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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Roon
Zu seinem hundertsten Geburtstage
(Schluß)

s liegt nahe, beiß Novus Vorschlag Wege" der sechs Bataillone
starken Regimenter den Beifall des Regenten nicht fand, so sehr
er auch allein andern zustimmen mochte. Kein Regiments¬
kommandeur hätte die einheitliche Ausbildung eines über 5000
Mann starken Regiments leiten, noch ein Offizierkorps von
112 Köpfen, darunter 80 Leutnants, heranbilden und erziehn können. Ge¬
spart wurden bei diesem Modus nur die Negimentsstübe, die im Augenblick
der Mobilmachung neu gebildet werden sollten; diese Ersparnis fiel gegenüber
den großen Nachteilen nur unbedeutend ins Gewicht, Viel richtiger war es, von
vornherein aus den drei Doppelbataillouen zwei Regimenter zu machen. Auch
die DislokativnSfrage hätte Schwierigkeiten verursacht, da für so starke Bataillone
eines Regiments in den kleinen Städten die Unterkunft nicht leicht zu bewerk¬
stelligen gewesen wäre. Aber es handelte sich ja mich nur um einen ersten
Entwurf, bei dem ohnehin die äußersten Spnrsamkeitsrücksichten maßgebend
gewesen waren, und der bei der weitern Entwicklung des Reorganisativus-
prvjekts in einigen Punkten wesentlich ausgedehnt wurde. Die nächste" Be¬
sprechungen zwischen dein Prinzen und Roon fanden im September bei den
großen Herbstübungen um Liegnitz statt. Im Oktober übernahm der Prinz
von Preußen an Stelle der bis dahin von drei zu drei Monaten verlängerten
Stellvertretung des Königs die Regentschaft "mit der alleinigen Verantwort¬
lichkeit gegen Gott." Es wurde ein neues Ministerium gebildet, an dessen
Spitze der Fürst Hohenzollern trat. General von Vorm, der schon einmal
Kriegsminister gewesen und seinerzeit mit dem Prinzen zusammen in Ungnade
gefallen war, trat wieder an die Spitze dieses Ressorts. In der Ansprache,
die der Regent am 8, November um das neue Ministerium richtete, nud die
er vom Aufang bis zum Schluß eigeuhüudig niedergeschrieben hatte, wurde die
Notwendigkeit einer Armeereorgnuisation mit voller Bestimmtheit betont,
Novus Denkschrift hatte der Regent persönlich durchgearbeitet und dann zur
nähern Prüfung an das Kriegsministerium abgegeben. Der Kriegsminister
General von Bonin war jedoch von dein Projekt nicht sehr erbaut. War es
Unwille, daß ein außerhalb des Kriegsnnnisteriums stehender General die Sache
angefangen hatte, oder war es Rücksicht auf die liberalen Kollegen, die ihr
Regiment ungern mit einer großen Militärfordcruug begannen, kurzum, die
Sache wurde trotz des persönlichen Eingreifens des Regenten und trotz Novus
wiederholter Berufung nach Berlin auf die lange Bank geschoben. Alsdann




Roon
Zu seinem hundertsten Geburtstage
(Schluß)

