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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Wanderungen in der Niederlausitz

haben manches entsetzliche Bild der alten peinlichen Gerichtsordnung gesehen:
"anno 1577 starb in seiner enswäm auff hiesiger Vestung der Calvimsche Super¬
intendent von Pirna v. Johann Stößel swegen Kryptoealvinismns gefangen gesetztj,
welcher endlich in Schwermut!) und Verzweiffelnng gerieth, darinnen auch sein
Weib verstarb. Wurden beyde an hiesiger deutscher Kirche unterm Gloctenturm
eingesenkt und mit einem Grabstein bedeckt, und zwar, nach Art der Ketzer, die
quere gelegt." "1615. 5 Mai ließ sich ein Schneider von Zchorngosta aussen
Schlosse alhier zu Tode martern, weil er keines Weges bekennen wolte. Auch
sonst enthalten die Casus er^lei der Senftenbcrger Annalen mancherlei Merk-
würdiges. Jetzt sind die festen Türme des Schlosses längst wegen Baufälligkeit
abgetragen, das Schloß selbst ist um ein Stockwerk niedriger geworden, sem Haupt-
Portal ist vermauert; nur der hohe viereckige Wall umgibt es noch. Das fcymate
Tor, das durch den Wall gebrochen ist, schmückt der preußische Adler; denn oas
dahinterliegende Schloß beherbergt jetzt das Königliche Amtsgericht.

Als wir Senftenberg auf der nordwärts nach Kalan führenden Strafze ver¬
lassen hatten, überschritten wir in ziemlicher Steigung einen Höhenzug, die ^aunvcr
Weinberge, so genannt nach dem Arbeiterdorf Ranno, und weil hier ^dem mi
der Südseite der Hügel ein schwunghafter Weinbnn getrieben wurde, ^del
Schnuderu lesen wir. daß noch im Jahre 1788 allein ans den kurfürstlichen Weinbergen
108 Faß "Senftenberger" gewachsen seien, und glauben gern dem Berichterstatter,
der etwas resigniert hinzusetzt: "Er wird erst nach mehreren Jahren etwas schmack¬
haft." Jetzt ist der Weinbau hier verschwunden, und alles hat dem Braunkotsten-
bau und der damit zusammenhängenden Industrie Platz gemacht. Die Industrie
'n diesen Wäldern ist ältern Datums. Schon der Baron Tschirnhcms halte gegen
das Ende des siebzehnten Jahrhunderts eine bedeutende sächsische Glas- und
Spiegelfabrikation ins Leben gerufen; anßer den Glashütten in Dresden und
Pretzsch wollte er eine solche in einem großen Waldgebiet angelegt haben, bannt
man das Brennholz nicht erst zu transportieren brauche. Man wählte dazu un
Jahre 1709 die zum Amte Senftenberg gehörige Pommclheide und gründete in
der Nähe des Wendendorfs Kostebrcm am Fuß der Ochsenberge die Glas- und
Spiegelfabrik Friedrichsthal, deren erster Faktor der böhmische Glasmacher Sebastian
Bmssar war. Die Hütte ist jetzt im Besitz des Grafen Solms-Barres. Ob ^Mrn-
hnus auch habg,, den Reichtum dieser Gegend an Ton- und Kohlenlagern gekannt
hat, weiß ich nicht, doch ist es nicht unwahrscheinlich. ,
Dieum-

