Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.Villa Glori Die Überfüllung des Hospitals veranlaßte kurz danach die Übersiedlung Im ganzen brachte Sant' Onofrio mit Santo Spirito verglichen deu Kranken Zum Glück gab es auch erfreulichem Umgang. Besonders freundlich nahm Villa Glori Die Überfüllung des Hospitals veranlaßte kurz danach die Übersiedlung Im ganzen brachte Sant' Onofrio mit Santo Spirito verglichen deu Kranken Zum Glück gab es auch erfreulichem Umgang. Besonders freundlich nahm <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0787" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241169"/> <fw type="header" place="top"> Villa Glori</fw><lb/> <p xml:id="ID_3617"> Die Überfüllung des Hospitals veranlaßte kurz danach die Übersiedlung<lb/> Ferraris und seiner Genossen nach dem Hospital Sant' Onofrio an der Lnn-<lb/> gara. Hier wurden 190 Kranke untergebracht, zum Teil Leute in hoffnungs¬<lb/> losen Zustande. Ein Kapitän aus der Romagna wurde vom Starrkrampf erfaßt<lb/> »ut starb am dritten Tage unter schrecklichen Zuckungen, Ein armer Junge<lb/> von fünfzehn Jahre», der sich tapfer geschlagen hatte, war verwundet gefallen<lb/> und vor Schrecken wahnsinnig geworden, als er die feindliche Waffe in dichtester<lb/> Nähe ans sich gerichtet sah; er starb nach wenig Tagen. Überhaupt erlag<lb/> mehr als der vierte Teil aller Kranken, vierundfünfzig, den Verwundungen. Der<lb/> alltägliche Anblick so vielen Elends stumpfte allmählich das Gefühl ab; auch<lb/> Ferrari wurde gleichgiltig und konnte chirurgischen Operationen ohne besondre<lb/> Empfindung beiwohnen, obwohl er früher geschaudert hatte, wenn er nur Blut sah.</p><lb/> <p xml:id="ID_3618"> Im ganzen brachte Sant' Onofrio mit Santo Spirito verglichen deu Kranken<lb/> wesentliche Verschlechterungen. Die Räume waren zu niedrig, die Lüftung un-<lb/> genügend, die Schwestern, die einem strengern Orden angehörten, als die in<lb/> Santo Spirito, unfreundlich und wortkarg, die ins-ars gönsriils, die sich selten<lb/> sehen ließ, eine kleine Person mit groben Zügen und „steif, als wenn sie einen<lb/> Besenstiel verschluckt hätte," „ein wahrer Jesuit im Unterrock"; die gemieteten<lb/> Krankenwärter spitzbübisch, die Kost knapp, und die ununtcrbrochne Anwesenheit<lb/> von Gendarmen und Kapuzinern in den Sälen wurde als sehr störend em¬<lb/> pfunden. Auch an zudringlichen Bekehrungsversuche» fehlte es nicht. Sie richteten<lb/> sich besonders auf deu vermeintliche» Grafen Colloredo, dem sein vornehmer<lb/> Name auch jetzt wieder große Unbequemlichkeiten bereitete. Ein päpstlicher Haus-<lb/> Prälat, Nntici Mattei, versprach ihn in Privatpflege zu bringen, wenn er mir<lb/> beichten wolle. Ein Anverwandter des hohen Hauses, Pater Colloredo, ein<lb/> alter Herr, der seit vielen Jahren seine Familie nicht gesehen hatte, plagte den<lb/> lungen Mann mit hundert Fragen nach seiner Verwandtschaft und konnte nur<lb/> durch ein starkes Aufgebot von Erfindungskraft mit Hilfe Ferraris befriedigt<lb/> werden. Dieser selbst brachte durch seine Verstocktheit einen eifrigen Franziskaner<lb/> fast zur Verzweiflung. Nicht wenige andre freilich fügten sich schließlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_3619" next="#ID_3620"> Zum Glück gab es auch erfreulichem Umgang. Besonders freundlich nahm<lb/> sich Monsignore Giovanni Biffcmi der gefangnen Garibaldiancr an. In: Herzen<lb/> patriotischer Italiener gab er gelegentlich nach Florenz genaue Nachrichte»<lb/> über intime Vorgänge im Vatikan und zog sich dadurch einen Vergiftungsversuch<lb/> An, dem freilich durch einen Zufall nicht er, sondern sein Vater zum Opfer fiel.<lb/> Der Anstifter, ein bei ihm aus- und eingehender Priester, wurde zu zwanzig¬<lb/> jähriger Galeerenarbeit verurteilt, aber schon nach drei Jahren begnadigt und<lb/> s»gar im Vatikan wieder zugelassen. Mit Ferrari besprach Biffani ganz frei¬<lb/> mütig die nationalen Hoffnungen ; er tröstete die Verwundeten und besorgte ihre<lb/> Korrespondenz ohne Dazwischenkunft der Polizei, indem er die für sie bestimmten<lb/> Brese an sich adressiere» ließ und die von ihnen geschriebnen mit dem Siegel<lb/> seines Kapitels (vo» Santa Maria in Trcistevere) versah. Später trug ihm<lb/> seine Gesinnung die Verbannung ans Rom ein, nachdem er noch im September<lb/> 1870 Ferrari aufs herzlichste in seinem Hause aufgenommen hatte. Auch die<lb/> päpstlichen Zuaven der Wache, fast alles Leute aus gebildeten Familien, erwiese»</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0787]
