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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Feuer!

Eingedenk der mir von der Mutter erteilten Weisung trat ich ein, ohne zu klopfen,
und blieb wie gebannt stehn.

Die mir schon bekannten Möbel hatten dieselben Plätze inne wie in der frühern
Wohnung; aber in der Mitte des Zimmers lagen ans einigen Stühlen verschleime
Kleinigkeiten, die darauf harrten, an den Wänden angebracht zu werden. Auch der
Svfatisch war mit allen möglichen Gegenständen vollgekramt, die noch untergebracht
werden mußten. Der Tür gegenüber, zwischen den beiden Fenstern, die das Zimmer
hatte, stand der Halbspiegel auf einem Stuhl, um dessen Lehne gestützt. Mahada
stand auf einem Bänkchen neben dem Spiegel und war damit beschäftigt, einen
großen Haken in die Wand zu schlagen, um den Spiegel daran zu hängen. Un¬
geübt in solcher Arbeit hatte sie das Bänkchen zu nahe an die Wand gestellt und
mußte sich darum bei dem Handhaben des ziemlich großen Hammers weit zurück¬
biegen. Zur Wahrung des Gleichgewichts hielt sie sich mit der linken Hand an
dem Haken fest, den sie schon ein tüchtiges Stück in die Wand getrieben hatte.
Sie war rin einem leichten, kurzen Röckchen bekleidet, unter dem die nur in
Strümpfen steckenden kleinen, wohlgeformten Füße bis über die Knöchel sichtbar
wurden. Die abgetrctnen Hausschuhe lagen weit voneinander am Boden. Sie
waren abgeworfen worden, weil sie das stehn ans dem schmalen Bänkchen zu un¬
sicher gemacht hätten. Der Oberkörper zeigte durch das dünne, von keinem Gürtel
gehaltene Hausjäckchen unverhüllt die schönen Formen des Mädchens. Das starke
blonde Haar war ungeflochten in einen Knoten gebunden, und die daraus hervor¬
hängenden Enden bildeten ein Gewirr von natürlichen Löckchen.

So stand Mahada Ssawinski und schlug auf den Haken los. Die Ärmel des
Jäckchens waren zurückgeglittcu und zeigten die zarten aber kräftigen Arme fast
bis zu den Schultern. Die Wange, die mir zugekehrt war, der Hals und der
Nacken, vor allem aber das feine, zierliche Ohr hatten sich von der ungewohnten
Anstrengung purpurn gefärbt.

Ich wagte nicht zu atmen, um das liebliche Bild, das ich vor mir hatte, nicht
zu erschrecken. Ich wünschte, ich dürfte eine Ewigkeit den Anblick genießen, der
meine Sinne fast betäubte, und dabei kam mir doch auch der Gedanke, es wäre
gut, wenn ich weniger Rücksicht zu nehmen brauchte, wenn ich auf das Mädchen
zuspringen und es in meine Arme schließen dürfte. Ich schalt mich sogleich wegen
dieses unbändigen Gedankens, aber -- ich wußte schließlich selbst nicht, was ich
eigentlich dachte. Da hörte ich draußen das Öffnen einer Tür, wahrscheinlich der,
die zur Küche führte, und in der Vermutung, daß die Mutter komme, machte ich
ein Geräusch an dem Drücker, den ich seit meinem Eintritt noch in der Hand hielt,
und setzte den Fuß hörbar auf die Diele.

Wie ich es erwartet hatte, vernahm Mahada meine Bewegung. Sie glaubte
aber, es sei die Mutter. Sie sah sich nicht um.

Weißt du, Mama, sagte sie stoßweise, denn sie begleitete die Worte mit Hammer¬
schlägen, an dein nichtswürdigen Haken schlägt mau -- sich die -- Seele aus
dem -- Leibe.

Ich räusperte mich leise, indem ich halb abgewandt den Mantel abnahm. Mahada
drehte den Kopf, stieß einen leisen Schreckensschrei aus, schwankte, hielt sich krampf¬
haft an dem Haken, und -- ich ließ den Mantel fallen, sprang zu und kam gerade
noch zurecht, sie aufzusaugen. Der Haken war ans der Wand gefahren. Das
Bänkchen war umgeschlagen.

Sie stand vor mir und drückte die Hände gegen die Brust. Sie war sehr
erschrocken und bleich geworden, aber auf den Wangen zeigte sich sogleich wieder
der erste Anfang schamhafter Errötens. Ich stand ihr gegenüber, ließ die Arme
herabhängen und wußte weder ein noch aus. Nur darüber war ich im klaren,
daß ich von diesem wunderschönen Mädchen, das ich eben in den Armen gehalten
hatte, und dessen feste, üppige Glieder ich noch an meinem Körper zu fühlen glaubte,
nicht mehr lassen konnte. Es war mir zu Mute, als ob der Vorfall uns nah zu-


Feuer!

