Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Prozcßverschleppungcn

und bei den Landgerichten in erster Instanz in sechs Monaten

Zweibrücken , , 12,0 16,0 21.1
Darmstadt , , 33,8 39,2 40,1
Hamburg , , - 65.3 65.4 62.7
Stuttgart . . . 69,2 70.4 6S.8

Nach der Justizstatistik sind in den Bezirken Zweibrttcken und Darmstadt
in den genannten Jahren die meisten, in den Bezirken Hamburg und Stutt¬
gart bei den Gerichten erster Instanz die wenigsten Beweisbeschlüsse erlassen
worden. Dementsprechend schließen Zweibrücken und Darmstadt sehr ungünstig,
Hamburg und Stuttgart sehr günstig ab. Ist es nnn auch richtig, daß die
Zahl der Beweisbeschlüsse die Prozeßdauer nachteilig beeinflußt, so Ware es
doch verkehrt, ihnen eine allzugroße Bedeutung für diesen Punkt beizulegen.
So ist in Zweibrücken die Zahl der Beweisbeschlüsse von 275 Prozen in
1891/95 auf 314 Prozent in 1899 gestiegen, die erledigten Landgcnch v-
prozesse aber auch von 12.0 ans 21.6 Prozent. während man um Fallen
annehmen sollte, bei den amtsgerichtlichen lag freilich ein solches von o3,0
auf 45.6 Prozent vor. Im Bezirk Darmstadt stiegen in den angegebnen Zeit¬
räumen die Veweisbeschlüsse von 230 ans 292 Prozent, die ames- und die
landgerichtlichen Prozesse in demselben Zeitraum trotzdem von 56.0 (33.8)
auf 57.5 (40.1) Prozent. Der Bezirk Kolmar. der in den Beweisbeschlnssen
nicht viel über Hamburg steht, weist einen günstigen Einfluß nur auf die
Dauer der Amtsgerichtsprozesse ans. Es ergingen dort Beweisbeschlüsse in den

Jahrgängen in Prozent ausgedrückt:

1891/95 1897 1899
126 141 139
dem entsprechen in den Jahren........1895 1897 1899
in drei Monaten erledigte AmtSgerichtsprozesse in Prozent 77,5 77.9 74,0

In den Rechtsmittelinstanzen sind die Beweisbeschlüsse weit weniger zahl¬
reich als bei den Gerichten erster Instanz. Sie üben somit auch auf die
Dauer der Prozesse dort nicht denselben Einfluß aus wie hier, weshalb sie
auch außer Betracht bleiben können.

Endlich fällt für die Dauer der Prozesse die Art der Beweisaufnahme
ins Gewicht. Nach dem Geiste der Prozeßordnung soll, weil das urteilende
Gericht durch die vor ihm erfolgte Beweisaufnahme ein weit besseres Bild von
den tatsächlichen Verhältnissen bekommt, die Beweisaufnahme vor diesem und
nicht vor einem beauftragten oder ersuchten Richter geschehen. Da aber durch
die Beweisanfuahme vor dem Prozeßgerichte die andern Sachen aufgehalten
werden, so werden die Kollegialgerichte, die die Beweisaufnahme nicht in ihren
Sitzungen vorzunehmen pflegen, auch weit weniger Rückstände auszuweisen
haben als die, die im Geiste der Zivilprozeßordnung handeln.

Eine Einwirkung der Justizverwaltung auf die Gerichte für die Art und
Weise der Behandlung der Sachen muß der Unabhängigkeit des Richteramts
wegen schlechterdings ausgeschlossen sein. Was aber geschehen kaun, ist eine
Vermehrung der Richterkräfte, sei es daß man neue Stellen, sei es daß man
neue Senate oder Kammern errichtet, nötigenfalls zur Teilung allzugroßer
Bezirke schreitet und neue Gerichte schafft. Daß all diese Dinge mit einem


Prozcßverschleppungcn

und bei den Landgerichten in erster Instanz in sechs Monaten

Zweibrücken , , 12,0 16,0 21.1
Darmstadt , , 33,8 39,2 40,1
Hamburg , , - 65.3 65.4 62.7
Stuttgart . . . 69,2 70.4 6S.8

