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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Die Vorbereitungszeit des Freiherr" vom Stein

erhielt der Freiherr die Ernennung zum Oberpräsidenten aller westlichen Pro¬
vinzen, außer Ostfriesland, mit dem Sitz in Minden. Sein Ziel blieb das
alte: Schonung der landstüudischen Einrichtungen, aber Zentralisation in Handel,
Gewerbe und Militärwesen, sowie Verminderung des Beamtentums. Freilich
arbeitete Stein unter schwierigern Verhältnissen als früher. Das linksrheinische
Kleve mußte er verloren geben, obwohl er eine Zeit lang noch die Hoffnung
gehegt hatte, es wieder zu erlangen; im Jahre 1797 wurde dort die franzö¬
sische Verwaltung eingeführt. Die rechtsrheinischen Provinzen litten schwer
unter den französischen Schutzzöllen und dem fortdauernden Seekriege mit
England. Hier griff Stein direkt durch Unterstützung der Leinenfabrikation,
Verbesserung der Maschinen und Förderung des Gewerbeunterrichts ein.
Vor allem aber strebte er nach möglichster Förderung des innern Verkehrs.
Neue Kunststraßen entstanden in der Grafschaft Mark zur Verbindung einer¬
seits mit dein Hellweg und der Soester Borde, andrerseits mit Wesel, Dms-
burg und Ruhrort, in Minden und Navensberg von der bückeburgischen
Grenze über Minden und Herford nach Bielefeld. An der Weser wurde ein
Leinpfad eingerichtet, dagegen gelang es noch nicht, das alte, verkchrsstörende
Stapelrecht von Minden zu beseitigen. Am Rhein wurde der Schiffahrtsweg
durch einen großen Durchstich zwischen Wesel und Xanten verkürzt. Ein ent¬
scheidender Schritt zur vollen Freiheit des Binnenverkehrs war es, als schon
am 4. April 1796 alle Binnenzölle in der Grafschaft Mark aufgehoben und
durch Grenzzölle ersetzt wurden, ein Vorläufer für das preußische Zollgcsetz
vom 26. Mai 1818, das dasselbe Prinzip auf den ganzen Staat übertrug
und die Gründung des deutschen Zollvereins einleitete. In den offnen Städten
Tecklenburgs und Lingens wurde die Accise durch eine direkte Steuer ersetzt,
w Minden beschränkt. Sogar mit dem Plan zur Einführung völliger Ge¬
werbefreiheit trugen sich Stein und Heinitz. Nicht minder wandte sich ihre
Fürsorge der Bauernbefreiung zu. Die Aufteilung der noch sehr umfänglichen
Gemeinheiten wurde zur Umsetzung lautloser Leute benutzt, die Hörigkeit auf
den königlichen Domänen 1797 aufgehoben, sodaß die Höfe in freies Eigentum
"der in Erbpacht übergingen. Auf den Rittergütern scheiterte diese Reform
an den Gutsherren und an der Schlaffheit der Zentralbehörden; doch gelang
es wenigstens, den uralten aber sehr drückenden Vorspanndienst (sür die Be¬
förderung des Königs, der Beamten und des Militärs) zu erleichtern, wogegen
der höchst lästige Mühlzwang (der Domünenbauern für die königlichen in Erbpacht
gegebnen Mühlen) aufrecht blieb. Für das Armenwesen sorgte ein neues
Landarmcnhaus in Unna. Für die Vereinfachung der Verwaltung geschah
manches. Vor allein übertrug ein von Stein entworfnes königliches Reskript
"in 15. März 1802 die Aufsicht über die städtische Verwaltung den Kammern
an Stelle der Justizbehörden ("Regierungen"), machte also an dieser Stelle
der Vermischung von Justiz und Verwaltung ein Ende.

