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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Dein Wort soll uns genügen

Besucher. Wie lebendig sich diese im Herzen des deutschen Volks erhalten
hat, beweist an besten die Tatsache, daß der Hohenstaufen weitaus der be¬
suchteste Punkt von den Bergen der Alb ist. Bilder voll stolzer Freude, aber
auch voll Wehmut sind es. die hier vor unserm geistigen Auge vorüberziehn.
An die Hohenstaufen. das letzte große Königshaus des Mittelalters. an die
hohen Gestalten Barbarossas und des zweiten Friedrichs knüpft sich für uns
Deutsche die Erinnerung an die alte hehre Kaisergewnlt. wo der Herrscher ni
Deutschland auch der Gebieter des Abendlandes und der Schirmherr der Christen¬
heit war. Man hat den Hohenstaufen wohl ihre Herrschastsbcstrebungen über
Italien zum Vorwurf gemacht und darin den Grund ihres Untergangs suchen
wollen; doch urteilt die Geschichte jetzt richtiger: die Herrschaft über Italien
gehörte nach den Anschauungen dieser Zeit notwendig zum Begriff des abend¬
ländischen Kaisertums und war ein Grund und eine Bedingung seiner Starke.
Wenn man nach einem Verschulden der Hohenstaufen forschen will, so wird
man es eher darin finden müssen, daß sie über dem größern Herrschaftsbereiche
das engere Vaterland, wo doch die Wurzeln ihrer Kraft lagen, vernachlässigt
und es versäumt haben. ihm ein festes nationales Gefüge zu geben; und daß
sie auch selbst ihr deutsches Wesen verändert haben. Darin liegt das tragische
Geschick der Hohenstaufen. wie so vieler deutscher Stämme und gerade der
kräftigsten, wie der Goten. Wandalen usw., daß der lachende Süden mit
seinen leichtern Lebensbedingungen und freudigerm Lebensgenusse sie lockte und
dann festhielt, aber allmählich ihr Wesen zerstörte. So ist es geschehn, daß
sie in der Weltgeschichte verschwinden, während die Geschlechter und Stamme,
die sich nach Norden wenden, in ihrer Art beharren und sich an der salzigen
Luft des nordischen Meeres, um stetiger, schwerer Arbeit abhärten und stählen.
Diese nordischen Deutschen sind es, die dort die alten ursprünglichen Wohnsitze
der deutschen Nation zurückgewonnen haben; von ihnen ist auch später der
Sturz des übermächtigen Korsen und die Wiedergeburt Deutschlands aus¬
gegangen. Durch ein schwäbisches Geschlecht im deutschen Norden ist deun
auch die alte Kaiscrgewalt dem Vaterlande wiedergewonnen; und damit gehn
unsre Gedanken von selbst zu dem andern Kaiscrberg der Schwäbischen Alb.
zum Hohenzollern. Schluß folgt)




Dein Wort soll uns genügen

ochenschriften können die Flut der Tagesgespräche vorüberrauschen
lassen, und dn der Kummer, der über das sächsische Königs¬
haus und das sächsische Volk gekommen war. auch durch die
aufrichtigsten Beileidsbezeigungen der Presse kaum gemildert
werden konnte, so war Schweigen um so mehr am Platz, je
größern Wert man darauf legte, sich nicht den Anschein zu geben, als habe
man irgend welche Berechtigung, da zu richten, wo man weder zuständig noch
unterrichtet war.


Dein Wort soll uns genügen

Besucher. Wie lebendig sich diese im Herzen des deutschen Volks erhalten
hat, beweist an besten die Tatsache, daß der Hohenstaufen weitaus der be¬
suchteste Punkt von den Bergen der Alb ist. Bilder voll stolzer Freude, aber
auch voll Wehmut sind es. die hier vor unserm geistigen Auge vorüberziehn.
An die Hohenstaufen. das letzte große Königshaus des Mittelalters. an die
hohen Gestalten Barbarossas und des zweiten Friedrichs knüpft sich für uns
Deutsche die Erinnerung an die alte hehre Kaisergewnlt. wo der Herrscher ni
Deutschland auch der Gebieter des Abendlandes und der Schirmherr der Christen¬
heit war. Man hat den Hohenstaufen wohl ihre Herrschastsbcstrebungen über
Italien zum Vorwurf gemacht und darin den Grund ihres Untergangs suchen
wollen; doch urteilt die Geschichte jetzt richtiger: die Herrschaft über Italien
gehörte nach den Anschauungen dieser Zeit notwendig zum Begriff des abend¬
ländischen Kaisertums und war ein Grund und eine Bedingung seiner Starke.
Wenn man nach einem Verschulden der Hohenstaufen forschen will, so wird
man es eher darin finden müssen, daß sie über dem größern Herrschaftsbereiche
das engere Vaterland, wo doch die Wurzeln ihrer Kraft lagen, vernachlässigt
und es versäumt haben. ihm ein festes nationales Gefüge zu geben; und daß
sie auch selbst ihr deutsches Wesen verändert haben. Darin liegt das tragische
Geschick der Hohenstaufen. wie so vieler deutscher Stämme und gerade der
kräftigsten, wie der Goten. Wandalen usw., daß der lachende Süden mit
seinen leichtern Lebensbedingungen und freudigerm Lebensgenusse sie lockte und
dann festhielt, aber allmählich ihr Wesen zerstörte. So ist es geschehn, daß
sie in der Weltgeschichte verschwinden, während die Geschlechter und Stamme,
die sich nach Norden wenden, in ihrer Art beharren und sich an der salzigen
Luft des nordischen Meeres, um stetiger, schwerer Arbeit abhärten und stählen.
Diese nordischen Deutschen sind es, die dort die alten ursprünglichen Wohnsitze
der deutschen Nation zurückgewonnen haben; von ihnen ist auch später der
Sturz des übermächtigen Korsen und die Wiedergeburt Deutschlands aus¬
gegangen. Durch ein schwäbisches Geschlecht im deutschen Norden ist deun
auch die alte Kaiscrgewalt dem Vaterlande wiedergewonnen; und damit gehn
unsre Gedanken von selbst zu dem andern Kaiscrberg der Schwäbischen Alb.
zum Hohenzollern. Schluß folgt)




