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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Heraldisches

eine Art Stadtstandarte darstellen, ähnlich wie die Königstandarte ausschließlich das
Rautenkranzwappen führt? Das konnte aber auch nicht sein, denn die eine Schild-
Hälfte des Wappens der Stadt Leipzig, die allein dabei in Frage kommen könnte,
zeigt nur zwei blaue Balken im goldnen Felde, aber keine sieben- bis siebzehnfache
Streifung. Woher ums Himmels willen nun die vielfache Streifung? -- Nun,
das ist ja in Deutschland doch ganz einfach! Die vielfach gestreifte Tuchfläche er¬
innert an das nvrdnmcrikanische Sternenbanner, und was ausländisch ist, noch dazu
nordameriknnisch. zieht in Deutschland jn immer (nur darf es nicht vom Kaiser aus-
gehn, da wird darüber gewitzelt), aber sonst ist man immer möglichst fremdländisch
und amerikanisch, nur nicht deutsch, das wäre altväterisch, vielleicht gar -- Pfui
Teufel! -- feudal. Wenn die Nordamerikaner ein Streifenbanner haben, wollen
wir auch eins haben, also darum los mit den Zebrastreifen in die Luft! -- Das
nordameriknuische Sternenbanner ist eine sehr achtbare Einrichtung, um so achtbarer,
als die Nordamerikaner es selbst hoch halten. Sie entfalten es auch gern und mit
Stolz in Europa, jedenfalls häufiger als ein Deutscher in den Vereinigten Staaten
seine Farben zeigen würde. Aber diese Sternenbanner sind alle vollkommen gleich,
sie unterscheiden sich höchstens nach der Größe, und keinem Nordamerikaner würde
einfallen, daran zu andern und zu künsteln, am allerwenigsten etwa damit eine An¬
näherung oder Nachahmung des europäischen Fahnenbranchs zu versuchen, daß er
mit Anwendung der drei Farben seines Landessymbols eine der unsrigen ähnliche
Trikolore herstellte. Dergleichen Fremdländerei kennt er gar nicht, die ist bloß in
Deutschland zuhause, wo man in der Ausländerei sogar bis zur Geschmacklosigkeit
zu gehn geneigt ist. Das war nun in Leipzig allerdings nicht der Fall, die
funkelnagelneuen Streifenbanner mit ihrem leuchtenden Blau und ihrem satten Gelb
machten sich im Sonnenschein recht freundlich, Fahnen waren es freilich nicht,
höchstens Velarien in Fahnenform. Die Meßbuden haben es während der An¬
wesenheit des Kaisers unmöglich gemacht, daß diese Streifenbanner wieder aufge¬
zogen wurden. Das war schade, denn öfterer Gebrauch würde die Tücher bald
unscheinbar gemacht haben, und dann hätte auch das unbefangenste Gemüt ein¬
gesehen, daß ein so verblichnes und grau gewordnes Ding eben nur ein gestreiftes
Stück Zeug ist, während eine blaugelbe Fahne, sei sie auch noch so verbraucht, ver¬
schlissen und erneucrungsbedürftig geworden, doch immer noch die Fahne der Stadt
Leipzig bleibt, so lange der Rest vom Fahnentuch noch an der Stange hält. .Auch
am Tage der Kaiserparade sollte uns der Genuß der Streifenbanner nicht ganz
entgehn, denn oben am Augustusplcch gab es nicht nur blaugelbe, sondern auch
grünweiße -- also auch sächsische nordamerikanische Streifenbauner. Aber auch diese
dürften' bei längerm Gebrauch den Pseudocharakter als Fahnen bald verlieren und
Ichließlich nur noch für die Reste eines Waschkleidchens oder für das gerettete Leinen¬
tuch einer Sommerlaube aus den Schrebergärten gehalten werden.

