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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Richtung nach der iwch dazu oft recht zufälligen Stimmenmehrheit hervorgeht.
So führt der österreichische Parlamentarier "Gf. L. W." in seinem "Recht
der Minorität," worin er sich mit dem Vorschlage des Genfers Naville und
seiner Anwendung ans österreichische Verhältnisse beschäftigt, treffend aus, wie
mancher Wühler in eine Partei hineingedrängt wird, der er nicht angehört,
der er sich nur anschließt, weil ihm eine andre noch gefährlicher erscheint; "das
Volk wird nur als Stimmvieh gebraucht." Und er sagt am Schluß: "D
Wahl ist jetzt der Kampf zweier Parteien; man spricht anch ganz ruhig v
einem "Wahlkampf"." Die Folge dieses Wahlverfahrens, das bei rufe....
geltenden Wahlrechte gar nicht zii vermeiden ist, ist die, daß über die allge¬
meinen Interessen des Staats und die besondern der Bevölkerungsstände die
Interessen der Partei getreten sind, daß sich unser politisches Leben nicht um
wirkliche Jltteressenqemeinschaften, sondern um Parteianschauungen und Pnrtei-
bewegt. folgt)in
von
ern




Graf Vülows Reden

me für den Handgebrauch geeignete Sammlung der Reden des
jetzigen Reichskanzlers *)'darf ohne weiteres als eine sehr nützliche
Arbeit bezeichnet werden, die für die Staatsmänner des Inlandes
und des Auslandes -- vor allem für den Grafen Bülow selbst --,
für Parlamentarier und für Publizisten sowie für spätere Ge-
itschreiber unzweifelhaft eine Lücke ausfüllt. Denn wenngleich die parla¬
mentarischen Reden des Reichskanzlers nud Ministerpräsidenten in den steno¬
graphischen Berichten der Parlamente urkundlich niedergelegt sind, so ist es
doch mühsam und für den Einzelnen oft nicht einmal durchführbar, sie im
Augenblicke des Gebrauchs sofort zur Hand zu haben; außerdem fehle" in
diesen stenographischen Berichten die außerhalb der Plenarsitzungen des Reichs¬
tags oder des Landtags gehaltnen Reden, auch die in Kommissionen abge¬
gebnen Erklärungen. Die Reden bei dem Stapellauf der "Deutschland" in
Stettin, bei der Enthüllung des Berliner Bismarckdentmals, an den Gro߬
herzog von Baden bei dessen fünfzigjährigein Regierungsjubilünm, die Tisch¬
reden an den deutschen Landwirtschaftsrat und andre würde man sich mühsam
aus Zeitungen zusammensuchen müssen. Aber das ist es nicht allein. Alle
diese Reden geben als Sammlung vereinigt ein Bild sowohl vou der Politik
des Reichskanzlers und von seinem Charakter als much von seiner Art und Be¬
gabung als Redner. Sie sind ein Besitz des deutschen Volkes, auf dessen
^icht zugängliche Benutzung die Nation einen Anspruch hat, denn diese Reden
gehören nicht nur unsrer Geschichte an, sondern sie machen zum Teil diese



*) Graf BiUows Reden nebst urkundlichen Beiträgen zu seiner Politik. Mit Erlaubnis
des Reichskanzlers gesammelt und herausgegeben von Johannes Penzltr. Leipzig, Otto Wignnd.
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Richtung nach der iwch dazu oft recht zufälligen Stimmenmehrheit hervorgeht.
So führt der österreichische Parlamentarier „Gf. L. W." in seinem „Recht
der Minorität," worin er sich mit dem Vorschlage des Genfers Naville und
seiner Anwendung ans österreichische Verhältnisse beschäftigt, treffend aus, wie
mancher Wühler in eine Partei hineingedrängt wird, der er nicht angehört,
der er sich nur anschließt, weil ihm eine andre noch gefährlicher erscheint; „das
Volk wird nur als Stimmvieh gebraucht." Und er sagt am Schluß: „D
Wahl ist jetzt der Kampf zweier Parteien; man spricht anch ganz ruhig v
einem »Wahlkampf«." Die Folge dieses Wahlverfahrens, das bei rufe....
geltenden Wahlrechte gar nicht zii vermeiden ist, ist die, daß über die allge¬
meinen Interessen des Staats und die besondern der Bevölkerungsstände die
Interessen der Partei getreten sind, daß sich unser politisches Leben nicht um
wirkliche Jltteressenqemeinschaften, sondern um Parteianschauungen und Pnrtei-
bewegt. folgt)in
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Graf Vülows Reden

me für den Handgebrauch geeignete Sammlung der Reden des
jetzigen Reichskanzlers *)'darf ohne weiteres als eine sehr nützliche
Arbeit bezeichnet werden, die für die Staatsmänner des Inlandes
und des Auslandes — vor allem für den Grafen Bülow selbst —,
für Parlamentarier und für Publizisten sowie für spätere Ge-
itschreiber unzweifelhaft eine Lücke ausfüllt. Denn wenngleich die parla¬
mentarischen Reden des Reichskanzlers nud Ministerpräsidenten in den steno¬
graphischen Berichten der Parlamente urkundlich niedergelegt sind, so ist es
doch mühsam und für den Einzelnen oft nicht einmal durchführbar, sie im
Augenblicke des Gebrauchs sofort zur Hand zu haben; außerdem fehle» in
diesen stenographischen Berichten die außerhalb der Plenarsitzungen des Reichs¬
tags oder des Landtags gehaltnen Reden, auch die in Kommissionen abge¬
gebnen Erklärungen. Die Reden bei dem Stapellauf der „Deutschland" in
Stettin, bei der Enthüllung des Berliner Bismarckdentmals, an den Gro߬
herzog von Baden bei dessen fünfzigjährigein Regierungsjubilünm, die Tisch¬
reden an den deutschen Landwirtschaftsrat und andre würde man sich mühsam
aus Zeitungen zusammensuchen müssen. Aber das ist es nicht allein. Alle
diese Reden geben als Sammlung vereinigt ein Bild sowohl vou der Politik
des Reichskanzlers und von seinem Charakter als much von seiner Art und Be¬
gabung als Redner. Sie sind ein Besitz des deutschen Volkes, auf dessen
^icht zugängliche Benutzung die Nation einen Anspruch hat, denn diese Reden
gehören nicht nur unsrer Geschichte an, sondern sie machen zum Teil diese



*) Graf BiUows Reden nebst urkundlichen Beiträgen zu seiner Politik. Mit Erlaubnis
des Reichskanzlers gesammelt und herausgegeben von Johannes Penzltr. Leipzig, Otto Wignnd.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/25>, abgerufen am 23.11.2024.