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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Der Marquis von Marigny

Heute zum Diner -- wo Artois und mein Vetter und Vandreuil und die
Polastrmi und der Teufel weiß, wer sonst noch beim Kurfürsten speisen? Alter
Herr, Sie müssen aber Beziehungen haben!

Habe ich auch, liebster Freund, gab Marigny zurück, aber ich werde mich
hüten, Ihnen meine Konnexionen zu verraten! Lassen Sie mich gehn, ich darf die
Herrschaften nicht warten lassen I

In dem Rocke geh" Sie zum Diner?

Der Marquis sah, durch diese Bemerkung ein wenig verwirrt, an seiner
Gestalt hinunter, so weit ihm dies die Wölbung unterhalb des Jabots gestattete,
gewann aber rechtzeitig seine Geistesgegenwart wieder.

Wie ich mit dem Kurfürsten stehe, kann ich mir alle Umstände hinsichtlich der
Toilette sparen, und die übrigen Herrschaften werden kaum dazu kommen, das Tuch
meines Rockes auf seine Qualität hin zu untersuchen. Weshalb sollte ich mir also
Zwang auflegen und zu einem doch ganz intimen Diner große Toilette machen?

Das Erstaunen des guten Vicomte stieg immer mehr.

Teufel, sagte er mit ehrlicher Bewunderung, mir scheint sast, daß Sie noch
bessere Chancen haben als ich, mein bester Herr Marquis. -- Er sagte jetzt nicht
mehr "alter Knabe."

Schon möglich, mein lieber Fleury. Aber seien Sie unbesorgt. Wenn ich
Ihnen nützlich sein kaun, so soll es geschehn.

Er machte sich los und eilte davon, seinen Landsmann in der Gemütsverfassung
eines Menschen zurücklassend, der plötzlich zu der Einsicht gekommen ist, daß er
nahe daran war, sich durch eine Dummheit die Karriere zu verderben.

HättK der Vicomte den vermeintlichen Gönner mit den Augen bis zum Ziele
seiner eiligen Wanderung verfolgen können, so würde er wahrscheinlich aufs neue
erstaunt gewesen sein. Denn Marigny betrat das kurfürstliche Schloß nicht dnrch
das Hauptportal, wie mau es doch von einem Gaste Serenissimi erwartet haben
würde, sondern schlüpfte ganz unauffällig durch ein Pförtchen des linken Seiten¬
flügels hinein, das für gewöhnlich nur von der Dienerschaft und den Lieferanten
der Hofküche benutzt wurde.

Tat er das aus Bescheidenheit? Schien es ihm unschicklich, die Schwelle des
Portals zu überschreiten, ehe der erlauchte Fuß des königlichen Prinzen sie be¬
treten hatte?

Ach nein! So zarte Rücksichten waren dem alten Herrn fremd. Wenn er
das Pförtchen benutzte, so geschah es, weil er heute nicht als Gast, sondern in
einer andern Eigenschaft zum Diner erschien. Und dennoch hatte er Fleury nicht
die Unwahrheit gesagt! Der Marquis mußte zum Diner, gerade heute, wo die
kurfürstliche Tafel ganz außerordentliche Genüsse zu bieten versprach. Er hatte es
auch nicht nötig, große Toilette zu machen, denn dem Gastgeber wie den Gästen
konnte es gleichgültig sein, in welchem Kleide sich der Marquis einfand, weil sie
ihn gar nicht zu sehen bekamen. Auch das mit den Konnexionen hatte seine
Nichtigkeit, freilich in anderen Sinne, als der Vicomte vermutete. Der Ariadne¬
faden, an dem sich Marigny durch die vielgewundnen Gänge höfischer Kabalen
vorwärts bewegte, führte nicht nach oben, sondern nach unten und endete in der
Küche. Der Mangel, dieser unerbittlichste aller Tyrannen, hatte den Marquis
von Marigny, den Kammerherrn Seiner Allerchristlichsten Majestät, dazu gebracht,
in der Küche eines deutschen Fürsten gegen Bezahlung die Dienste eines Kochs zu
verrichten. Keines Kochs im gewöhnlichen Sinne, nein, sprechen wir es nur deut¬
lich aus: eines Virtuosen der Kochkunst, eines Künstlers, der nur gelegentlich ein¬
mal auftrat, der mitten zwischen den gewaltigen Herden Gastrollen gab, während
hundert blitzblanke Kessel und Kasserollen sein Bild widerspiegelten und zugleich
seinen Ruhm und seine Schmach verhundertfachten. Marigny war nämlich trotz
seines Elends immer noch Edelmann genug, daß er die Verrichtungen, zu denen
er sich hergab, als eine Schmach empfinden mußte. Nicht der Küchendunst, der


Der Marquis von Marigny

Heute zum Diner — wo Artois und mein Vetter und Vandreuil und die
Polastrmi und der Teufel weiß, wer sonst noch beim Kurfürsten speisen? Alter
Herr, Sie müssen aber Beziehungen haben!

