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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Der Marquis von Mcirigny

im Kurtrierischen Hofe besuchten? Es wäre nicht unmöglich, daß Herr von Villeroi
sich zu eben derselben Zeit bei uns einstellte -- der Zufall spielt ja oft die selt¬
samsten Streiche --

Das Mädchen machte eine abwehrende Handbewegung. Um keinen Preis,
Frau Baronin! Das sähe ja aus, als wollte ich mich ihm an den Hals werfen.
Nur das nicht! Lieber will ich auf mein Lebensglück verzichten --

Trauer erstickten ihre Stimme. Aber diese Tränen machten auf die junge
Frau, die sich nun einmal vorgenommen hatte, der Vorsehung ein wenig ins Hand¬
werk zu pfuschen, keinen Eindruck.

Sie tippte vielmehr mit der Spitze ihres Zeigefingers auf Marguerites Stirn
und sagte: Hören Sie, meine Kleine, Sie sollten sich doch nicht über die harten
Köpfe gewisser Herren beklagen! Der Ihrige scheint mindestens ebenso hart zu sein.
Vor einigen Tagen -- es war zu Ostern -- beobachtete ich von meinem Gasthof¬
fenster aus ein paar Gassenjungen, die ein höchst sonderbares Spiel spielten, das
mich sehr belustigte. Sie hielten in ihren Händen gesottne Eier und schlugen diese
mit den Spitzen gegeneinander. Wem es gelang, mit seinem El das des Partners
zu zertrümmern, der hatte gewönne". Sollte sich dieses Spiel nicht auch mit
Köpfen spielen lassen? Ich dächte, wer den härtesten hat, der müßte siegen und
mit den andern nach seinem Belieben umspringen können. Wohlan, ich gebe weder
Ihnen, noch dem Herrn Marquis, noch Herrn von Villeroi in diesem Punkt etwas
nach -- ich werde also die Partie eröffnen!

Aber ich bitte Sie, alles zu vermeiden, was Henri auf die Vermutung bringen
könnte, Sie handelten ini Einverständnis mit mir, sagte das Mädchen.

Ich werde mich hüten, gab die Baronin lachend zurück, das wäre das beste
Mittel, ihn in seiner Dickköpfigkcit zu bestärken. Fürchten Sie also nichts der¬
gleichen! Eine Frage noch: Kennt er diesen Garten?

Schwerlich. Ich glaube nicht, daß er jemals vor das Löhrtor gekommen ist.

Um so besser! Und nun, meine Liebe, nehmen Sie eine Schaufel zur Hand
und beginnen Sie damit Ihre gemeinsamen Hoffnungen laugsam wieder aus-
zugraben.

Die Portechaise, die Marguerite allabendlich vor Sonnenuntergang -- um
diese Zeit wurde das Tor geschlossen -- in die Stadt zurückbrachte, erschien am
Gartenpförtchen und machte dem Zwiegespräche der beiden Damen ein Ende. Das
Mädchen stieg ein, und die Träger setzten sich mit ihrer leichten Last in Bewegung,
während Frau von Gramont nebenherschritt und der Freundin von Zeit zu Zeit
zunickte. In der Nähe des "Englischen Grußes" erst trennte man sich.

Seit diesem Tage kam die Baronin häufiger vors Tor hinaus. Aber es
schien, als habe sie ihre Absicht, die alten Beziehungen zwischen den Liebenden
wieder anzubahnen, ganz vergessen. Vergebens wartete das Mädchen darauf, sie
würde auf den Gegenstand ihrer ersten Unterhaltung hier draußen im Garten
zurückkommen. Aber sie sprach wohl mit der ihr eignen Lebhaftigkeit über tausend
Dinge, die Marguerite ziemlich gleichgiltig waren, berichtete ausführlich über die
neue Art, den Kleiderrock zu tragen, eine Mode, die, wie sie erklärte, zwar einem
Demokratenkopfe entsprungen sei, die aber auch eine aristokratische Figur auf das
vorteilhafteste zur Geltung bringe, und ereiferte sich sogar für das dem Könige
von der Nationalversammlung bestrittene Recht, eine Flotte zur Unterstützung seines
spanischen Vetters gegen England auszurüsten -- von Henri sprach sie nicht mehr.

