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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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gehenden Zerwürfnisses mit Friedrich dem Großen -- in der Zeit nach der
Schlacht von Kolin -- an gebrochnem Herzen gestorben war, daneben auch
den andern Helden dieses Kriegs, doch so, daß unter den ausgewählten
23 Namen gerade die erklärten Lieblinge des großen Königs (Winterfeldt,
Fouque, Wedell) fehlten. Zu einer solchen Eifersüchtelei lag zwischen dem Kur¬
fürsten Friedrich August dem Dritte" und seinem Oheim kein Grund vor, aber
es gab doch einen Punkt, wo der Neffe die ernsthafte Kritik des Oheims zu
fürchten hatte: das Militär. Zwar die sächsische Kavallerie war dank der Ver¬
dienste des Inspekteurs Geueral Bellegnrde (1788 bis .1.793) leidlich imstande,
litt aber doch wegen der lebenslänglichen Dienstzeit ihrer Angehörigen unter
dem zu hohen Alter vieler Soldaten; schlimmer noch stand es bei der In¬
fanterie, am kläglichsten bei der Artillerie. Beim Feldartillerieregiment allein
zählte man 1806 600 Soldatenweiber und 1062 Kinder, in der ganzen Armee
7379 Weiber und 12378 Kinder -- und der mitleidige Ruf eines französischen
Soldaten beim Vorübermnrsch der gefangnen Sachsen nach der Schlacht von
Jena: Vo^W anno l"z zmuvro xapu, ssixon charakterisiert die Hilflosigkeit der zu
alten Offiziere und Mannschaften deutlich genug. Mit welchem Interesse wird
Prinz Xaver, so sehr er auch deu korsischen Emporkömmling haßte, am Ende
seiner Tage die phänomenale Siegesbahn Napoleons verfolgt haben! Erst
als sich schon die Bürenmützen der französischen Gardisten auch gegen Sachsen
in Bewegung zu setzen drohten, schloß der sechsundsiebzigjährige Greis in
Zabeltitz seine müden Augen. Der kleine Triumph wurde ihm aber nicht mehr
zu teil, sagen zu können: "Seht, hättet ihr seinerzeit meine Militärvorlage an¬
genommen und die Armee in meinem Sinne verjüngt und verstärkt, so hättet
ihr euch Jena und Auerstüdt ersparen können."

Prinz Xaver bleibt trotz seiner Schwächen ein interessanter Mann^ bei
der Fülle seiner fast noch unbenützten Korrespondenzen und der andern Über¬
lieferung ein guter Stoff für Geschichtschreiber und Dichter. Aber er hat bis
jetzt fast nur französische Gelehrte beschäftigt: Thevenot, Breard, Strhienskh.
Die über ihn gefällten Urteile weichen sehr voneinander ab. Wir kennen das
scharfe Urteil des Ministers Choiseul (s. oben S. 782), ähnlich spricht sich der
französische Gesandte am sächsischen Hofe, Baron Znckmcmtel, über Xaver aus,
etwas günstiger der Marquis d'Argensvn: "Prinz Xaver, jünger als der Kur¬
prinz, hat Geist und gute Gestalt, er ist gewandt und ehrgeizig, und da er
sich durch seine Eigenschaften dem ältern Bruder überlegen fühlte, hoffte er
König (von Polen) zu werden." Ehrgeiz, Eitelkeit und Leidenschaftlichkeit
werden ihm auch von sächsischen Beurteilern seines Charakters vorgeworfen.
Doch glaube ich nicht, daß er von Natur unedel war, vielmehr hat ihm seine
Unselbständigkeit und die sich daraus ergebende Abhängigkeit von den Rat¬
schlügen andrer öfter geschadet. Übrigens war er witzig und aufgeklärt: das
beweise" die Briefe, die er mit der Dauphine gewechselt hat. Als Politiker
war er in Sachsen einer der letzten Vertreter des g,noi<zu rsgiirrö und der
skrupelloser Ausländerei, und er mag sich gegen das Ende seines Lebens unter
den Geburtswehen einer neuen Zeit nicht eben glücklich,, gefühlt haben. Eine
souveräne Verachtung aller irdischen Größe, eine ans Übersättigung mit deu
Nichtigkeiten der Welt beruhende Todessehusucht wird wohl auch bei ihm der
letzte erkennbare Ausdruck der Stimmung gewesen sein. Aus einer solchen
Empfindung heraus hat Prinz Heinrich von Preußen (geht. 1802) noch bei
Lebzeiten seine Grabschrift entworfen:


Geschleudert durch Geburt in diesen Wirbelwind
Von leerem Rauch -- das Volk menues Größe, Ruhm,
Doch seine Nichtigkeit durchschaut der Weise wohl --
Ein Raub für jedes Übel, das den Mensche" trifft,
Gequake durch andrer Leidenschaft und durch die eigne.
Verleumdet, mit dem Unrecht oft im Kampf,

