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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Versicherungsschutz und Schutz gegen Versicherung

der schon in der bisherigen Rechtsprechung und Wissenschaft anerkannte Satz
an die Spitze gestellt, daß das Erlöschen der Ansprüche oder ein sonstiger
Rechtsnachteil den Versicherten dann nicht trifft, wenn er seine Bersänmung
den Umständen nach zu entschuldigen vermag. Die wichtigsten der hierher
gehörenden Fälle sind besonders geregelt: die Zahlung der Prämie und die
Veräußerung der versicherten Sache. Die Nichtzahlung der laufenden Prämien*)
macht nicht ohne weiteres den Anspruch ans Entschädigung hinfällig; viel¬
mehr wird der Verhinderer erst mit dem fruchtlosen Ablauf einer Frist von
mindestens zwei Wochen frei, die er dein Versicherten schriftlich unter aus¬
drücklicher Androhung der Rechtsfolgen zu setzen hat. Hiergegen wird sich
nichts einwenden lassen, ebensowenig dagegen, daß dem Verhinderer das Recht
zugebilligt wird, nach Fristablauf sich durch Kündigung eiues so unpünktlichen
Zählers zu entledigen, zumal da der Versicherte es bis zur Kündigung in der
Hand hat, sich durch Zahlung der Prämie seine Rechte zu erhalten.

Von dem gesundesten Rechtsgefühl zeugt die neue Bestimmung, daß in
dem Falle einer Vernußeruug der versicherten Sache das Versicheruugsvcr-
hältuis auf den ErWerber übergehn soll. Bisher fand sich durchweg die Vor¬
schrift in den Versichernngsbediugungen, daß die Versicherung, oder wie es
meist noch vorsichtiger ausgedrückt wurde, der Anspruch auf Entschädigung
ruhe, bis sich der Erwerber schriftlich dem Versicherungsverträge unterworfen
und die Gesellschaft dies genehmigt habe. Jeder Schade, der vor der Er¬
füllung dieser beiden Bedingungen eintrat, blieb unvergütet. Aus meiner
eignen Praxis stammt der Fall, daß eine Hagclvcrsicherungsgesellschaft für
dasselbe Feld und für dieselbe Zeit die Prämie doppelt einklagte und zuge¬
sprochen erhielt, nämlich von dem ErWerber und von dem Verüußerer des Land¬
stücks, weil der Erwerber unklugerweise mit dem Agenten einen neuen Vertrag
abgeschlossen hatte, anstatt, wie in den Bedingungen vorgeschrieben war, schrift¬
lich und mit Genehmigung der Gesellschaft in den alten Vertrag einzutreten.
Folgerichtigerweise war auch der Veräußerer nicht frei geworden und mußte
die volle Prämie, die die Gesellschaft an den Erwerber auf Grund des neuen
Vertrags erhielt, auch seinerseits bis zum Ablaufe der Versicherungszeit weiter
bezahlen!

Solchen Tücken ist jetzt ein Riegel vorgeschoben: die Versicherung wird
durch eine Veräußerung der versicherten Sache nicht mehr berührt, der Er¬
werber tritt in die Rechte und die Pflichten aus dem Versicherungsverhältuis
ein. Die große Bedeutung, die die Person des Versicherten für den Ver¬
hinderer hat, rechtfertigt es aber, daß ihr innerhalb kurzer Frist ein Kündigungs¬
recht eingeräumt ist, daß die Beteiligten den Besitzwechsel anzeigen müssen, und
daß wenn die Anzeige versäumt wird, mit Ablauf eines Monats auch der Ver¬
sicherungsschutz aufhört.

Für die Viehversicherung und für die Hagelversicherung sind besondre Be¬
stimmungen vorgesehen, die der besondern Art dieser Versicherungen gemäß sind.