Eingedenk der mir von der Mutter erteilten Weisung trat ich ein, ohne zu klopfen,
und blieb wie gebannt stehn.

Die mir schon bekannten Möbel hatten dieselben Plätze inne wie in der frühern
Wohnung; aber in der Mitte des Zimmers lagen ans einigen Stühlen verschleime
Kleinigkeiten, die darauf harrten, an den Wänden angebracht zu werden. Auch der
Svfatisch war mit allen möglichen Gegenständen vollgekramt, die noch untergebracht
werden mußten. Der Tür gegenüber, zwischen den beiden Fenstern, die das Zimmer
hatte, stand der Halbspiegel auf einem Stuhl, um dessen Lehne gestützt. Mahada
stand auf einem Bänkchen neben dem Spiegel und war damit beschäftigt, einen
großen Haken in die Wand zu schlagen, um den Spiegel daran zu hängen. Un¬
geübt in solcher Arbeit hatte sie das Bänkchen zu nahe an die Wand gestellt und
mußte sich darum bei dem Handhaben des ziemlich großen Hammers weit zurück¬
biegen. Zur Wahrung des Gleichgewichts hielt sie sich mit der linken Hand an
dem Haken fest, den sie schon ein tüchtiges Stück in die Wand getrieben hatte.
Sie war rin einem leichten, kurzen Röckchen bekleidet, unter dem die nur in
Strümpfen steckenden kleinen, wohlgeformten Füße bis über die Knöchel sichtbar
wurden. Die abgetrctnen Hausschuhe lagen weit voneinander am Boden. Sie
waren abgeworfen worden, weil sie das stehn ans dem schmalen Bänkchen zu un¬
sicher gemacht hätten. Der Oberkörper zeigte durch das dünne, von keinem Gürtel
gehaltene Hausjäckchen unverhüllt die schönen Formen des Mädchens. Das starke
blonde Haar war ungeflochten in einen Knoten gebunden, und die daraus hervor¬
hängenden Enden bildeten ein Gewirr von natürlichen Löckchen.

So stand Mahada Ssawinski und schlug auf den Haken los. Die Ärmel des
Jäckchens waren zurückgeglittcu und zeigten die zarten aber kräftigen Arme fast
bis zu den Schultern. Die Wange, die mir zugekehrt war, der Hals und der
Nacken, vor allem aber das feine, zierliche Ohr hatten sich von der ungewohnten
Anstrengung purpurn gefärbt.

Ich wagte nicht zu atmen, um das liebliche Bild, das ich vor mir hatte, nicht
zu erschrecken. Ich wünschte, ich dürfte eine Ewigkeit den Anblick genießen, der
meine Sinne fast betäubte, und dabei kam mir doch auch der Gedanke, es wäre
gut, wenn ich weniger Rücksicht zu nehmen brauchte, wenn ich auf das Mädchen
zuspringen und es in meine Arme schließen dürfte. Ich schalt mich sogleich wegen
dieses unbändigen Gedankens, aber — ich wußte schließlich selbst nicht, was ich
eigentlich dachte. Da hörte ich draußen das Öffnen einer Tür, wahrscheinlich der,
die zur Küche führte, und in der Vermutung, daß die Mutter komme, machte ich
ein Geräusch an dem Drücker, den ich seit meinem Eintritt noch in der Hand hielt,
und setzte den Fuß hörbar auf die Diele.

Wie ich es erwartet hatte, vernahm Mahada meine Bewegung. Sie glaubte
aber, es sei die Mutter. Sie sah sich nicht um.

Weißt du, Mama, sagte sie stoßweise, denn sie begleitete die Worte mit Hammer¬
schlägen, an dein nichtswürdigen Haken schlägt mau — sich die — Seele aus
dem — Leibe.

Ich räusperte mich leise, indem ich halb abgewandt den Mantel abnahm. Mahada
drehte den Kopf, stieß einen leisen Schreckensschrei aus, schwankte, hielt sich krampf¬
haft an dem Haken, und — ich ließ den Mantel fallen, sprang zu und kam gerade
noch zurecht, sie aufzusaugen. Der Haken war ans der Wand gefahren. Das
Bänkchen war umgeschlagen.