Ganz neue Aufgaben erwuchsen Stein, als ihm im September 1802 die
Verwaltung der westfälischen " Entschüdigungslande" (nach dem Vertrage vom
23. Mai desselben Jahres), des halben Bistums Münster, des Stifts Pader-
born, der Abteien Essen und Werden, die die alten westlichen Provinzen unter-


Die Vorbereitungszeit des Freiherr» vom Stein

erhielt der Freiherr die Ernennung zum Oberpräsidenten aller westlichen Pro¬
vinzen, außer Ostfriesland, mit dem Sitz in Minden. Sein Ziel blieb das
alte: Schonung der landstüudischen Einrichtungen, aber Zentralisation in Handel,
Gewerbe und Militärwesen, sowie Verminderung des Beamtentums. Freilich
arbeitete Stein unter schwierigern Verhältnissen als früher. Das linksrheinische
Kleve mußte er verloren geben, obwohl er eine Zeit lang noch die Hoffnung
gehegt hatte, es wieder zu erlangen; im Jahre 1797 wurde dort die franzö¬
sische Verwaltung eingeführt. Die rechtsrheinischen Provinzen litten schwer
unter den französischen Schutzzöllen und dem fortdauernden Seekriege mit
England. Hier griff Stein direkt durch Unterstützung der Leinenfabrikation,
Verbesserung der Maschinen und Förderung des Gewerbeunterrichts ein.
Vor allem aber strebte er nach möglichster Förderung des innern Verkehrs.
Neue Kunststraßen entstanden in der Grafschaft Mark zur Verbindung einer¬
seits mit dein Hellweg und der Soester Borde, andrerseits mit Wesel, Dms-
burg und Ruhrort, in Minden und Navensberg von der bückeburgischen
Grenze über Minden und Herford nach Bielefeld. An der Weser wurde ein
Leinpfad eingerichtet, dagegen gelang es noch nicht, das alte, verkchrsstörende
Stapelrecht von Minden zu beseitigen. Am Rhein wurde der Schiffahrtsweg
durch einen großen Durchstich zwischen Wesel und Xanten verkürzt. Ein ent¬
scheidender Schritt zur vollen Freiheit des Binnenverkehrs war es, als schon
am 4. April 1796 alle Binnenzölle in der Grafschaft Mark aufgehoben und
durch Grenzzölle ersetzt wurden, ein Vorläufer für das preußische Zollgcsetz
vom 26. Mai 1818, das dasselbe Prinzip auf den ganzen Staat übertrug
und die Gründung des deutschen Zollvereins einleitete. In den offnen Städten
Tecklenburgs und Lingens wurde die Accise durch eine direkte Steuer ersetzt,
w Minden beschränkt. Sogar mit dem Plan zur Einführung völliger Ge¬
werbefreiheit trugen sich Stein und Heinitz. Nicht minder wandte sich ihre
Fürsorge der Bauernbefreiung zu. Die Aufteilung der noch sehr umfänglichen
Gemeinheiten wurde zur Umsetzung lautloser Leute benutzt, die Hörigkeit auf
den königlichen Domänen 1797 aufgehoben, sodaß die Höfe in freies Eigentum
»der in Erbpacht übergingen. Auf den Rittergütern scheiterte diese Reform
an den Gutsherren und an der Schlaffheit der Zentralbehörden; doch gelang
es wenigstens, den uralten aber sehr drückenden Vorspanndienst (sür die Be¬
förderung des Königs, der Beamten und des Militärs) zu erleichtern, wogegen
der höchst lästige Mühlzwang (der Domünenbauern für die königlichen in Erbpacht
gegebnen Mühlen) aufrecht blieb. Für das Armenwesen sorgte ein neues
Landarmcnhaus in Unna. Für die Vereinfachung der Verwaltung geschah
manches. Vor allein übertrug ein von Stein entworfnes königliches Reskript
«in 15. März 1802 die Aufsicht über die städtische Verwaltung den Kammern
an Stelle der Justizbehörden („Regierungen"), machte also an dieser Stelle
der Vermischung von Justiz und Verwaltung ein Ende.

Ganz neue Aufgaben erwuchsen Stein, als ihm im September 1802 die
Verwaltung der westfälischen „ Entschüdigungslande" (nach dem Vertrage vom
23. Mai desselben Jahres), des halben Bistums Münster, des Stifts Pader-
born, der Abteien Essen und Werden, die die alten westlichen Provinzen unter-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/595>, abgerufen am 22.11.2024.