Noch ein drittes Bild. Zur Zeit der Anwesenheit des Kaisers wehten aus
den obern Fenstern des noch unvollendeten Rathauses, gegenüber dem Stadthause,
fünf gleiche grünweiße Flaggen. Die zukünftige Stätte der Verwaltung der Stadt
Leipzig entbot damit ihren Gruß. Die grünweißeu Fahnen machten sich sehr hübsch,
als ich sie zum erstenmal vom Königsplatze aus sah, und sie interessierten mich
besonders, denn sie ließen von weitem an einer heraldisch richtigen Stelle (an der
obern rechten Ecke, da wo auch im nordamerikanischen Banner das blaue Feld mit
ven Sternen steht) ein Viereck sehen, in dem schwarz und gelb zu erkennen war.
slya. dachte ich, das ist einmal ein sinnreicher Gedanke, das ist ein Schild mit dem
Ichwarzen Löwen von Meißen in goldnem Felde in Verbindung mit der grünweißen
6ayne, eine Zusammenstellung, die ihre gute geschichtliche Begründung hat, und für
o)e sich in der Geschichte unsrer Heraldik mannigfaltige und schöne Vorbilder
!" Vorfahren aus der Hohenstaufenzeit hatten überhaupt die Eigen-
rumiichkeit, daß sie sich auch etwas dabei dachten, wenn sie eine Sache darstellten,
und wenn sie daran änderten oder Neues anbrachten, so wollten sie damit immer


Heraldisches

eine Art Stadtstandarte darstellen, ähnlich wie die Königstandarte ausschließlich das
Rautenkranzwappen führt? Das konnte aber auch nicht sein, denn die eine Schild-
Hälfte des Wappens der Stadt Leipzig, die allein dabei in Frage kommen könnte,
zeigt nur zwei blaue Balken im goldnen Felde, aber keine sieben- bis siebzehnfache
Streifung. Woher ums Himmels willen nun die vielfache Streifung? — Nun,
das ist ja in Deutschland doch ganz einfach! Die vielfach gestreifte Tuchfläche er¬
innert an das nvrdnmcrikanische Sternenbanner, und was ausländisch ist, noch dazu
nordameriknnisch. zieht in Deutschland jn immer (nur darf es nicht vom Kaiser aus-
gehn, da wird darüber gewitzelt), aber sonst ist man immer möglichst fremdländisch
und amerikanisch, nur nicht deutsch, das wäre altväterisch, vielleicht gar — Pfui
Teufel! — feudal. Wenn die Nordamerikaner ein Streifenbanner haben, wollen
wir auch eins haben, also darum los mit den Zebrastreifen in die Luft! — Das
nordameriknuische Sternenbanner ist eine sehr achtbare Einrichtung, um so achtbarer,
als die Nordamerikaner es selbst hoch halten. Sie entfalten es auch gern und mit
Stolz in Europa, jedenfalls häufiger als ein Deutscher in den Vereinigten Staaten
seine Farben zeigen würde. Aber diese Sternenbanner sind alle vollkommen gleich,
sie unterscheiden sich höchstens nach der Größe, und keinem Nordamerikaner würde
einfallen, daran zu andern und zu künsteln, am allerwenigsten etwa damit eine An¬
näherung oder Nachahmung des europäischen Fahnenbranchs zu versuchen, daß er
mit Anwendung der drei Farben seines Landessymbols eine der unsrigen ähnliche
Trikolore herstellte. Dergleichen Fremdländerei kennt er gar nicht, die ist bloß in
Deutschland zuhause, wo man in der Ausländerei sogar bis zur Geschmacklosigkeit
zu gehn geneigt ist. Das war nun in Leipzig allerdings nicht der Fall, die
funkelnagelneuen Streifenbanner mit ihrem leuchtenden Blau und ihrem satten Gelb
machten sich im Sonnenschein recht freundlich, Fahnen waren es freilich nicht,
höchstens Velarien in Fahnenform. Die Meßbuden haben es während der An¬
