußte sich
drehen und wenden, um allen Anforderungen gerecht zu werden.

Wolf setzte die Tasse nieder und sah aus dem Fenster. Hinter dem Tannen¬
wald, der auf der einen Seite den Ausblick begrenzte, ragte ein viereckiger Kirch¬
turm in die Luft. Er gehörte der kleinen Stadt, in der Wolf in die Geheimnisse
der PostWissenschaft eingeführt wurde. Es war ein langweiliges kleines Städtchen,
und der Postdirektor war ein eigner alter Herr. Wenn die Frau Äbtissin von
Wittekind sich nicht in höchsteigner Person für die Aufnahme des Herrn von Wolsfen-
radt verwandt hätte, der Postdirektor würde ihn nicht genommen haben. Aber
der Frau Äbtissin von Wittekind schlägt man nicht gern etwas ab, und es war
Asta von Wolsfenradt gewesen, die die Äbtissin zu diesem Schritt veranlaßt hatte.
Und es war Asta von Wolsfenradt, die ihren Bruder jetzt, so oft er kommen
wollte, bei sich aufnahm. Zum Essen, oder zum Kaffee, und wenn er Sonnabend
Nachmittags kam, pflegte er bis Montag Morgen zu bleiben.

Asta war immer eine gute Schwester gewesen, und der so viel jüngere Bruder
hatte es als Knabe nicht anders gekannt, als daß sie ihm immer den Willen tat,
ins ihn das Leben aus dem Elternhaus und in andre Umgebungen verschlagen
hatte. Er war in ein vornehmes Regiment gekommen, in andre Interessen und
Beziehungen, in Schulden und Verdrießlichkeiten, in eine Heirat, die seine Familie
empörte. Sein Bruder Felix und seine Schwester hatten allerdings nicht viel ge¬
sagt, als Wolf ihnen seine Vermählung mit Elisabeth Hammer, der Tochter einer
armen Beamtenwitwe, anzeigte, aber ihr Schweigen war beredt gewesen. Sie
sprachen ihm keinen Glückwunsch aus; sie schrieben nicht, als er ihnen die Geburt
seiner erste" Tochter mitteilte. Als Wolf sich dann mit der Bitte um Unterstützung
seinen Bruder wandte, schrieb ihm dieser eine höfliche Absage, die er damit begründete,
daß er seinem Bruder schon mehr Geld gegeben hätte, als er seiner Kinder wegen
verantworten könnte. Er log nicht; Wolf hatte den Geldbeutel des ältern Bruders
Jason sehr stark in Anspruch genommen.

In diesem Absagebrief schrieb Felix kein Wort von Wolfs Frau und fragte
weder uach ihr noch nach der kleinen Gabriele, die inzwischen ein Schwesterchen
erhalten hatte. Wolf ärgerte sich wütend und nahm sich vor. niemals wieder an
diesen Bruder zu schreiben. Nach anderthalb Jahren aber wandte er sich an Asta
mit der Vorfrage, ob auch sie ihn vergessen hätte, und erhielt umgehend die Ant¬
wort, nein, das hätte sie nicht getan, sie dächte viel an ihn und wünschte ihm
zu helfen. Sie sei jetzt Stiftsdame in Wittekind und hätte von einer andern


GrenzSoten 1 1904 lL
Die Alabunkerstraße

Noch immer drei, mein Kind. Für einen Posteleven allerdings etwas viel;
aber ich werde natürlich einmal Oberpostmeister. Die Leute warten schon auf mich.

Wie lange mußt du eigentlich auf der Post arbeiten, um es zu etwas zu
bringen? fragte seine Schwester.

Langsam löffelte er seinen Kaffee.

Ein Jahr muß ich mindestens lernen, dann ein Examen machen, bei dem ich
zuerst durchfallen werde. Dann dauerts noch ein Jahr; und dann werde ich all¬
mählich angestellt werden.

Also eine lange Geschichte.

Sie sagte es nachdenklich. Wolf sah sie von der Seite an. Ich hoffe, fuhr
er fort, liebe Schwester, daß du mir mit deiner guten Klostereinnahme beistehn
wirst. Blut ist dicker als Wasser, mein Kind.

Wenn er verlegen war, sagte er immer „mein Kind" zu der um fünfzehn
Jahre ältern Schwester. Sie achtete nicht darauf. Nachdenklich sah sie ihn an.

