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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Der Marquis von Marigny

Jetzt kam noch ein zweites weibliches Wesen herbei, dasselbe, das den Marquis
beim ersten Besuche hier draußen zurechtgewiesen hatte und Wohl eine Hausgenossin
oder Nachbarin des Villeroischen Paares war. Diese Frau schien Bescheid zu
wissen, sie ließ Marigny in die Stube treten, bot ihm einen Stuhl an, den sie
erst mit ihrer Schürze abwischte, und eilte dann weg, um Herrn von Villeroi
zu holen.

Dem Besucher schien das Gemach noch dürftiger und enger geworden zu sein.
An der Wand, an der die Ansicht von Aigremont befestigt war, stand jetzt eine
schmale, roh gezimmerte und grün angestrichne Bettstelle. Außer einem Strohsack,
einem einzigen Kissen und einer groben Pferdedecke, die das Bett ausmachten, ent¬
hielt sie noch einen Mantelsack mit Wäsche und eine Anzahl Garderobestücke, die
offenbar in großer Eile und ohne Rücksicht ans ihre Zusammengehörigkeit dort auf¬
gestapelt worden waren,

Henri kam und machte sich nach kühler Begrüßung Marignys an die Arbeit.
Er hatte inzwischen die Konturen des Bildnisses aus das Elfenbeintäfelchen über¬
tragen, verglich die Zeichnung jetzt noch einmal mit der Natur, nahm kleine Ver¬
besserungen vor und begann dann das Porträt mit spitzem Pinsel in Farben aus¬
zuführen. Aber es schien, als sei er heute nicht recht bei der Sache. Bald mußten
die Farben verdünnt, bald wieder verdickt werden, bald bedürfte der Malgrund
einer stärkern Politur, bald war er so glatt, daß die Farbe nicht haften wollte.
Mehr als einmal sprang der Künstler von seinem Stuhle auf, eilte in das Neben¬
zimmer, Wo man ununterbrochen das Zwiegespräch gedämpfter Frauenstimmen ver-
machen, und kehrte in gesteigerter Erregung zurück.

Auch diesesmal vermieden es die beiden Männer, mehr als das Nötigste mit¬
einander zu reden, obgleich wenigstens dem ältern von ihnen das Herz voll war
von dem großen Ereignis des Tages: dem mörderischen Anfall auf den König von
Schweden. Wenn Gustav der Dritte seiner Wunde erlag -- und die Nachrichten
aus Stockholm klangen hoffnungslos genug --, so hatte Ludwig der Sechzehnte,
dem der Tod erst eben den kaiserlichen Schwager Leopold den Zweiten geraubt
hatte, vielleicht den letzten, jedenfalls aber den eifrigsten seiner gekrönten Freunde
verloren. Das waren trübe Aussichten für die royalistische Sache und ihre
Anhänger!

Und wie der alte Aristokrat so dasaß, das Auge auf die mit Papier verklebte
zerbrochne Scheibe eines ärmlichen deutschen Bürgerhauses gerichtet, schweiften seine
Gedanken zu den Tuilerien hinüber, wo der König als Gefangner seines Volks
lebte und gezwungen wurde, Minister zu empfangen, die sich Herausnahmen, ohne
Schnallen auf den Schuhen, ohne dreieckiges Hütchen und mit nngepudertem Haar
vor ihm zu erscheinen. Aber das Schicksal, das in dieser Zeit ein besondres Wohl¬
gefallen an Überraschungen zu haben schien, das über jeden sonnigen Augenblick
die Schatten der Furcht und des Todes fallen ließ und wiederum in die finsterste
Nacht des Kummers und der Verzweiflung einen Strahl des Humors sandte, hatte
auch für den Marquis von Mariguy etwas Unerwartetes in Bereitschaft.

Denn gerade, als es um die Mundwinkel des alten Herrn zu zucken begann,
als eine Träne, die der greise Edelmann seinem unglücklichen Könige weihte, über
die breite Wange rollte, ertönte in, Nebenzimmer der langgezogne, schmerzerfüllte
Schrei eines dünnen, dünnen Stimmchens, eines Stimmchens, dem man, so un¬
geübt es auch noch im Ausdruck feinerer GefülMchnttierungen sein mochte, doch
deutlich genug anmerkte, daß sein Besitzer nicht gesonnen war, zu den ungewohnten
Einwirkungen mancher für ihn neuer phhsischer Erscheinungen wie Luft, Licht und
Kühle auch noch gewaltsame Beschränkungen seiner persönlichen Freiheit ohne ent-
schiednen Protest hinzunehmen.

