Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Marquis von Marigny

Tochter wohnte. Auster einer schwarzen Katze, die ans der Türschwelle lag und sich
die glühende Sonne auf den Pelz scheinen ließ, schien es kein lebendes Wesen zu
beherbergen. Wäre der alte Edelmann ein Dieb gewesen, er hätte sich keinen ge¬
legner" Augenblick aussuchen können, um dem Hause, das freilich nicht aussah, als
"b es Schätze enthielte, seinen Besuch abzustatten. Er stieg die Treppe hinauf und
klopfte an die Tür der Villeroischen Wohnung. Als auch ans wiederholtes Pochen
niemand zum Vorschein kam. legte er die Hand auf die Klinke, um zu erfahre",
ob die Tür verschlossen sei. Und was er zu hoffen kaum gewagt hatte, geschah:
sie ließ sich öffnen.

Drinnen in den engen Räumen wußte er Bescheid. Im Wohnzimmer, wo er
Henri zu dem Bilde gesessen hatte, hielt er sich nicht weiter auf, sondern drang von
hier ans in die Kammer vor, von der er mit Recht annahm, daß sie den jungen
Leuten als Schlafgemach diente. Und hier fand er, was er suchte, nach dessen An¬
blick er geschmachtet hatte, wie der Verdürstende nach einem frischen Trunk: seinen
Enkel. Unbekümmert um die drückende Schwüle und die zudringlichen Fliegen lag
das Büblein in dem zur Wiege hergerichteten Korbe aus grobem Weiden gesiecht und
schlief so ruhig, als habe der Herzog von Braunschweig das Nübenacher Plateau
nur deshalb zum Lagerplätze gewählt, damit jeder, der den Schlummer des kleinen
Frnnzosensprößliugs hätte stören können, aus Koblenz entfernt werde.

Der Großvater beugte sich über das schlafende Kind und betrachtete es mit
Prüfenden Blicken. Mund und Kinn, so sagte er halblaut zu sich selbst, erinnern
um Henri, aber die Stirn und den Ansatz der Nase, die hat der kleine Kerl von
uus. Dahinter -- hier fuhr er mit der Spitze seines Zeigefingers ganz leise und
behutsam über die Wölbung des Vorderkopfes --, dahinter steckt die Energie der
Mnriguys! Schade, daß er bei diesen Anlagen sein Leben lang den Namen Villeroi
tragen muß! Wie seidenweich die Härchen sind! Die hat er von seiner Mutter.
Wenn ich nur wüßte, von wem er die Augen hat!

Sollte er das Kind wecken? Nein, das wäre Frevel gewesen! Und der alte
Herr rückte sich einen Schemel an den Korb und ließ sich neben dem schlummernden
Enkel nieder. Wie ärmlich das Bettchen war! Wie dürftig das Hemdchen aus grobem
Barchent! Wahrhaftig, die Kinder seiner Bauern in Aigremont waren besser gebettet
und gekleidet gewesen als der leibliche Enkel ihres Herrn. Er mußte an Margnerites
d ^./^"?Me denken an das geräumige Gemach mit dem Tafelwerk ans Eichen¬
em ab . ^ '7 ^" ^'"'^"?'e reichgeschnitzte Wiege mit den Vorhängen ans
Tüll und an die Hemdchen, Kleidchen und Händchen ans schneeweißem Batist in
denen das runde Kindergesichtchen doppelt rosig, die ^arch?u d ^
schienen waren. Welcher Wandel der Zeiten und Verhältnisse' ° ^

Eine Fliege lief über des Kindes Wange. Es zuckte mit den Wimpern Viel-
leicht würde es jetzt erwachen! Der Großvater war einen Moment unschlüssig ob
er das Insekt verscheuchen oder deu Störenfried, der ihm zum Anblick der Augen
des kleinen Burschen verhelfen konnte, gewähren lassen sollte. Aber die Liebe"über¬
wand Selbstsucht und Neugier. Und da die Fliege unbekümmert um Mnrignys
Blasen und Fächeln ans der kleinen Stiru sitzen blieb und sich, ohne auf die darunter
schlummernde Energie Rücksicht zu nehmen, mit großer Sorgfalt die geschmeidigen
Beinchen putzte, so versuchte der alte Herr, sie mit spitzen Fingern zu ergreifen. Die
Fliege bekam er hierbei zwar nicht, dafür kniff er aber den Enkel ein ganz klein
wenig in die zarte rosige Haut -- ein ganz klein wenig nur, aber doch fühlbar
genug, daß der Kleine davon erwachte. Er wandte sich zur Seite, rieb sich mit
den Rücken der runden Händchen das kleine Gesicht und sah den fremden Mann
in> seinem Bettchen verwundert an.