Habe ich auch, liebster Freund, gab Marigny zurück, aber ich werde mich
hüten, Ihnen meine Konnexionen zu verraten! Lassen Sie mich gehn, ich darf die
Herrschaften nicht warten lassen I

In dem Rocke geh» Sie zum Diner?

Der Marquis sah, durch diese Bemerkung ein wenig verwirrt, an seiner
Gestalt hinunter, so weit ihm dies die Wölbung unterhalb des Jabots gestattete,
gewann aber rechtzeitig seine Geistesgegenwart wieder.

Wie ich mit dem Kurfürsten stehe, kann ich mir alle Umstände hinsichtlich der
Toilette sparen, und die übrigen Herrschaften werden kaum dazu kommen, das Tuch
meines Rockes auf seine Qualität hin zu untersuchen. Weshalb sollte ich mir also
Zwang auflegen und zu einem doch ganz intimen Diner große Toilette machen?

Das Erstaunen des guten Vicomte stieg immer mehr.

Teufel, sagte er mit ehrlicher Bewunderung, mir scheint sast, daß Sie noch
bessere Chancen haben als ich, mein bester Herr Marquis. — Er sagte jetzt nicht
mehr „alter Knabe."

Schon möglich, mein lieber Fleury. Aber seien Sie unbesorgt. Wenn ich
Ihnen nützlich sein kaun, so soll es geschehn.

Er machte sich los und eilte davon, seinen Landsmann in der Gemütsverfassung
eines Menschen zurücklassend, der plötzlich zu der Einsicht gekommen ist, daß er
nahe daran war, sich durch eine Dummheit die Karriere zu verderben.

HättK der Vicomte den vermeintlichen Gönner mit den Augen bis zum Ziele
seiner eiligen Wanderung verfolgen können, so würde er wahrscheinlich aufs neue
erstaunt gewesen sein. Denn Marigny betrat das kurfürstliche Schloß nicht dnrch
das Hauptportal, wie mau es doch von einem Gaste Serenissimi erwartet haben
würde, sondern schlüpfte ganz unauffällig durch ein Pförtchen des linken Seiten¬
flügels hinein, das für gewöhnlich nur von der Dienerschaft und den Lieferanten
der Hofküche benutzt wurde.

Tat er das aus Bescheidenheit? Schien es ihm unschicklich, die Schwelle des
Portals zu überschreiten, ehe der erlauchte Fuß des königlichen Prinzen sie be¬
treten hatte?

Ach nein! So zarte Rücksichten waren dem alten Herrn fremd. Wenn er
das Pförtchen benutzte, so geschah es, weil er heute nicht als Gast, sondern in
einer andern Eigenschaft zum Diner erschien. Und dennoch hatte er Fleury nicht
die Unwahrheit gesagt! Der Marquis mußte zum Diner, gerade heute, wo die
kurfürstliche Tafel ganz außerordentliche Genüsse zu bieten versprach. Er hatte es
auch nicht nötig, große Toilette zu machen, denn dem Gastgeber wie den Gästen
konnte es gleichgültig sein, in welchem Kleide sich der Marquis einfand, weil sie
ihn gar nicht zu sehen bekamen. Auch das mit den Konnexionen hatte seine
Nichtigkeit, freilich in anderen Sinne, als der Vicomte vermutete. Der Ariadne¬
faden, an dem sich Marigny durch die vielgewundnen Gänge höfischer Kabalen
vorwärts bewegte, führte nicht nach oben, sondern nach unten und endete in der
Küche. Der Mangel, dieser unerbittlichste aller Tyrannen, hatte den Marquis
von Marigny, den Kammerherrn Seiner Allerchristlichsten Majestät, dazu gebracht,
in der Küche eines deutschen Fürsten gegen Bezahlung die Dienste eines Kochs zu
verrichten. Keines Kochs im gewöhnlichen Sinne, nein, sprechen wir es nur deut¬
lich aus: eines Virtuosen der Kochkunst, eines Künstlers, der nur gelegentlich ein¬
mal auftrat, der mitten zwischen den gewaltigen Herden Gastrollen gab, während
hundert blitzblanke Kessel und Kasserollen sein Bild widerspiegelten und zugleich
seinen Ruhm und seine Schmach verhundertfachten. Marigny war nämlich trotz
seines Elends immer noch Edelmann genug, daß er die Verrichtungen, zu denen
er sich hergab, als eine Schmach empfinden mußte. Nicht der Küchendunst, der


