richtete Spitze, Da Nessi Reserveoffizier war, so wurde gegen ihn vom Kommandanten seines Honveddistritts eine ehrengerichtliche Untersuchung ein¬ geleitet. Die Sache kam Anfang November ins Abgeordnetenhaus und führte zu fünftägigen unerhörten Auftritten; was dabei von der äußersten Linken gegen die Volkshymne und gegen die Monarchie geäußert wurde, kaun gar nicht wiedergegeben werden. Der Präsident Graf Appouyi duldete das meiste, Feldzeugmeister Fejervary versuchte zu beschwichtigen, wurde aber vielfach durch Lärm unterbrochen und geriet schließlich selbst mit dem Grafen Avponyi und Herrn von Szell in Zwiespalt, weil er erklärt hatte, er habe aus be¬ sondern! Entgegenkommen zugestimmt, daß das ehrengerichtliche Verfahren gegen Nessi so lange eingestellt werde, bis ein Beschluß des Hauses darüber vorliege. Nun warf die Opposition die parlamentarische Frage auf und be¬ hauptete, der Minister habe sich den Beschlüssen des Hauses zu fügen. Fejervary nahm nichts zurück, obgleich Apponyi und Szell in ihn drangen, und als am andern Tage Herr von Szell im Namen des Ministeriums eine Erklärung abgab, die sich den Ansichten des Hauses anschmiegte, begab sich Baron Fejervary nach Wien, um dein Monarchen Meldung zu machen. Auch diese Ministerkrise kam nicht zum Ausbruch, denn wenig Tage danach war Ministerpräsident von Szell "in andern Angelegenheiten" in Wien und hatte Audienz beim Kaiser. Am 2. Dezember wurde dann die Sache geebnet, indem sie nicht wieder vor das Haus gebracht wurde, sondern beide Minister im Finanzausschusse gleichlautende Erklärungen abgaben, die sich von der Auf- fassung des Honvedministcrs nnr im Wortlaut unterschieden. Man wagte nicht, den Monarchen zu reizen, doch die Taktik, den Träger der Krone mürbe zu machen und vor dringliche Entscheidungen zu stelle", bei denen sich etwas herausschlagen läßt, wurde fortgesetzt.
Als nächstes Operationsobjekt wurde die Nekrutenvorlage ausersehen, der man schon deshalb abgeneigt war, weil sie die Mannschaften für die Um¬ gestaltung der Artillerie forderte, ohne daß an die ersehnte Honvedartillerie auch nnr gedacht wurde. Natürlich ging man nicht gleich direkt dagegen vor, sondern zunächst wurde die Zeit mit allerhand nationalen Spektakeln ver¬ trödelt, weil man Stimmung machen wollte, bis sich herausstellte, daß die Rekrutenvorlage, die schon zweimal geändert worden war, überall auf Oppo¬ sition stieß, namentlich auch in Österreich, da sie ungeschickt abgefaßt war, weshalb auch schließlich der Ncichskriegsminister in den wohlverdienten Ruhe¬ stand trat. Trotzdem ging nun? auch nnn noch nicht direkt gegen die Nekruten¬ vorlage vor, sondern obstruierte einstweilen das Budgetprovisorium, das erst zustande kam, nachdem Herr von Szell am 11. Dezember mit der Oppo¬ sition ein Abkommen getroffen hatte, wonach die Obstruktion aufhören sollte, wenn vor Neujahr weder die Wehrvorlage noch die Erhöhung der Zivilliste auf die Tagesordnung gesetzt werde. Aus diesem Übereinkommen ging zweierle: hervor: zunächst, daß die Opposition die Nekrutenvorlage meinte, wenn ste das Budgetprovisorium obstruierte, und ferner ließ sich schon damals erkennen, daß die Neichsregierung die Durchführung der Neubildung und Neubewaffnung der Artillerie nicht als unbedingt dringend ansah. Nach der Bewilligung des
Die Krisis in Ungarn
