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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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lische, sondern über das ganze Knltnrgelüet. Die Mönche, die von der Welt
Abgesonderten, wurden die Kulturträger. ^ < < ^

Die asketische Welteutfremdnng wurde im ^ident^i Klosterleben ^
frühzeitig ge.mildert. indem in das Klosterleben selbst Teile des humanen
sowie des Knltllrlebens A.isnahme fanden. Man erkannte sehr bald daß s
in hohem Grade ungesund sei. ausschließlich der Betracht.eng zu lewi d^
Gebet und audern gottesdienstlichen Mu.igen. Es tourbe deshalb torpe les
Arbeit in den Klöstern eingeführt. Und so geschah es. daß gerade die Voster
die Ausgangspunkte für die Kultivierung unbebauter Länder wurden. ^e°^
neue Kloster war eine Oase der Kultur. Nicht nur Garten- und Ackerbau
wurde von deu Klöstern betrieben, ihre Bewohner brachten es anch bald zur
größten Kunstfertigkeit in allerlei Handwerken. Was außerhalb der Kloster¬
mauern, draußen in der Welt für ..unheilig" galt, herstammend von den niedern
Bedürfnissen und Beweggründen des, Menschen, das wird innerhalb der Kloster¬
mauern, wo es von den frommen Klosterbrüdern betrieben wrrd en^^^
Arbeit, ein Gottesdienst. Und aus ähnlichen Gründen hält die Wissenschaft
ihren Einzug in die Klostermauern, wo man gar bald findet. daß sie eme
vortreffliche Waffe im Dienste der Kirche werden könnte. Wenn anch anfangs
vielleicht mit heimlichem Beben, wurden doch allmählich mehr und mehr die
Gedanken des Heidentums, wie sie durch Plato und Aristoteles geformt worden
waren, in den Dienst des kirchlichen Denkens aufgenommen. Und so entstand
die Scholastik. Nachdem sich die Kunst als brauchbar w umM-sur Aormm
gezeigt hatte, wurden die herrlichen gotischen Tempel gebaut, Heiligenbilder
gemalt, und das mittelalterliche Kunstleben erreichte seine höchste Blüte an den
Stellen, wo man praktisch das Religiöse und das Humane in harmonische Zu¬
sammenwirkung zu bringen verstand.

Staats- und Rechtsleben wurden wie schon erwähnt worden ist, als zur
niedern "Natur" des Menschen gehörend augesehen. In derselben Weise wie
die Mönche Gelehrte und Künstler wurden wurde auch innerhalb der Kirche
ein immer bestimmteres Rechtsverhältnis ansaebildet. Die Kirche bekommt eine
"göttliche" Rechtsordnung, die sich neben der weltlichen aufbaut. Sie bildet
in sich großartige Verfassungsformen aus. die teilweise, z. B. in den Mönchs¬
orden, die Form einer repräsentativen Republik annehmen können. Für die
Kirche als solche aber wird die Organisation eine absolute Monarchie, eme
Erneuerung des alten römischen Weltreichs. Die Kirche wird ein oiviw8 on.
em theokratischer Staat im Namen Christi. Die Herrschaft, die sich das Papst-
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IUIIVN och Mittelalters. Und wiewohl der ganze Apparat wie --"
reich gebildet ist, verbirgt er sich unter dem Namen des Christentums und sucht
so über seine "Weltlichkeit" hinwegzutäuschen.

Wühreud der Grundsatz der Weltentsagung in seiner asketischen Form
immer als der geltende verkündet wird, gestaltet sich das Verhältnis der mittel¬
alterlichen Frömmigkeit zu dem "humanen" Leben derart, daß das religiöse
Leben selbst in einen mehr oder weniger unbewußten Verschmelzungsprozcß mit


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lische, sondern über das ganze Knltnrgelüet. Die Mönche, die von der Welt
Abgesonderten, wurden die Kulturträger. ^ < < ^

Die asketische Welteutfremdnng wurde im ^ident^i Klosterleben ^
frühzeitig ge.mildert. indem in das Klosterleben selbst Teile des humanen
sowie des Knltllrlebens A.isnahme fanden. Man erkannte sehr bald daß s
in hohem Grade ungesund sei. ausschließlich der Betracht.eng zu lewi d^
Gebet und audern gottesdienstlichen Mu.igen. Es tourbe deshalb torpe les
Arbeit in den Klöstern eingeführt. Und so geschah es. daß gerade die Voster
die Ausgangspunkte für die Kultivierung unbebauter Länder wurden. ^e°^
neue Kloster war eine Oase der Kultur. Nicht nur Garten- und Ackerbau
wurde von deu Klöstern betrieben, ihre Bewohner brachten es anch bald zur
größten Kunstfertigkeit in allerlei Handwerken. Was außerhalb der Kloster¬
mauern, draußen in der Welt für ..unheilig" galt, herstammend von den niedern
Bedürfnissen und Beweggründen des, Menschen, das wird innerhalb der Kloster¬
mauern, wo es von den frommen Klosterbrüdern betrieben wrrd en^^^
Arbeit, ein Gottesdienst. Und aus ähnlichen Gründen hält die Wissenschaft
ihren Einzug in die Klostermauern, wo man gar bald findet. daß sie eme
vortreffliche Waffe im Dienste der Kirche werden könnte. Wenn anch anfangs
vielleicht mit heimlichem Beben, wurden doch allmählich mehr und mehr die
Gedanken des Heidentums, wie sie durch Plato und Aristoteles geformt worden
waren, in den Dienst des kirchlichen Denkens aufgenommen. Und so entstand
die Scholastik. Nachdem sich die Kunst als brauchbar w umM-sur Aormm
gezeigt hatte, wurden die herrlichen gotischen Tempel gebaut, Heiligenbilder
gemalt, und das mittelalterliche Kunstleben erreichte seine höchste Blüte an den
Stellen, wo man praktisch das Religiöse und das Humane in harmonische Zu¬
sammenwirkung zu bringen verstand.