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[0808] Der Marquis von Marigny Heute zum Diner — wo Artois und mein Vetter und Vandreuil und die Polastrmi und der Teufel weiß, wer sonst noch beim Kurfürsten speisen? Alter Herr, Sie müssen aber Beziehungen haben! Habe ich auch, liebster Freund, gab Marigny zurück, aber ich werde mich hüten, Ihnen meine Konnexionen zu verraten! Lassen Sie mich gehn, ich darf die Herrschaften nicht warten lassen I In dem Rocke geh» Sie zum Diner? Der Marquis sah, durch diese Bemerkung ein wenig verwirrt, an seiner Gestalt hinunter, so weit ihm dies die Wölbung unterhalb des Jabots gestattete, gewann aber rechtzeitig seine Geistesgegenwart wieder. Wie ich mit dem Kurfürsten stehe, kann ich mir alle Umstände hinsichtlich der Toilette sparen, und die übrigen Herrschaften werden kaum dazu kommen, das Tuch meines Rockes auf seine Qualität hin zu untersuchen. Weshalb sollte ich mir also Zwang auflegen und zu einem doch ganz intimen Diner große Toilette machen? Das Erstaunen des guten Vicomte stieg immer mehr. Teufel, sagte er mit ehrlicher Bewunderung, mir scheint sast, daß Sie noch bessere Chancen haben als ich, mein bester Herr Marquis. — Er sagte jetzt nicht mehr „alter Knabe." Schon möglich, mein lieber Fleury. Aber seien Sie unbesorgt. Wenn ich Ihnen nützlich sein kaun, so soll es geschehn. Er machte sich los und eilte davon, seinen Landsmann in der Gemütsverfassung eines Menschen zurücklassend, der plötzlich zu der Einsicht gekommen ist, daß er nahe daran war, sich durch eine Dummheit die Karriere zu verderben. HättK der Vicomte den vermeintlichen Gönner mit den Augen bis zum Ziele seiner eiligen Wanderung verfolgen können, so würde er wahrscheinlich aufs neue erstaunt gewesen sein. Denn Marigny betrat das kurfürstliche Schloß nicht dnrch das Hauptportal, wie mau es doch von einem Gaste Serenissimi erwartet haben würde, sondern schlüpfte ganz unauffällig durch ein Pförtchen des linken Seiten¬ flügels hinein, das für gewöhnlich nur von der Dienerschaft und den Lieferanten der Hofküche benutzt wurde. Tat er das aus Bescheidenheit? Schien es ihm unschicklich, die Schwelle des Portals zu überschreiten, ehe der erlauchte Fuß des königlichen Prinzen sie be¬ treten hatte? Ach nein! So zarte Rücksichten waren dem alten Herrn fremd. Wenn er das Pförtchen benutzte, so geschah es, weil er heute nicht als Gast, sondern in einer andern Eigenschaft zum Diner erschien. Und dennoch hatte er Fleury nicht die Unwahrheit gesagt! Der Marquis mußte zum Diner, gerade heute, wo die kurfürstliche Tafel ganz außerordentliche Genüsse zu bieten versprach. Er hatte es auch nicht nötig, große Toilette zu machen, denn dem Gastgeber wie den Gästen konnte es gleichgültig sein, in welchem Kleide sich der Marquis einfand, weil sie ihn gar nicht zu sehen bekamen. Auch das mit den Konnexionen hatte seine Nichtigkeit, freilich in anderen Sinne, als der Vicomte vermutete. Der Ariadne¬ faden, an dem sich Marigny durch die vielgewundnen Gänge höfischer Kabalen vorwärts bewegte, führte nicht nach oben, sondern nach unten und endete in der Küche. Der Mangel, dieser unerbittlichste aller Tyrannen, hatte den Marquis von Marigny, den Kammerherrn Seiner Allerchristlichsten Majestät, dazu gebracht, in der Küche eines deutschen Fürsten gegen Bezahlung die Dienste eines Kochs zu verrichten. Keines Kochs im gewöhnlichen Sinne, nein, sprechen wir es nur deut¬ lich aus: eines Virtuosen der Kochkunst, eines Künstlers, der nur gelegentlich ein¬ mal auftrat, der mitten zwischen den gewaltigen Herden Gastrollen gab, während hundert blitzblanke Kessel und Kasserollen sein Bild widerspiegelten und zugleich seinen Ruhm und seine Schmach verhundertfachten. Marigny war nämlich trotz seines Elends immer noch Edelmann genug, daß er die Verrichtungen, zu denen er sich hergab, als eine Schmach empfinden mußte. Nicht der Küchendunst, der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/808>, abgerufen am 23.07.2024.