Margnerites Augen! sagte der Marquis, also noch ein Erbteil von der
Familie mütterlicherseits! Weiß Gott, Herr vou Villeroi, ich möchte sehen, was aus
Ihrem Kinde geworden wäre, wenn wir Marignys nicht das Beste dazu acaeben
hätten!


Grenzbown III 190'! Il,
Der Marquis von Marigny

Tochter wohnte. Auster einer schwarzen Katze, die ans der Türschwelle lag und sich
die glühende Sonne auf den Pelz scheinen ließ, schien es kein lebendes Wesen zu
beherbergen. Wäre der alte Edelmann ein Dieb gewesen, er hätte sich keinen ge¬
legner» Augenblick aussuchen können, um dem Hause, das freilich nicht aussah, als
»b es Schätze enthielte, seinen Besuch abzustatten. Er stieg die Treppe hinauf und
klopfte an die Tür der Villeroischen Wohnung. Als auch ans wiederholtes Pochen
niemand zum Vorschein kam. legte er die Hand auf die Klinke, um zu erfahre«,
ob die Tür verschlossen sei. Und was er zu hoffen kaum gewagt hatte, geschah:
sie ließ sich öffnen.

Drinnen in den engen Räumen wußte er Bescheid. Im Wohnzimmer, wo er
Henri zu dem Bilde gesessen hatte, hielt er sich nicht weiter auf, sondern drang von
hier ans in die Kammer vor, von der er mit Recht annahm, daß sie den jungen
Leuten als Schlafgemach diente. Und hier fand er, was er suchte, nach dessen An¬
blick er geschmachtet hatte, wie der Verdürstende nach einem frischen Trunk: seinen
Enkel. Unbekümmert um die drückende Schwüle und die zudringlichen Fliegen lag
das Büblein in dem zur Wiege hergerichteten Korbe aus grobem Weiden gesiecht und
schlief so ruhig, als habe der Herzog von Braunschweig das Nübenacher Plateau
nur deshalb zum Lagerplätze gewählt, damit jeder, der den Schlummer des kleinen
Frnnzosensprößliugs hätte stören können, aus Koblenz entfernt werde.

Der Großvater beugte sich über das schlafende Kind und betrachtete es mit
Prüfenden Blicken. Mund und Kinn, so sagte er halblaut zu sich selbst, erinnern
um Henri, aber die Stirn und den Ansatz der Nase, die hat der kleine Kerl von
uus. Dahinter — hier fuhr er mit der Spitze seines Zeigefingers ganz leise und
behutsam über die Wölbung des Vorderkopfes —, dahinter steckt die Energie der
Mnriguys! Schade, daß er bei diesen Anlagen sein Leben lang den Namen Villeroi
tragen muß! Wie seidenweich die Härchen sind! Die hat er von seiner Mutter.
Wenn ich nur wüßte, von wem er die Augen hat!

Sollte er das Kind wecken? Nein, das wäre Frevel gewesen! Und der alte
Herr rückte sich einen Schemel an den Korb und ließ sich neben dem schlummernden
Enkel nieder. Wie ärmlich das Bettchen war! Wie dürftig das Hemdchen aus grobem
Barchent! Wahrhaftig, die Kinder seiner Bauern in Aigremont waren besser gebettet
und gekleidet gewesen als der leibliche Enkel ihres Herrn. Er mußte an Margnerites
d ^./^"?Me denken an das geräumige Gemach mit dem Tafelwerk ans Eichen¬
em ab . ^ '7 ^" ^'"'^"?'e reichgeschnitzte Wiege mit den Vorhängen ans
Tüll und an die Hemdchen, Kleidchen und Händchen ans schneeweißem Batist in
denen das runde Kindergesichtchen doppelt rosig, die ^arch?u d ^
schienen waren. Welcher Wandel der Zeiten und Verhältnisse' ° ^