Staats- und Rechtsleben wurden wie schon erwähnt worden ist, als zur
niedern „Natur" des Menschen gehörend augesehen. In derselben Weise wie
die Mönche Gelehrte und Künstler wurden wurde auch innerhalb der Kirche
ein immer bestimmteres Rechtsverhältnis ansaebildet. Die Kirche bekommt eine
„göttliche" Rechtsordnung, die sich neben der weltlichen aufbaut. Sie bildet
in sich großartige Verfassungsformen aus. die teilweise, z. B. in den Mönchs¬
orden, die Form einer repräsentativen Republik annehmen können. Für die
Kirche als solche aber wird die Organisation eine absolute Monarchie, eme
Erneuerung des alten römischen Weltreichs. Die Kirche wird ein oiviw8 on.
em theokratischer Staat im Namen Christi. Die Herrschaft, die sich das Papst-
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IUIIVN och Mittelalters. Und wiewohl der ganze Apparat wie —"
reich gebildet ist, verbirgt er sich unter dem Namen des Christentums und sucht
so über seine „Weltlichkeit" hinwegzutäuschen.

Wühreud der Grundsatz der Weltentsagung in seiner asketischen Form
immer als der geltende verkündet wird, gestaltet sich das Verhältnis der mittel¬
alterlichen Frömmigkeit zu dem „humanen" Leben derart, daß das religiöse
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[0157] Die mittelalterliche Religion-a^in^g^ lische, sondern über das ganze Knltnrgelüet. Die Mönche, die von der Welt Abgesonderten, wurden die Kulturträger. ^ < < ^ Die asketische Welteutfremdnng wurde im ^ident^i Klosterleben ^ frühzeitig ge.mildert. indem in das Klosterleben selbst Teile des humanen sowie des Knltllrlebens A.isnahme fanden. Man erkannte sehr bald daß s in hohem Grade ungesund sei. ausschließlich der Betracht.eng zu lewi d^ Gebet und audern gottesdienstlichen Mu.igen. Es tourbe deshalb torpe les Arbeit in den Klöstern eingeführt. Und so geschah es. daß gerade die Voster die Ausgangspunkte für die Kultivierung unbebauter Länder wurden. ^e°^ neue Kloster war eine Oase der Kultur. Nicht nur Garten- und Ackerbau wurde von deu Klöstern betrieben, ihre Bewohner brachten es anch bald zur größten Kunstfertigkeit in allerlei Handwerken. Was außerhalb der Kloster¬ mauern, draußen in der Welt für ..unheilig" galt, herstammend von den niedern Bedürfnissen und Beweggründen des, Menschen, das wird innerhalb der Kloster¬ mauern, wo es von den frommen Klosterbrüdern betrieben wrrd en^^^ Arbeit, ein Gottesdienst. Und aus ähnlichen Gründen hält die Wissenschaft ihren Einzug in die Klostermauern, wo man gar bald findet. daß sie eme vortreffliche Waffe im Dienste der Kirche werden könnte. Wenn anch anfangs vielleicht mit heimlichem Beben, wurden doch allmählich mehr und mehr die Gedanken des Heidentums, wie sie durch Plato und Aristoteles geformt worden waren, in den Dienst des kirchlichen Denkens aufgenommen. Und so entstand die Scholastik. Nachdem sich die Kunst als brauchbar w umM-sur Aormm gezeigt hatte, wurden die herrlichen gotischen Tempel gebaut, Heiligenbilder gemalt, und das mittelalterliche Kunstleben erreichte seine höchste Blüte an den Stellen, wo man praktisch das Religiöse und das Humane in harmonische Zu¬ sammenwirkung zu bringen verstand. Staats- und Rechtsleben wurden wie schon erwähnt worden ist, als zur niedern „Natur" des Menschen gehörend augesehen. In derselben Weise wie die Mönche Gelehrte und Künstler wurden wurde auch innerhalb der Kirche ein immer bestimmteres Rechtsverhältnis ansaebildet. Die Kirche bekommt eine „göttliche" Rechtsordnung, die sich neben der weltlichen aufbaut. Sie bildet in sich großartige Verfassungsformen aus. die teilweise, z. B. in den Mönchs¬ orden, die Form einer repräsentativen Republik annehmen können. Für die Kirche als solche aber wird die Organisation eine absolute Monarchie, eme Erneuerung des alten römischen Weltreichs. Die Kirche wird ein oiviw8 on. em theokratischer Staat im Namen Christi. Die Herrschaft, die sich das Papst- ..I-V ^ , ^ ^ . ^.>co^:,^...^ 1111s IUIIVN och Mittelalters. Und wiewohl der ganze Apparat wie —" reich gebildet ist, verbirgt er sich unter dem Namen des Christentums und sucht so über seine „Weltlichkeit" hinwegzutäuschen. Wühreud der Grundsatz der Weltentsagung in seiner asketischen Form immer als der geltende verkündet wird, gestaltet sich das Verhältnis der mittel¬ alterlichen Frömmigkeit zu dem „humanen" Leben derart, daß das religiöse Leben selbst in einen mehr oder weniger unbewußten Verschmelzungsprozcß mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/157>, abgerufen am 29.11.2024.