*) Die Zahlung der ersten Prämie, die sogenannte Einlösung der Police, steht unter be¬
sondern Regeln.
Versicherungsschutz und Schutz gegen Versicherung

der schon in der bisherigen Rechtsprechung und Wissenschaft anerkannte Satz
an die Spitze gestellt, daß das Erlöschen der Ansprüche oder ein sonstiger
Rechtsnachteil den Versicherten dann nicht trifft, wenn er seine Bersänmung
den Umständen nach zu entschuldigen vermag. Die wichtigsten der hierher
gehörenden Fälle sind besonders geregelt: die Zahlung der Prämie und die
Veräußerung der versicherten Sache. Die Nichtzahlung der laufenden Prämien*)
macht nicht ohne weiteres den Anspruch ans Entschädigung hinfällig; viel¬
mehr wird der Verhinderer erst mit dem fruchtlosen Ablauf einer Frist von
mindestens zwei Wochen frei, die er dein Versicherten schriftlich unter aus¬
drücklicher Androhung der Rechtsfolgen zu setzen hat. Hiergegen wird sich
nichts einwenden lassen, ebensowenig dagegen, daß dem Verhinderer das Recht
zugebilligt wird, nach Fristablauf sich durch Kündigung eiues so unpünktlichen
Zählers zu entledigen, zumal da der Versicherte es bis zur Kündigung in der
Hand hat, sich durch Zahlung der Prämie seine Rechte zu erhalten.

Von dem gesundesten Rechtsgefühl zeugt die neue Bestimmung, daß in
dem Falle einer Vernußeruug der versicherten Sache das Versicheruugsvcr-
hältuis auf den ErWerber übergehn soll. Bisher fand sich durchweg die Vor¬
schrift in den Versichernngsbediugungen, daß die Versicherung, oder wie es
meist noch vorsichtiger ausgedrückt wurde, der Anspruch auf Entschädigung
ruhe, bis sich der Erwerber schriftlich dem Versicherungsverträge unterworfen
und die Gesellschaft dies genehmigt habe. Jeder Schade, der vor der Er¬
füllung dieser beiden Bedingungen eintrat, blieb unvergütet. Aus meiner
eignen Praxis stammt der Fall, daß eine Hagclvcrsicherungsgesellschaft für
dasselbe Feld und für dieselbe Zeit die Prämie doppelt einklagte und zuge¬
sprochen erhielt, nämlich von dem ErWerber und von dem Verüußerer des Land¬
stücks, weil der Erwerber unklugerweise mit dem Agenten einen neuen Vertrag
abgeschlossen hatte, anstatt, wie in den Bedingungen vorgeschrieben war, schrift¬
lich und mit Genehmigung der Gesellschaft in den alten Vertrag einzutreten.
Folgerichtigerweise war auch der Veräußerer nicht frei geworden und mußte
die volle Prämie, die die Gesellschaft an den Erwerber auf Grund des neuen
Vertrags erhielt, auch seinerseits bis zum Ablaufe der Versicherungszeit weiter
bezahlen!

Solchen Tücken ist jetzt ein Riegel vorgeschoben: die Versicherung wird
durch eine Veräußerung der versicherten Sache nicht mehr berührt, der Er¬
werber tritt in die Rechte und die Pflichten aus dem Versicherungsverhältuis
ein. Die große Bedeutung, die die Person des Versicherten für den Ver¬
hinderer hat, rechtfertigt es aber, daß ihr innerhalb kurzer Frist ein Kündigungs¬
recht eingeräumt ist, daß die Beteiligten den Besitzwechsel anzeigen müssen, und
daß wenn die Anzeige versäumt wird, mit Ablauf eines Monats auch der Ver¬
sicherungsschutz aufhört.

Für die Viehversicherung und für die Hagelversicherung sind besondre Be¬
stimmungen vorgesehen, die der besondern Art dieser Versicherungen gemäß sind.