Nur einmal, als das Gespräch auf das stärkere Geschlecht und seine besondern
Eigentümlichkeiten kam, überflog das Antlitz der jungen Frau ein Schatten. Schweigen
Sie mir von den Männern! sagte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung; sie
sind es gar nicht wert, daß wir Frauen ihnen die Nuhe unsers Lebens opfern.
Nichts als Verdruß hat man mit ihnen. Sie behandeln uns als Kinder, und
dabei können sie ohne uns doch nicht den kleinsten Schritt tun. Glauben Sie
niemals einem Manne, meine Liebe, wenn er Ihnen sagt, Sie seien ihm das Teuerste


Der Marquis von Mcirigny

im Kurtrierischen Hofe besuchten? Es wäre nicht unmöglich, daß Herr von Villeroi
sich zu eben derselben Zeit bei uns einstellte — der Zufall spielt ja oft die selt¬
samsten Streiche —

Das Mädchen machte eine abwehrende Handbewegung. Um keinen Preis,
Frau Baronin! Das sähe ja aus, als wollte ich mich ihm an den Hals werfen.
Nur das nicht! Lieber will ich auf mein Lebensglück verzichten —

Trauer erstickten ihre Stimme. Aber diese Tränen machten auf die junge
Frau, die sich nun einmal vorgenommen hatte, der Vorsehung ein wenig ins Hand¬
werk zu pfuschen, keinen Eindruck.

Sie tippte vielmehr mit der Spitze ihres Zeigefingers auf Marguerites Stirn
und sagte: Hören Sie, meine Kleine, Sie sollten sich doch nicht über die harten
Köpfe gewisser Herren beklagen! Der Ihrige scheint mindestens ebenso hart zu sein.
Vor einigen Tagen — es war zu Ostern — beobachtete ich von meinem Gasthof¬
fenster aus ein paar Gassenjungen, die ein höchst sonderbares Spiel spielten, das
mich sehr belustigte. Sie hielten in ihren Händen gesottne Eier und schlugen diese
mit den Spitzen gegeneinander. Wem es gelang, mit seinem El das des Partners
zu zertrümmern, der hatte gewönne«. Sollte sich dieses Spiel nicht auch mit
Köpfen spielen lassen? Ich dächte, wer den härtesten hat, der müßte siegen und
mit den andern nach seinem Belieben umspringen können. Wohlan, ich gebe weder
Ihnen, noch dem Herrn Marquis, noch Herrn von Villeroi in diesem Punkt etwas
nach — ich werde also die Partie eröffnen!

Aber ich bitte Sie, alles zu vermeiden, was Henri auf die Vermutung bringen
könnte, Sie handelten ini Einverständnis mit mir, sagte das Mädchen.

Ich werde mich hüten, gab die Baronin lachend zurück, das wäre das beste
Mittel, ihn in seiner Dickköpfigkcit zu bestärken. Fürchten Sie also nichts der¬
gleichen! Eine Frage noch: Kennt er diesen Garten?

Schwerlich. Ich glaube nicht, daß er jemals vor das Löhrtor gekommen ist.

Um so besser! Und nun, meine Liebe, nehmen Sie eine Schaufel zur Hand
und beginnen Sie damit Ihre gemeinsamen Hoffnungen laugsam wieder aus-
zugraben.

Die Portechaise, die Marguerite allabendlich vor Sonnenuntergang — um
diese Zeit wurde das Tor geschlossen — in die Stadt zurückbrachte, erschien am
Gartenpförtchen und machte dem Zwiegespräche der beiden Damen ein Ende. Das
Mädchen stieg ein, und die Träger setzten sich mit ihrer leichten Last in Bewegung,
während Frau von Gramont nebenherschritt und der Freundin von Zeit zu Zeit
zunickte. In der Nähe des „Englischen Grußes" erst trennte man sich.

Seit diesem Tage kam die Baronin häufiger vors Tor hinaus. Aber es
schien, als habe sie ihre Absicht, die alten Beziehungen zwischen den Liebenden
wieder anzubahnen, ganz vergessen. Vergebens wartete das Mädchen darauf, sie
würde auf den Gegenstand ihrer ersten Unterhaltung hier draußen im Garten
zurückkommen. Aber sie sprach wohl mit der ihr eignen Lebhaftigkeit über tausend
Dinge, die Marguerite ziemlich gleichgiltig waren, berichtete ausführlich über die
neue Art, den Kleiderrock zu tragen, eine Mode, die, wie sie erklärte, zwar einem
Demokratenkopfe entsprungen sei, die aber auch eine aristokratische Figur auf das
vorteilhafteste zur Geltung bringe, und ereiferte sich sogar für das dem Könige
von der Nationalversammlung bestrittene Recht, eine Flotte zur Unterstützung seines
spanischen Vetters gegen England auszurüsten — von Henri sprach sie nicht mehr.