Sie stand vor mir und drückte die Hände gegen die Brust. Sie war sehr
erschrocken und bleich geworden, aber auf den Wangen zeigte sich sogleich wieder
der erste Anfang schamhafter Errötens. Ich stand ihr gegenüber, ließ die Arme
herabhängen und wußte weder ein noch aus. Nur darüber war ich im klaren,
daß ich von diesem wunderschönen Mädchen, das ich eben in den Armen gehalten
hatte, und dessen feste, üppige Glieder ich noch an meinem Körper zu fühlen glaubte,
nicht mehr lassen konnte. Es war mir zu Mute, als ob der Vorfall uns nah zu-


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[0806] Feuer! Eingedenk der mir von der Mutter erteilten Weisung trat ich ein, ohne zu klopfen, und blieb wie gebannt stehn. Die mir schon bekannten Möbel hatten dieselben Plätze inne wie in der frühern Wohnung; aber in der Mitte des Zimmers lagen ans einigen Stühlen verschleime Kleinigkeiten, die darauf harrten, an den Wänden angebracht zu werden. Auch der Svfatisch war mit allen möglichen Gegenständen vollgekramt, die noch untergebracht werden mußten. Der Tür gegenüber, zwischen den beiden Fenstern, die das Zimmer hatte, stand der Halbspiegel auf einem Stuhl, um dessen Lehne gestützt. Mahada stand auf einem Bänkchen neben dem Spiegel und war damit beschäftigt, einen großen Haken in die Wand zu schlagen, um den Spiegel daran zu hängen. Un¬ geübt in solcher Arbeit hatte sie das Bänkchen zu nahe an die Wand gestellt und mußte sich darum bei dem Handhaben des ziemlich großen Hammers weit zurück¬ biegen. Zur Wahrung des Gleichgewichts hielt sie sich mit der linken Hand an dem Haken fest, den sie schon ein tüchtiges Stück in die Wand getrieben hatte. Sie war rin einem leichten, kurzen Röckchen bekleidet, unter dem die nur in Strümpfen steckenden kleinen, wohlgeformten Füße bis über die Knöchel sichtbar wurden. Die abgetrctnen Hausschuhe lagen weit voneinander am Boden. Sie waren abgeworfen worden, weil sie das stehn ans dem schmalen Bänkchen zu un¬ sicher gemacht hätten. Der Oberkörper zeigte durch das dünne, von keinem Gürtel gehaltene Hausjäckchen unverhüllt die schönen Formen des Mädchens. Das starke blonde Haar war ungeflochten in einen Knoten gebunden, und die daraus hervor¬ hängenden Enden bildeten ein Gewirr von natürlichen Löckchen. So stand Mahada Ssawinski und schlug auf den Haken los. Die Ärmel des Jäckchens waren zurückgeglittcu und zeigten die zarten aber kräftigen Arme fast bis zu den Schultern. Die Wange, die mir zugekehrt war, der Hals und der Nacken, vor allem aber das feine, zierliche Ohr hatten sich von der ungewohnten Anstrengung purpurn gefärbt. Ich wagte nicht zu atmen, um das liebliche Bild, das ich vor mir hatte, nicht zu erschrecken. Ich wünschte, ich dürfte eine Ewigkeit den Anblick genießen, der meine Sinne fast betäubte, und dabei kam mir doch auch der Gedanke, es wäre gut, wenn ich weniger Rücksicht zu nehmen brauchte, wenn ich auf das Mädchen zuspringen und es in meine Arme schließen dürfte. Ich schalt mich sogleich wegen dieses unbändigen Gedankens, aber — ich wußte schließlich selbst nicht, was ich eigentlich dachte. Da hörte ich draußen das Öffnen einer Tür, wahrscheinlich der, die zur Küche führte, und in der Vermutung, daß die Mutter komme, machte ich ein Geräusch an dem Drücker, den ich seit meinem Eintritt noch in der Hand hielt, und setzte den Fuß hörbar auf die Diele. Wie ich es erwartet hatte, vernahm Mahada meine Bewegung. Sie glaubte aber, es sei die Mutter. Sie sah sich nicht um. Weißt du, Mama, sagte sie stoßweise, denn sie begleitete die Worte mit Hammer¬ schlägen, an dein nichtswürdigen Haken schlägt mau — sich die — Seele aus dem — Leibe. Ich räusperte mich leise, indem ich halb abgewandt den Mantel abnahm. Mahada drehte den Kopf, stieß einen leisen Schreckensschrei aus, schwankte, hielt sich krampf¬ haft an dem Haken, und — ich ließ den Mantel fallen, sprang zu und kam gerade noch zurecht, sie aufzusaugen. Der Haken war ans der Wand gefahren. Das Bänkchen war umgeschlagen. Sie stand vor mir und drückte die Hände gegen die Brust. Sie war sehr erschrocken und bleich geworden, aber auf den Wangen zeigte sich sogleich wieder der erste Anfang schamhafter Errötens. Ich stand ihr gegenüber, ließ die Arme herabhängen und wußte weder ein noch aus. Nur darüber war ich im klaren, daß ich von diesem wunderschönen Mädchen, das ich eben in den Armen gehalten hatte, und dessen feste, üppige Glieder ich noch an meinem Körper zu fühlen glaubte, nicht mehr lassen konnte. Es war mir zu Mute, als ob der Vorfall uns nah zu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/806>, abgerufen am 24.11.2024.