Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

"Wässerung" eine entscheidende Rolle. Obwohl die eingebrachten Werte nicht
mehr als 14 Millionen Dollars wert gewesen sein sollen, wurden 20 Millionen
Dollars Vorzugsaktien, 25 Millionen Stammaktien und 24 (nach andern Quellen
26) Millionen Obligationen ausgegeben. Zusammen 69 Millionen Dollars.
Einen Teil von diesen Werten haben die schlauen Gründer dem Publikum
aufgehängt. Bald stellte sich aber heraus, daß für die riesigen Werften, so
vortrefflich sie in technischer Beziehung auch eingerichtet waren, keine genügende
Beschäftigung zu haben war. Schon im Ma 1903 mußte man zu einer
"Sanierung" schreiten. Das Obligationskapital wurde von 24 auf 12 Mil¬
lionen Dollars herabgesetzt, die Vorzugsaktien von 20 auf 16 und die Stamm¬
aktien von 25 auf 15 Millionen Dollars. Blieben also 43 Millionen Dollars,
was immer noch viel zu viel war. Man konnte nicht einmal die Obligations¬
zinsen aufbringen. Im Juli sprach das Gericht den Konkurs aus. nachdem
es Morgan. der auch hierbei beteiligt war, nicht gelungen war, entscheidend
zu intervenieren. Dabei gewann man einen Einblick in die Machenschaften
der Trustleutc. Der vom Stahltrust bekannte Schwab soll die Aktien der
Bethlehem Eisenwerke zu drei Millionen Dollars gekauft haben; er verkaufte sie
mit Gewinn an Morgan, und dieser verkaufte sie für nenn Millionen Dollars
an Schwab zurück, der sie dem Schiffbantrust aufhängte. Er erhielt, so wird
berichtet, nominell dreißig Millionen Dollars dafür, nämlich zehn Millionen
Dollars in Obligationen (inzwischen reduziert auf fünf Millionen), zehn Millionen
Dollars in Vorzugsaktien (reduziert auf acht Millionen) und zehn Millionen
Dollars in Stammaktien (reduziert auf sechs Millionen). Wenn nun die Stamm¬
aktien auch von vornherein keinen Cent mehr wert gewesen sind, so sind doch riesige
Schwindelgewinne an den übrigen Papieren und im ganzen gemacht worden, die
allerdings sehr bald das ganze Kartenhaus zum Einsturz gebracht haben. Der
Konkursrichter hat festgestellt, daß der Trust gar nicht für legitime Geschäfts¬
zwecke gegründet worden war. sondern zu unsinnigen Preisen Fabriken zum
Nachteil des gutgläubigen Publikums einbringen sollte. Man sprach von straf¬
rechtlicher Verfolgung der Beteiligten, was in Amerika viel sagen will.

Welchen dauernden Einfluß diese Vorgänge auf die amerikanische Handels¬
flotte haben werden, läßt sich noch nicht übersehen. Die letzten Jahre haben
im Schiffbau eine ungewöhnlich rege Tätigkeit gesehen, die Handelsflotte hat
mehr als gewöhnlich an neuen Schiffen gewonnen und steht wieder in einem
Stadium des Wachstums. Doch betrug die Ozeanflotte Mitte 1901 immer
nur erst 879000 Tonnen brutto, also nnr 40000 Tonnen mehr als zwei
Jahre vorher. Der im ganzen ansehnliche Gewinn entfällt eben beinahe aus¬
schließlich ans die Küsten- und Scenflottc. Es wäre leicht möglich, daß die
Schwindeleien den ganzen Zweig des Gewerbelebens in Nordamerika sehr
nachteilig beeinflußten.




„Wässerung" eine entscheidende Rolle. Obwohl die eingebrachten Werte nicht
mehr als 14 Millionen Dollars wert gewesen sein sollen, wurden 20 Millionen
Dollars Vorzugsaktien, 25 Millionen Stammaktien und 24 (nach andern Quellen
26) Millionen Obligationen ausgegeben. Zusammen 69 Millionen Dollars.
