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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Ans der Jugendzeit

zeitig auf dem Osterberge bei dem Freudenfeuer. Auch dort war von der Bürger¬
wehr nichts mehr zu merken. Das Bürgerwehrspielcn hatte aufgehört.

Im Laufe des Sommers trat dagegen das politische Interesse stark in den
Vordergrund. Schon dadurch, daß die Presse seit dem März ein ganz andres Ge¬
sicht bekommen hatte. In der am 20. März in Berlin ausgegebnen Gesetzsnmmluug
war ein neues "Gesetz über die Presse" veröffentlicht worden, dessen erster Para¬
graph lautete: "Die Zensur wird hiermit aufgehoben. Alle auf die Zensur bezüg¬
liche!: Bestimmungen, Anordnungen, Einrichtungen und Strafvorschrifteu treten anßer
Kraft." Man wird sich heute kaum eine Vorstellung von dem ungeheuern Um¬
schwunge machen können, der wie mit einem Schlage im gesamten öffentlichen Leben
eintrat. Und doch war dieses Preßgesetz schon vom 17. März datiert und noch
von dem sogenannten vormärzlichen Staatsministerium gegengezeichnet. An der
Spitze steht der Prinz von Preußen. Dann folgen die Minister von Rother, Eich¬
horn, von Thile, von Savigny, von Bodelschwingh, Graf zu Stolberg, Uhden,
Freiherr von Canitz, von Dücsberg, von Nohr. Übrigens erhielt schon dieses
Preßgesetz vom 17. März 1848 im Paragraphen 8 die Verheißung der Verein¬
barung eines allgemeinen dentschen Prcßgesetzes, ein Beweis, wie weit den freiheit¬
lichen Forderungen entgegenzukommen der König und das Staatsministerium schon
vor dem 18. März entschlossen gewesen waren. Auch die am 31. März 1848
ausgegebne Nummer der Gesetzsammlung enthält ausschließlich ältere, noch von vor¬
märzlichen Ministern gezeichnete Verordnungen oder Verfügungen. Erst am 6. April
erschien die mit gesperrten Lettern gedruckte Nummer 10 der Gesetzsammlung mit
der provisorischen Verordnung vom 4. April über Aufhebung der Mnhlstener und
deren Ersatz dnrch eine direkte Steuer. Diese Verordnung war von den Ministern
Camphausen, Graf von Schwerin, von Auerswnld, Dr. Bornemann, von Arnim,
Hansemann und von Reyher gegengezeichnet. Sie warf einen die einzelnen Bürger
unmittelbar am Geldbeutel interessierenden Diskussionsstoff in die semble, da die
Beseitigung der Mahlsteuer nur von dem Antrage der betreffenden Stadt bei
der Provinzialregieruug abhing. Gleich nachher erschien die königliche Verordnung
vom 0. April über einige Grundlagen der künftigen preußischen Verfassung. Sie
hob die in dein neuen Preßgesetz vom 17. März vorgesehene Kautionsbestellnng
für die Herausgabe neuer Zeitungen ohne weiteres wieder auf, führte ein fast un¬
beschränktes Vereins- und Versammlnngsrecht ein, sicherte die Unabhängigkeit der
Ausübung staatsbürgerlicher Rechte vom religiösen Bekenntnis zu und verhieß, daß
"den künftigen Vertretern des Volks jedenfalls die Zustimmung zu allen Gesetzen,
sowie zur Festsetzung des Staatshaushaltsetats und das Stcuerbewilligungsrecht
zustehen" solle. Man sieht, wie eilig es das Staatsministerium hatte, diese zu
Schlagworten geprägten, freiheitlichen Forderungen im voraus gesetzlich festzulegen.
Man gedachte damit den extremen, revolutionären Bestrebungen, die jeden Tag
wieder in offener Empörung zu explodieren drohten, die Spitzen abzubrechen.
Gleich nachher erschienen die Wahlgesetze für die zur Vereinbarung der preußischen
Staatsverfassung zu berufende Versammlung und für die Wahl der preußischen Ab¬
geordneten zur deutschen Nationalversammlung.

Es liegt auf der Hand, daß diese Wahlen in Verbindung mit dem neuen
Geiste, der durch die Welt brauste, für das Laud und den einzelnen Durchschnitts¬
menschen weit mehr bedeuteten, als die ganze Bürgerwehrspielerei. Jedoch anfangs
lag in dieser gewissermaßen offiziellen Bewaffnung der Massen ein gewaltiger
Zauber und auch ein Stück politischer Macht, auf die man den äußersten Wert legte.
Wie hoch auch die Regierung diesen politischen Wert der Bürgerwehr schätzte,
ergibt sich daraus, daß das Staatsministerium es für geboten oder wenigstens für
ratsam hielt, die Bürgerwehr förmlich mit einem gesetzlichen Schutze zu umgeben.
Der König erließ ans das Drängen des Staatsministeriums die Verordnung vom
19. April 1848 über die Befugnisse der Bürgerwehr des Inhalts: "Nachdem Wir
die Bildung von Bürgcrwchreu genehmigt haben, so verordnen Wir zur Beseitigung


Ans der Jugendzeit

zeitig auf dem Osterberge bei dem Freudenfeuer. Auch dort war von der Bürger¬
wehr nichts mehr zu merken. Das Bürgerwehrspielcn hatte aufgehört.