Nur einmal, als das Gespräch auf das stärkere Geschlecht und seine besondern
Eigentümlichkeiten kam, überflog das Antlitz der jungen Frau ein Schatten. Schweigen
Sie mir von den Männern! sagte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung; sie
sind es gar nicht wert, daß wir Frauen ihnen die Nuhe unsers Lebens opfern.
Nichts als Verdruß hat man mit ihnen. Sie behandeln uns als Kinder, und
dabei können sie ohne uns doch nicht den kleinsten Schritt tun. Glauben Sie
niemals einem Manne, meine Liebe, wenn er Ihnen sagt, Sie seien ihm das Teuerste


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[0744] Der Marquis von Mcirigny im Kurtrierischen Hofe besuchten? Es wäre nicht unmöglich, daß Herr von Villeroi sich zu eben derselben Zeit bei uns einstellte — der Zufall spielt ja oft die selt¬ samsten Streiche — Das Mädchen machte eine abwehrende Handbewegung. Um keinen Preis, Frau Baronin! Das sähe ja aus, als wollte ich mich ihm an den Hals werfen. Nur das nicht! Lieber will ich auf mein Lebensglück verzichten — Trauer erstickten ihre Stimme. Aber diese Tränen machten auf die junge Frau, die sich nun einmal vorgenommen hatte, der Vorsehung ein wenig ins Hand¬ werk zu pfuschen, keinen Eindruck. Sie tippte vielmehr mit der Spitze ihres Zeigefingers auf Marguerites Stirn und sagte: Hören Sie, meine Kleine, Sie sollten sich doch nicht über die harten Köpfe gewisser Herren beklagen! Der Ihrige scheint mindestens ebenso hart zu sein. Vor einigen Tagen — es war zu Ostern — beobachtete ich von meinem Gasthof¬ fenster aus ein paar Gassenjungen, die ein höchst sonderbares Spiel spielten, das mich sehr belustigte. Sie hielten in ihren Händen gesottne Eier und schlugen diese mit den Spitzen gegeneinander. Wem es gelang, mit seinem El das des Partners zu zertrümmern, der hatte gewönne«. Sollte sich dieses Spiel nicht auch mit Köpfen spielen lassen? Ich dächte, wer den härtesten hat, der müßte siegen und mit den andern nach seinem Belieben umspringen können. Wohlan, ich gebe weder Ihnen, noch dem Herrn Marquis, noch Herrn von Villeroi in diesem Punkt etwas nach — ich werde also die Partie eröffnen! Aber ich bitte Sie, alles zu vermeiden, was Henri auf die Vermutung bringen könnte, Sie handelten ini Einverständnis mit mir, sagte das Mädchen. Ich werde mich hüten, gab die Baronin lachend zurück, das wäre das beste Mittel, ihn in seiner Dickköpfigkcit zu bestärken. Fürchten Sie also nichts der¬ gleichen! Eine Frage noch: Kennt er diesen Garten? Schwerlich. Ich glaube nicht, daß er jemals vor das Löhrtor gekommen ist. Um so besser! Und nun, meine Liebe, nehmen Sie eine Schaufel zur Hand und beginnen Sie damit Ihre gemeinsamen Hoffnungen laugsam wieder aus- zugraben. Die Portechaise, die Marguerite allabendlich vor Sonnenuntergang — um diese Zeit wurde das Tor geschlossen — in die Stadt zurückbrachte, erschien am Gartenpförtchen und machte dem Zwiegespräche der beiden Damen ein Ende. Das Mädchen stieg ein, und die Träger setzten sich mit ihrer leichten Last in Bewegung, während Frau von Gramont nebenherschritt und der Freundin von Zeit zu Zeit zunickte. In der Nähe des „Englischen Grußes" erst trennte man sich. Seit diesem Tage kam die Baronin häufiger vors Tor hinaus. Aber es schien, als habe sie ihre Absicht, die alten Beziehungen zwischen den Liebenden wieder anzubahnen, ganz vergessen. Vergebens wartete das Mädchen darauf, sie würde auf den Gegenstand ihrer ersten Unterhaltung hier draußen im Garten zurückkommen. Aber sie sprach wohl mit der ihr eignen Lebhaftigkeit über tausend Dinge, die Marguerite ziemlich gleichgiltig waren, berichtete ausführlich über die neue Art, den Kleiderrock zu tragen, eine Mode, die, wie sie erklärte, zwar einem Demokratenkopfe entsprungen sei, die aber auch eine aristokratische Figur auf das vorteilhafteste zur Geltung bringe, und ereiferte sich sogar für das dem Könige von der Nationalversammlung bestrittene Recht, eine Flotte zur Unterstützung seines spanischen Vetters gegen England auszurüsten — von Henri sprach sie nicht mehr. Nur einmal, als das Gespräch auf das stärkere Geschlecht und seine besondern Eigentümlichkeiten kam, überflog das Antlitz der jungen Frau ein Schatten. Schweigen Sie mir von den Männern! sagte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung; sie sind es gar nicht wert, daß wir Frauen ihnen die Nuhe unsers Lebens opfern. Nichts als Verdruß hat man mit ihnen. Sie behandeln uns als Kinder, und dabei können sie ohne uns doch nicht den kleinsten Schritt tun. Glauben Sie niemals einem Manne, meine Liebe, wenn er Ihnen sagt, Sie seien ihm das Teuerste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/744>, abgerufen am 25.08.2024.