Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.dem getauften unehelichen Kinde geworden ist, hat man nicht gehört. Die anfäng¬ In einer Erklärung vom 13. April 1682 hatte sich der König von Frank¬ Von diesem Datum um folgt eine ganze Serie von Gewalttätigkeiten; und Eine Adresse aus dem Elsaß an die ^"somvloe national." in Paris wollen dem getauften unehelichen Kinde geworden ist, hat man nicht gehört. Die anfäng¬ In einer Erklärung vom 13. April 1682 hatte sich der König von Frank¬ Von diesem Datum um folgt eine ganze Serie von Gewalttätigkeiten; und Eine Adresse aus dem Elsaß an die ^«somvloe national.» in Paris wollen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0126" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241340"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_558" prev="#ID_557"> dem getauften unehelichen Kinde geworden ist, hat man nicht gehört. Die anfäng¬<lb/> liche Gleichgiltigl'eit der österreichischen Negierung war um so erstaunlicher, weil<lb/> man sonst die religiösen Gefühle der Mohammedaner Bosniens sehr zu schonen wußte.<lb/> So ist den mohammedanischen Soldaten und Beamten in österreichischen Diensten<lb/> die Vielweiberei erlaubt, die sogar das große, tolerante alte Rom den vielen<lb/> Soldaten, die die Polygamie aus ihrer östlichen oder ihrer afrikanische» Heimat<lb/> mitbringen wollten, nicht erlaubte. Wenigstens kamen nach den Militcirdiplvmeu<lb/> des alten Roms, den sogenannten tubul-n? Konost-lo miWivuis, die Ehren und die<lb/> materiellen Vorteile langjährigen Kriegsdienstes unter den Fahnen des kaiserlichen<lb/> Roms uur dem römischen Soldaten nebst Frau und Kindern zu, der in mono¬<lb/> gamischer Ehe gelebt hatte. — Zu dem erzählten Fall, daß sich die katholische Kirche<lb/> der unehelichen Kinder Andersgläubiger einfach bemächtigte, um sie zu laufen, finden<lb/> wir zufällig Analoga aus der Zeit des „Aneien Regime." Im IZnIIotin ä«z I»<lb/> Looiotö alö I'bistoirs an ?rotöstautismo l'raoyiris, das mit den Berichten über die<lb/> Stadlersche Angelegenheit zugleich herauskam, steht ein Aufsatz „Zur Geschichte der<lb/> religiösen Verfolgungen," der von I>s Liorgs eatboliciuo et los onlÄnts illegitime»<lb/> I'i'olWwutK vt lsravÜtöL on ^Isaeo an XVIII"" siöelu et an clöbut alö la, Re¬<lb/> volution handelt.</p><lb/> <p xml:id="ID_559"> In einer Erklärung vom 13. April 1682 hatte sich der König von Frank¬<lb/> reich das Recht zudiktiert, der einzige zu sein, der an unehelichen Kindern Vater¬<lb/> rechte ausüben dürfe. Damit war keineswegs die Absicht ausgesprochen, daß der<lb/> König materiell für die unehelichen Kiuder etwas tun oder gar sorgen werde.<lb/> Nur die Folge trat ein, daß die illegitimen Kinder, anch wenn die beiden Eltern<lb/> nicht katholisch, d. h. ketzerisch waren, in der alleinseligmachenden Kirche erzogen<lb/> werden mußten. Diese Erklärung war sür ganz Frankreich mit der Aufhebung<lb/> des Edikts von Nantes im Jahre 1685 wertlos geworden, dn es von da an<lb/> offiziell keine Ketzer im eigentlichen Sinne mehr gab; in dem allein katholischen<lb/> Staat existierten sie von Rechts wegen gar nicht. Aber dank der Pression des hohen<lb/> katholischen elsässischen Klerus wurde der Zwang im Elsaß, wo viele Lutherische<lb/> wohnten, und wo die Calvinisten privilegierten Schutz genossen, trotz aller Schuh¬<lb/> briefe und Rechte der Elsässer ein Menschenalter später wieder eingeführt. Ein<lb/> Dekret vom l. März 1727 bestimmte, „daß die königliche Majestät von Frankreich<lb/> befohlen habe, der Intendant des Elsasses und der Generalprokurator des Rats<lb/> sollten sich die Hunde reichen, daß die Erklärung in Zukunft zur regelmäßigen<lb/> Ausführung sowohl in Straßburg wie im übrigen Elsaß komme."