Nach der Justizstatistik sind in den Bezirken Zweibrttcken und Darmstadt
in den genannten Jahren die meisten, in den Bezirken Hamburg und Stutt¬
gart bei den Gerichten erster Instanz die wenigsten Beweisbeschlüsse erlassen
worden. Dementsprechend schließen Zweibrücken und Darmstadt sehr ungünstig,
Hamburg und Stuttgart sehr günstig ab. Ist es nnn auch richtig, daß die
Zahl der Beweisbeschlüsse die Prozeßdauer nachteilig beeinflußt, so Ware es
doch verkehrt, ihnen eine allzugroße Bedeutung für diesen Punkt beizulegen.
So ist in Zweibrücken die Zahl der Beweisbeschlüsse von 275 Prozen in
1891/95 auf 314 Prozent in 1899 gestiegen, die erledigten Landgcnch v-
prozesse aber auch von 12.0 ans 21.6 Prozent. während man um Fallen
annehmen sollte, bei den amtsgerichtlichen lag freilich ein solches von o3,0
auf 45.6 Prozent vor. Im Bezirk Darmstadt stiegen in den angegebnen Zeit¬
räumen die Veweisbeschlüsse von 230 ans 292 Prozent, die ames- und die
landgerichtlichen Prozesse in demselben Zeitraum trotzdem von 56.0 (33.8)
auf 57.5 (40.1) Prozent. Der Bezirk Kolmar. der in den Beweisbeschlnssen
nicht viel über Hamburg steht, weist einen günstigen Einfluß nur auf die
Dauer der Amtsgerichtsprozesse ans. Es ergingen dort Beweisbeschlüsse in den

Jahrgängen in Prozent ausgedrückt:

1891/95 1897 1899
126 141 139
dem entsprechen in den Jahren........1895 1897 1899
in drei Monaten erledigte AmtSgerichtsprozesse in Prozent 77,5 77.9 74,0

In den Rechtsmittelinstanzen sind die Beweisbeschlüsse weit weniger zahl¬
reich als bei den Gerichten erster Instanz. Sie üben somit auch auf die
Dauer der Prozesse dort nicht denselben Einfluß aus wie hier, weshalb sie
auch außer Betracht bleiben können.

Endlich fällt für die Dauer der Prozesse die Art der Beweisaufnahme
ins Gewicht. Nach dem Geiste der Prozeßordnung soll, weil das urteilende
Gericht durch die vor ihm erfolgte Beweisaufnahme ein weit besseres Bild von
den tatsächlichen Verhältnissen bekommt, die Beweisaufnahme vor diesem und
nicht vor einem beauftragten oder ersuchten Richter geschehen. Da aber durch
die Beweisanfuahme vor dem Prozeßgerichte die andern Sachen aufgehalten
werden, so werden die Kollegialgerichte, die die Beweisaufnahme nicht in ihren
Sitzungen vorzunehmen pflegen, auch weit weniger Rückstände auszuweisen
haben als die, die im Geiste der Zivilprozeßordnung handeln.

