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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Der Marquis van Marigny

Erfolge nicht und empfanden die Niederlagen ihrer republikanischen Landsleute als
eine nationale Schmach. Ja sie standen nicht an, die Tat des unglücklichen Komman-
danten Beaurepairc, der nach Unterzeichnung der Kapitulation seinem Leben durch
einen Pistolenschuß ein Eude gemacht hatte, als ein Beispiel antiker Seelengröße
zu bewundern.

Nun durfte man freilich keine Zweifel mehr hegen, das; der Zweck des kriege¬
rischen Unternehmens, die Befreiung des Königs und die Unterdrückung der Revo-
lution, dennoch über kurz oder lang erreicht werden würde, und man tröstete sich
schon damit, daß dieser zu erwartende Erfolg trotz der Beihilfe der Preußen und
Österreicher schließlich doch uur der Intelligenz der Emigranten als der geistigen
Urheber und Leiter des ganzen Unternehmens zuzuschreiben sei. Unter solchen Um¬
ständen machte die Nachricht von der Erstürmung der Tuilerien dnrch den Pariser
Pöbel und die Einkerkerung der königlichen Familie ans die meisten der Flüchtlinge
keinen nllzustarken Eindruck.

Auch Mariguy hatte sich im Laufe der Zeit darau gewöhnt, die Ereignisse
in Frankreich mit philosophischem Gleichmut zu perfolgen. Was die Journale
brachten, und was als dunkles Gerücht die Luft dnrchschwirrte, hatte sich schon
so oft als völlig erfunden oder zum mindesten als übertrieben und entstellt er¬
wiesen, daß thu Neuigkeiten dieser Art nicht mehr aus seiner Fassung zu bringen
vermochten.

Nun wollte es jedoch der Zufall, daß er in einem Wirtsgnrten zu Pfasfendvrf
die Bekanntschaft eines knrhessischen Kuriers machte, der geradeswegs von Paris
kommend in Koblenz einen Rasttag hielt und als Augenzeuge der Vorgänge vom
1V. August berechtigtes Interesse erregte. Der Mann erzählte seine Erlebnisse in
einer ruhigen und beinahe trocknen Art, aber gerade diese Sachlichkeit, die ohne
rhetorische Zutaten die Vorgänge selbst rede" ließ, verfehlte ihren Eindruck auf die
Zuhörer nicht. Er berichtete, wie er fast wider Willen nnter die Volksmenge ge¬
raten sei, die mit den Aufständischen vom Karnssellplatz ans gegen das Schloß vor-
gedrungen wäre, und wie ihn dann die unaufhaltsam vorwärtsflutende Menschen-
woge mit den Bataillonen der Marseiller und Bretagner in den mit Kanonen dicht
besetzten Hof geschwemmt habe, aus dem kein Entkommen möglich gewesen sei. Da
habe er dann Zeuge sein müssen, wie Schweizer und Aufständische sich eine lauge
Reihe banger Minuten unbeweglich und unschlüssig gegenübergestanden hätten, bis
-- vou welcher Seite, habe er nicht erfahren können -- ganz plötzlich und über¬
raschend der Kampf begonnen worden sei. Er selbst habe, mit audern Unbetei¬
ligten in einen Winkel gedrückt, dem wechselnden Vorrücken und Zurückweichen der
Angreifer ganz gelassen zugeschaut und uur in den Augenblicken Schauder empfunden,
wo die auf die Mauer aufschlagenden Gewehrkugeln ihn mit Kalk und Ziegelstücken
überschütteten. Aber Furcht habe er eigentlich gnr nicht verspürt, auch dann nicht,
als die gegen das Schloß gewandten Kanonen ein mörderisches Feuer auf die braven
Schweizer eröffnet hätten. Als der Donner der Geschütze verstummt sei, habe sich
in den Korridoren des Erdgeschosses ein verzweifelter Kampf zwischen den Be¬
lagerten und den Eindringlingen entsponnen, dann seien die Angreifer und mit ihnen
der Pöbel von Se. Antoine über die Leichen der bis auf den letzten Mann nieder¬
gemachten Schweizer in die Gemächer gedrungen und hätten Möbel und Spiegel
zerschlagen, Vorhänge und Kronleuchter herabgerissen und Gemälde und Gobelins
mit Messern und Piken zerschlitzt.

Er selbst sei auf dem Hofe geblieben und habe zugeschaut, wie ein andrer
Volkshaufe unter der Führung eines bctrunkncn Fleischers die königlichen Staats-
karossen ans den Remisen des Marflalls gezogen und mit Äxten, Schmiede¬
hammern und Brecheisen vollständig zertrümmert hätte. Es sei ein überaus wider¬
wärtiger Anblick gewesen, wie der Pöbel seine Wut an den doch gewiß ganz
unschuldigen Sammetpolstern, Atlnsgardiueu und Wngenlaternen ausgelassen und nicht
ohne Mühe die metallnen Scheibchen mit dem königlichen Wappen ans den.


