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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Die Komödie aus Rronborg

"Schlägt einer seinen Sklaven ins Auge, daß dieses verloren geht, so soll er
ihn für sein Ange freilassen."

Überhaupt fehlen in den Gesetzen Hainmurabis solche humanitäre Be¬
stimmungen, wie sie in dem verglichnen althebräischen Gesetzbuch aufs nach¬
drücklichste zugunsten der Witwen, der Waisen, der gedrückten Volksklassen
überhaupt und der Fremdlinge eingeschärft werden (2. Mos. 21, 20, 26 f.; 22,
20ff. 25f.; 23, 3. 6). Andrerseits wird, um mir noch einen Punkt hervorzu¬
heben, über die Erbrechtsverhältnisse von Buhldirnen in Hammurabis Gesetzbuch
so gesprochen (Paragraph 178--182), daß man sich über die Gleichgiltigkeit
wundern muß, mit der ein solcher Abgrund der sittlichen Verirrung behandelt
wird. Man denkt dabei an jenes "schändlichste von den Gesetzen der Bciby-
lonier" (Herodot 1, 199), nämlich daß jedes weibliche Wesen sich einmal im
Leben beim Tempel der Vellt Blut oder Mylitta) einem Fremden preis¬
geben mußte. Welcher Abscheu vor solcher Unzucht spricht sich dagegen im
Alten Testamente aus (1. Mos. 34, 31; 3. Mos. 19, 29 ?c.)!

So könnte ich noch manches zur vergleichenden Würdigung der altbaby¬
lonischen Gesetzesinschrift sagen. Doch meine ich, schon im vorstehenden die kultur¬
geschichtliche Stellung des Hmnmurabi-Kodex hinreichend beleuchtet zu haben.




Die Komödie auf Kronborg
Sovhus Bauditz Erzählung von Mathilde Nann Autorisierte Übersetzung von
(Fortsetzung)

>s war Sonntagmorgen.

Glockengeläute erfüllte die stille, warme Sommerluft, Christenee
ging zur Hochmesse in die Se. Olaikirche, die Hände über das große,
schwarze Gesangbuch gefaltet, und unten auf der Straße wimmelte
es von geputzten Kirchgängern.

Dann wurde alles still, nach einer Weile aber bremsten die Orgel¬
töne aus der alten Klosterkirche, wo Gottesdienst für Deutsche und Holländer gehalten
wurde, zu den offnen Fenstern herein -- Will hatte eine Weile das Gefühl, als
säße er selber in der Kirche und halte Andacht.

Aber die Andacht währte nicht lange. Unten aus dem Kreuzgang her er¬
ichollen lautes Lachen und eine kräftige Stimme; man vernahm Schritte auf der
Treppe, die Tür wurde aufgerissen -- es waren William Kemv und Thomas Bull,
dre kamen, um sich nach ihrem Kameraden umzusehen.

Sie hatten viel zu erzählen -- namentlich Kemv --, und vor allem natürlich
von ihren eignen Leistungen.

Täglich agierten sie -- in der Regel nach der Tafel -- vor dem König und
den sämtlichen Höflingen, oben auf Kronborg, und das Schloß selbst mit den
"°>n^w Nügeln und Bastionen, das auf einem ganzen Netz von unterirdischen
Wölbungen und geheimen Gängen ruhe, sei schon allein die Reise wert, sagten sie.
^en Rittersaal mit der künstlich getäfelten Decke, mit dem Thronsessel und allen
^ en köstlichen, gewebten Tapeten konnten sie nicht genug rühmen, und über Mangel
Beifall hatten sie sich auch nicht zu beklagen: der König selber hatte gestern


Die Komödie aus Rronborg

„Schlägt einer seinen Sklaven ins Auge, daß dieses verloren geht, so soll er
ihn für sein Ange freilassen."

Überhaupt fehlen in den Gesetzen Hainmurabis solche humanitäre Be¬
stimmungen, wie sie in dem verglichnen althebräischen Gesetzbuch aufs nach¬
drücklichste zugunsten der Witwen, der Waisen, der gedrückten Volksklassen
überhaupt und der Fremdlinge eingeschärft werden (2. Mos. 21, 20, 26 f.; 22,
20ff. 25f.; 23, 3. 6). Andrerseits wird, um mir noch einen Punkt hervorzu¬
heben, über die Erbrechtsverhältnisse von Buhldirnen in Hammurabis Gesetzbuch
so gesprochen (Paragraph 178—182), daß man sich über die Gleichgiltigkeit
wundern muß, mit der ein solcher Abgrund der sittlichen Verirrung behandelt
wird. Man denkt dabei an jenes „schändlichste von den Gesetzen der Bciby-
lonier" (Herodot 1, 199), nämlich daß jedes weibliche Wesen sich einmal im
Leben beim Tempel der Vellt Blut oder Mylitta) einem Fremden preis¬
geben mußte. Welcher Abscheu vor solcher Unzucht spricht sich dagegen im
Alten Testamente aus (1. Mos. 34, 31; 3. Mos. 19, 29 ?c.)!

So könnte ich noch manches zur vergleichenden Würdigung der altbaby¬
lonischen Gesetzesinschrift sagen. Doch meine ich, schon im vorstehenden die kultur¬
geschichtliche Stellung des Hmnmurabi-Kodex hinreichend beleuchtet zu haben.




Die Komödie auf Kronborg
Sovhus Bauditz Erzählung von Mathilde Nann Autorisierte Übersetzung von
(Fortsetzung)

>s war Sonntagmorgen.

Glockengeläute erfüllte die stille, warme Sommerluft, Christenee
ging zur Hochmesse in die Se. Olaikirche, die Hände über das große,
schwarze Gesangbuch gefaltet, und unten auf der Straße wimmelte
es von geputzten Kirchgängern.

Dann wurde alles still, nach einer Weile aber bremsten die Orgel¬
töne aus der alten Klosterkirche, wo Gottesdienst für Deutsche und Holländer gehalten
wurde, zu den offnen Fenstern herein — Will hatte eine Weile das Gefühl, als
säße er selber in der Kirche und halte Andacht.

Aber die Andacht währte nicht lange. Unten aus dem Kreuzgang her er¬
ichollen lautes Lachen und eine kräftige Stimme; man vernahm Schritte auf der
Treppe, die Tür wurde aufgerissen — es waren William Kemv und Thomas Bull,
dre kamen, um sich nach ihrem Kameraden umzusehen.

Sie hatten viel zu erzählen — namentlich Kemv —, und vor allem natürlich
von ihren eignen Leistungen.

Täglich agierten sie — in der Regel nach der Tafel — vor dem König und
den sämtlichen Höflingen, oben auf Kronborg, und das Schloß selbst mit den
«°>n^w Nügeln und Bastionen, das auf einem ganzen Netz von unterirdischen
Wölbungen und geheimen Gängen ruhe, sei schon allein die Reise wert, sagten sie.
^en Rittersaal mit der künstlich getäfelten Decke, mit dem Thronsessel und allen
^ en köstlichen, gewebten Tapeten konnten sie nicht genug rühmen, und über Mangel
Beifall hatten sie sich auch nicht zu beklagen: der König selber hatte gestern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/629>, abgerufen am 24.11.2024.