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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

ruhten/- Sie starben 1671 eins. Der letzte Ritter ließ die Burg seiner Väter
noch bei Lebzeiten jämmerlich verfallen. Gewiß bilden es sich die Herren von Roden-
lein nie träumen lassen, daß sie noch zu einer geisterhaften Weltberühmtheit ge-
^ngen sollten. Keiner von ihnen ist bekannt, der nach seinen Schicksalen das Los
eines ruhelosen Geistes verdient hätte.

in,,, Wahrend sich die romantischen Dichterlinge in den Schauergeschichten von dem
uttergespenst überboten, bekam die Sage vom Nodeusteiner unter dem Einfluß des
n den Befreiungskriegen erwachten nationalen Bewußtseins eine neue Gestalt.
Diesem Bewußtsein war es sympathisch, daß sich der Ritter bei ausbrechendem Kriege
s ^ "is Herold zu Krieg und zu Frieden ans, um seine patriotische
Pflicht zu erfülle". Als "Deutschlands Wächter" feiert den Rodensteiuer mit prächtigem
'ynschem Schwunge der bekannte Wolfgnng Müller von Königswinter,

c , der Rvdensteiner wird sogar zum Vertreter und Vorkämpfer des patriotisch-
srecheitlichen Gedankens. Am deutlichsten und bezeichnendsten tritt dies hervor in
R^l r^ Lorentzen mut erstenmal gedruckten) Gedichte des achtzehnjährigen Gießener
Burschen Wilhelm Baur, des spätern Hofpredigers Kaiser Wilhelms des Ersten,
Jahre 1844-

Der Burggeist Ich liege tief in dunkeln Nächten,
Umgraut von allein Ritterruhm,
Bis mich emporruft zu Gefechten
Der Deutschen Freiheit Heiligtum.
So schließ auch deine heißen Triebe,
O deutsche Jugend, in das Herz.
Am stärksten ist die stille Liebe,
Am süßesten der Sehnsucht Schmerz.
Doch wenn der Knechtschaft Jünger siegen,
Dann breche durch der grimme Zorn,
Dann lasse seine Blitze fliegen
Der wilden Rache Flammenborn.
Dann rauhes ich auf aus meinen Gründen
Mit Schlachtenruf und Kriegsgeschrei,
Bis rings die Berge sich entzünden
Und rufen: "Deutschland, du bist frei!"

R d trüben Jahre 1848 hat noch mancher Besucher der Ruine
ensteiu seine patriotische Sehnsucht oder seine patriotische Trauer dem ritterlichen
Achter Deutschlands anvertraut.

b >5N dieser nationalen Richtung der Rodensteinsage bewegt sich auch das all-
baMs^ ^ Scheffels: "Es regt sich was im Odenwald, und durch die Wipfel
,,"us und schallt: Der Rodenstein geht um!" Es ist das Verdienst Lorentzens,

o vull"hö^"^' ^ Lorentzen überzeugend nachweist, ein ernstes nationales
zwischen Scheffel hat es gedichtet im Frühjahr 1859. als der Krieg
dem 5se i?-?^ ""d Italien-Frankreich ausbrach. Damals erwartete man in
Politik 1^ '^ ""^ großdentsch gesinnten Süddeutschland eine energische Kriegs-
p°rsichtin ""^ ^ Führung Preußens. Aber Preußen hielt sich
Jene ^/Med-t" "nährend der Feind von der andern Seite des Rheins her drohte.
^ Se versteh" ,vir die Worte:

^berstellt macht sich auf, weil ihm der Wind vom Rhein nicht gefällt.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

ruhten/- Sie starben 1671 eins. Der letzte Ritter ließ die Burg seiner Väter
noch bei Lebzeiten jämmerlich verfallen. Gewiß bilden es sich die Herren von Roden-
lein nie träumen lassen, daß sie noch zu einer geisterhaften Weltberühmtheit ge-
^ngen sollten. Keiner von ihnen ist bekannt, der nach seinen Schicksalen das Los
eines ruhelosen Geistes verdient hätte.

in,,, Wahrend sich die romantischen Dichterlinge in den Schauergeschichten von dem
uttergespenst überboten, bekam die Sage vom Nodeusteiner unter dem Einfluß des
n den Befreiungskriegen erwachten nationalen Bewußtseins eine neue Gestalt.
Diesem Bewußtsein war es sympathisch, daß sich der Ritter bei ausbrechendem Kriege
s ^ "is Herold zu Krieg und zu Frieden ans, um seine patriotische
Pflicht zu erfülle». Als „Deutschlands Wächter" feiert den Rodensteiuer mit prächtigem
'ynschem Schwunge der bekannte Wolfgnng Müller von Königswinter,

c , der Rvdensteiner wird sogar zum Vertreter und Vorkämpfer des patriotisch-
srecheitlichen Gedankens. Am deutlichsten und bezeichnendsten tritt dies hervor in
R^l r^ Lorentzen mut erstenmal gedruckten) Gedichte des achtzehnjährigen Gießener
Burschen Wilhelm Baur, des spätern Hofpredigers Kaiser Wilhelms des Ersten,
Jahre 1844-

Der Burggeist Ich liege tief in dunkeln Nächten,
Umgraut von allein Ritterruhm,
Bis mich emporruft zu Gefechten
Der Deutschen Freiheit Heiligtum.
So schließ auch deine heißen Triebe,
O deutsche Jugend, in das Herz.
Am stärksten ist die stille Liebe,
Am süßesten der Sehnsucht Schmerz.
Doch wenn der Knechtschaft Jünger siegen,
Dann breche durch der grimme Zorn,
Dann lasse seine Blitze fliegen
Der wilden Rache Flammenborn.
Dann rauhes ich auf aus meinen Gründen
Mit Schlachtenruf und Kriegsgeschrei,
Bis rings die Berge sich entzünden
Und rufen: „Deutschland, du bist frei!"