Im Laufe des Sommers trat dagegen das politische Interesse stark in den
Vordergrund. Schon dadurch, daß die Presse seit dem März ein ganz andres Ge¬
sicht bekommen hatte. In der am 20. März in Berlin ausgegebnen Gesetzsnmmluug
war ein neues „Gesetz über die Presse" veröffentlicht worden, dessen erster Para¬
graph lautete: „Die Zensur wird hiermit aufgehoben. Alle auf die Zensur bezüg¬
liche!: Bestimmungen, Anordnungen, Einrichtungen und Strafvorschrifteu treten anßer
Kraft." Man wird sich heute kaum eine Vorstellung von dem ungeheuern Um¬
schwunge machen können, der wie mit einem Schlage im gesamten öffentlichen Leben
eintrat. Und doch war dieses Preßgesetz schon vom 17. März datiert und noch
von dem sogenannten vormärzlichen Staatsministerium gegengezeichnet. An der
Spitze steht der Prinz von Preußen. Dann folgen die Minister von Rother, Eich¬
horn, von Thile, von Savigny, von Bodelschwingh, Graf zu Stolberg, Uhden,
Freiherr von Canitz, von Dücsberg, von Nohr. Übrigens erhielt schon dieses
Preßgesetz vom 17. März 1848 im Paragraphen 8 die Verheißung der Verein¬
barung eines allgemeinen dentschen Prcßgesetzes, ein Beweis, wie weit den freiheit¬
lichen Forderungen entgegenzukommen der König und das Staatsministerium schon
vor dem 18. März entschlossen gewesen waren. Auch die am 31. März 1848
ausgegebne Nummer der Gesetzsammlung enthält ausschließlich ältere, noch von vor¬
märzlichen Ministern gezeichnete Verordnungen oder Verfügungen. Erst am 6. April
erschien die mit gesperrten Lettern gedruckte Nummer 10 der Gesetzsammlung mit
der provisorischen Verordnung vom 4. April über Aufhebung der Mnhlstener und
deren Ersatz dnrch eine direkte Steuer. Diese Verordnung war von den Ministern
Camphausen, Graf von Schwerin, von Auerswnld, Dr. Bornemann, von Arnim,
Hansemann und von Reyher gegengezeichnet. Sie warf einen die einzelnen Bürger
unmittelbar am Geldbeutel interessierenden Diskussionsstoff in die semble, da die
Beseitigung der Mahlsteuer nur von dem Antrage der betreffenden Stadt bei
der Provinzialregieruug abhing. Gleich nachher erschien die königliche Verordnung
vom 0. April über einige Grundlagen der künftigen preußischen Verfassung. Sie
hob die in dein neuen Preßgesetz vom 17. März vorgesehene Kautionsbestellnng
für die Herausgabe neuer Zeitungen ohne weiteres wieder auf, führte ein fast un¬
beschränktes Vereins- und Versammlnngsrecht ein, sicherte die Unabhängigkeit der
Ausübung staatsbürgerlicher Rechte vom religiösen Bekenntnis zu und verhieß, daß
„den künftigen Vertretern des Volks jedenfalls die Zustimmung zu allen Gesetzen,
sowie zur Festsetzung des Staatshaushaltsetats und das Stcuerbewilligungsrecht
zustehen" solle. Man sieht, wie eilig es das Staatsministerium hatte, diese zu
Schlagworten geprägten, freiheitlichen Forderungen im voraus gesetzlich festzulegen.
Man gedachte damit den extremen, revolutionären Bestrebungen, die jeden Tag
wieder in offener Empörung zu explodieren drohten, die Spitzen abzubrechen.
Gleich nachher erschienen die Wahlgesetze für die zur Vereinbarung der preußischen
Staatsverfassung zu berufende Versammlung und für die Wahl der preußischen Ab¬
geordneten zur deutschen Nationalversammlung.

Es liegt auf der Hand, daß diese Wahlen in Verbindung mit dem neuen
Geiste, der durch die Welt brauste, für das Laud und den einzelnen Durchschnitts¬
menschen weit mehr bedeuteten, als die ganze Bürgerwehrspielerei. Jedoch anfangs
lag in dieser gewissermaßen offiziellen Bewaffnung der Massen ein gewaltiger
Zauber und auch ein Stück politischer Macht, auf die man den äußersten Wert legte.
Wie hoch auch die Regierung diesen politischen Wert der Bürgerwehr schätzte,
ergibt sich daraus, daß das Staatsministerium es für geboten oder wenigstens für
ratsam hielt, die Bürgerwehr förmlich mit einem gesetzlichen Schutze zu umgeben.
Der König erließ ans das Drängen des Staatsministeriums die Verordnung vom
19. April 1848 über die Befugnisse der Bürgerwehr des Inhalts: „Nachdem Wir
die Bildung von Bürgcrwchreu genehmigt haben, so verordnen Wir zur Beseitigung


