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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Im Lazarett

zu esse"; wir nehmen viel weniger Nahrung zu uns als die Deutschen, wir sind
eben deshalb weniger widerstandsfähig, wir heizen weniger ein und leiden schon
darum mehr von der Kälte. Die Frende der Deutschen um ihren brodelnden Töpfen
voll Reis oder Kartoffeln mit einem Stück magern Hammel- oder Knhsleisches darin
hat dazu beigetragen, das; sie andre Bequemlichkeiten nicht vermißten. Die einen
tranken den gauzeu Tag Wein, andre, die leinen Wein hatten, sehr viel dünnen
Kaffee: stark oder schwach, warm oder kalt; diese Genüsse steigerten ihr Behagen.

Der Winter blieb kalt, das Land lag tief im Schnee, und wir machten unsre
Märsche oft wochenlang Tag für Tag. Wie müde, wie müde wird der Mensch,
der tagtäglich in demselben Schnee seine schmutzige Spur dahinzieht! Müde schon
vom Hineinsehen in diese blendende, einförmige Landschaft, müde vom mühseligen
Gehen, mehr Gleiten als Marschieren, müde von dem immer sich wiederholenden
Auseinanderreißen der Kolonnen, dem Zurückbleiben, dem Schelten der Unter¬
offiziere, die vergeblich antreiben. Man schließt die Augen, man fühlt nur noch
die Richtung an den Nebenmännern, oder wenn der Vordermann, dem man uns
die Ferse tritt, zurückfahren. Wahrlich, es war eine Wohltat, wenn man sich, wo
es bergauf ging, dann und wann in ein Kcmvnenrad legte und fortschieben half;
der Körper gewann eine Stütze, und es gab Abwechslung. Es war, als ob wir
mit jedem Marschtage schwerer würden. Das kam davon, daß wir, uns selbst
überlassen, immer mehr zusammensanken, daß keine feste Hand uns hob und fort¬
zog. Die Kompagnien, die noch einen tüchtigen Sergeanten hatten, hielten besser
zusammen. Bourbaki soll gesagt habe": Ich habe hunderttausend Mann und keinen
Soldaten; Chauzy konnte nahezu dasselbe sagen. Es wurde" uus Tagesbefehle
verlese", wori" er uns euch deutsche Soloateu zum Vorbild hinstellte. Die Stra¬
pazen, die ihr ertrüget, müßten Franzosen auch zu ertragen wissen. Wir sagten
unter uns: Ihre dicken Stiefel, ihre langen Mäntel, ihre warmen Uniformen, sogar
die Wollkapnzen, die viele von ihnen tragen, die erklären viel.

Im Lager bei Le Mans bildete damals ein aller Seemann, der Admiral
Jaures. das 21. Korps. Zu diesem stießen wir. Ich weiß nicht, war es das
Beispiel von Truppen, die schon besser geübt waren, war es der Eifer, der sich
von oben herab in unsre Führer ergoß, oder vielleicht uur der trockne Boden
dieser Gegend, den dichtes Heidekraut bedeckte, wir lebten ans, die Mürrischen
wurden heitrer, die Widerspenstigen folgsamer, und da auch die Erinnerung an die
Heimat allmählich verblaßte, wurde in manchem mit der Zeit ein guter Wille heran¬
gezogen, zu gehorchen und zur Not in den Kampf zu gehn. Unser Kommandant
erhielt ein Regiment, und die Führung unsers Bataillons übernahm nun ein Haupt¬
mann, der früher Professor an einer Kriegsschule gewesen war. Vielleicht nannte
man ihn deshalb den Philosophen, vielleicht anch, weil er weniger als nichts von
militärischen Äußerlichkeiten hielt. Darin war er das Gegenteil von seinem Vor¬
gänger, der streug auf Ordnung im kleinsten gehalten hatte. Vielleicht wollte er
sich bei uns beliebt machen. Er sprach oft vor der Front von dem Fluch der
Eitelkeit, dem der Soldat verfalle, der in einer Zeit, wo alles auf deu Kern an¬
komme, seine Pflicht zu tun glaube, wenn nur alles blank sei. Das paßte nun
für uns gar nicht, denn wir litten eigentlich alle an dem Fehler, daß es bei uns
zu wenig glänzte. Ich will Soldaten befehligen, die den Feind schlagen, ob sie
Hosen anhaben, ist dann gleich. So machten wir denn Felddienstübungen von früh
bis spät und stürmten rasch ausgeworfne Schanzen, in denen wir, wenn wir sieg¬
reich oben ankamen, bis über die Kniee in deu Schlamm sanken.