Eine Fliege lief über des Kindes Wange. Es zuckte mit den Wimpern Viel-
leicht würde es jetzt erwachen! Der Großvater war einen Moment unschlüssig ob
er das Insekt verscheuchen oder deu Störenfried, der ihm zum Anblick der Augen
des kleinen Burschen verhelfen konnte, gewähren lassen sollte. Aber die Liebe"über¬
wand Selbstsucht und Neugier. Und da die Fliege unbekümmert um Mnrignys
Blasen und Fächeln ans der kleinen Stiru sitzen blieb und sich, ohne auf die darunter
schlummernde Energie Rücksicht zu nehmen, mit großer Sorgfalt die geschmeidigen
Beinchen putzte, so versuchte der alte Herr, sie mit spitzen Fingern zu ergreifen. Die
Fliege bekam er hierbei zwar nicht, dafür kniff er aber den Enkel ein ganz klein
wenig in die zarte rosige Haut — ein ganz klein wenig nur, aber doch fühlbar
genug, daß der Kleine davon erwachte. Er wandte sich zur Seite, rieb sich mit
den Rücken der runden Händchen das kleine Gesicht und sah den fremden Mann
in> seinem Bettchen verwundert an.

Margnerites Augen! sagte der Marquis, also noch ein Erbteil von der
Familie mütterlicherseits! Weiß Gott, Herr vou Villeroi, ich möchte sehen, was aus
Ihrem Kinde geworden wäre, wenn wir Marignys nicht das Beste dazu acaeben
hätten!


