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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Aantoreigesellschaft zu Vschatz

die Kantorei abgeführt. Daneben erhielt sie von manchen Hochzeitswirten
reiche Bierspendcn. Für ihre Verrichtungen bei Figuralbegräbnissen bezog die
Kantorei seit 1557 sechs Groschen. - - Eine höchst ergiebige Einnahmequelle
waren ferner die Geldgeschenke, die durchreisende "Herrschaften und Fürsten"
der Kantorei als Vergütung für ein dargebrachtes Ständchen verehrten. So
erhielt die Gesellschaft 1597 vier Gulden vom Könige von Dänemark und
zehn Taler von Herzog Johann Friedrich Wilhelm. Laut Rechnungsbericht
von 1631/32 bekam sie "von ihrer königlichen Majestät aus Schweden" zwei
Gulden sechs Groschen für ein Ständchen -- ein Beweis dafür, das; auch in
deu Wirren des Dreißigjährigen Krieges der Sangeseifer der Oschccher Kontoristen
nicht erlosch. Die genannten Beträge wurden zur Hälfte an die Sänger, zur
Hälfte an den Kantor verteilt. Die Akten des Jahres 1544 berichten von
einem an den Herzog Heinrich gerichteten Bittschreiben der Kantorei, "sie mit
einem ziemlichen Einkommen von einer Kloster- oder Kirchenstelle zu begnadigen,
sowie Kurfürst Johann zu Torgau getan habe." Von einer Erfüllung dieser
Bitte durch den Kurfürsten lesen wir jedoch nirgends etwas. -.....Eine nicht un¬
wesentliche Einnahmequelle waren die Eintrittsgebühren. Wer Mitglied der
Kantorei werden wollte, mußte einen Beitrag an die Gesellschaft bezahlen, den
man bei guten Sängern auf zwölf Groschen festsetzte, den man jedoch den
Jnstrumentisteu ganz erließ. Die sonstigen in den Rechnungsbüchern erwähnten
Eintrittsgelder schwanken zwischen einem und zwölf Talern. Frei von Zahlung
einer Eintrittsgebühr machte man sich durch Schenkung eines oder einiger
Fässer Bier, einiger Klafter Holz, durch Ausrichtung eines Frühstücks oder
eiues größern Mahles -- Leistungen, durch die sich besonders die reichern
Bürger der Stadt die Mitgliedschaft erwarben. Die Aufnahme geschah meist
nach Abschluß der Rechnungsablegung oder beim "Konvivium," dem Festmahl,
das sich an die Rechnungsablage anschloß. Die Aufzunehmenden mußten "mit
Hand und Mund" geloben, fleißig mit Musik aufzuwarten.
-

Den irmimW -- jüngern Mitgliedern der Gesellschaft -- lag außer den
musikalischen Verpflichtungen die Aufgabe ob, bei Begräbnissen von Kantorei¬
mitgliedern und deren Familienangehörigen die Leiche nach dein Gottesacker
zu tragen. Wer von dieser Dienstleistung entbunden sein wollte, mußte beim
Eintritt in die Kantorei eine besondre Geldsumme hierfür entrichten. Zur Be¬
gleitung der Leiche waren jedoch sämtliche Mitglieder verpflichtet.

Die bei der Bestattungsfeier gebrauchten schwarzen und weißen Leichen¬
tücher, Trauermäntel, Trauerhüte, das Kruzifix und andres waren Eigentum
der Gesellschaft. Diese Bestattungsreqnisitcn, auch "Trnnerhabit" genannt,
scheinen ziemlich prunkvoll gewesen zu sein. Sie wurden gegen ein Entgelt
auch zu Beerdigungen von Nichtkcmtoristen ausgeliehen. Sogar in die um¬
liegenden kleinern Orte, wie Riesa, Dahler, Strehlen, Alt-Mügeln, wo man
offenbar nicht über solche Begräbnisuteusilieu verfügte, wurden sie nach den
Aktenberichten des siebzehnten Jahrhunderts oft verliehen.

Werfen wir, nachdem wir die Hauptzwecke und die materiellen Anhaltspunkte
der Gesellschaft kurz beleuchtet haben, einen Blick auf ihre musikalische Be¬
deutung während des sechzehnten und der ersten Hälfte des siebzehnten Jahr¬
hunderts. Ist auch das Bild, das uus die Akten hiervon entrollen, höchst
unvollkommen, so zeigt es doch, daß die Kantorei der geistlichen Figural-
musik ein offnes Herz und eine offne Hand entgegenbrachte. Bereitwillig
brachte sie jedes Opfer, das der freiwillig von ihr übernommene Kirchendienst
erheischte. Sie schuf sich aus eignen Mitteln allmählich einen für damalige
Verhältnisse reichhaltigen Notenbestand, der seit 1618 in einer Lade auf dem
Chöre verwahrt wurde. Über die Kompositionen, die im sechzehnten und im
Anfang des siebzehnten Jahrhunderts aufgeführt wurden, gibt ein Noten-
Verzeichnis ans dem Jahre 1643 Aufschluß, das hier Wiedergabe finden möge:


Aantoreigesellschaft zu Vschatz

die Kantorei abgeführt. Daneben erhielt sie von manchen Hochzeitswirten
reiche Bierspendcn. Für ihre Verrichtungen bei Figuralbegräbnissen bezog die
Kantorei seit 1557 sechs Groschen. - - Eine höchst ergiebige Einnahmequelle
waren ferner die Geldgeschenke, die durchreisende „Herrschaften und Fürsten"
der Kantorei als Vergütung für ein dargebrachtes Ständchen verehrten. So
erhielt die Gesellschaft 1597 vier Gulden vom Könige von Dänemark und
zehn Taler von Herzog Johann Friedrich Wilhelm. Laut Rechnungsbericht
von 1631/32 bekam sie „von ihrer königlichen Majestät aus Schweden" zwei
Gulden sechs Groschen für ein Ständchen — ein Beweis dafür, das; auch in
deu Wirren des Dreißigjährigen Krieges der Sangeseifer der Oschccher Kontoristen
nicht erlosch. Die genannten Beträge wurden zur Hälfte an die Sänger, zur
Hälfte an den Kantor verteilt. Die Akten des Jahres 1544 berichten von
einem an den Herzog Heinrich gerichteten Bittschreiben der Kantorei, „sie mit
einem ziemlichen Einkommen von einer Kloster- oder Kirchenstelle zu begnadigen,
sowie Kurfürst Johann zu Torgau getan habe." Von einer Erfüllung dieser
Bitte durch den Kurfürsten lesen wir jedoch nirgends etwas. -.....Eine nicht un¬
wesentliche Einnahmequelle waren die Eintrittsgebühren. Wer Mitglied der
Kantorei werden wollte, mußte einen Beitrag an die Gesellschaft bezahlen, den
man bei guten Sängern auf zwölf Groschen festsetzte, den man jedoch den
Jnstrumentisteu ganz erließ. Die sonstigen in den Rechnungsbüchern erwähnten
Eintrittsgelder schwanken zwischen einem und zwölf Talern. Frei von Zahlung
einer Eintrittsgebühr machte man sich durch Schenkung eines oder einiger
Fässer Bier, einiger Klafter Holz, durch Ausrichtung eines Frühstücks oder
eiues größern Mahles — Leistungen, durch die sich besonders die reichern
Bürger der Stadt die Mitgliedschaft erwarben. Die Aufnahme geschah meist
nach Abschluß der Rechnungsablegung oder beim „Konvivium," dem Festmahl,
das sich an die Rechnungsablage anschloß. Die Aufzunehmenden mußten „mit
Hand und Mund" geloben, fleißig mit Musik aufzuwarten.
-

Den irmimW — jüngern Mitgliedern der Gesellschaft — lag außer den
musikalischen Verpflichtungen die Aufgabe ob, bei Begräbnissen von Kantorei¬
mitgliedern und deren Familienangehörigen die Leiche nach dein Gottesacker
zu tragen. Wer von dieser Dienstleistung entbunden sein wollte, mußte beim
Eintritt in die Kantorei eine besondre Geldsumme hierfür entrichten. Zur Be¬
gleitung der Leiche waren jedoch sämtliche Mitglieder verpflichtet.

Die bei der Bestattungsfeier gebrauchten schwarzen und weißen Leichen¬
tücher, Trauermäntel, Trauerhüte, das Kruzifix und andres waren Eigentum
der Gesellschaft. Diese Bestattungsreqnisitcn, auch „Trnnerhabit" genannt,
scheinen ziemlich prunkvoll gewesen zu sein. Sie wurden gegen ein Entgelt
auch zu Beerdigungen von Nichtkcmtoristen ausgeliehen. Sogar in die um¬
liegenden kleinern Orte, wie Riesa, Dahler, Strehlen, Alt-Mügeln, wo man
offenbar nicht über solche Begräbnisuteusilieu verfügte, wurden sie nach den
Aktenberichten des siebzehnten Jahrhunderts oft verliehen.

Werfen wir, nachdem wir die Hauptzwecke und die materiellen Anhaltspunkte
der Gesellschaft kurz beleuchtet haben, einen Blick auf ihre musikalische Be¬
deutung während des sechzehnten und der ersten Hälfte des siebzehnten Jahr¬
hunderts. Ist auch das Bild, das uus die Akten hiervon entrollen, höchst
unvollkommen, so zeigt es doch, daß die Kantorei der geistlichen Figural-
musik ein offnes Herz und eine offne Hand entgegenbrachte. Bereitwillig
brachte sie jedes Opfer, das der freiwillig von ihr übernommene Kirchendienst
erheischte. Sie schuf sich aus eignen Mitteln allmählich einen für damalige
Verhältnisse reichhaltigen Notenbestand, der seit 1618 in einer Lade auf dem
Chöre verwahrt wurde. Über die Kompositionen, die im sechzehnten und im
Anfang des siebzehnten Jahrhunderts aufgeführt wurden, gibt ein Noten-
Verzeichnis ans dem Jahre 1643 Aufschluß, das hier Wiedergabe finden möge:


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[0276] Aantoreigesellschaft zu Vschatz die Kantorei abgeführt. Daneben erhielt sie von manchen Hochzeitswirten reiche Bierspendcn. Für ihre Verrichtungen bei Figuralbegräbnissen bezog die Kantorei seit 1557 sechs Groschen. - - Eine höchst ergiebige Einnahmequelle waren ferner die Geldgeschenke, die durchreisende „Herrschaften und Fürsten" der Kantorei als Vergütung für ein dargebrachtes Ständchen verehrten. So erhielt die Gesellschaft 1597 vier Gulden vom Könige von Dänemark und zehn Taler von Herzog Johann Friedrich Wilhelm. Laut Rechnungsbericht von 1631/32 bekam sie „von ihrer königlichen Majestät aus Schweden" zwei Gulden sechs Groschen für ein Ständchen — ein Beweis dafür, das; auch in deu Wirren des Dreißigjährigen Krieges der Sangeseifer der Oschccher Kontoristen nicht erlosch. Die genannten Beträge wurden zur Hälfte an die Sänger, zur Hälfte an den Kantor verteilt. Die Akten des Jahres 1544 berichten von einem an den Herzog Heinrich gerichteten Bittschreiben der Kantorei, „sie mit einem ziemlichen Einkommen von einer Kloster- oder Kirchenstelle zu begnadigen, sowie Kurfürst Johann zu Torgau getan habe." Von einer Erfüllung dieser Bitte durch den Kurfürsten lesen wir jedoch nirgends etwas. -.....Eine nicht un¬ wesentliche Einnahmequelle waren die Eintrittsgebühren. Wer Mitglied der Kantorei werden wollte, mußte einen Beitrag an die Gesellschaft bezahlen, den man bei guten Sängern auf zwölf Groschen festsetzte, den man jedoch den Jnstrumentisteu ganz erließ. Die sonstigen in den Rechnungsbüchern erwähnten Eintrittsgelder schwanken zwischen einem und zwölf Talern. Frei von Zahlung einer Eintrittsgebühr machte man sich durch Schenkung eines oder einiger Fässer Bier, einiger Klafter Holz, durch Ausrichtung eines Frühstücks oder eiues größern Mahles — Leistungen, durch die sich besonders die reichern Bürger der Stadt die Mitgliedschaft erwarben. Die Aufnahme geschah meist nach Abschluß der Rechnungsablegung oder beim „Konvivium," dem Festmahl, das sich an die Rechnungsablage anschloß. Die Aufzunehmenden mußten „mit Hand und Mund" geloben, fleißig mit Musik aufzuwarten. - Den irmimW — jüngern Mitgliedern der Gesellschaft — lag außer den musikalischen Verpflichtungen die Aufgabe ob, bei Begräbnissen von Kantorei¬ mitgliedern und deren Familienangehörigen die Leiche nach dein Gottesacker zu tragen. Wer von dieser Dienstleistung entbunden sein wollte, mußte beim Eintritt in die Kantorei eine besondre Geldsumme hierfür entrichten. Zur Be¬ gleitung der Leiche waren jedoch sämtliche Mitglieder verpflichtet. Die bei der Bestattungsfeier gebrauchten schwarzen und weißen Leichen¬ tücher, Trauermäntel, Trauerhüte, das Kruzifix und andres waren Eigentum der Gesellschaft. Diese Bestattungsreqnisitcn, auch „Trnnerhabit" genannt, scheinen ziemlich prunkvoll gewesen zu sein. Sie wurden gegen ein Entgelt auch zu Beerdigungen von Nichtkcmtoristen ausgeliehen. Sogar in die um¬ liegenden kleinern Orte, wie Riesa, Dahler, Strehlen, Alt-Mügeln, wo man offenbar nicht über solche Begräbnisuteusilieu verfügte, wurden sie nach den Aktenberichten des siebzehnten Jahrhunderts oft verliehen. Werfen wir, nachdem wir die Hauptzwecke und die materiellen Anhaltspunkte der Gesellschaft kurz beleuchtet haben, einen Blick auf ihre musikalische Be¬ deutung während des sechzehnten und der ersten Hälfte des siebzehnten Jahr¬ hunderts. Ist auch das Bild, das uus die Akten hiervon entrollen, höchst unvollkommen, so zeigt es doch, daß die Kantorei der geistlichen Figural- musik ein offnes Herz und eine offne Hand entgegenbrachte. Bereitwillig brachte sie jedes Opfer, das der freiwillig von ihr übernommene Kirchendienst erheischte. Sie schuf sich aus eignen Mitteln allmählich einen für damalige Verhältnisse reichhaltigen Notenbestand, der seit 1618 in einer Lade auf dem Chöre verwahrt wurde. Über die Kompositionen, die im sechzehnten und im Anfang des siebzehnten Jahrhunderts aufgeführt wurden, gibt ein Noten- Verzeichnis ans dem Jahre 1643 Aufschluß, das hier Wiedergabe finden möge:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/276>, abgerufen am 27.08.2024.