Senftenberger Brauukohlenlager sind aus den Wäldern riesiger ^pf
Shpressen entstanden, die in der Tertiärzeit hier den Boden bedeckten, ^ser herr¬
sche Baum, auch Sumpfzedcr ilaxoclium) genannt, wird dreißig bis vierzig er
h°es und kommt in ewigen Gegenden Nordamerikas und Mexikos noch h^e wald-
wMg vor. In der Umgebung von Groß-Naschen (acht Ki ".meter nördlich von
Senftenberg) sind die Neste der fossilen Zypressenwülder in Gestalt riesiger braun
Wurzelstocke. die über die Decke der Kohlenflöze hervorragen oder ans der Sohle
des Tagebaus stehn, noch hente sichtbar und sind eine mit Recht bewunderte Merk¬
würdigkeit. Übrigens ist die Gegend hier sehr reizlos und einförmig. Die Straße
fuhrt in endloser Länge durch dürren Kiefernwald, dazu war es heiß und stauvig,
""d die Sehnsucht nach einer behaglichen Rast beherrschte jede andre Empfindung --
da öffnete sich plötzlich der Wald, und vor uns lag im Scheine der Spntnacu-
mittagssonne. wie eine Oase nach der Wüste, Altdöbern. Wie mit einem Zauver-
schlage versank die dürre Heide hinter uns. und vor uns dehnten sich grüne ^>c en
und wogende Felder, hie und da auch eine funkelnde Wasserfläche; dunkle ^aio-
linien umsäumten den Horizont, vor allem aber lockte uns der Ort selbst, ver in
freier Ungebundenheit zwischen hohen Laubkronen um den altertümlichen Kirchturm
in>g. Nach wenig Minuten fuhren wir ans den erstaunlich großen quadratischen
Markt el", dessen Grundfläche fast so groß ist wie der ganze übrige Felder, uno
waren entzückt über den Schatten und den Duft von mehr als hundert hochstämmigen


Grenzboten IV 1908 5t?
Wanderungen in der Niederlausitz

haben manches entsetzliche Bild der alten peinlichen Gerichtsordnung gesehen:
„anno 1577 starb in seiner enswäm auff hiesiger Vestung der Calvimsche Super¬
intendent von Pirna v. Johann Stößel swegen Kryptoealvinismns gefangen gesetztj,
welcher endlich in Schwermut!) und Verzweiffelnng gerieth, darinnen auch sein
Weib verstarb. Wurden beyde an hiesiger deutscher Kirche unterm Gloctenturm
eingesenkt und mit einem Grabstein bedeckt, und zwar, nach Art der Ketzer, die
quere gelegt." „1615. 5 Mai ließ sich ein Schneider von Zchorngosta aussen
Schlosse alhier zu Tode martern, weil er keines Weges bekennen wolte. Auch
sonst enthalten die Casus er^lei der Senftenbcrger Annalen mancherlei Merk-
würdiges. Jetzt sind die festen Türme des Schlosses längst wegen Baufälligkeit
abgetragen, das Schloß selbst ist um ein Stockwerk niedriger geworden, sem Haupt-
Portal ist vermauert; nur der hohe viereckige Wall umgibt es noch. Das fcymate
Tor, das durch den Wall gebrochen ist, schmückt der preußische Adler; denn oas
dahinterliegende Schloß beherbergt jetzt das Königliche Amtsgericht.

Als wir Senftenberg auf der nordwärts nach Kalan führenden Strafze ver¬
lassen hatten, überschritten wir in ziemlicher Steigung einen Höhenzug, die ^aunvcr
Weinberge, so genannt nach dem Arbeiterdorf Ranno, und weil hier ^dem mi
der Südseite der Hügel ein schwunghafter Weinbnn getrieben wurde, ^del
Schnuderu lesen wir. daß noch im Jahre 1788 allein ans den kurfürstlichen Weinbergen
108 Faß „Senftenberger" gewachsen seien, und glauben gern dem Berichterstatter,
der etwas resigniert hinzusetzt: „Er wird erst nach mehreren Jahren etwas schmack¬
haft." Jetzt ist der Weinbau hier verschwunden, und alles hat dem Braunkotsten-
bau und der damit zusammenhängenden Industrie Platz gemacht. Die Industrie
'n diesen Wäldern ist ältern Datums. Schon der Baron Tschirnhcms halte gegen
das Ende des siebzehnten Jahrhunderts eine bedeutende sächsische Glas- und
Spiegelfabrikation ins Leben gerufen; anßer den Glashütten in Dresden und
Pretzsch wollte er eine solche in einem großen Waldgebiet angelegt haben, bannt
man das Brennholz nicht erst zu transportieren brauche. Man wählte dazu un
Jahre 1709 die zum Amte Senftenberg gehörige Pommclheide und gründete in
der Nähe des Wendendorfs Kostebrcm am Fuß der Ochsenberge die Glas- und
Spiegelfabrik Friedrichsthal, deren erster Faktor der böhmische Glasmacher Sebastian
Bmssar war. Die Hütte ist jetzt im Besitz des Grafen Solms-Barres. Ob ^Mrn-
hnus auch habg,, den Reichtum dieser Gegend an Ton- und Kohlenlagern gekannt
hat, weiß ich nicht, doch ist es nicht unwahrscheinlich. ,
Dieum-