</p><lb/> <p xml:id="ID_560"> Von diesem Datum um folgt eine ganze Serie von Gewalttätigkeiten; und<lb/> — was das härteste war — die Maßregel wurde mit rückwirkender Kraft durch¬<lb/> geführt. Nicht allein lutherische Bastarde, die direkte Untertanen des Königs von<lb/> Frankreich waren, unterlagen dem Zwange, sondern auch die der im Elsaß be¬<lb/> güterten fremden Fürsten. Ein fanatisches Werkzeug der Jesuiten, der Sieur<lb/> Valentin Nees, Generalprokurator des Oonsoil sonvorg.in ä'^lLaoo, hatte die meisten<lb/> Fälle auf seinem Gewissen. So ließ er zum Beispiel 1738 drei Einwohner von<lb/> Wolfisheim im Elsaß, einem Dorfe, das dem Landgrafen von Hessen gehörte, nach<lb/> Strnßburg schleppen; und diese volljährigen Bastarde lutherischer Eltern, die seit<lb/> ihrer Geburt dem lutherischen Glunbeu angehört und ihn als erwachsene Männer<lb/> ausgeübt hatten, wurden in strenger Haft gehalten, bis sie ihn abgeschworen hatten.<lb/> Der aktenmäßige Aufsatz von Rodolphe Neuß in dem zitierten Bulletin alö is,<lb/> soeiüts alö I'liistoiro öde. enthält noch viele Fälle solcher Art, die sich bis 1791,<lb/> wo die Revolution diesem Eifer ein Ende machte, ereignet haben. Wie wir an<lb/> dieser Stelle (Preußische Toleranz vor Friedrich dem Großen, Grenzboten 1903,<lb/> I. S. 240) jüngst erzählten, Hot zu gleicher Zeit mit dieser von katholischen Herrschern<lb/> ausgehenden Intoleranz Friedrich Wilhelm der Erste den Katholiken in Preußen<lb/> das größte Entgegenkommen bewiesen - was aus den Päpstlichen Nuntialbcrichten<lb/> hervorgeht.</p><lb/> <p xml:id="ID_561" next="#ID_562"> Eine Adresse aus dem Elsaß an die ^«somvloe national.» in Paris wollen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0126]
dem getauften unehelichen Kinde geworden ist, hat man nicht gehört. Die anfäng¬
liche Gleichgiltigl'eit der österreichischen Negierung war um so erstaunlicher, weil
man sonst die religiösen Gefühle der Mohammedaner Bosniens sehr zu schonen wußte.
So ist den mohammedanischen Soldaten und Beamten in österreichischen Diensten
die Vielweiberei erlaubt, die sogar das große, tolerante alte Rom den vielen
Soldaten, die die Polygamie aus ihrer östlichen oder ihrer afrikanische» Heimat
mitbringen wollten, nicht erlaubte. Wenigstens kamen nach den Militcirdiplvmeu
des alten Roms, den sogenannten tubul-n? Konost-lo miWivuis, die Ehren und die
materiellen Vorteile langjährigen Kriegsdienstes unter den Fahnen des kaiserlichen
Roms uur dem römischen Soldaten nebst Frau und Kindern zu, der in mono¬
gamischer Ehe gelebt hatte. — Zu dem erzählten Fall, daß sich die katholische Kirche
der unehelichen Kinder Andersgläubiger einfach bemächtigte, um sie zu laufen, finden
wir zufällig Analoga aus der Zeit des „Aneien Regime." Im IZnIIotin ä«z I»
Looiotö alö I'bistoirs an ?rotöstautismo l'raoyiris, das mit den Berichten über die
Stadlersche Angelegenheit zugleich herauskam, steht ein Aufsatz „Zur Geschichte der
religiösen Verfolgungen," der von I>s Liorgs eatboliciuo et los onlÄnts illegitime»
I'i'olWwutK vt lsravÜtöL on ^Isaeo an XVIII"" siöelu et an clöbut alö la, Re¬
volution handelt.