Grenzbown III 190'! Il,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0121" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241335"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Marquis von Marigny</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_531" prev="#ID_530"> Tochter wohnte. Auster einer schwarzen Katze, die ans der Türschwelle lag und sich<lb/>
die glühende Sonne auf den Pelz scheinen ließ, schien es kein lebendes Wesen zu<lb/>
beherbergen. Wäre der alte Edelmann ein Dieb gewesen, er hätte sich keinen ge¬<lb/>
legner» Augenblick aussuchen können, um dem Hause, das freilich nicht aussah, als<lb/>
»b es Schätze enthielte, seinen Besuch abzustatten. Er stieg die Treppe hinauf und<lb/>
klopfte an die Tür der Villeroischen Wohnung. Als auch ans wiederholtes Pochen<lb/>
niemand zum Vorschein kam. legte er die Hand auf die Klinke, um zu erfahre«,<lb/>
ob die Tür verschlossen sei. Und was er zu hoffen kaum gewagt hatte, geschah:<lb/>
sie ließ sich öffnen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_532"> Drinnen in den engen Räumen wußte er Bescheid. Im Wohnzimmer, wo er<lb/>
Henri zu dem Bilde gesessen hatte, hielt er sich nicht weiter auf, sondern drang von<lb/>
hier ans in die Kammer vor, von der er mit Recht annahm, daß sie den jungen<lb/>
Leuten als Schlafgemach diente. Und hier fand er, was er suchte, nach dessen An¬<lb/>
blick er geschmachtet hatte, wie der Verdürstende nach einem frischen Trunk: seinen<lb/>
Enkel. Unbekümmert um die drückende Schwüle und die zudringlichen Fliegen lag<lb/>
das Büblein in dem zur Wiege hergerichteten Korbe aus grobem Weiden gesiecht und<lb/>
schlief so ruhig, als habe der Herzog von Braunschweig das Nübenacher Plateau<lb/>
nur deshalb zum Lagerplätze gewählt, damit jeder, der den Schlummer des kleinen<lb/>
Frnnzosensprößliugs hätte stören können, aus Koblenz entfernt werde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_533"> Der Großvater beugte sich über das schlafende Kind und betrachtete es mit<lb/>
Prüfenden Blicken. Mund und Kinn, so sagte er halblaut zu sich selbst, erinnern<lb/>
um Henri, aber die Stirn und den Ansatz der Nase, die hat der kleine Kerl von<lb/>
uus. Dahinter &#x2014; hier fuhr er mit der Spitze seines Zeigefingers ganz leise und<lb/>
behutsam über die Wölbung des Vorderkopfes &#x2014;, dahinter steckt die Energie der<lb/>
Mnriguys! Schade, daß er bei diesen Anlagen sein Leben lang den Namen Villeroi<lb/>
tragen muß! Wie seidenweich die Härchen sind! Die hat er von seiner Mutter.<lb/>
Wenn ich nur wüßte, von wem er die Augen hat!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_534"> Sollte er das Kind wecken? Nein, das wäre Frevel gewesen! Und der alte<lb/>
Herr rückte sich einen Schemel an den Korb und ließ sich neben dem schlummernden<lb/>
Enkel nieder. Wie ärmlich das Bettchen war! Wie dürftig das Hemdchen aus grobem<lb/>
Barchent! Wahrhaftig, die Kinder seiner Bauern in Aigremont waren besser gebettet<lb/>
und gekleidet gewesen als der leibliche Enkel ihres Herrn. Er mußte an Margnerites<lb/>
d ^./^"?Me denken an das geräumige Gemach mit dem Tafelwerk ans Eichen¬<lb/>
em ab . ^ '7 ^" ^'"'^"?'e reichgeschnitzte Wiege mit den Vorhängen ans<lb/>
Tüll und an die Hemdchen, Kleidchen und Händchen ans schneeweißem Batist in<lb/>
denen das runde Kindergesichtchen doppelt rosig, die ^arch?u d ^<lb/>
schienen waren.  Welcher Wandel der Zeiten und Verhältnisse' ° ^</p><lb/>
          <p xml:id="ID_535"> Eine Fliege lief über des Kindes Wange. Es zuckte mit den Wimpern Viel-<lb/>
leicht würde es jetzt erwachen! Der Großvater war einen Moment unschlüssig ob<lb/>
er das Insekt verscheuchen oder deu Störenfried, der ihm zum Anblick der Augen<lb/>
des kleinen Burschen verhelfen konnte, gewähren lassen sollte. Aber die Liebe"über¬<lb/>
wand Selbstsucht und Neugier.  Und da die Fliege unbekümmert um Mnrignys<lb/>
Blasen und Fächeln ans der kleinen Stiru sitzen blieb und sich, ohne auf die darunter<lb/>
schlummernde Energie Rücksicht zu nehmen, mit großer Sorgfalt die geschmeidigen<lb/>
Beinchen putzte, so versuchte der alte Herr, sie mit spitzen Fingern zu ergreifen. Die<lb/>
Fliege bekam er hierbei zwar nicht, dafür kniff er aber den Enkel ein ganz klein<lb/>
wenig in die zarte rosige Haut &#x2014; ein ganz klein wenig nur, aber doch fühlbar<lb/>
genug, daß der Kleine davon erwachte.  Er wandte sich zur Seite, rieb sich mit<lb/>
den Rücken der runden Händchen das kleine Gesicht und sah den fremden Mann<lb/>
in&gt; seinem Bettchen verwundert an.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_536"> Margnerites Augen! sagte der Marquis, also noch ein Erbteil von der<lb/>