Lieber Wolf, ich tue, was ich kann. Aber so viel, wie du brauchst, kann ich
dir doch nicht geben. Das habe ich niemals gekonnt.

Sie hatte Recht. Wolf hatte jederzeit über seine Verhältnisse gelebt, und sie
hatte ihm immer beigestanden, obgleich sie selbst, ehe sie Stiftsdame geworden war,
nur ein schmales Einkommen gehabt hatte. Die Wolffenradts waren nicht reich.
Auch der Majoratsherr, Bruder Felix, der auf der Wolffenburg wohnte, mußte sich
drehen und wenden, um allen Anforderungen gerecht zu werden.

Wolf setzte die Tasse nieder und sah aus dem Fenster. Hinter dem Tannen¬
wald, der auf der einen Seite den Ausblick begrenzte, ragte ein viereckiger Kirch¬
turm in die Luft. Er gehörte der kleinen Stadt, in der Wolf in die Geheimnisse
der PostWissenschaft eingeführt wurde. Es war ein langweiliges kleines Städtchen,
und der Postdirektor war ein eigner alter Herr. Wenn die Frau Äbtissin von
Wittekind sich nicht in höchsteigner Person für die Aufnahme des Herrn von Wolsfen-
radt verwandt hätte, der Postdirektor würde ihn nicht genommen haben. Aber
der Frau Äbtissin von Wittekind schlägt man nicht gern etwas ab, und es war
Asta von Wolsfenradt gewesen, die die Äbtissin zu diesem Schritt veranlaßt hatte.
Und es war Asta von Wolsfenradt, die ihren Bruder jetzt, so oft er kommen
wollte, bei sich aufnahm. Zum Essen, oder zum Kaffee, und wenn er Sonnabend
Nachmittags kam, pflegte er bis Montag Morgen zu bleiben.

Asta war immer eine gute Schwester gewesen, und der so viel jüngere Bruder
hatte es als Knabe nicht anders gekannt, als daß sie ihm immer den Willen tat,
ins ihn das Leben aus dem Elternhaus und in andre Umgebungen verschlagen
hatte. Er war in ein vornehmes Regiment gekommen, in andre Interessen und
Beziehungen, in Schulden und Verdrießlichkeiten, in eine Heirat, die seine Familie
empörte. Sein Bruder Felix und seine Schwester hatten allerdings nicht viel ge¬
sagt, als Wolf ihnen seine Vermählung mit Elisabeth Hammer, der Tochter einer
armen Beamtenwitwe, anzeigte, aber ihr Schweigen war beredt gewesen. Sie
sprachen ihm keinen Glückwunsch aus; sie schrieben nicht, als er ihnen die Geburt
seiner erste» Tochter mitteilte. Als Wolf sich dann mit der Bitte um Unterstützung
seinen Bruder wandte, schrieb ihm dieser eine höfliche Absage, die er damit begründete,
daß er seinem Bruder schon mehr Geld gegeben hätte, als er seiner Kinder wegen
verantworten könnte. Er log nicht; Wolf hatte den Geldbeutel des ältern Bruders
Jason sehr stark in Anspruch genommen.

In diesem Absagebrief schrieb Felix kein Wort von Wolfs Frau und fragte
weder uach ihr noch nach der kleinen Gabriele, die inzwischen ein Schwesterchen
erhalten hatte. Wolf ärgerte sich wütend und nahm sich vor. niemals wieder an
diesen Bruder zu schreiben. Nach anderthalb Jahren aber wandte er sich an Asta
mit der Vorfrage, ob auch sie ihn vergessen hätte, und erhielt umgehend die Ant¬
wort, nein, das hätte sie nicht getan, sie dächte viel an ihn und wünschte ihm
zu helfen. Sie sei jetzt Stiftsdame in Wittekind und hätte von einer andern