Dein Wort soll uns genügen

ochenschriften können die Flut der Tagesgespräche vorüberrauschen
lassen, und dn der Kummer, der über das sächsische Königs¬
haus und das sächsische Volk gekommen war. auch durch die
aufrichtigsten Beileidsbezeigungen der Presse kaum gemildert
werden konnte, so war Schweigen um so mehr am Platz, je
größern Wert man darauf legte, sich nicht den Anschein zu geben, als habe
man irgend welche Berechtigung, da zu richten, wo man weder zuständig noch
unterrichtet war.


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[0037] Dein Wort soll uns genügen Besucher. Wie lebendig sich diese im Herzen des deutschen Volks erhalten hat, beweist an besten die Tatsache, daß der Hohenstaufen weitaus der be¬ suchteste Punkt von den Bergen der Alb ist. Bilder voll stolzer Freude, aber auch voll Wehmut sind es. die hier vor unserm geistigen Auge vorüberziehn. An die Hohenstaufen. das letzte große Königshaus des Mittelalters. an die hohen Gestalten Barbarossas und des zweiten Friedrichs knüpft sich für uns Deutsche die Erinnerung an die alte hehre Kaisergewnlt. wo der Herrscher ni Deutschland auch der Gebieter des Abendlandes und der Schirmherr der Christen¬ heit war. Man hat den Hohenstaufen wohl ihre Herrschastsbcstrebungen über Italien zum Vorwurf gemacht und darin den Grund ihres Untergangs suchen wollen; doch urteilt die Geschichte jetzt richtiger: die Herrschaft über Italien gehörte nach den Anschauungen dieser Zeit notwendig zum Begriff des abend¬ ländischen Kaisertums und war ein Grund und eine Bedingung seiner Starke. Wenn man nach einem Verschulden der Hohenstaufen forschen will, so wird man es eher darin finden müssen, daß sie über dem größern Herrschaftsbereiche das engere Vaterland, wo doch die Wurzeln ihrer Kraft lagen, vernachlässigt und es versäumt haben. ihm ein festes nationales Gefüge zu geben; und daß sie auch selbst ihr deutsches Wesen verändert haben. Darin liegt das tragische Geschick der Hohenstaufen. wie so vieler deutscher Stämme und gerade der kräftigsten, wie der Goten. Wandalen usw., daß der lachende Süden mit seinen leichtern Lebensbedingungen und freudigerm Lebensgenusse sie lockte und dann festhielt, aber allmählich ihr Wesen zerstörte. So ist es geschehn, daß sie in der Weltgeschichte verschwinden, während die Geschlechter und Stamme, die sich nach Norden wenden, in ihrer Art beharren und sich an der salzigen Luft des nordischen Meeres, um stetiger, schwerer Arbeit abhärten und stählen. Diese nordischen Deutschen sind es, die dort die alten ursprünglichen Wohnsitze der deutschen Nation zurückgewonnen haben; von ihnen ist auch später der Sturz des übermächtigen Korsen und die Wiedergeburt Deutschlands aus¬ gegangen. Durch ein schwäbisches Geschlecht im deutschen Norden ist deun auch die alte Kaiscrgewalt dem Vaterlande wiedergewonnen; und damit gehn unsre Gedanken von selbst zu dem andern Kaiscrberg der Schwäbischen Alb. zum Hohenzollern. Schluß folgt) Dein Wort soll uns genügen ochenschriften können die Flut der Tagesgespräche vorüberrauschen lassen, und dn der Kummer, der über das sächsische Königs¬ haus und das sächsische Volk gekommen war. auch durch die aufrichtigsten Beileidsbezeigungen der Presse kaum gemildert werden konnte, so war Schweigen um so mehr am Platz, je größern Wert man darauf legte, sich nicht den Anschein zu geben, als habe man irgend welche Berechtigung, da zu richten, wo man weder zuständig noch unterrichtet war.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/37>, abgerufen am 24.07.2024.