Und welchen Eindruck dieses Stimmchen machte! Auf Menschen, die das so
energisch gegen die Übelstände dieser Welt protestierende Wesen noch nie gesehen
oder gehört hatten -- zu einer Zeit, wo die Stimme so manchen urteilsfähigen,


Der Marquis von Marigny

Jetzt kam noch ein zweites weibliches Wesen herbei, dasselbe, das den Marquis
beim ersten Besuche hier draußen zurechtgewiesen hatte und Wohl eine Hausgenossin
oder Nachbarin des Villeroischen Paares war. Diese Frau schien Bescheid zu
wissen, sie ließ Marigny in die Stube treten, bot ihm einen Stuhl an, den sie
erst mit ihrer Schürze abwischte, und eilte dann weg, um Herrn von Villeroi
zu holen.

Dem Besucher schien das Gemach noch dürftiger und enger geworden zu sein.
An der Wand, an der die Ansicht von Aigremont befestigt war, stand jetzt eine
schmale, roh gezimmerte und grün angestrichne Bettstelle. Außer einem Strohsack,
einem einzigen Kissen und einer groben Pferdedecke, die das Bett ausmachten, ent¬
hielt sie noch einen Mantelsack mit Wäsche und eine Anzahl Garderobestücke, die
offenbar in großer Eile und ohne Rücksicht ans ihre Zusammengehörigkeit dort auf¬
gestapelt worden waren,

Henri kam und machte sich nach kühler Begrüßung Marignys an die Arbeit.
Er hatte inzwischen die Konturen des Bildnisses aus das Elfenbeintäfelchen über¬
tragen, verglich die Zeichnung jetzt noch einmal mit der Natur, nahm kleine Ver¬
besserungen vor und begann dann das Porträt mit spitzem Pinsel in Farben aus¬
zuführen. Aber es schien, als sei er heute nicht recht bei der Sache. Bald mußten
die Farben verdünnt, bald wieder verdickt werden, bald bedürfte der Malgrund
einer stärkern Politur, bald war er so glatt, daß die Farbe nicht haften wollte.
Mehr als einmal sprang der Künstler von seinem Stuhle auf, eilte in das Neben¬
zimmer, Wo man ununterbrochen das Zwiegespräch gedämpfter Frauenstimmen ver-
machen, und kehrte in gesteigerter Erregung zurück.

Auch diesesmal vermieden es die beiden Männer, mehr als das Nötigste mit¬
einander zu reden, obgleich wenigstens dem ältern von ihnen das Herz voll war
von dem großen Ereignis des Tages: dem mörderischen Anfall auf den König von
Schweden. Wenn Gustav der Dritte seiner Wunde erlag — und die Nachrichten
aus Stockholm klangen hoffnungslos genug —, so hatte Ludwig der Sechzehnte,
dem der Tod erst eben den kaiserlichen Schwager Leopold den Zweiten geraubt
hatte, vielleicht den letzten, jedenfalls aber den eifrigsten seiner gekrönten Freunde
verloren. Das waren trübe Aussichten für die royalistische Sache und ihre
Anhänger!

Und wie der alte Aristokrat so dasaß, das Auge auf die mit Papier verklebte
zerbrochne Scheibe eines ärmlichen deutschen Bürgerhauses gerichtet, schweiften seine
Gedanken zu den Tuilerien hinüber, wo der König als Gefangner seines Volks
lebte und gezwungen wurde, Minister zu empfangen, die sich Herausnahmen, ohne
Schnallen auf den Schuhen, ohne dreieckiges Hütchen und mit nngepudertem Haar
vor ihm zu erscheinen. Aber das Schicksal, das in dieser Zeit ein besondres Wohl¬
gefallen an Überraschungen zu haben schien, das über jeden sonnigen Augenblick
die Schatten der Furcht und des Todes fallen ließ und wiederum in die finsterste
Nacht des Kummers und der Verzweiflung einen Strahl des Humors sandte, hatte
auch für den Marquis von Mariguy etwas Unerwartetes in Bereitschaft.

Denn gerade, als es um die Mundwinkel des alten Herrn zu zucken begann,
als eine Träne, die der greise Edelmann seinem unglücklichen Könige weihte, über
die breite Wange rollte, ertönte in, Nebenzimmer der langgezogne, schmerzerfüllte
Schrei eines dünnen, dünnen Stimmchens, eines Stimmchens, dem man, so un¬
geübt es auch noch im Ausdruck feinerer GefülMchnttierungen sein mochte, doch
deutlich genug anmerkte, daß sein Besitzer nicht gesonnen war, zu den ungewohnten
Einwirkungen mancher für ihn neuer phhsischer Erscheinungen wie Luft, Licht und
Kühle auch noch gewaltsame Beschränkungen seiner persönlichen Freiheit ohne ent-
schiednen Protest hinzunehmen.