Was uns anbetrifft, so hatte der neue Kommandant die idealsten Vorstellungen
von den Soldatenpflichten und äußerte in Reden vor dem Bataillon seine Frende
darüber, daß er berufen sei, gerade uns zu Helden zu erziehn, die sonst in der
Dumpfheit des bürgerlichen Daseins hingelebt hätten, ohne zu wissen, daß in jedem
Franzosen ein Held stecke. Für sich selbst stellte er dagegen fest, daß der Offizier
vom Bataillonskvmmandanten aufwärts, der sich gleich im Beginn des Angriffs an


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zu esse»; wir nehmen viel weniger Nahrung zu uns als die Deutschen, wir sind
eben deshalb weniger widerstandsfähig, wir heizen weniger ein und leiden schon
darum mehr von der Kälte. Die Frende der Deutschen um ihren brodelnden Töpfen
voll Reis oder Kartoffeln mit einem Stück magern Hammel- oder Knhsleisches darin
hat dazu beigetragen, das; sie andre Bequemlichkeiten nicht vermißten. Die einen
tranken den gauzeu Tag Wein, andre, die leinen Wein hatten, sehr viel dünnen
Kaffee: stark oder schwach, warm oder kalt; diese Genüsse steigerten ihr Behagen.

Der Winter blieb kalt, das Land lag tief im Schnee, und wir machten unsre
Märsche oft wochenlang Tag für Tag. Wie müde, wie müde wird der Mensch,
der tagtäglich in demselben Schnee seine schmutzige Spur dahinzieht! Müde schon
vom Hineinsehen in diese blendende, einförmige Landschaft, müde vom mühseligen
Gehen, mehr Gleiten als Marschieren, müde von dem immer sich wiederholenden
Auseinanderreißen der Kolonnen, dem Zurückbleiben, dem Schelten der Unter¬
offiziere, die vergeblich antreiben. Man schließt die Augen, man fühlt nur noch
die Richtung an den Nebenmännern, oder wenn der Vordermann, dem man uns
die Ferse tritt, zurückfahren. Wahrlich, es war eine Wohltat, wenn man sich, wo
es bergauf ging, dann und wann in ein Kcmvnenrad legte und fortschieben half;
der Körper gewann eine Stütze, und es gab Abwechslung. Es war, als ob wir
mit jedem Marschtage schwerer würden. Das kam davon, daß wir, uns selbst
überlassen, immer mehr zusammensanken, daß keine feste Hand uns hob und fort¬
zog. Die Kompagnien, die noch einen tüchtigen Sergeanten hatten, hielten besser
zusammen. Bourbaki soll gesagt habe«: Ich habe hunderttausend Mann und keinen
Soldaten; Chauzy konnte nahezu dasselbe sagen. Es wurde» uus Tagesbefehle
verlese», wori» er uns euch deutsche Soloateu zum Vorbild hinstellte. Die Stra¬
pazen, die ihr ertrüget, müßten Franzosen auch zu ertragen wissen. Wir sagten
unter uns: Ihre dicken Stiefel, ihre langen Mäntel, ihre warmen Uniformen, sogar
die Wollkapnzen, die viele von ihnen tragen, die erklären viel.

Im Lager bei Le Mans bildete damals ein aller Seemann, der Admiral
Jaures. das 21. Korps. Zu diesem stießen wir. Ich weiß nicht, war es das
Beispiel von Truppen, die schon besser geübt waren, war es der Eifer, der sich
von oben herab in unsre Führer ergoß, oder vielleicht uur der trockne Boden
dieser Gegend, den dichtes Heidekraut bedeckte, wir lebten ans, die Mürrischen
wurden heitrer, die Widerspenstigen folgsamer, und da auch die Erinnerung an die
Heimat allmählich verblaßte, wurde in manchem mit der Zeit ein guter Wille heran¬
gezogen, zu gehorchen und zur Not in den Kampf zu gehn. Unser Kommandant
erhielt ein Regiment, und die Führung unsers Bataillons übernahm nun ein Haupt¬
mann, der früher Professor an einer Kriegsschule gewesen war. Vielleicht nannte
man ihn deshalb den Philosophen, vielleicht anch, weil er weniger als nichts von
militärischen Äußerlichkeiten hielt. Darin war er das Gegenteil von seinem Vor¬
gänger, der streug auf Ordnung im kleinsten gehalten hatte. Vielleicht wollte er
sich bei uns beliebt machen. Er sprach oft vor der Front von dem Fluch der
Eitelkeit, dem der Soldat verfalle, der in einer Zeit, wo alles auf deu Kern an¬
komme, seine Pflicht zu tun glaube, wenn nur alles blank sei. Das paßte nun
für uns gar nicht, denn wir litten eigentlich alle an dem Fehler, daß es bei uns
zu wenig glänzte. Ich will Soldaten befehligen, die den Feind schlagen, ob sie
Hosen anhaben, ist dann gleich. So machten wir denn Felddienstübungen von früh
bis spät und stürmten rasch ausgeworfne Schanzen, in denen wir, wenn wir sieg¬
reich oben ankamen, bis über die Kniee in deu Schlamm sanken.