Senftenberger Brauukohlenlager sind aus den Wäldern riesiger ^pf
Shpressen entstanden, die in der Tertiärzeit hier den Boden bedeckten, ^ser herr¬
sche Baum, auch Sumpfzedcr ilaxoclium) genannt, wird dreißig bis vierzig er
h°es und kommt in ewigen Gegenden Nordamerikas und Mexikos noch h^e wald-
wMg vor. In der Umgebung von Groß-Naschen (acht Ki ».meter nördlich von
Senftenberg) sind die Neste der fossilen Zypressenwülder in Gestalt riesiger braun
Wurzelstocke. die über die Decke der Kohlenflöze hervorragen oder ans der Sohle
des Tagebaus stehn, noch hente sichtbar und sind eine mit Recht bewunderte Merk¬
würdigkeit. Übrigens ist die Gegend hier sehr reizlos und einförmig. Die Straße
fuhrt in endloser Länge durch dürren Kiefernwald, dazu war es heiß und stauvig,
""d die Sehnsucht nach einer behaglichen Rast beherrschte jede andre Empfindung --
da öffnete sich plötzlich der Wald, und vor uns lag im Scheine der Spntnacu-
mittagssonne. wie eine Oase nach der Wüste, Altdöbern. Wie mit einem Zauver-
schlage versank die dürre Heide hinter uns. und vor uns dehnten sich grüne ^>c en
und wogende Felder, hie und da auch eine funkelnde Wasserfläche; dunkle ^aio-
linien umsäumten den Horizont, vor allem aber lockte uns der Ort selbst, ver in
freier Ungebundenheit zwischen hohen Laubkronen um den altertümlichen Kirchturm
in>g. Nach wenig Minuten fuhren wir ans den erstaunlich großen quadratischen
Markt el», dessen Grundfläche fast so groß ist wie der ganze übrige Felder, uno
waren entzückt über den Schatten und den Duft von mehr als hundert hochstämmigen