Eine Einwirkung der Justizverwaltung auf die Gerichte für die Art und
Weise der Behandlung der Sachen muß der Unabhängigkeit des Richteramts
wegen schlechterdings ausgeschlossen sein. Was aber geschehen kaun, ist eine
Vermehrung der Richterkräfte, sei es daß man neue Stellen, sei es daß man
neue Senate oder Kammern errichtet, nötigenfalls zur Teilung allzugroßer
Bezirke schreitet und neue Gerichte schafft. Daß all diese Dinge mit einem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0531" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241745"/>
          <fw type="header" place="top"> Prozcßverschleppungcn</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2127" prev="#ID_2126"> und bei den Landgerichten in erster Instanz in sechs Monaten</p><lb/>
          <list>
            <item> Zweibrücken  ,  ,  12,0     16,0 21.1</item>
            <item> Darmstadt  ,  ,  33,8    39,2 40,1</item>
            <item> Hamburg ,  ,  -  65.3     65.4 62.7</item>
            <item> Stuttgart .  .  .  69,2    70.4 6S.8</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_2128"> Nach der Justizstatistik sind in den Bezirken Zweibrttcken und Darmstadt<lb/>
in den genannten Jahren die meisten, in den Bezirken Hamburg und Stutt¬<lb/>
gart bei den Gerichten erster Instanz die wenigsten Beweisbeschlüsse erlassen<lb/>
worden. Dementsprechend schließen Zweibrücken und Darmstadt sehr ungünstig,<lb/>
Hamburg und Stuttgart sehr günstig ab. Ist es nnn auch richtig, daß die<lb/>
Zahl der Beweisbeschlüsse die Prozeßdauer nachteilig beeinflußt, so Ware es<lb/>
doch verkehrt, ihnen eine allzugroße Bedeutung für diesen Punkt beizulegen.<lb/>
So ist in Zweibrücken die Zahl der Beweisbeschlüsse von 275 Prozen in<lb/>
1891/95 auf 314 Prozent in 1899 gestiegen, die erledigten Landgcnch v-<lb/>
prozesse aber auch von 12.0 ans 21.6 Prozent. während man um Fallen<lb/>
annehmen sollte, bei den amtsgerichtlichen lag freilich ein solches von o3,0<lb/>
auf 45.6 Prozent vor. Im Bezirk Darmstadt stiegen in den angegebnen Zeit¬<lb/>
räumen die Veweisbeschlüsse von 230 ans 292 Prozent, die ames- und die<lb/>
landgerichtlichen Prozesse in demselben Zeitraum trotzdem von 56.0 (33.8)<lb/>
auf 57.5 (40.1) Prozent. Der Bezirk Kolmar. der in den Beweisbeschlnssen<lb/>
nicht viel über Hamburg steht, weist einen günstigen Einfluß nur auf die<lb/>
Dauer der Amtsgerichtsprozesse ans. Es ergingen dort Beweisbeschlüsse in den</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2129"> Jahrgängen in Prozent ausgedrückt:</p><lb/>
          <list>
            <item> 1891/95  1897 1899</item>
            <item> 126    141 139</item>
            <item> dem entsprechen in den Jahren........1895   1897 1899</item>
            <item> in drei Monaten erledigte AmtSgerichtsprozesse in Prozent  77,5   77.9 74,0</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_2130"> In den Rechtsmittelinstanzen sind die Beweisbeschlüsse weit weniger zahl¬<lb/>
reich als bei den Gerichten erster Instanz. Sie üben somit auch auf die<lb/>
Dauer der Prozesse dort nicht denselben Einfluß aus wie hier, weshalb sie<lb/>
auch außer Betracht bleiben können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2131"> Endlich fällt für die Dauer der Prozesse die Art der Beweisaufnahme<lb/>
ins Gewicht. Nach dem Geiste der Prozeßordnung soll, weil das urteilende<lb/>
Gericht durch die vor ihm erfolgte Beweisaufnahme ein weit besseres Bild von<lb/>
den tatsächlichen Verhältnissen bekommt, die Beweisaufnahme vor diesem und<lb/>
nicht vor einem beauftragten oder ersuchten Richter geschehen. Da aber durch<lb/>
die Beweisanfuahme vor dem Prozeßgerichte die andern Sachen aufgehalten<lb/>
werden, so werden die Kollegialgerichte, die die Beweisaufnahme nicht in ihren<lb/>
Sitzungen vorzunehmen pflegen, auch weit weniger Rückstände auszuweisen<lb/>