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richtete Spitze, Da Nessi Reserveoffizier war, so wurde gegen ihn vom Kommandanten seines Honveddistritts eine ehrengerichtliche Untersuchung ein¬ geleitet. Die Sache kam Anfang November ins Abgeordnetenhaus und führte zu fünftägigen unerhörten Auftritten; was dabei von der äußersten Linken gegen die Volkshymne und gegen die Monarchie geäußert wurde, kaun gar nicht wiedergegeben werden. Der Präsident Graf Appouyi duldete das meiste, Feldzeugmeister Fejervary versuchte zu beschwichtigen, wurde aber vielfach durch Lärm unterbrochen und geriet schließlich selbst mit dem Grafen Avponyi und Herrn von Szell in Zwiespalt, weil er erklärt hatte, er habe aus be¬ sondern! Entgegenkommen zugestimmt, daß das ehrengerichtliche Verfahren gegen Nessi so lange eingestellt werde, bis ein Beschluß des Hauses darüber vorliege. Nun warf die Opposition die parlamentarische Frage auf und be¬ hauptete, der Minister habe sich den Beschlüssen des Hauses zu fügen. Fejervary nahm nichts zurück, obgleich Apponyi und Szell in ihn drangen, und als am andern Tage Herr von Szell im Namen des Ministeriums eine Erklärung abgab, die sich den Ansichten des Hauses anschmiegte, begab sich Baron Fejervary nach Wien, um dein Monarchen Meldung zu machen. Auch diese Ministerkrise kam nicht zum Ausbruch, denn wenig Tage danach war Ministerpräsident von Szell „in andern Angelegenheiten" in Wien und hatte Audienz beim Kaiser. Am 2. Dezember wurde dann die Sache geebnet, indem sie nicht wieder vor das Haus gebracht wurde, sondern beide Minister im Finanzausschusse gleichlautende Erklärungen abgaben, die sich von der Auf- fassung des Honvedministcrs nnr im Wortlaut unterschieden. Man wagte nicht, den Monarchen zu reizen, doch die Taktik, den Träger der Krone mürbe zu machen und vor dringliche Entscheidungen zu stelle», bei denen sich etwas herausschlagen läßt, wurde fortgesetzt.
Als nächstes Operationsobjekt wurde die Nekrutenvorlage ausersehen, der man schon deshalb abgeneigt war, weil sie die Mannschaften für die Um¬ gestaltung der Artillerie forderte, ohne daß an die ersehnte Honvedartillerie auch nnr gedacht wurde. Natürlich ging man nicht gleich direkt dagegen vor, sondern zunächst wurde die Zeit mit allerhand nationalen Spektakeln ver¬ trödelt, weil man Stimmung machen wollte, bis sich herausstellte, daß die Rekrutenvorlage, die schon zweimal geändert worden war, überall auf Oppo¬ sition stieß, namentlich auch in Österreich, da sie ungeschickt abgefaßt war, weshalb auch schließlich der Ncichskriegsminister in den wohlverdienten Ruhe¬ stand trat. Trotzdem ging nun? auch nnn noch nicht direkt gegen die Nekruten¬ vorlage vor, sondern obstruierte einstweilen das Budgetprovisorium, das erst zustande kam, nachdem Herr von Szell am 11. Dezember mit der Oppo¬ sition ein Abkommen getroffen hatte, wonach die Obstruktion aufhören sollte, wenn vor Neujahr weder die Wehrvorlage noch die Erhöhung der Zivilliste auf die Tagesordnung gesetzt werde. Aus diesem Übereinkommen ging zweierle: hervor: zunächst, daß die Opposition die Nekrutenvorlage meinte, wenn ste das Budgetprovisorium obstruierte, und ferner ließ sich schon damals erkennen, daß die Neichsregierung die Durchführung der Neubildung und Neubewaffnung der Artillerie nicht als unbedingt dringend ansah. Nach der Bewilligung des
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richtete Spitze, Da Nessi Reserveoffizier war, so wurde gegen ihn vom
Kommandanten seines Honveddistritts eine ehrengerichtliche Untersuchung ein¬
geleitet. Die Sache kam Anfang November ins Abgeordnetenhaus und führte
zu fünftägigen unerhörten Auftritten; was dabei von der äußersten Linken
gegen die Volkshymne und gegen die Monarchie geäußert wurde, kaun gar
nicht wiedergegeben werden. Der Präsident Graf Appouyi duldete das meiste,
Feldzeugmeister Fejervary versuchte zu beschwichtigen, wurde aber vielfach
durch Lärm unterbrochen und geriet schließlich selbst mit dem Grafen Avponyi
und Herrn von Szell in Zwiespalt, weil er erklärt hatte, er habe aus be¬
sondern! Entgegenkommen zugestimmt, daß das ehrengerichtliche Verfahren
gegen Nessi so lange eingestellt werde, bis ein Beschluß des Hauses darüber
vorliege. Nun warf die Opposition die parlamentarische Frage auf und be¬
hauptete, der Minister habe sich den Beschlüssen des Hauses zu fügen.