GrenzSoten 1 1904 lL
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[0119] Die Alabunkerstraße Noch immer drei, mein Kind. Für einen Posteleven allerdings etwas viel; aber ich werde natürlich einmal Oberpostmeister. Die Leute warten schon auf mich. Wie lange mußt du eigentlich auf der Post arbeiten, um es zu etwas zu bringen? fragte seine Schwester. Langsam löffelte er seinen Kaffee. Ein Jahr muß ich mindestens lernen, dann ein Examen machen, bei dem ich zuerst durchfallen werde. Dann dauerts noch ein Jahr; und dann werde ich all¬ mählich angestellt werden. Also eine lange Geschichte. Sie sagte es nachdenklich. Wolf sah sie von der Seite an. Ich hoffe, fuhr er fort, liebe Schwester, daß du mir mit deiner guten Klostereinnahme beistehn wirst. Blut ist dicker als Wasser, mein Kind. Wenn er verlegen war, sagte er immer „mein Kind" zu der um fünfzehn Jahre ältern Schwester. Sie achtete nicht darauf. Nachdenklich sah sie ihn an. Lieber Wolf, ich tue, was ich kann. Aber so viel, wie du brauchst, kann ich dir doch nicht geben. Das habe ich niemals gekonnt. Sie hatte Recht. Wolf hatte jederzeit über seine Verhältnisse gelebt, und sie hatte ihm immer beigestanden, obgleich sie selbst, ehe sie Stiftsdame geworden war, nur ein schmales Einkommen gehabt hatte. Die Wolffenradts waren nicht reich. Auch der Majoratsherr, Bruder Felix, der auf der Wolffenburg wohnte, mußte sich drehen und wenden, um allen Anforderungen gerecht zu werden. Wolf setzte die Tasse nieder und sah aus dem Fenster. Hinter dem Tannen¬ wald, der auf der einen Seite den Ausblick begrenzte, ragte ein viereckiger Kirch¬ turm in die Luft. Er gehörte der kleinen Stadt, in der Wolf in die Geheimnisse der PostWissenschaft eingeführt wurde. Es war ein langweiliges kleines Städtchen, und der Postdirektor war ein eigner alter Herr. Wenn die Frau Äbtissin von Wittekind sich nicht in höchsteigner Person für die Aufnahme des Herrn von Wolsfen- radt verwandt hätte, der Postdirektor würde ihn nicht genommen haben. Aber der Frau Äbtissin von Wittekind schlägt man nicht gern etwas ab, und es war Asta von Wolsfenradt gewesen, die die Äbtissin zu diesem Schritt veranlaßt hatte. Und es war Asta von Wolsfenradt, die ihren Bruder jetzt, so oft er kommen wollte, bei sich aufnahm. Zum Essen, oder zum Kaffee, und wenn er Sonnabend Nachmittags kam, pflegte er bis Montag Morgen zu bleiben. Asta war immer eine gute Schwester gewesen, und der so viel jüngere Bruder hatte es als Knabe nicht anders gekannt, als daß sie ihm immer den Willen tat, ins ihn das Leben aus dem Elternhaus und in andre Umgebungen verschlagen hatte. Er war in ein vornehmes Regiment gekommen, in andre Interessen und Beziehungen, in Schulden und Verdrießlichkeiten, in eine Heirat, die seine Familie empörte. Sein Bruder Felix und seine Schwester hatten allerdings nicht viel ge¬ sagt, als Wolf ihnen seine Vermählung mit Elisabeth Hammer, der Tochter einer armen Beamtenwitwe, anzeigte, aber ihr Schweigen war beredt gewesen. Sie sprachen ihm keinen Glückwunsch aus; sie schrieben nicht, als er ihnen die Geburt seiner erste» Tochter mitteilte. Als Wolf sich dann mit der Bitte um Unterstützung seinen Bruder wandte, schrieb ihm dieser eine höfliche Absage, die er damit begründete, daß er seinem Bruder schon mehr Geld gegeben hätte, als er seiner Kinder wegen verantworten könnte. Er log nicht; Wolf hatte den Geldbeutel des ältern Bruders Jason sehr stark in Anspruch genommen. In diesem Absagebrief schrieb Felix kein Wort von Wolfs Frau und fragte weder uach ihr noch nach der kleinen Gabriele, die inzwischen ein Schwesterchen erhalten hatte. Wolf ärgerte sich wütend und nahm sich vor. niemals wieder an diesen Bruder zu schreiben. Nach anderthalb Jahren aber wandte er sich an Asta mit der Vorfrage, ob auch sie ihn vergessen hätte, und erhielt umgehend die Ant¬ wort, nein, das hätte sie nicht getan, sie dächte viel an ihn und wünschte ihm zu helfen. Sie sei jetzt Stiftsdame in Wittekind und hätte von einer andern GrenzSoten 1 1904 lL

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/119>, abgerufen am 24.08.2024.