wesenheit des Kaisers unmöglich gemacht, daß diese Streifenbanner wieder aufge¬
zogen wurden. Das war schade, denn öfterer Gebrauch würde die Tücher bald
unscheinbar gemacht haben, und dann hätte auch das unbefangenste Gemüt ein¬
gesehen, daß ein so verblichnes und grau gewordnes Ding eben nur ein gestreiftes
Stück Zeug ist, während eine blaugelbe Fahne, sei sie auch noch so verbraucht, ver¬
schlissen und erneucrungsbedürftig geworden, doch immer noch die Fahne der Stadt
Leipzig bleibt, so lange der Rest vom Fahnentuch noch an der Stange hält. .Auch
am Tage der Kaiserparade sollte uns der Genuß der Streifenbanner nicht ganz
entgehn, denn oben am Augustusplcch gab es nicht nur blaugelbe, sondern auch
grünweiße — also auch sächsische nordamerikanische Streifenbauner. Aber auch diese
dürften' bei längerm Gebrauch den Pseudocharakter als Fahnen bald verlieren und
Ichließlich nur noch für die Reste eines Waschkleidchens oder für das gerettete Leinen¬
tuch einer Sommerlaube aus den Schrebergärten gehalten werden.

Noch ein drittes Bild. Zur Zeit der Anwesenheit des Kaisers wehten aus
den obern Fenstern des noch unvollendeten Rathauses, gegenüber dem Stadthause,
fünf gleiche grünweiße Flaggen. Die zukünftige Stätte der Verwaltung der Stadt
Leipzig entbot damit ihren Gruß. Die grünweißeu Fahnen machten sich sehr hübsch,
als ich sie zum erstenmal vom Königsplatze aus sah, und sie interessierten mich
besonders, denn sie ließen von weitem an einer heraldisch richtigen Stelle (an der
obern rechten Ecke, da wo auch im nordamerikanischen Banner das blaue Feld mit
ven Sternen steht) ein Viereck sehen, in dem schwarz und gelb zu erkennen war.
slya. dachte ich, das ist einmal ein sinnreicher Gedanke, das ist ein Schild mit dem
Ichwarzen Löwen von Meißen in goldnem Felde in Verbindung mit der grünweißen
6ayne, eine Zusammenstellung, die ihre gute geschichtliche Begründung hat, und für
o)e sich in der Geschichte unsrer Heraldik mannigfaltige und schöne Vorbilder
!" Vorfahren aus der Hohenstaufenzeit hatten überhaupt die Eigen-
rumiichkeit, daß sie sich auch etwas dabei dachten, wenn sie eine Sache darstellten,
und wenn sie daran änderten oder Neues anbrachten, so wollten sie damit immer


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[0587] Heraldisches eine Art Stadtstandarte darstellen, ähnlich wie die Königstandarte ausschließlich das Rautenkranzwappen führt? Das konnte aber auch nicht sein, denn die eine Schild- Hälfte des Wappens der Stadt Leipzig, die allein dabei in Frage kommen könnte, zeigt nur zwei blaue Balken im goldnen Felde, aber keine sieben- bis siebzehnfache Streifung. Woher ums Himmels willen nun die vielfache Streifung? — Nun, das ist ja in Deutschland doch ganz einfach! Die vielfach gestreifte Tuchfläche er¬ innert an das nvrdnmcrikanische Sternenbanner, und was ausländisch ist, noch dazu nordameriknnisch. zieht in Deutschland jn immer (nur darf es nicht vom Kaiser aus- gehn, da wird darüber gewitzelt), aber sonst ist man immer möglichst fremdländisch und amerikanisch, nur nicht deutsch, das wäre altväterisch, vielleicht gar — Pfui Teufel! — feudal. Wenn die Nordamerikaner ein Streifenbanner haben, wollen wir auch eins haben, also darum los mit den Zebrastreifen in die Luft! — Das nordameriknuische Sternenbanner ist eine sehr achtbare Einrichtung, um so achtbarer, als die