Der Marquis van Marigny

Erfolge nicht und empfanden die Niederlagen ihrer republikanischen Landsleute als
eine nationale Schmach. Ja sie standen nicht an, die Tat des unglücklichen Komman-
danten Beaurepairc, der nach Unterzeichnung der Kapitulation seinem Leben durch
einen Pistolenschuß ein Eude gemacht hatte, als ein Beispiel antiker Seelengröße
zu bewundern.

Nun durfte man freilich keine Zweifel mehr hegen, das; der Zweck des kriege¬
rischen Unternehmens, die Befreiung des Königs und die Unterdrückung der Revo-
lution, dennoch über kurz oder lang erreicht werden würde, und man tröstete sich
schon damit, daß dieser zu erwartende Erfolg trotz der Beihilfe der Preußen und
Österreicher schließlich doch uur der Intelligenz der Emigranten als der geistigen
Urheber und Leiter des ganzen Unternehmens zuzuschreiben sei. Unter solchen Um¬
ständen machte die Nachricht von der Erstürmung der Tuilerien dnrch den Pariser
Pöbel und die Einkerkerung der königlichen Familie ans die meisten der Flüchtlinge
keinen nllzustarken Eindruck.

Auch Mariguy hatte sich im Laufe der Zeit darau gewöhnt, die Ereignisse
in Frankreich mit philosophischem Gleichmut zu perfolgen. Was die Journale
brachten, und was als dunkles Gerücht die Luft dnrchschwirrte, hatte sich schon
so oft als völlig erfunden oder zum mindesten als übertrieben und entstellt er¬
wiesen, daß thu Neuigkeiten dieser Art nicht mehr aus seiner Fassung zu bringen
vermochten.

Nun wollte es jedoch der Zufall, daß er in einem Wirtsgnrten zu Pfasfendvrf
die Bekanntschaft eines knrhessischen Kuriers machte, der geradeswegs von Paris
kommend in Koblenz einen Rasttag hielt und als Augenzeuge der Vorgänge vom
1V. August berechtigtes Interesse erregte. Der Mann erzählte seine Erlebnisse in
einer ruhigen und beinahe trocknen Art, aber gerade diese Sachlichkeit, die ohne
rhetorische Zutaten die Vorgänge selbst rede» ließ, verfehlte ihren Eindruck auf die
Zuhörer nicht. Er berichtete, wie er fast wider Willen nnter die Volksmenge ge¬
raten sei, die mit den Aufständischen vom Karnssellplatz ans gegen das Schloß vor-
gedrungen wäre, und wie ihn dann die unaufhaltsam vorwärtsflutende Menschen-
woge mit den Bataillonen der Marseiller und Bretagner in den mit Kanonen dicht
besetzten Hof geschwemmt habe, aus dem kein Entkommen möglich gewesen sei. Da
habe er dann Zeuge sein müssen, wie Schweizer und Aufständische sich eine lauge
Reihe banger Minuten unbeweglich und unschlüssig gegenübergestanden hätten, bis
— vou welcher Seite, habe er nicht erfahren können — ganz plötzlich und über¬
raschend der Kampf begonnen worden sei. Er selbst habe, mit audern Unbetei¬
ligten in einen Winkel gedrückt, dem wechselnden Vorrücken und Zurückweichen der
Angreifer ganz gelassen zugeschaut und uur in den Augenblicken Schauder empfunden,
wo die auf die Mauer aufschlagenden Gewehrkugeln ihn mit Kalk und Ziegelstücken
überschütteten. Aber Furcht habe er eigentlich gnr nicht verspürt, auch dann nicht,
als die gegen das Schloß gewandten Kanonen ein mörderisches Feuer auf die braven
Schweizer eröffnet hätten. Als der Donner der Geschütze verstummt sei, habe sich
in den Korridoren des Erdgeschosses ein verzweifelter Kampf zwischen den Be¬
lagerten und den Eindringlingen entsponnen, dann seien die Angreifer und mit ihnen
der Pöbel von Se. Antoine über die Leichen der bis auf den letzten Mann nieder¬
gemachten Schweizer in die Gemächer gedrungen und hätten Möbel und Spiegel
zerschlagen, Vorhänge und Kronleuchter herabgerissen und Gemälde und Gobelins
mit Messern und Piken zerschlitzt.

Er selbst sei auf dem Hofe geblieben und habe zugeschaut, wie ein andrer
Volkshaufe unter der Führung eines bctrunkncn Fleischers die königlichen Staats-
karossen ans den Remisen des Marflalls gezogen und mit Äxten, Schmiede¬
hammern und Brecheisen vollständig zertrümmert hätte. Es sei ein überaus wider¬
wärtiger Anblick gewesen, wie der Pöbel seine Wut an den doch gewiß ganz
unschuldigen Sammetpolstern, Atlnsgardiueu und Wngenlaternen ausgelassen und nicht
ohne Mühe die metallnen Scheibchen mit dem königlichen Wappen ans den.