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gehenden Zerwürfnisses mit Friedrich dem Großen — in der Zeit nach der
Schlacht von Kolin — an gebrochnem Herzen gestorben war, daneben auch
den andern Helden dieses Kriegs, doch so, daß unter den ausgewählten
23 Namen gerade die erklärten Lieblinge des großen Königs (Winterfeldt,
Fouque, Wedell) fehlten. Zu einer solchen Eifersüchtelei lag zwischen dem Kur¬
fürsten Friedrich August dem Dritte» und seinem Oheim kein Grund vor, aber
es gab doch einen Punkt, wo der Neffe die ernsthafte Kritik des Oheims zu
fürchten hatte: das Militär. Zwar die sächsische Kavallerie war dank der Ver¬
dienste des Inspekteurs Geueral Bellegnrde (1788 bis .1.793) leidlich imstande,
litt aber doch wegen der lebenslänglichen Dienstzeit ihrer Angehörigen unter
dem zu hohen Alter vieler Soldaten; schlimmer noch stand es bei der In¬
fanterie, am kläglichsten bei der Artillerie. Beim Feldartillerieregiment allein
zählte man 1806 600 Soldatenweiber und 1062 Kinder, in der ganzen Armee
7379 Weiber und 12378 Kinder — und der mitleidige Ruf eines französischen
Soldaten beim Vorübermnrsch der gefangnen Sachsen nach der Schlacht von
Jena: Vo^W anno l«z zmuvro xapu, ssixon charakterisiert die Hilflosigkeit der zu
alten Offiziere und Mannschaften deutlich genug. Mit welchem Interesse wird
Prinz Xaver, so sehr er auch deu korsischen Emporkömmling haßte, am Ende
seiner Tage die phänomenale Siegesbahn Napoleons verfolgt haben! Erst
als sich schon die Bürenmützen der französischen Gardisten auch gegen Sachsen
in Bewegung zu setzen drohten, schloß der sechsundsiebzigjährige Greis in
Zabeltitz seine müden Augen. Der kleine Triumph wurde ihm aber nicht mehr
zu teil, sagen zu können: „Seht, hättet ihr seinerzeit meine Militärvorlage an¬
genommen und die Armee in meinem Sinne verjüngt und verstärkt, so hättet
ihr euch Jena und Auerstüdt ersparen können."

Prinz Xaver bleibt trotz seiner Schwächen ein interessanter Mann^ bei
der Fülle seiner fast noch unbenützten Korrespondenzen und der andern Über¬
lieferung ein guter Stoff für Geschichtschreiber und Dichter. Aber er hat bis
jetzt fast nur französische Gelehrte beschäftigt: Thevenot, Breard, Strhienskh.
Die über ihn gefällten Urteile weichen sehr voneinander ab. Wir kennen das
scharfe Urteil des Ministers Choiseul (s. oben S. 782), ähnlich spricht sich der
französische Gesandte am sächsischen Hofe, Baron Znckmcmtel, über Xaver aus,
etwas günstiger der Marquis d'Argensvn: „Prinz Xaver, jünger als der Kur¬
prinz, hat Geist und gute Gestalt, er ist gewandt und ehrgeizig, und da er
sich durch seine Eigenschaften dem ältern Bruder überlegen fühlte, hoffte er
König (von Polen) zu werden." Ehrgeiz, Eitelkeit und Leidenschaftlichkeit
werden ihm auch von sächsischen Beurteilern seines Charakters vorgeworfen.
Doch glaube ich nicht, daß er von Natur unedel war, vielmehr hat ihm seine
Unselbständigkeit und die sich daraus ergebende Abhängigkeit von den Rat¬
schlügen andrer öfter geschadet. Übrigens war er witzig und aufgeklärt: das
beweise» die Briefe, die er mit der Dauphine gewechselt hat. Als Politiker
war er in Sachsen einer der letzten Vertreter des g,noi<zu rsgiirrö und der
skrupelloser Ausländerei, und er mag sich gegen das Ende seines Lebens unter
den Geburtswehen einer neuen Zeit nicht eben glücklich,, gefühlt haben. Eine
souveräne Verachtung aller irdischen Größe, eine ans Übersättigung mit deu
Nichtigkeiten der Welt beruhende Todessehusucht wird wohl auch bei ihm der
letzte erkennbare Ausdruck der Stimmung gewesen sein. Aus einer solchen
Empfindung heraus hat Prinz Heinrich von Preußen (geht. 1802) noch bei
Lebzeiten seine Grabschrift entworfen:


Geschleudert durch Geburt in diesen Wirbelwind
Von leerem Rauch — das Volk menues Größe, Ruhm,
Doch seine Nichtigkeit durchschaut der Weise wohl —
Ein Raub für jedes Übel, das den Mensche» trifft,
Gequake durch andrer Leidenschaft und durch die eigne.
Verleumdet, mit dem Unrecht oft im Kampf,