haben als die, die im Geiste der Zivilprozeßordnung handeln.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2132" next="#ID_2133"> Eine Einwirkung der Justizverwaltung auf die Gerichte für die Art und<lb/>
Weise der Behandlung der Sachen muß der Unabhängigkeit des Richteramts<lb/>
wegen schlechterdings ausgeschlossen sein. Was aber geschehen kaun, ist eine<lb/>
Vermehrung der Richterkräfte, sei es daß man neue Stellen, sei es daß man<lb/>
neue Senate oder Kammern errichtet, nötigenfalls zur Teilung allzugroßer<lb/>
Bezirke schreitet und neue Gerichte schafft.  Daß all diese Dinge mit einem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0531] Prozcßverschleppungcn und bei den Landgerichten in erster Instanz in sechs Monaten Zweibrücken , , 12,0 16,0 21.1 Darmstadt , , 33,8 39,2 40,1 Hamburg , , - 65.3 65.4 62.7 Stuttgart . . . 69,2 70.4 6S.8 Nach der Justizstatistik sind in den Bezirken Zweibrttcken und Darmstadt in den genannten Jahren die meisten, in den Bezirken Hamburg und Stutt¬ gart bei den Gerichten erster Instanz die wenigsten Beweisbeschlüsse erlassen worden. Dementsprechend schließen Zweibrücken und Darmstadt sehr ungünstig, Hamburg und Stuttgart sehr günstig ab. Ist es nnn auch richtig, daß die Zahl der Beweisbeschlüsse die Prozeßdauer nachteilig beeinflußt, so Ware es doch verkehrt, ihnen eine allzugroße Bedeutung für diesen Punkt beizulegen. So ist in Zweibrücken die Zahl der Beweisbeschlüsse von 275 Prozen in 1891/95 auf 314 Prozent in 1899 gestiegen, die erledigten Landgcnch v- prozesse aber auch von 12.0 ans 21.6 Prozent. während man um Fallen annehmen sollte, bei den amtsgerichtlichen lag freilich ein solches von o3,0 auf 45.6 Prozent vor. Im Bezirk Darmstadt stiegen in den angegebnen Zeit¬ räumen die Veweisbeschlüsse von 230 ans 292 Prozent, die ames- und die landgerichtlichen Prozesse in demselben Zeitraum trotzdem von 56.0 (33.8) auf 57.5 (40.1) Prozent. Der Bezirk Kolmar. der in den Beweisbeschlnssen nicht viel über Hamburg steht, weist einen günstigen Einfluß nur auf die Dauer der Amtsgerichtsprozesse ans. Es ergingen dort Beweisbeschlüsse in den Jahrgängen in Prozent ausgedrückt: 1891/95 1897 1899 126 141 139 dem entsprechen in den Jahren........1895 1897 1899 in drei Monaten erledigte AmtSgerichtsprozesse in Prozent 77,5 77.9 74,0 In den Rechtsmittelinstanzen sind die Beweisbeschlüsse weit weniger zahl¬ reich als bei den Gerichten erster Instanz. Sie üben somit auch auf die Dauer der Prozesse dort nicht denselben Einfluß aus wie hier, weshalb sie auch außer Betracht bleiben können. Endlich fällt für die Dauer der Prozesse die Art der Beweisaufnahme ins Gewicht. Nach dem Geiste der Prozeßordnung soll, weil das urteilende Gericht durch die vor ihm erfolgte Beweisaufnahme ein weit besseres Bild von den tatsächlichen Verhältnissen bekommt, die Beweisaufnahme vor diesem und nicht vor einem beauftragten oder ersuchten Richter geschehen. Da aber durch die Beweisanfuahme vor dem Prozeßgerichte die andern Sachen aufgehalten werden, so werden die Kollegialgerichte, die die Beweisaufnahme nicht in ihren Sitzungen vorzunehmen pflegen, auch weit weniger Rückstände auszuweisen haben als die, die im Geiste der Zivilprozeßordnung handeln. Eine Einwirkung der Justizverwaltung auf die Gerichte für die Art und Weise der Behandlung der Sachen muß der Unabhängigkeit des Richteramts wegen schlechterdings ausgeschlossen sein. Was aber geschehen kaun, ist eine Vermehrung der Richterkräfte, sei es daß man neue Stellen, sei es daß man neue Senate oder Kammern errichtet, nötigenfalls zur Teilung allzugroßer Bezirke schreitet und neue Gerichte schafft. Daß all diese Dinge mit einem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/531
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/531>, abgerufen am 27.07.2024.