Familie mütterlicherseits! Weiß Gott, Herr vou Villeroi, ich möchte sehen, was aus<lb/>
Ihrem Kinde geworden wäre, wenn wir Marignys nicht das Beste dazu acaeben<lb/>
hätten!</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbown III 190'! Il,</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0121] Der Marquis von Marigny Tochter wohnte. Auster einer schwarzen Katze, die ans der Türschwelle lag und sich die glühende Sonne auf den Pelz scheinen ließ, schien es kein lebendes Wesen zu beherbergen. Wäre der alte Edelmann ein Dieb gewesen, er hätte sich keinen ge¬ legner» Augenblick aussuchen können, um dem Hause, das freilich nicht aussah, als »b es Schätze enthielte, seinen Besuch abzustatten. Er stieg die Treppe hinauf und klopfte an die Tür der Villeroischen Wohnung. Als auch ans wiederholtes Pochen niemand zum Vorschein kam. legte er die Hand auf die Klinke, um zu erfahre«, ob die Tür verschlossen sei. Und was er zu hoffen kaum gewagt hatte, geschah: sie ließ sich öffnen. Drinnen in den engen Räumen wußte er Bescheid. Im Wohnzimmer, wo er Henri zu dem Bilde gesessen hatte, hielt er sich nicht weiter auf, sondern drang von hier ans in die Kammer vor, von der er mit Recht annahm, daß sie den jungen Leuten als Schlafgemach diente. Und hier fand er, was er suchte, nach dessen An¬ blick er geschmachtet hatte, wie der Verdürstende nach einem frischen Trunk: seinen Enkel. Unbekümmert um die drückende Schwüle und die zudringlichen Fliegen lag das Büblein in dem zur Wiege hergerichteten Korbe aus grobem Weiden gesiecht und schlief so ruhig, als habe der Herzog von Braunschweig das Nübenacher Plateau nur deshalb zum Lagerplätze gewählt, damit jeder, der den Schlummer des kleinen Frnnzosensprößliugs hätte stören können, aus Koblenz entfernt werde. Der Großvater beugte sich über das schlafende Kind und betrachtete es mit Prüfenden Blicken. Mund und Kinn, so sagte er halblaut zu sich selbst, erinnern um Henri, aber die Stirn und den Ansatz der Nase, die hat der kleine Kerl von uus. Dahinter — hier fuhr er mit der Spitze seines Zeigefingers ganz leise und behutsam über die Wölbung des Vorderkopfes —, dahinter steckt die Energie der Mnriguys! Schade, daß er bei diesen Anlagen sein Leben lang den Namen Villeroi tragen muß! Wie seidenweich die Härchen sind! Die hat er von seiner Mutter. Wenn ich nur wüßte, von wem er die Augen hat! Sollte er das Kind wecken? Nein, das wäre Frevel gewesen! Und der alte Herr rückte sich einen Schemel an den Korb und ließ sich neben dem schlummernden Enkel nieder. Wie ärmlich das Bettchen war! Wie dürftig das Hemdchen aus grobem Barchent! Wahrhaftig, die Kinder seiner Bauern in Aigremont waren besser gebettet und gekleidet gewesen als der leibliche Enkel ihres Herrn. Er mußte an Margnerites d ^./^"?Me denken an das geräumige Gemach mit dem Tafelwerk ans Eichen¬ em ab . ^ '7 ^" ^'"'^"?'e reichgeschnitzte Wiege mit den Vorhängen ans Tüll und an die Hemdchen, Kleidchen und Händchen ans schneeweißem Batist in denen das runde Kindergesichtchen doppelt rosig, die ^arch?u d ^ schienen waren. Welcher Wandel der Zeiten und Verhältnisse' ° ^ Eine Fliege lief über des Kindes Wange. Es zuckte mit den Wimpern Viel- leicht würde es jetzt erwachen! Der Großvater war einen Moment unschlüssig ob er das Insekt verscheuchen oder deu Störenfried, der ihm zum Anblick der Augen des kleinen Burschen verhelfen konnte, gewähren lassen sollte. Aber die Liebe"über¬ wand Selbstsucht und Neugier. Und da die Fliege unbekümmert um Mnrignys Blasen und Fächeln ans der kleinen Stiru sitzen blieb und sich, ohne auf die darunter schlummernde Energie Rücksicht zu nehmen, mit großer Sorgfalt die geschmeidigen Beinchen putzte, so versuchte der alte Herr, sie mit spitzen Fingern zu ergreifen. Die Fliege bekam er hierbei zwar nicht, dafür kniff er aber den Enkel ein ganz klein wenig in die zarte rosige Haut — ein ganz klein wenig nur, aber doch fühlbar genug, daß der Kleine davon erwachte. Er wandte sich zur Seite, rieb sich mit den Rücken der runden Händchen das kleine Gesicht und sah den fremden Mann in> seinem Bettchen verwundert an. Margnerites Augen! sagte der Marquis, also noch ein Erbteil von der Familie mütterlicherseits! Weiß Gott, Herr vou Villeroi, ich möchte sehen, was aus Ihrem Kinde geworden wäre, wenn wir Marignys nicht das Beste dazu acaeben hätten! Grenzbown III 190'! Il,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/121
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/121>, abgerufen am 25.11.2024.