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[0804] Bilder von der Roter und der Pulsnitz gehenden Zerwürfnisses mit Friedrich dem Großen — in der Zeit nach der Schlacht von Kolin — an gebrochnem Herzen gestorben war, daneben auch den andern Helden dieses Kriegs, doch so, daß unter den ausgewählten 23 Namen gerade die erklärten Lieblinge des großen Königs (Winterfeldt, Fouque, Wedell) fehlten. Zu einer solchen Eifersüchtelei lag zwischen dem Kur¬ fürsten Friedrich August dem Dritte» und seinem Oheim kein Grund vor, aber es gab doch einen Punkt, wo der Neffe die ernsthafte Kritik des Oheims zu fürchten hatte: das Militär. Zwar die sächsische Kavallerie war dank der Ver¬ dienste des Inspekteurs Geueral Bellegnrde (1788 bis .1.793) leidlich imstande, litt aber doch wegen der lebenslänglichen Dienstzeit ihrer Angehörigen unter dem zu hohen Alter vieler Soldaten; schlimmer noch stand es bei der In¬ fanterie, am kläglichsten bei der Artillerie. Beim Feldartillerieregiment allein zählte man 1806 600 Soldatenweiber und 1062 Kinder, in der ganzen Armee 7379 Weiber und 12378 Kinder — und der mitleidige Ruf eines französischen Soldaten beim Vorübermnrsch der gefangnen Sachsen nach der Schlacht von Jena: Vo^W anno l«z zmuvro xapu, ssixon charakterisiert die Hilflosigkeit der zu alten Offiziere und Mannschaften deutlich genug. Mit welchem Interesse wird Prinz Xaver, so sehr er auch deu korsischen Emporkömmling haßte, am Ende seiner Tage die phänomenale Siegesbahn Napoleons verfolgt haben! Erst als sich schon die Bürenmützen der französischen Gardisten auch gegen Sachsen in Bewegung zu setzen drohten, schloß der sechsundsiebzigjährige Greis in Zabeltitz seine müden Augen. Der kleine Triumph wurde ihm aber nicht mehr zu teil, sagen zu können: „Seht, hättet ihr seinerzeit meine Militärvorlage an¬ genommen und die Armee in meinem Sinne verjüngt und verstärkt, so hättet ihr euch Jena und Auerstüdt ersparen können." Prinz Xaver bleibt trotz seiner Schwächen ein interessanter Mann^ bei der Fülle seiner fast noch unbenützten Korrespondenzen und der andern Über¬ lieferung ein guter Stoff für Geschichtschreiber und Dichter. Aber er hat bis jetzt fast nur französische Gelehrte beschäftigt: Thevenot, Breard, Strhienskh. Die über ihn gefällten Urteile weichen sehr voneinander ab. Wir kennen das scharfe Urteil des Ministers Choiseul (s. oben S. 782), ähnlich spricht sich der französische Gesandte am sächsischen Hofe, Baron Znckmcmtel, über Xaver aus, etwas günstiger der Marquis d'Argensvn: „Prinz Xaver, jünger als der Kur¬ prinz, hat Geist und gute Gestalt, er ist gewandt und ehrgeizig, und da er sich durch seine Eigenschaften dem ältern Bruder überlegen fühlte, hoffte er König (von Polen) zu werden." Ehrgeiz, Eitelkeit und Leidenschaftlichkeit werden ihm auch von sächsischen Beurteilern seines Charakters vorgeworfen. Doch glaube ich nicht, daß er von Natur unedel war, vielmehr hat ihm seine Unselbständigkeit und die sich daraus ergebende Abhängigkeit von den Rat¬ schlügen andrer öfter geschadet. Übrigens war er witzig und aufgeklärt: das beweise» die Briefe, die er mit der Dauphine gewechselt hat. Als Politiker war er in Sachsen einer der letzten Vertreter des g,noi<zu rsgiirrö und der skrupelloser Ausländerei, und er mag sich gegen das Ende seines Lebens unter den Geburtswehen einer neuen Zeit nicht eben glücklich,, gefühlt haben. Eine souveräne Verachtung aller irdischen Größe, eine ans Übersättigung mit deu Nichtigkeiten der Welt beruhende Todessehusucht wird wohl auch bei ihm der letzte erkennbare Ausdruck der Stimmung gewesen sein. Aus einer solchen Empfindung heraus hat Prinz Heinrich von Preußen (geht. 1802) noch bei Lebzeiten seine Grabschrift entworfen: Geschleudert durch Geburt in diesen Wirbelwind Von leerem Rauch — das Volk menues Größe, Ruhm, Doch seine Nichtigkeit durchschaut der Weise wohl — Ein Raub für jedes Übel, das den Mensche» trifft, Gequake durch andrer Leidenschaft und durch die eigne. Verleumdet, mit dem Unrecht oft im Kampf,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/804>, abgerufen am 22.07.2024.