R d trüben Jahre 1848 hat noch mancher Besucher der Ruine
ensteiu seine patriotische Sehnsucht oder seine patriotische Trauer dem ritterlichen
Achter Deutschlands anvertraut.

b >5N dieser nationalen Richtung der Rodensteinsage bewegt sich auch das all-
baMs^ ^ Scheffels: „Es regt sich was im Odenwald, und durch die Wipfel
,,"us und schallt: Der Rodenstein geht um!" Es ist das Verdienst Lorentzens,

o vull«hö^"^' ^ Lorentzen überzeugend nachweist, ein ernstes nationales
zwischen Scheffel hat es gedichtet im Frühjahr 1859. als der Krieg
dem 5se i?-?^ ""d Italien-Frankreich ausbrach. Damals erwartete man in
Politik 1^ '^ ""^ großdentsch gesinnten Süddeutschland eine energische Kriegs-
p°rsichtin ""^ ^ Führung Preußens. Aber Preußen hielt sich
Jene ^/Med-t" »nährend der Feind von der andern Seite des Rheins her drohte.
^ Se versteh» ,vir die Worte:

^berstellt macht sich auf, weil ihm der Wind vom Rhein nicht gefällt.


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[0625] Maßgebliches und Unmaßgebliches ruhten/- Sie starben 1671 eins. Der letzte Ritter ließ die Burg seiner Väter noch bei Lebzeiten jämmerlich verfallen. Gewiß bilden es sich die Herren von Roden- lein nie träumen lassen, daß sie noch zu einer geisterhaften Weltberühmtheit ge- ^ngen sollten. Keiner von ihnen ist bekannt, der nach seinen Schicksalen das Los eines ruhelosen Geistes verdient hätte. in,,, Wahrend sich die romantischen Dichterlinge in den Schauergeschichten von dem uttergespenst überboten, bekam die Sage vom Nodeusteiner unter dem Einfluß des n den Befreiungskriegen erwachten nationalen Bewußtseins eine neue Gestalt. Diesem Bewußtsein war es sympathisch, daß sich der Ritter bei ausbrechendem Kriege s ^ "is Herold zu Krieg und zu Frieden ans, um seine patriotische Pflicht zu erfülle». Als „Deutschlands Wächter" feiert den Rodensteiuer mit prächtigem 'ynschem Schwunge der bekannte Wolfgnng Müller von Königswinter, c , der Rvdensteiner wird sogar zum Vertreter und Vorkämpfer des patriotisch- srecheitlichen Gedankens. Am deutlichsten und bezeichnendsten tritt dies hervor in R^l r^ Lorentzen mut erstenmal gedruckten) Gedichte des achtzehnjährigen Gießener Burschen Wilhelm Baur, des spätern Hofpredigers Kaiser Wilhelms des Ersten, Jahre 1844- Der Burggeist Ich liege tief in dunkeln Nächten, Umgraut von allein Ritterruhm, Bis mich emporruft zu Gefechten Der Deutschen Freiheit Heiligtum. So schließ auch deine heißen Triebe, O deutsche Jugend, in das Herz. Am stärksten ist die stille Liebe, Am süßesten der Sehnsucht Schmerz. Doch wenn der Knechtschaft Jünger siegen, Dann breche durch der grimme Zorn, Dann lasse seine Blitze fliegen Der wilden Rache Flammenborn. Dann rauhes ich auf aus meinen Gründen Mit Schlachtenruf und Kriegsgeschrei, Bis rings die Berge sich entzünden Und rufen: „Deutschland, du bist frei!" R d trüben Jahre 1848 hat noch mancher Besucher der Ruine ensteiu seine patriotische Sehnsucht oder seine patriotische Trauer dem ritterlichen Achter Deutschlands anvertraut. b >5N dieser nationalen Richtung der Rodensteinsage bewegt sich auch das all- baMs^ ^ Scheffels: „Es regt sich was im Odenwald, und durch die Wipfel ,,"us und schallt: Der Rodenstein geht um!" Es ist das Verdienst Lorentzens, o vull«hö^"^' ^ Lorentzen überzeugend nachweist, ein ernstes nationales zwischen Scheffel hat es gedichtet im Frühjahr 1859. als der Krieg dem 5se i?-?^ ""d Italien-Frankreich ausbrach. Damals erwartete man in Politik 1^ '^ ""^ großdentsch gesinnten Süddeutschland eine energische Kriegs- p°rsichtin ""^ ^ Führung Preußens. Aber Preußen hielt sich Jene ^/Med-t" »nährend der Feind von der andern Seite des Rheins her drohte. ^ Se versteh» ,vir die Worte: ^berstellt macht sich auf, weil ihm der Wind vom Rhein nicht gefällt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/625>, abgerufen am 23.07.2024.