Grenzboten IV 1908 5t?
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[0449] Wanderungen in der Niederlausitz haben manches entsetzliche Bild der alten peinlichen Gerichtsordnung gesehen: „anno 1577 starb in seiner enswäm auff hiesiger Vestung der Calvimsche Super¬ intendent von Pirna v. Johann Stößel swegen Kryptoealvinismns gefangen gesetztj, welcher endlich in Schwermut!) und Verzweiffelnng gerieth, darinnen auch sein Weib verstarb. Wurden beyde an hiesiger deutscher Kirche unterm Gloctenturm eingesenkt und mit einem Grabstein bedeckt, und zwar, nach Art der Ketzer, die quere gelegt." „1615. 5 Mai ließ sich ein Schneider von Zchorngosta aussen Schlosse alhier zu Tode martern, weil er keines Weges bekennen wolte. Auch sonst enthalten die Casus er^lei der Senftenbcrger Annalen mancherlei Merk- würdiges. Jetzt sind die festen Türme des Schlosses längst wegen Baufälligkeit abgetragen, das Schloß selbst ist um ein Stockwerk niedriger geworden, sem Haupt- Portal ist vermauert; nur der hohe viereckige Wall umgibt es noch. Das fcymate Tor, das durch den Wall gebrochen ist, schmückt der preußische Adler; denn oas dahinterliegende Schloß beherbergt jetzt das Königliche Amtsgericht. Als wir Senftenberg auf der nordwärts nach Kalan führenden Strafze ver¬ lassen hatten, überschritten wir in ziemlicher Steigung einen Höhenzug, die ^aunvcr Weinberge, so genannt nach dem Arbeiterdorf Ranno, und weil hier ^dem mi der Südseite der Hügel ein schwunghafter Weinbnn getrieben wurde, ^del Schnuderu lesen wir. daß noch im Jahre 1788 allein ans den kurfürstlichen Weinbergen 108 Faß „Senftenberger" gewachsen seien, und glauben gern dem Berichterstatter, der etwas resigniert hinzusetzt: „Er wird erst nach mehreren Jahren etwas schmack¬ haft." Jetzt ist der Weinbau hier verschwunden, und alles hat dem Braunkotsten- bau und der damit zusammenhängenden Industrie Platz gemacht. Die Industrie 'n diesen Wäldern ist ältern Datums. Schon der Baron Tschirnhcms halte gegen das Ende des siebzehnten Jahrhunderts eine bedeutende sächsische Glas- und Spiegelfabrikation ins Leben gerufen; anßer den Glashütten in Dresden und Pretzsch wollte er eine solche in einem großen Waldgebiet angelegt haben, bannt man das Brennholz nicht erst zu transportieren brauche. Man wählte dazu un Jahre 1709 die zum Amte Senftenberg gehörige Pommclheide und gründete in der Nähe des Wendendorfs Kostebrcm am Fuß der Ochsenberge die Glas- und Spiegelfabrik Friedrichsthal, deren erster Faktor der böhmische Glasmacher Sebastian Bmssar war. Die Hütte ist jetzt im Besitz des Grafen Solms-Barres. Ob ^Mrn- hnus auch habg,, den Reichtum dieser Gegend an Ton- und Kohlenlagern gekannt hat, weiß ich nicht, doch ist es nicht unwahrscheinlich. , Dieum- Senftenberger Brauukohlenlager sind aus den Wäldern riesiger ^pf Shpressen entstanden, die in der Tertiärzeit hier den Boden bedeckten, ^ser herr¬ sche Baum, auch Sumpfzedcr ilaxoclium) genannt, wird dreißig bis vierzig er h°es und kommt in ewigen Gegenden Nordamerikas und Mexikos noch h^e wald- wMg vor. In der Umgebung von Groß-Naschen (acht Ki ».meter nördlich von Senftenberg) sind die Neste der fossilen Zypressenwülder in Gestalt riesiger braun Wurzelstocke. die über die Decke der Kohlenflöze hervorragen oder ans der Sohle des Tagebaus stehn, noch hente sichtbar und sind eine mit Recht bewunderte Merk¬ würdigkeit. Übrigens ist die Gegend hier sehr reizlos und einförmig. Die Straße fuhrt in endloser Länge durch dürren Kiefernwald, dazu war es heiß und stauvig, ""d die Sehnsucht nach einer behaglichen Rast beherrschte jede andre Empfindung -- da öffnete sich plötzlich der Wald, und vor uns lag im Scheine der Spntnacu- mittagssonne. wie eine Oase nach der Wüste, Altdöbern. Wie mit einem Zauver- schlage versank die dürre Heide hinter uns. und vor uns dehnten sich grüne ^>c en und wogende Felder, hie und da auch eine funkelnde Wasserfläche; dunkle ^aio- linien umsäumten den Horizont, vor allem aber lockte uns der Ort selbst, ver in freier Ungebundenheit zwischen hohen Laubkronen um den altertümlichen Kirchturm in>g. Nach wenig Minuten fuhren wir ans den erstaunlich großen quadratischen Markt el», dessen Grundfläche fast so groß ist wie der ganze übrige Felder, uno waren entzückt über den Schatten und den Duft von mehr als hundert hochstämmigen Grenzboten IV 1908 5t?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/449>, abgerufen am 22.07.2024.