Villa Glori
Die Überfüllung des Hospitals veranlaßte kurz danach die Übersiedlung
Ferraris und seiner Genossen nach dem Hospital Sant' Onofrio an der Lnn-
gara. Hier wurden 190 Kranke untergebracht, zum Teil Leute in hoffnungs¬
losen Zustande. Ein Kapitän aus der Romagna wurde vom Starrkrampf erfaßt
»ut starb am dritten Tage unter schrecklichen Zuckungen, Ein armer Junge
von fünfzehn Jahre», der sich tapfer geschlagen hatte, war verwundet gefallen
und vor Schrecken wahnsinnig geworden, als er die feindliche Waffe in dichtester
Nähe ans sich gerichtet sah; er starb nach wenig Tagen. Überhaupt erlag
mehr als der vierte Teil aller Kranken, vierundfünfzig, den Verwundungen. Der
alltägliche Anblick so vielen Elends stumpfte allmählich das Gefühl ab; auch
Ferrari wurde gleichgiltig und konnte chirurgischen Operationen ohne besondre
Empfindung beiwohnen, obwohl er früher geschaudert hatte, wenn er nur Blut sah.
Im ganzen brachte Sant' Onofrio mit Santo Spirito verglichen deu Kranken
wesentliche Verschlechterungen. Die Räume waren zu niedrig, die Lüftung un-
genügend, die Schwestern, die einem strengern Orden angehörten, als die in
Santo Spirito, unfreundlich und wortkarg, die ins-ars gönsriils, die sich selten
sehen ließ, eine kleine Person mit groben Zügen und „steif, als wenn sie einen
Besenstiel verschluckt hätte," „ein wahrer Jesuit im Unterrock"; die gemieteten
Krankenwärter spitzbübisch, die Kost knapp, und die ununtcrbrochne Anwesenheit
von Gendarmen und Kapuzinern in den Sälen wurde als sehr störend em¬
pfunden. Auch an zudringlichen Bekehrungsversuche» fehlte es nicht. Sie richteten
sich besonders auf deu vermeintliche» Grafen Colloredo, dem sein vornehmer
Name auch jetzt wieder große Unbequemlichkeiten bereitete. Ein päpstlicher Haus-
Prälat, Nntici Mattei, versprach ihn in Privatpflege zu bringen, wenn er mir
beichten wolle. Ein Anverwandter des hohen Hauses, Pater Colloredo, ein
alter Herr, der seit vielen Jahren seine Familie nicht gesehen hatte, plagte den
lungen Mann mit hundert Fragen nach seiner Verwandtschaft und konnte nur
durch ein starkes Aufgebot von Erfindungskraft mit Hilfe Ferraris befriedigt
werden. Dieser selbst brachte durch seine Verstocktheit einen eifrigen Franziskaner
fast zur Verzweiflung. Nicht wenige andre freilich fügten sich schließlich.
Zum Glück gab es auch erfreulichem Umgang. Besonders freundlich nahm
sich Monsignore Giovanni Biffcmi der gefangnen Garibaldiancr an. In: Herzen
patriotischer Italiener gab er gelegentlich nach Florenz genaue Nachrichte»
über intime Vorgänge im Vatikan und zog sich dadurch einen Vergiftungsversuch
An, dem freilich durch einen Zufall nicht er, sondern sein Vater zum Opfer fiel.
Der Anstifter, ein bei ihm aus- und eingehender Priester, wurde zu zwanzig¬
jähriger Galeerenarbeit verurteilt, aber schon nach drei Jahren begnadigt und
s»gar im Vatikan wieder zugelassen. Mit Ferrari besprach Biffani ganz frei¬
mütig die nationalen Hoffnungen ; er tröstete die Verwundeten und besorgte ihre
Korrespondenz ohne Dazwischenkunft der Polizei, indem er die für sie bestimmten
Brese an sich adressiere» ließ und die von ihnen geschriebnen mit dem Siegel
seines Kapitels (vo» Santa Maria in Trcistevere) versah. Später trug ihm
seine Gesinnung die Verbannung ans Rom ein, nachdem er noch im September
1870 Ferrari aufs herzlichste in seinem Hause aufgenommen hatte. Auch die
päpstlichen Zuaven der Wache, fast alles Leute aus gebildeten Familien, erwiese»
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