Fejervary nahm nichts zurück, obgleich Apponyi und Szell in ihn drangen,
und als am andern Tage Herr von Szell im Namen des Ministeriums eine
Erklärung abgab, die sich den Ansichten des Hauses anschmiegte, begab sich
Baron Fejervary nach Wien, um dein Monarchen Meldung zu machen. Auch
diese Ministerkrise kam nicht zum Ausbruch, denn wenig Tage danach war
Ministerpräsident von Szell „in andern Angelegenheiten" in Wien und hatte
Audienz beim Kaiser. Am 2. Dezember wurde dann die Sache geebnet, indem
sie nicht wieder vor das Haus gebracht wurde, sondern beide Minister im
Finanzausschusse gleichlautende Erklärungen abgaben, die sich von der Auf-
fassung des Honvedministcrs nnr im Wortlaut unterschieden. Man wagte
nicht, den Monarchen zu reizen, doch die Taktik, den Träger der Krone mürbe
zu machen und vor dringliche Entscheidungen zu stelle», bei denen sich etwas
herausschlagen läßt, wurde fortgesetzt.
Als nächstes Operationsobjekt wurde die Nekrutenvorlage ausersehen, der
man schon deshalb abgeneigt war, weil sie die Mannschaften für die Um¬
gestaltung der Artillerie forderte, ohne daß an die ersehnte Honvedartillerie
auch nnr gedacht wurde. Natürlich ging man nicht gleich direkt dagegen vor,
sondern zunächst wurde die Zeit mit allerhand nationalen Spektakeln ver¬
trödelt, weil man Stimmung machen wollte, bis sich herausstellte, daß die
Rekrutenvorlage, die schon zweimal geändert worden war, überall auf Oppo¬
sition stieß, namentlich auch in Österreich, da sie ungeschickt abgefaßt war,
weshalb auch schließlich der Ncichskriegsminister in den wohlverdienten Ruhe¬
stand trat. Trotzdem ging nun? auch nnn noch nicht direkt gegen die Nekruten¬
vorlage vor, sondern obstruierte einstweilen das Budgetprovisorium, das erst
zustande kam, nachdem Herr von Szell am 11. Dezember mit der Oppo¬
sition ein Abkommen getroffen hatte, wonach die Obstruktion aufhören sollte,
wenn vor Neujahr weder die Wehrvorlage noch die Erhöhung der Zivilliste
auf die Tagesordnung gesetzt werde. Aus diesem Übereinkommen ging zweierle:
hervor: zunächst, daß die Opposition die Nekrutenvorlage meinte, wenn ste
das Budgetprovisorium obstruierte, und ferner ließ sich schon damals erkennen,
daß die Neichsregierung die Durchführung der Neubildung und Neubewaffnung
der Artillerie nicht als unbedingt dringend ansah. Nach der Bewilligung des
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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/226>, abgerufen am 24.11.2024.
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