Und welchen Eindruck dieses Stimmchen machte! Auf Menschen, die das so
energisch gegen die Übelstände dieser Welt protestierende Wesen noch nie gesehen
oder gehört hatten — zu einer Zeit, wo die Stimme so manchen urteilsfähigen,


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[0058] Der Marquis von Marigny Jetzt kam noch ein zweites weibliches Wesen herbei, dasselbe, das den Marquis beim ersten Besuche hier draußen zurechtgewiesen hatte und Wohl eine Hausgenossin oder Nachbarin des Villeroischen Paares war. Diese Frau schien Bescheid zu wissen, sie ließ Marigny in die Stube treten, bot ihm einen Stuhl an, den sie erst mit ihrer Schürze abwischte, und eilte dann weg, um Herrn von Villeroi zu holen. Dem Besucher schien das Gemach noch dürftiger und enger geworden zu sein. An der Wand, an der die Ansicht von Aigremont befestigt war, stand jetzt eine schmale, roh gezimmerte und grün angestrichne Bettstelle. Außer einem Strohsack, einem einzigen Kissen und einer groben Pferdedecke, die das Bett ausmachten, ent¬ hielt sie noch einen Mantelsack mit Wäsche und eine Anzahl Garderobestücke, die offenbar in großer Eile und ohne Rücksicht ans ihre Zusammengehörigkeit dort auf¬ gestapelt worden waren, Henri kam und machte sich nach kühler Begrüßung Marignys an die Arbeit. Er hatte inzwischen die Konturen des Bildnisses aus das Elfenbeintäfelchen über¬ tragen, verglich die Zeichnung jetzt noch einmal mit der Natur, nahm kleine Ver¬ besserungen vor und begann dann das Porträt mit spitzem Pinsel in Farben aus¬ zuführen. Aber es schien, als sei er heute nicht recht bei der Sache. Bald mußten die Farben verdünnt, bald wieder verdickt werden, bald bedürfte der Malgrund einer stärkern Politur, bald war er so glatt, daß die Farbe nicht haften wollte. Mehr als einmal sprang der Künstler von seinem Stuhle auf, eilte in das Neben¬ zimmer, Wo man ununterbrochen das Zwiegespräch gedämpfter Frauenstimmen ver- machen, und kehrte in gesteigerter Erregung zurück. Auch diesesmal vermieden es die beiden Männer, mehr als das Nötigste mit¬ einander zu reden, obgleich wenigstens dem ältern von ihnen das Herz voll war von dem großen Ereignis des Tages: dem mörderischen Anfall auf den König von Schweden. Wenn Gustav der Dritte seiner Wunde erlag — und die Nachrichten aus Stockholm klangen hoffnungslos genug —, so hatte Ludwig der Sechzehnte, dem der Tod erst eben den kaiserlichen Schwager Leopold den Zweiten geraubt hatte, vielleicht den letzten, jedenfalls aber den eifrigsten seiner gekrönten Freunde verloren. Das waren trübe Aussichten für die royalistische Sache und ihre Anhänger! Und wie der alte Aristokrat so dasaß, das Auge auf die mit Papier verklebte zerbrochne Scheibe eines ärmlichen deutschen Bürgerhauses gerichtet, schweiften seine Gedanken zu den Tuilerien hinüber, wo der König als Gefangner seines Volks lebte und gezwungen wurde, Minister zu empfangen, die sich Herausnahmen, ohne Schnallen auf den Schuhen, ohne dreieckiges Hütchen und mit nngepudertem Haar vor ihm zu erscheinen. Aber das Schicksal, das in dieser Zeit ein besondres Wohl¬ gefallen an Überraschungen zu haben schien, das über jeden sonnigen Augenblick die Schatten der Furcht und des Todes fallen ließ und wiederum in die finsterste Nacht des Kummers und der Verzweiflung einen Strahl des Humors sandte, hatte auch für den Marquis von Mariguy etwas Unerwartetes in Bereitschaft. Denn gerade, als es um die Mundwinkel des alten Herrn zu zucken begann, als eine Träne, die der greise Edelmann seinem unglücklichen Könige weihte, über die breite Wange rollte, ertönte in, Nebenzimmer der langgezogne, schmerzerfüllte Schrei eines dünnen, dünnen Stimmchens, eines Stimmchens, dem man, so un¬ geübt es auch noch im Ausdruck feinerer GefülMchnttierungen sein mochte, doch deutlich genug anmerkte, daß sein Besitzer nicht gesonnen war, zu den ungewohnten Einwirkungen mancher für ihn neuer phhsischer Erscheinungen wie Luft, Licht und Kühle auch noch gewaltsame Beschränkungen seiner persönlichen Freiheit ohne ent- schiednen Protest hinzunehmen. Und welchen Eindruck dieses Stimmchen machte! Auf Menschen, die das so energisch gegen die Übelstände dieser Welt protestierende Wesen noch nie gesehen oder gehört hatten — zu einer Zeit, wo die Stimme so manchen urteilsfähigen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/58>, abgerufen am 01.09.2024.