Nordamerikaner es selbst hoch halten. Sie entfalten es auch gern und mit Stolz in Europa, jedenfalls häufiger als ein Deutscher in den Vereinigten Staaten seine Farben zeigen würde. Aber diese Sternenbanner sind alle vollkommen gleich, sie unterscheiden sich höchstens nach der Größe, und keinem Nordamerikaner würde einfallen, daran zu andern und zu künsteln, am allerwenigsten etwa damit eine An¬ näherung oder Nachahmung des europäischen Fahnenbranchs zu versuchen, daß er mit Anwendung der drei Farben seines Landessymbols eine der unsrigen ähnliche Trikolore herstellte. Dergleichen Fremdländerei kennt er gar nicht, die ist bloß in Deutschland zuhause, wo man in der Ausländerei sogar bis zur Geschmacklosigkeit zu gehn geneigt ist. Das war nun in Leipzig allerdings nicht der Fall, die funkelnagelneuen Streifenbanner mit ihrem leuchtenden Blau und ihrem satten Gelb machten sich im Sonnenschein recht freundlich, Fahnen waren es freilich nicht, höchstens Velarien in Fahnenform. Die Meßbuden haben es während der An¬ wesenheit des Kaisers unmöglich gemacht, daß diese Streifenbanner wieder aufge¬ zogen wurden. Das war schade, denn öfterer Gebrauch würde die Tücher bald unscheinbar gemacht haben, und dann hätte auch das unbefangenste Gemüt ein¬ gesehen, daß ein so verblichnes und grau gewordnes Ding eben nur ein gestreiftes Stück Zeug ist, während eine blaugelbe Fahne, sei sie auch noch so verbraucht, ver¬ schlissen und erneucrungsbedürftig geworden, doch immer noch die Fahne der Stadt Leipzig bleibt, so lange der Rest vom Fahnentuch noch an der Stange hält. .Auch am Tage der Kaiserparade sollte uns der Genuß der Streifenbanner nicht ganz entgehn, denn oben am Augustusplcch gab es nicht nur blaugelbe, sondern auch grünweiße — also auch sächsische nordamerikanische Streifenbauner. Aber auch diese dürften' bei längerm Gebrauch den Pseudocharakter als Fahnen bald verlieren und Ichließlich nur noch für die Reste eines Waschkleidchens oder für das gerettete Leinen¬ tuch einer Sommerlaube aus den Schrebergärten gehalten werden. Noch ein drittes Bild. Zur Zeit der Anwesenheit des Kaisers wehten aus den obern Fenstern des noch unvollendeten Rathauses, gegenüber dem Stadthause, fünf gleiche grünweiße Flaggen. Die zukünftige Stätte der Verwaltung der Stadt Leipzig entbot damit ihren Gruß. Die grünweißeu Fahnen machten sich sehr hübsch, als ich sie zum erstenmal vom Königsplatze aus sah, und sie interessierten mich besonders, denn sie ließen von weitem an einer heraldisch richtigen Stelle (an der obern rechten Ecke, da wo auch im nordamerikanischen Banner das blaue Feld mit ven Sternen steht) ein Viereck sehen, in dem schwarz und gelb zu erkennen war. slya. dachte ich, das ist einmal ein sinnreicher Gedanke, das ist ein Schild mit dem Ichwarzen Löwen von Meißen in goldnem Felde in Verbindung mit der grünweißen 6ayne, eine Zusammenstellung, die ihre gute geschichtliche Begründung hat, und für o)e sich in der Geschichte unsrer Heraldik mannigfaltige und schöne Vorbilder !" Vorfahren aus der Hohenstaufenzeit hatten überhaupt die Eigen- rumiichkeit, daß sie sich auch etwas dabei dachten, wenn sie eine Sache darstellten, und wenn sie daran änderten oder Neues anbrachten, so wollten sie damit immer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/587>, abgerufen am 22.07.2024.