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[0728] Ans der Jugendzeit zeitig auf dem Osterberge bei dem Freudenfeuer. Auch dort war von der Bürger¬ wehr nichts mehr zu merken. Das Bürgerwehrspielcn hatte aufgehört. Im Laufe des Sommers trat dagegen das politische Interesse stark in den Vordergrund. Schon dadurch, daß die Presse seit dem März ein ganz andres Ge¬ sicht bekommen hatte. In der am 20. März in Berlin ausgegebnen Gesetzsnmmluug war ein neues „Gesetz über die Presse" veröffentlicht worden, dessen erster Para¬ graph lautete: „Die Zensur wird hiermit aufgehoben. Alle auf die Zensur bezüg¬ liche!: Bestimmungen, Anordnungen, Einrichtungen und Strafvorschrifteu treten anßer Kraft." Man wird sich heute kaum eine Vorstellung von dem ungeheuern Um¬ schwunge machen können, der wie mit einem Schlage im gesamten öffentlichen Leben eintrat. Und doch war dieses Preßgesetz schon vom 17. März datiert und noch von dem sogenannten vormärzlichen Staatsministerium gegengezeichnet. An der Spitze steht der Prinz von Preußen. Dann folgen die Minister von Rother, Eich¬ horn, von Thile, von Savigny, von Bodelschwingh, Graf zu Stolberg, Uhden, Freiherr von Canitz, von Dücsberg, von Nohr. Übrigens erhielt schon dieses Preßgesetz vom 17. März 1848 im Paragraphen 8 die Verheißung der Verein¬ barung eines allgemeinen dentschen Prcßgesetzes, ein Beweis, wie weit den freiheit¬ lichen Forderungen entgegenzukommen der König und das Staatsministerium schon vor dem 18. März entschlossen gewesen waren. Auch die am 31. März 1848 ausgegebne Nummer der Gesetzsammlung enthält ausschließlich ältere, noch von vor¬ märzlichen Ministern gezeichnete Verordnungen oder Verfügungen. Erst am 6. April erschien die mit gesperrten Lettern gedruckte Nummer 10 der Gesetzsammlung mit der provisorischen Verordnung vom 4. April über Aufhebung der Mnhlstener und deren Ersatz dnrch eine direkte Steuer. Diese Verordnung war von den Ministern Camphausen, Graf von Schwerin, von Auerswnld, Dr. Bornemann, von Arnim, Hansemann und von Reyher gegengezeichnet. Sie warf einen die einzelnen Bürger unmittelbar am Geldbeutel interessierenden Diskussionsstoff in die semble, da die Beseitigung der Mahlsteuer nur von dem Antrage der betreffenden Stadt bei der Provinzialregieruug abhing. Gleich nachher erschien die königliche Verordnung vom 0. April über einige Grundlagen der künftigen preußischen Verfassung. Sie hob die in dein neuen Preßgesetz vom 17. März vorgesehene Kautionsbestellnng für die Herausgabe neuer Zeitungen ohne weiteres wieder auf, führte ein fast un¬ beschränktes Vereins- und Versammlnngsrecht ein, sicherte die Unabhängigkeit der Ausübung staatsbürgerlicher Rechte vom religiösen Bekenntnis zu und verhieß, daß „den künftigen Vertretern des Volks jedenfalls die Zustimmung zu allen Gesetzen, sowie zur Festsetzung des Staatshaushaltsetats und das Stcuerbewilligungsrecht zustehen" solle. Man sieht, wie eilig es das Staatsministerium hatte, diese zu Schlagworten geprägten, freiheitlichen Forderungen im voraus gesetzlich festzulegen. Man gedachte damit den extremen, revolutionären Bestrebungen, die jeden Tag wieder in offener Empörung zu explodieren drohten, die Spitzen abzubrechen. Gleich nachher erschienen die Wahlgesetze für die zur Vereinbarung der preußischen Staatsverfassung zu berufende Versammlung und für die Wahl der preußischen Ab¬ geordneten zur deutschen Nationalversammlung. Es liegt auf der Hand, daß diese Wahlen in Verbindung mit dem neuen Geiste, der durch die Welt brauste, für das Laud und den einzelnen Durchschnitts¬ menschen weit mehr bedeuteten, als die ganze Bürgerwehrspielerei. Jedoch anfangs lag in dieser gewissermaßen offiziellen Bewaffnung der Massen ein gewaltiger Zauber und auch ein Stück politischer Macht, auf die man den äußersten Wert legte. Wie hoch auch die Regierung diesen politischen Wert der Bürgerwehr schätzte, ergibt sich daraus, daß das Staatsministerium es für geboten oder wenigstens für ratsam hielt, die Bürgerwehr förmlich mit einem gesetzlichen Schutze zu umgeben. Der König erließ ans das Drängen des Staatsministeriums die Verordnung vom 19. April 1848 über die Befugnisse der Bürgerwehr des Inhalts: „Nachdem Wir die Bildung von Bürgcrwchreu genehmigt haben, so verordnen Wir zur Beseitigung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/728>, abgerufen am 24.08.2024.