Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.Koloniale Spiegelbilder mit besondrer Berücksichtigung Tamoas F. Reinecke von le deutsche Kolonialwirtschaft hat sehr empfindlich an Unter¬ Das Vertrauen und der Nationalstolz unsrer Landsleute, die in fernen Diese Vorwürfe entsprangen bezeichnenderweise vorwiegend den Kreisen, Grenzboten III 1903 49
Koloniale Spiegelbilder mit besondrer Berücksichtigung Tamoas F. Reinecke von le deutsche Kolonialwirtschaft hat sehr empfindlich an Unter¬ Das Vertrauen und der Nationalstolz unsrer Landsleute, die in fernen Diese Vorwürfe entsprangen bezeichnenderweise vorwiegend den Kreisen, Grenzboten III 1903 49
<TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0393" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241607"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341877_241213/figures/grenzboten_341877_241213_241607_000.jpg"/><lb/> <div n="1"> <head> Koloniale Spiegelbilder<lb/> mit besondrer Berücksichtigung Tamoas<lb/><note type="byline"> F. Reinecke</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_1579"> le deutsche Kolonialwirtschaft hat sehr empfindlich an Unter¬<lb/> lassungssünden, an Fehlern und Erfahrungsmangel zu leiden<lb/> gehabt. Das war und ist noch eine notwendige Folge kurz¬<lb/> sichtiger, einseitiger Interessenpolitik, die in bedauerlicher Miß-<lb/> achtung der zeitgemäßen Entfaltung und Stellung des Reiches<lb/> als gebietender Weltmacht und der Pflichten gegenüber seinen Pionieren<lb/> in der Ferne die Bestrebungen weitschauender vaterländischer Diplomatie<lb/> lähmte — bis die beste Zeit verstrichen war. Als dann endlich die Erkenntnis<lb/> langsam durchbrach und auch die Zahl der Widersacher kolonialpolitischer<lb/> Forderungen immer geringer wurde, hatten wir beinahe, wie Goethe sagt,<lb/> ^ick Rechte hingegeben, daß uns auf nichts ein Recht mehr übrig blieb.<lb/> dem Anspruch auf so viele gute Besitze und Vorrechte war aber auch<lb/> manche Frucht deutscheu Fleißes, deutscher Energie und deutschen Kapitals,<lb/> das an der Erschließung überseeischer Gebiete mit mehr als zehn Milliarden<lb/> Mark beteiligt ist und dem Reiche ein dementsprecheudes Absatzgebiet gesichert<lb/> hat, verloren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1580"> Das Vertrauen und der Nationalstolz unsrer Landsleute, die in fernen<lb/> Gebieten unter schwierigen Verhältnissen als Kolonisten gewirkt haben und<lb/> gekämpft hatten, waren stark erschüttert; ihre Bitten um Schutz ihrer Unabhängig¬<lb/> keit gegen fremd-nntionale Mächte verhallten an dem Widerspruch engherziger<lb/> Volksvertretung. Dafür wurde ihnen dann daheim der Vorwurf mangel¬<lb/> haften Nationalgefühls gemacht, als sie sich den herrschenden politischen Ver¬<lb/> hältnissen unterordneten, fremde Sprachen redeten, die Muttersprache ver¬<lb/> lernten usw.</p><lb/> <p xml:id="ID_1581" next="#ID_1582"> Diese Vorwürfe entsprangen bezeichnenderweise vorwiegend den Kreisen,<lb/> deren nationales Empfinden mit dem Horizont persönlicher und eigner Geschäfts¬<lb/> interessen abschließt. „Idealisten, Kathedersozialisten und meinungslose Nach¬<lb/> beter stimmten ihnen bei und gerieten in heilige Entrüstung über das Kapitel<lb/> »Deutschtum im Auslande«." Darüber ist viel geredet und geschrieben worden:</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1903 49</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0393]
[Abbildung]
Koloniale Spiegelbilder
mit besondrer Berücksichtigung Tamoas
F. Reinecke von
le deutsche Kolonialwirtschaft hat sehr empfindlich an Unter¬
lassungssünden, an Fehlern und Erfahrungsmangel zu leiden
gehabt. Das war und ist noch eine notwendige Folge kurz¬
sichtiger, einseitiger Interessenpolitik, die in bedauerlicher Miß-
achtung der zeitgemäßen Entfaltung und Stellung des Reiches
als gebietender Weltmacht und der Pflichten gegenüber seinen Pionieren
in der Ferne die Bestrebungen weitschauender vaterländischer Diplomatie
lähmte — bis die beste Zeit verstrichen war. Als dann endlich die Erkenntnis
langsam durchbrach und auch die Zahl der Widersacher kolonialpolitischer
Forderungen immer geringer wurde, hatten wir beinahe, wie Goethe sagt,
^ick Rechte hingegeben, daß uns auf nichts ein Recht mehr übrig blieb.
dem Anspruch auf so viele gute Besitze und Vorrechte war aber auch
manche Frucht deutscheu Fleißes, deutscher Energie und deutschen Kapitals,
das an der Erschließung überseeischer Gebiete mit mehr als zehn Milliarden
Mark beteiligt ist und dem Reiche ein dementsprecheudes Absatzgebiet gesichert
hat, verloren.
Das Vertrauen und der Nationalstolz unsrer Landsleute, die in fernen
Gebieten unter schwierigen Verhältnissen als Kolonisten gewirkt haben und
gekämpft hatten, waren stark erschüttert; ihre Bitten um Schutz ihrer Unabhängig¬
keit gegen fremd-nntionale Mächte verhallten an dem Widerspruch engherziger
Volksvertretung. Dafür wurde ihnen dann daheim der Vorwurf mangel¬
haften Nationalgefühls gemacht, als sie sich den herrschenden politischen Ver¬
hältnissen unterordneten, fremde Sprachen redeten, die Muttersprache ver¬
lernten usw.
Diese Vorwürfe entsprangen bezeichnenderweise vorwiegend den Kreisen,
deren nationales Empfinden mit dem Horizont persönlicher und eigner Geschäfts¬
interessen abschließt. „Idealisten, Kathedersozialisten und meinungslose Nach¬
beter stimmten ihnen bei und gerieten in heilige Entrüstung über das Kapitel
»Deutschtum im Auslande«." Darüber ist viel geredet und geschrieben worden:
Grenzboten III 1903 49
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