Einen Teil von diesen Werten haben die schlauen Gründer dem Publikum
aufgehängt. Bald stellte sich aber heraus, daß für die riesigen Werften, so
vortrefflich sie in technischer Beziehung auch eingerichtet waren, keine genügende
Beschäftigung zu haben war. Schon im Ma 1903 mußte man zu einer
„Sanierung" schreiten. Das Obligationskapital wurde von 24 auf 12 Mil¬
lionen Dollars herabgesetzt, die Vorzugsaktien von 20 auf 16 und die Stamm¬
aktien von 25 auf 15 Millionen Dollars. Blieben also 43 Millionen Dollars,
was immer noch viel zu viel war. Man konnte nicht einmal die Obligations¬
zinsen aufbringen. Im Juli sprach das Gericht den Konkurs aus. nachdem
es Morgan. der auch hierbei beteiligt war, nicht gelungen war, entscheidend
zu intervenieren. Dabei gewann man einen Einblick in die Machenschaften
der Trustleutc. Der vom Stahltrust bekannte Schwab soll die Aktien der
Bethlehem Eisenwerke zu drei Millionen Dollars gekauft haben; er verkaufte sie
mit Gewinn an Morgan, und dieser verkaufte sie für nenn Millionen Dollars
an Schwab zurück, der sie dem Schiffbantrust aufhängte. Er erhielt, so wird
berichtet, nominell dreißig Millionen Dollars dafür, nämlich zehn Millionen
Dollars in Obligationen (inzwischen reduziert auf fünf Millionen), zehn Millionen
Dollars in Vorzugsaktien (reduziert auf acht Millionen) und zehn Millionen
Dollars in Stammaktien (reduziert auf sechs Millionen). Wenn nun die Stamm¬
aktien auch von vornherein keinen Cent mehr wert gewesen sind, so sind doch riesige
Schwindelgewinne an den übrigen Papieren und im ganzen gemacht worden, die
allerdings sehr bald das ganze Kartenhaus zum Einsturz gebracht haben. Der
Konkursrichter hat festgestellt, daß der Trust gar nicht für legitime Geschäfts¬
zwecke gegründet worden war. sondern zu unsinnigen Preisen Fabriken zum
Nachteil des gutgläubigen Publikums einbringen sollte. Man sprach von straf¬
rechtlicher Verfolgung der Beteiligten, was in Amerika viel sagen will.

Welchen dauernden Einfluß diese Vorgänge auf die amerikanische Handels¬
flotte haben werden, läßt sich noch nicht übersehen. Die letzten Jahre haben
im Schiffbau eine ungewöhnlich rege Tätigkeit gesehen, die Handelsflotte hat
mehr als gewöhnlich an neuen Schiffen gewonnen und steht wieder in einem
Stadium des Wachstums. Doch betrug die Ozeanflotte Mitte 1901 immer
nur erst 879000 Tonnen brutto, also nnr 40000 Tonnen mehr als zwei
Jahre vorher. Der im ganzen ansehnliche Gewinn entfällt eben beinahe aus¬
schließlich ans die Küsten- und Scenflottc. Es wäre leicht möglich, daß die
Schwindeleien den ganzen Zweig des Gewerbelebens in Nordamerika sehr
nachteilig beeinflußten.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0667" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241883"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_2753" prev="#ID_2752"> &#x201E;Wässerung" eine entscheidende Rolle. Obwohl die eingebrachten Werte nicht<lb/>
mehr als 14 Millionen Dollars wert gewesen sein sollen, wurden 20 Millionen<lb/>
Dollars Vorzugsaktien, 25 Millionen Stammaktien und 24 (nach andern Quellen<lb/>
26) Millionen Obligationen ausgegeben. Zusammen 69 Millionen Dollars.<lb/>
Einen Teil von diesen Werten haben die schlauen Gründer dem Publikum<lb/>
aufgehängt. Bald stellte sich aber heraus, daß für die riesigen Werften, so<lb/>
vortrefflich sie in technischer Beziehung auch eingerichtet waren, keine genügende<lb/>
Beschäftigung zu haben war. Schon im Ma 1903 mußte man zu einer<lb/>
&#x201E;Sanierung" schreiten. Das Obligationskapital wurde von 24 auf 12 Mil¬<lb/>
lionen Dollars herabgesetzt, die Vorzugsaktien von 20 auf 16 und die Stamm¬<lb/>
aktien von 25 auf 15 Millionen Dollars. Blieben also 43 Millionen Dollars,<lb/>
was immer noch viel zu viel war. Man konnte nicht einmal die Obligations¬<lb/>
zinsen aufbringen. Im Juli sprach das Gericht den Konkurs aus. nachdem<lb/>
es Morgan. der auch hierbei beteiligt war, nicht gelungen war, entscheidend<lb/>
zu intervenieren. Dabei gewann man einen Einblick in die Machenschaften<lb/>
der Trustleutc. Der vom Stahltrust bekannte Schwab soll die Aktien der<lb/>
Bethlehem Eisenwerke zu drei Millionen Dollars gekauft haben; er verkaufte sie<lb/>
mit Gewinn an Morgan, und dieser verkaufte sie für nenn Millionen Dollars<lb/>
an Schwab zurück, der sie dem Schiffbantrust aufhängte. Er erhielt, so wird<lb/>
berichtet, nominell dreißig Millionen Dollars dafür, nämlich zehn Millionen<lb/>
Dollars in Obligationen (inzwischen reduziert auf fünf Millionen), zehn Millionen<lb/>
Dollars in Vorzugsaktien (reduziert auf acht Millionen) und zehn Millionen<lb/>