s liegt nahe, beiß Novus Vorschlag Wege» der sechs Bataillone
starken Regimenter den Beifall des Regenten nicht fand, so sehr
er auch allein andern zustimmen mochte. Kein Regiments¬
kommandeur hätte die einheitliche Ausbildung eines über 5000
Mann starken Regiments leiten, noch ein Offizierkorps von
112 Köpfen, darunter 80 Leutnants, heranbilden und erziehn können. Ge¬
spart wurden bei diesem Modus nur die Negimentsstübe, die im Augenblick
der Mobilmachung neu gebildet werden sollten; diese Ersparnis fiel gegenüber
den großen Nachteilen nur unbedeutend ins Gewicht, Viel richtiger war es, von
vornherein aus den drei Doppelbataillouen zwei Regimenter zu machen. Auch
die DislokativnSfrage hätte Schwierigkeiten verursacht, da für so starke Bataillone
eines Regiments in den kleinen Städten die Unterkunft nicht leicht zu bewerk¬
stelligen gewesen wäre. Aber es handelte sich ja mich nur um einen ersten
Entwurf, bei dem ohnehin die äußersten Spnrsamkeitsrücksichten maßgebend
gewesen waren, und der bei der weitern Entwicklung des Reorganisativus-
prvjekts in einigen Punkten wesentlich ausgedehnt wurde. Die nächste» Be¬
sprechungen zwischen dein Prinzen und Roon fanden im September bei den
großen Herbstübungen um Liegnitz statt. Im Oktober übernahm der Prinz
von Preußen an Stelle der bis dahin von drei zu drei Monaten verlängerten
Stellvertretung des Königs die Regentschaft „mit der alleinigen Verantwort¬
lichkeit gegen Gott." Es wurde ein neues Ministerium gebildet, an dessen
Spitze der Fürst Hohenzollern trat. General von Vorm, der schon einmal
Kriegsminister gewesen und seinerzeit mit dem Prinzen zusammen in Ungnade
gefallen war, trat wieder an die Spitze dieses Ressorts. In der Ansprache,
die der Regent am 8, November um das neue Ministerium richtete, nud die
er vom Aufang bis zum Schluß eigeuhüudig niedergeschrieben hatte, wurde die
Notwendigkeit einer Armeereorgnuisation mit voller Bestimmtheit betont,
Novus Denkschrift hatte der Regent persönlich durchgearbeitet und dann zur
nähern Prüfung an das Kriegsministerium abgegeben. Der Kriegsminister
General von Bonin war jedoch von dein Projekt nicht sehr erbaut. War es
Unwille, daß ein außerhalb des Kriegsnnnisteriums stehender General die Sache
angefangen hatte, oder war es Rücksicht auf die liberalen Kollegen, die ihr
Regiment ungern mit einer großen Militärfordcruug begannen, kurzum, die
Sache wurde trotz des persönlichen Eingreifens des Regenten und trotz Novus
wiederholter Berufung nach Berlin auf die lange Bank geschoben. Alsdann


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[0390] [Abbildung] Roon Zu seinem hundertsten Geburtstage (Schluß) s liegt nahe, beiß Novus Vorschlag Wege» der sechs Bataillone starken Regimenter den Beifall des Regenten nicht fand, so sehr er auch allein andern zustimmen mochte. Kein Regiments¬ kommandeur hätte die einheitliche Ausbildung eines über 5000 Mann starken Regiments leiten, noch ein Offizierkorps von 112 Köpfen, darunter 80 Leutnants, heranbilden und erziehn können. Ge¬ spart wurden bei diesem Modus nur die Negimentsstübe, die im Augenblick der Mobilmachung neu gebildet werden sollten; diese Ersparnis fiel gegenüber den großen Nachteilen nur unbedeutend ins Gewicht, Viel richtiger war es, von vornherein aus den drei Doppelbataillouen zwei Regimenter zu machen. Auch die DislokativnSfrage hätte Schwierigkeiten verursacht, da für so starke Bataillone eines Regiments in den kleinen Städten die Unterkunft nicht leicht zu bewerk¬ stelligen gewesen wäre. Aber es handelte sich ja mich nur um einen ersten Entwurf, bei dem ohnehin die äußersten Spnrsamkeitsrücksichten maßgebend gewesen waren, und der bei der weitern Entwicklung des Reorganisativus- prvjekts in einigen Punkten wesentlich ausgedehnt wurde. Die nächste» Be¬ sprechungen zwischen dein Prinzen und Roon fanden im September bei den großen Herbstübungen um Liegnitz statt. Im Oktober übernahm der Prinz von Preußen an Stelle der bis dahin von drei zu drei Monaten verlängerten Stellvertretung des Königs die Regentschaft „mit der alleinigen Verantwort¬ lichkeit gegen Gott." Es wurde ein neues Ministerium gebildet, an dessen Spitze der Fürst Hohenzollern trat. General von Vorm, der schon einmal Kriegsminister gewesen und seinerzeit mit dem Prinzen zusammen in Ungnade gefallen war, trat wieder an die Spitze dieses Ressorts. In der Ansprache, die der Regent am 8, November um das neue Ministerium richtete, nud die er vom Aufang bis zum Schluß eigeuhüudig niedergeschrieben hatte, wurde die Notwendigkeit einer Armeereorgnuisation mit voller Bestimmtheit betont, Novus Denkschrift hatte der Regent persönlich durchgearbeitet und dann zur nähern Prüfung an das Kriegsministerium abgegeben. Der Kriegsminister General von Bonin war jedoch von dein Projekt nicht sehr erbaut. War es Unwille, daß ein außerhalb des Kriegsnnnisteriums stehender General die Sache angefangen hatte, oder war es Rücksicht auf die liberalen Kollegen, die ihr Regiment ungern mit einer großen Militärfordcruug begannen, kurzum, die Sache wurde trotz des persönlichen Eingreifens des Regenten und trotz Novus wiederholter Berufung nach Berlin auf die lange Bank geschoben. Alsdann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/390>, abgerufen am 26.08.2024.