*) Die Zahlung der ersten Prämie, die sogenannte Einlösung der Police, steht unter be¬
sondern Regeln.
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[0736] Versicherungsschutz und Schutz gegen Versicherung der schon in der bisherigen Rechtsprechung und Wissenschaft anerkannte Satz an die Spitze gestellt, daß das Erlöschen der Ansprüche oder ein sonstiger Rechtsnachteil den Versicherten dann nicht trifft, wenn er seine Bersänmung den Umständen nach zu entschuldigen vermag. Die wichtigsten der hierher gehörenden Fälle sind besonders geregelt: die Zahlung der Prämie und die Veräußerung der versicherten Sache. Die Nichtzahlung der laufenden Prämien*) macht nicht ohne weiteres den Anspruch ans Entschädigung hinfällig; viel¬ mehr wird der Verhinderer erst mit dem fruchtlosen Ablauf einer Frist von mindestens zwei Wochen frei, die er dein Versicherten schriftlich unter aus¬ drücklicher Androhung der Rechtsfolgen zu setzen hat. Hiergegen wird sich nichts einwenden lassen, ebensowenig dagegen, daß dem Verhinderer das Recht zugebilligt wird, nach Fristablauf sich durch Kündigung eiues so unpünktlichen Zählers zu entledigen, zumal da der Versicherte es bis zur Kündigung in der Hand hat, sich durch Zahlung der Prämie seine Rechte zu erhalten. Von dem gesundesten Rechtsgefühl zeugt die neue Bestimmung, daß in dem Falle einer Vernußeruug der versicherten Sache das Versicheruugsvcr- hältuis auf den ErWerber übergehn soll. Bisher fand sich durchweg die Vor¬ schrift in den Versichernngsbediugungen, daß die Versicherung, oder wie es meist noch vorsichtiger ausgedrückt wurde, der Anspruch auf Entschädigung ruhe, bis sich der Erwerber schriftlich dem Versicherungsverträge unterworfen und die Gesellschaft dies genehmigt habe. Jeder Schade, der vor der Er¬ füllung dieser beiden Bedingungen eintrat, blieb unvergütet. Aus meiner eignen Praxis stammt der Fall, daß eine Hagclvcrsicherungsgesellschaft für dasselbe Feld und für dieselbe Zeit die Prämie doppelt einklagte und zuge¬ sprochen erhielt, nämlich von dem ErWerber und von dem Verüußerer des Land¬ stücks, weil der Erwerber unklugerweise mit dem Agenten einen neuen Vertrag abgeschlossen hatte, anstatt, wie in den Bedingungen vorgeschrieben war, schrift¬ lich und mit Genehmigung der Gesellschaft in den alten Vertrag einzutreten. Folgerichtigerweise war auch der Veräußerer nicht frei geworden und mußte die volle Prämie, die die Gesellschaft an den Erwerber auf Grund des neuen Vertrags erhielt, auch seinerseits bis zum Ablaufe der Versicherungszeit weiter bezahlen! Solchen Tücken ist jetzt ein Riegel vorgeschoben: die Versicherung wird durch eine Veräußerung der versicherten Sache nicht mehr berührt, der Er¬ werber tritt in die Rechte und die Pflichten aus dem Versicherungsverhältuis ein. Die große Bedeutung, die die Person des Versicherten für den Ver¬ hinderer hat, rechtfertigt es aber, daß ihr innerhalb kurzer Frist ein Kündigungs¬ recht eingeräumt ist, daß die Beteiligten den Besitzwechsel anzeigen müssen, und daß wenn die Anzeige versäumt wird, mit Ablauf eines Monats auch der Ver¬ sicherungsschutz aufhört. Für die Viehversicherung und für die Hagelversicherung sind besondre Be¬ stimmungen vorgesehen, die der besondern Art dieser Versicherungen gemäß sind. *) Die Zahlung der ersten Prämie, die sogenannte Einlösung der Police, steht unter be¬ sondern Regeln.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/736>, abgerufen am 09.11.2024.