In einer Erklärung vom 13. April 1682 hatte sich der König von Frank¬
reich das Recht zudiktiert, der einzige zu sein, der an unehelichen Kindern Vater¬
rechte ausüben dürfe. Damit war keineswegs die Absicht ausgesprochen, daß der
König materiell für die unehelichen Kiuder etwas tun oder gar sorgen werde.
Nur die Folge trat ein, daß die illegitimen Kinder, anch wenn die beiden Eltern
nicht katholisch, d. h. ketzerisch waren, in der alleinseligmachenden Kirche erzogen
werden mußten. Diese Erklärung war sür ganz Frankreich mit der Aufhebung
des Edikts von Nantes im Jahre 1685 wertlos geworden, dn es von da an
offiziell keine Ketzer im eigentlichen Sinne mehr gab; in dem allein katholischen
Staat existierten sie von Rechts wegen gar nicht. Aber dank der Pression des hohen
katholischen elsässischen Klerus wurde der Zwang im Elsaß, wo viele Lutherische
wohnten, und wo die Calvinisten privilegierten Schutz genossen, trotz aller Schuh¬
briefe und Rechte der Elsässer ein Menschenalter später wieder eingeführt. Ein
Dekret vom l. März 1727 bestimmte, „daß die königliche Majestät von Frankreich
befohlen habe, der Intendant des Elsasses und der Generalprokurator des Rats
sollten sich die Hunde reichen, daß die Erklärung in Zukunft zur regelmäßigen
Ausführung sowohl in Straßburg wie im übrigen Elsaß komme."
Von diesem Datum um folgt eine ganze Serie von Gewalttätigkeiten; und
— was das härteste war — die Maßregel wurde mit rückwirkender Kraft durch¬
geführt. Nicht allein lutherische Bastarde, die direkte Untertanen des Königs von
Frankreich waren, unterlagen dem Zwange, sondern auch die der im Elsaß be¬
güterten fremden Fürsten. Ein fanatisches Werkzeug der Jesuiten, der Sieur
Valentin Nees, Generalprokurator des Oonsoil sonvorg.in ä'^lLaoo, hatte die meisten
Fälle auf seinem Gewissen. So ließ er zum Beispiel 1738 drei Einwohner von
Wolfisheim im Elsaß, einem Dorfe, das dem Landgrafen von Hessen gehörte, nach
Strnßburg schleppen; und diese volljährigen Bastarde lutherischer Eltern, die seit
ihrer Geburt dem lutherischen Glunbeu angehört und ihn als erwachsene Männer
ausgeübt hatten, wurden in strenger Haft gehalten, bis sie ihn abgeschworen hatten.
Der aktenmäßige Aufsatz von Rodolphe Neuß in dem zitierten Bulletin alö is,
soeiüts alö I'liistoiro öde. enthält noch viele Fälle solcher Art, die sich bis 1791,
wo die Revolution diesem Eifer ein Ende machte, ereignet haben. Wie wir an
dieser Stelle (Preußische Toleranz vor Friedrich dem Großen, Grenzboten 1903,
I. S. 240) jüngst erzählten, Hot zu gleicher Zeit mit dieser von katholischen Herrschern
ausgehenden Intoleranz Friedrich Wilhelm der Erste den Katholiken in Preußen
das größte Entgegenkommen bewiesen - was aus den Päpstlichen Nuntialbcrichten
hervorgeht.
Eine Adresse aus dem Elsaß an die ^«somvloe national.» in Paris wollen
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