Was uns anbetrifft, so hatte der neue Kommandant die idealsten Vorstellungen
von den Soldatenpflichten und äußerte in Reden vor dem Bataillon seine Frende
darüber, daß er berufen sei, gerade uns zu Helden zu erziehn, die sonst in der
Dumpfheit des bürgerlichen Daseins hingelebt hätten, ohne zu wissen, daß in jedem
Franzosen ein Held stecke. Für sich selbst stellte er dagegen fest, daß der Offizier
vom Bataillonskvmmandanten aufwärts, der sich gleich im Beginn des Angriffs an


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[0288] Im Lazarett zu esse»; wir nehmen viel weniger Nahrung zu uns als die Deutschen, wir sind eben deshalb weniger widerstandsfähig, wir heizen weniger ein und leiden schon darum mehr von der Kälte. Die Frende der Deutschen um ihren brodelnden Töpfen voll Reis oder Kartoffeln mit einem Stück magern Hammel- oder Knhsleisches darin hat dazu beigetragen, das; sie andre Bequemlichkeiten nicht vermißten. Die einen tranken den gauzeu Tag Wein, andre, die leinen Wein hatten, sehr viel dünnen Kaffee: stark oder schwach, warm oder kalt; diese Genüsse steigerten ihr Behagen. Der Winter blieb kalt, das Land lag tief im Schnee, und wir machten unsre Märsche oft wochenlang Tag für Tag. Wie müde, wie müde wird der Mensch, der tagtäglich in demselben Schnee seine schmutzige Spur dahinzieht! Müde schon vom Hineinsehen in diese blendende, einförmige Landschaft, müde vom mühseligen Gehen, mehr Gleiten als Marschieren, müde von dem immer sich wiederholenden Auseinanderreißen der Kolonnen, dem Zurückbleiben, dem Schelten der Unter¬ offiziere, die vergeblich antreiben. Man schließt die Augen, man fühlt nur noch die Richtung an den Nebenmännern, oder wenn der Vordermann, dem man uns die Ferse tritt, zurückfahren. Wahrlich, es war eine Wohltat, wenn man sich, wo es bergauf ging, dann und wann in ein Kcmvnenrad legte und fortschieben half; der Körper gewann eine Stütze, und es gab Abwechslung. Es war, als ob wir mit jedem Marschtage schwerer würden. Das kam davon, daß wir, uns selbst überlassen, immer mehr zusammensanken, daß keine feste Hand uns hob und fort¬ zog. Die Kompagnien, die noch einen tüchtigen Sergeanten hatten, hielten besser zusammen. Bourbaki soll gesagt habe«: Ich habe hunderttausend Mann und keinen Soldaten; Chauzy konnte nahezu dasselbe sagen. Es wurde» uus Tagesbefehle verlese», wori» er uns euch deutsche Soloateu zum Vorbild hinstellte. Die Stra¬ pazen, die ihr ertrüget, müßten Franzosen auch zu ertragen wissen. Wir sagten unter uns: Ihre dicken Stiefel, ihre langen Mäntel, ihre warmen Uniformen, sogar die Wollkapnzen, die viele von ihnen tragen, die erklären viel. Im Lager bei Le Mans bildete damals ein aller Seemann, der Admiral Jaures. das 21. Korps. Zu diesem stießen wir. Ich weiß nicht, war es das Beispiel von Truppen, die schon besser geübt waren, war es der Eifer, der sich von oben herab in unsre Führer ergoß, oder vielleicht uur der trockne Boden dieser Gegend, den dichtes Heidekraut bedeckte, wir lebten ans, die Mürrischen wurden heitrer, die Widerspenstigen folgsamer, und da auch die Erinnerung an die Heimat allmählich verblaßte, wurde in manchem mit der Zeit ein guter Wille heran¬ gezogen, zu gehorchen und zur Not in den Kampf zu gehn. Unser Kommandant erhielt ein Regiment, und die Führung unsers Bataillons übernahm nun ein Haupt¬ mann, der früher Professor an einer Kriegsschule gewesen war. Vielleicht nannte man ihn deshalb den Philosophen, vielleicht anch, weil er weniger als nichts von militärischen Äußerlichkeiten hielt. Darin war er das Gegenteil von seinem Vor¬ gänger, der streug auf Ordnung im kleinsten gehalten hatte. Vielleicht wollte er sich bei uns beliebt machen. Er sprach oft vor der Front von dem Fluch der Eitelkeit, dem der Soldat verfalle, der in einer Zeit, wo alles auf deu Kern an¬ komme, seine Pflicht zu tun glaube, wenn nur alles blank sei. Das paßte nun für uns gar nicht, denn wir litten eigentlich alle an dem Fehler, daß es bei uns zu wenig glänzte. Ich will Soldaten befehligen, die den Feind schlagen, ob sie Hosen anhaben, ist dann gleich. So machten wir denn Felddienstübungen von früh bis spät und stürmten rasch ausgeworfne Schanzen, in denen wir, wenn wir sieg¬ reich oben ankamen, bis über die Kniee in deu Schlamm sanken. Was uns anbetrifft, so hatte der neue Kommandant die idealsten Vorstellungen von den Soldatenpflichten und äußerte in Reden vor dem Bataillon seine Frende darüber, daß er berufen sei, gerade uns zu Helden zu erziehn, die sonst in der Dumpfheit des bürgerlichen Daseins hingelebt hätten, ohne zu wissen, daß in jedem Franzosen ein Held stecke. Für sich selbst stellte er dagegen fest, daß der Offizier vom Bataillonskvmmandanten aufwärts, der sich gleich im Beginn des Angriffs an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/288>, abgerufen am 28.08.2024.