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[0179] Der Marquis van Marigny Erfolge nicht und empfanden die Niederlagen ihrer republikanischen Landsleute als eine nationale Schmach. Ja sie standen nicht an, die Tat des unglücklichen Komman- danten Beaurepairc, der nach Unterzeichnung der Kapitulation seinem Leben durch einen Pistolenschuß ein Eude gemacht hatte, als ein Beispiel antiker Seelengröße zu bewundern. Nun durfte man freilich keine Zweifel mehr hegen, das; der Zweck des kriege¬ rischen Unternehmens, die Befreiung des Königs und die Unterdrückung der Revo- lution, dennoch über kurz oder lang erreicht werden würde, und man tröstete sich schon damit, daß dieser zu erwartende Erfolg trotz der Beihilfe der Preußen und Österreicher schließlich doch uur der Intelligenz der Emigranten als der geistigen Urheber und Leiter des ganzen Unternehmens zuzuschreiben sei. Unter solchen Um¬ ständen machte die Nachricht von der Erstürmung der Tuilerien dnrch den Pariser Pöbel und die Einkerkerung der königlichen Familie ans die meisten der Flüchtlinge keinen nllzustarken Eindruck. Auch Mariguy hatte sich im Laufe der Zeit darau gewöhnt, die Ereignisse in Frankreich mit philosophischem Gleichmut zu perfolgen. Was die Journale brachten, und was als dunkles Gerücht die Luft dnrchschwirrte, hatte sich schon so oft als völlig erfunden oder zum mindesten als übertrieben und entstellt er¬ wiesen, daß thu Neuigkeiten dieser Art nicht mehr aus seiner Fassung zu bringen vermochten. Nun wollte es jedoch der Zufall, daß er in einem Wirtsgnrten zu Pfasfendvrf die Bekanntschaft eines knrhessischen Kuriers machte, der geradeswegs von Paris kommend in Koblenz einen Rasttag hielt und als Augenzeuge der Vorgänge vom 1V. August berechtigtes Interesse erregte. Der Mann erzählte seine Erlebnisse in einer ruhigen und beinahe trocknen Art, aber gerade diese Sachlichkeit, die ohne rhetorische Zutaten die Vorgänge selbst rede» ließ, verfehlte ihren Eindruck auf die Zuhörer nicht. Er berichtete, wie er fast wider Willen nnter die Volksmenge ge¬ raten sei, die mit den Aufständischen vom Karnssellplatz ans gegen das Schloß vor- gedrungen wäre, und wie ihn dann die unaufhaltsam vorwärtsflutende Menschen- woge mit den Bataillonen der Marseiller und Bretagner in den mit Kanonen dicht besetzten Hof geschwemmt habe, aus dem kein Entkommen möglich gewesen sei. Da habe er dann Zeuge sein müssen, wie Schweizer und Aufständische sich eine lauge Reihe banger Minuten unbeweglich und unschlüssig gegenübergestanden hätten, bis — vou welcher Seite, habe er nicht erfahren können — ganz plötzlich und über¬ raschend der Kampf begonnen worden sei. Er selbst habe, mit audern Unbetei¬ ligten in einen Winkel gedrückt, dem wechselnden Vorrücken und Zurückweichen der Angreifer ganz gelassen zugeschaut und uur in den Augenblicken Schauder empfunden, wo die auf die Mauer aufschlagenden Gewehrkugeln ihn mit Kalk und Ziegelstücken überschütteten. Aber Furcht habe er eigentlich gnr nicht verspürt, auch dann nicht, als die gegen das Schloß gewandten Kanonen ein mörderisches Feuer auf die braven Schweizer eröffnet hätten. Als der Donner der Geschütze verstummt sei, habe sich in den Korridoren des Erdgeschosses ein verzweifelter Kampf zwischen den Be¬ lagerten und den Eindringlingen entsponnen, dann seien die Angreifer und mit ihnen der Pöbel von Se. Antoine über die Leichen der bis auf den letzten Mann nieder¬ gemachten Schweizer in die Gemächer gedrungen und hätten Möbel und Spiegel zerschlagen, Vorhänge und Kronleuchter herabgerissen und Gemälde und Gobelins mit Messern und Piken zerschlitzt. Er selbst sei auf dem Hofe geblieben und habe zugeschaut, wie ein andrer Volkshaufe unter der Führung eines bctrunkncn Fleischers die königlichen Staats- karossen ans den Remisen des Marflalls gezogen und mit Äxten, Schmiede¬ hammern und Brecheisen vollständig zertrümmert hätte. Es sei ein überaus wider¬ wärtiger Anblick gewesen, wie der Pöbel seine Wut an den doch gewiß ganz unschuldigen Sammetpolstern, Atlnsgardiueu und Wngenlaternen ausgelassen und nicht ohne Mühe die metallnen Scheibchen mit dem königlichen Wappen ans den.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/179>, abgerufen am 08.01.2025.