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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Die Deutschen in Rom

alten, und für die kapitolinische Gemeinde erhielt er 1827 die königliche Be¬
stätigung seiner Agende. Noch Größeres gelang ihm, als der ihm geistes- und
gesinnungsverwandte .Kronprinz Friedrich Wilhelm (der Vierte) im Herbst 1828
Rom besuchte. Denn auf die Anregung des damals gerade dort anwesenden
Archäologen Eduard Gerhard übernahm damals der Kronprinz das Protek¬
torat über das beabsichtigte archäologische Institut (Istitnto al oorriKxonäsnziiZ.
MensvIvAiva); am 9. Dezember 1828 wurde die Organisation festgesetzt, am
21. April 1829, am Stiftungstage der Stadt Rom, wurde das Institut auf
dem Kapitol feierlich eröffnet. Seitdem ist es der Mittelpunkt aller Alter¬
tumsforschung in Rom und im Umkreis der Mittelmeerlünder geworden, eine
Leuchte deutscher Wissenschaft. Noch konnte Bunsen ein deutsches Hospital
hinzufügen. Beide Anstalten erhielten 1835 eigne Lokale. Also wurde das
Kapitol, die ehrwürdigste Stätte des antiken Rom, der Sitz einer deutschen
Kolonie mit Gesandtschaft, Kapelle, Hospital und archäologischen Institut, ein
politischer, kirchlicher, humanitärer und wissenschaftlicher Mittelpunkt, neben
den noch heute wirksamen katholischen Nationalstiftungen des Camposanto und
der Anima (unter österreichischem Protektorat). Auch die deutsche Kunst erhielt
1845 im deutschen Künstlerverein eine Organisation, ein eignes Haus uach dem
Muster der französischen Akademie in der herrlichen Villa Medici fehlt ihr
leider bis heute.

Mit diesen Gründungen war die Geschichte der deutschen Kolonie in Rom,
die jetzt ungefähr 2000 Köpfe zählt, zu einer Festigung gelangt, wie sie vorher
sie niemals gehabt hatte. Vor allem blieb Rom eine Hochschule deutscher Kunst
und deutscher Wissenschaft. Kein namhafter deutscher Künstler, Archäolog oder
Historiker, der dort nicht seine Studien gemacht hätte, und am besten haben
deutsche Forscher, Theodor Mommsen, Ferdinand Gregorvvins und Alfred von
Reumont, die Geschichte Roms dargestellt. Auch so mancher deutsche Dichter
hat Rom und römisches Leben geschildert, keiner liebenswürdiger als der Marschen¬
dichter Hermann Allmers (1858 bis 1859), dessen "Römische Schlendertage"
mit "Erinnerungsbildern" des Verfassers ausgestattet soeben in zehnter Auf¬
lage erschienen sind (Oldenburg und Leipzig, Schulzesche Hofbuchhandlung, o. I.).
Das ist gewiß ein Zeichen dafür, daß das Interesse für Rom trotz der mit
Vorliebe betonten "antiklassischen" Richtung unsrer neuesten Kunst in Deutsch¬
land noch nicht erstorben ist. Die Tatsache, daß Rom elfhundert Jahre lang
mit der deutschen Geistesgeschichte aufs engste verbunden gewesen ist, und daß
sich ein wichtiger Teil dieser Geschichte dort abgespielt hat, bleibt jedenfalls
bestehn, und damit die Bedeutung der "ewigen Stadt" für deutsches Leben.




Die Deutschen in Rom

alten, und für die kapitolinische Gemeinde erhielt er 1827 die königliche Be¬
stätigung seiner Agende. Noch Größeres gelang ihm, als der ihm geistes- und
gesinnungsverwandte .Kronprinz Friedrich Wilhelm (der Vierte) im Herbst 1828
Rom besuchte. Denn auf die Anregung des damals gerade dort anwesenden
Archäologen Eduard Gerhard übernahm damals der Kronprinz das Protek¬
torat über das beabsichtigte archäologische Institut (Istitnto al oorriKxonäsnziiZ.
MensvIvAiva); am 9. Dezember 1828 wurde die Organisation festgesetzt, am
21. April 1829, am Stiftungstage der Stadt Rom, wurde das Institut auf
dem Kapitol feierlich eröffnet. Seitdem ist es der Mittelpunkt aller Alter¬
tumsforschung in Rom und im Umkreis der Mittelmeerlünder geworden, eine
Leuchte deutscher Wissenschaft. Noch konnte Bunsen ein deutsches Hospital
hinzufügen. Beide Anstalten erhielten 1835 eigne Lokale. Also wurde das
Kapitol, die ehrwürdigste Stätte des antiken Rom, der Sitz einer deutschen
Kolonie mit Gesandtschaft, Kapelle, Hospital und archäologischen Institut, ein
politischer, kirchlicher, humanitärer und wissenschaftlicher Mittelpunkt, neben
den noch heute wirksamen katholischen Nationalstiftungen des Camposanto und
der Anima (unter österreichischem Protektorat). Auch die deutsche Kunst erhielt
1845 im deutschen Künstlerverein eine Organisation, ein eignes Haus uach dem
Muster der französischen Akademie in der herrlichen Villa Medici fehlt ihr
leider bis heute.

Mit diesen Gründungen war die Geschichte der deutschen Kolonie in Rom,
die jetzt ungefähr 2000 Köpfe zählt, zu einer Festigung gelangt, wie sie vorher
sie niemals gehabt hatte. Vor allem blieb Rom eine Hochschule deutscher Kunst
und deutscher Wissenschaft. Kein namhafter deutscher Künstler, Archäolog oder
Historiker, der dort nicht seine Studien gemacht hätte, und am besten haben
deutsche Forscher, Theodor Mommsen, Ferdinand Gregorvvins und Alfred von
Reumont, die Geschichte Roms dargestellt. Auch so mancher deutsche Dichter
hat Rom und römisches Leben geschildert, keiner liebenswürdiger als der Marschen¬
dichter Hermann Allmers (1858 bis 1859), dessen „Römische Schlendertage"
mit „Erinnerungsbildern" des Verfassers ausgestattet soeben in zehnter Auf¬
lage erschienen sind (Oldenburg und Leipzig, Schulzesche Hofbuchhandlung, o. I.).
Das ist gewiß ein Zeichen dafür, daß das Interesse für Rom trotz der mit
Vorliebe betonten „antiklassischen" Richtung unsrer neuesten Kunst in Deutsch¬
land noch nicht erstorben ist. Die Tatsache, daß Rom elfhundert Jahre lang
mit der deutschen Geistesgeschichte aufs engste verbunden gewesen ist, und daß
sich ein wichtiger Teil dieser Geschichte dort abgespielt hat, bleibt jedenfalls
bestehn, und damit die Bedeutung der „ewigen Stadt" für deutsches Leben.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/786>, abgerufen am 24.11.2024.