Dollars in Stammaktien (reduziert auf sechs Millionen). Wenn nun die Stamm¬<lb/>
aktien auch von vornherein keinen Cent mehr wert gewesen sind, so sind doch riesige<lb/>
Schwindelgewinne an den übrigen Papieren und im ganzen gemacht worden, die<lb/>
allerdings sehr bald das ganze Kartenhaus zum Einsturz gebracht haben. Der<lb/>
Konkursrichter hat festgestellt, daß der Trust gar nicht für legitime Geschäfts¬<lb/>
zwecke gegründet worden war. sondern zu unsinnigen Preisen Fabriken zum<lb/>
Nachteil des gutgläubigen Publikums einbringen sollte. Man sprach von straf¬<lb/>
rechtlicher Verfolgung der Beteiligten, was in Amerika viel sagen will.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2754"> Welchen dauernden Einfluß diese Vorgänge auf die amerikanische Handels¬<lb/>
flotte haben werden, läßt sich noch nicht übersehen. Die letzten Jahre haben<lb/>
im Schiffbau eine ungewöhnlich rege Tätigkeit gesehen, die Handelsflotte hat<lb/>
mehr als gewöhnlich an neuen Schiffen gewonnen und steht wieder in einem<lb/>
Stadium des Wachstums. Doch betrug die Ozeanflotte Mitte 1901 immer<lb/>
nur erst 879000 Tonnen brutto, also nnr 40000 Tonnen mehr als zwei<lb/>
Jahre vorher. Der im ganzen ansehnliche Gewinn entfällt eben beinahe aus¬<lb/>
schließlich ans die Küsten- und Scenflottc. Es wäre leicht möglich, daß die<lb/>
Schwindeleien den ganzen Zweig des Gewerbelebens in Nordamerika sehr<lb/>
nachteilig beeinflußten.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0667] „Wässerung" eine entscheidende Rolle. Obwohl die eingebrachten Werte nicht mehr als 14 Millionen Dollars wert gewesen sein sollen, wurden 20 Millionen Dollars Vorzugsaktien, 25 Millionen Stammaktien und 24 (nach andern Quellen 26) Millionen Obligationen ausgegeben. Zusammen 69 Millionen Dollars. Einen Teil von diesen Werten haben die schlauen Gründer dem Publikum aufgehängt. Bald stellte sich aber heraus, daß für die riesigen Werften, so vortrefflich sie in technischer Beziehung auch eingerichtet waren, keine genügende Beschäftigung zu haben war. Schon im Ma 1903 mußte man zu einer „Sanierung" schreiten. Das Obligationskapital wurde von 24 auf 12 Mil¬ lionen Dollars herabgesetzt, die Vorzugsaktien von 20 auf 16 und die Stamm¬ aktien von 25 auf 15 Millionen Dollars. Blieben also 43 Millionen Dollars, was immer noch viel zu viel war. Man konnte nicht einmal die Obligations¬ zinsen aufbringen. Im Juli sprach das Gericht den Konkurs aus. nachdem es Morgan. der auch hierbei beteiligt war, nicht gelungen war, entscheidend zu intervenieren. Dabei gewann man einen Einblick in die Machenschaften der Trustleutc. Der vom Stahltrust bekannte Schwab soll die Aktien der Bethlehem Eisenwerke zu drei Millionen Dollars gekauft haben; er verkaufte sie mit Gewinn an Morgan, und dieser verkaufte sie für nenn Millionen Dollars an Schwab zurück, der sie dem Schiffbantrust aufhängte. Er erhielt, so wird berichtet, nominell dreißig Millionen Dollars dafür, nämlich zehn Millionen Dollars in Obligationen (inzwischen reduziert auf fünf Millionen), zehn Millionen Dollars in Vorzugsaktien (reduziert auf acht Millionen) und zehn Millionen Dollars in Stammaktien (reduziert auf sechs Millionen). Wenn nun die Stamm¬ aktien auch von vornherein keinen Cent mehr wert gewesen sind, so sind doch riesige Schwindelgewinne an den übrigen Papieren und im ganzen gemacht worden, die allerdings sehr bald das ganze Kartenhaus zum Einsturz gebracht haben. Der Konkursrichter hat festgestellt, daß der Trust gar nicht für legitime Geschäfts¬ zwecke gegründet worden war. sondern zu unsinnigen Preisen Fabriken zum Nachteil des gutgläubigen Publikums einbringen sollte. Man sprach von straf¬ rechtlicher Verfolgung der Beteiligten, was in Amerika viel sagen will. Welchen dauernden Einfluß diese Vorgänge auf die amerikanische Handels¬ flotte haben werden, läßt sich noch nicht übersehen. Die letzten Jahre haben im Schiffbau eine ungewöhnlich rege Tätigkeit gesehen, die Handelsflotte hat mehr als gewöhnlich an neuen Schiffen gewonnen und steht wieder in einem Stadium des Wachstums. Doch betrug die Ozeanflotte Mitte 1901 immer nur erst 879000 Tonnen brutto, also nnr 40000 Tonnen mehr als zwei Jahre vorher. Der im ganzen ansehnliche Gewinn entfällt eben beinahe aus¬ schließlich ans die Küsten- und Scenflottc. Es wäre leicht möglich, daß die Schwindeleien den ganzen Zweig des Gewerbelebens in Nordamerika sehr nachteilig beeinflußten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/667
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/667>, abgerufen am 01.09.2024.