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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Verunstalten, verboten und die Entfernung vorhnudner Aufschriften angeordnet
werden. Diese Bestimmung berührt sich mit dem vorhin erwähnten preußischen
Gesetz, jedoch mit den Unterschieden, daß erstens in Hessen schon die Ortspolizet-
behörde derartige Verordnungen treffen kann, und sodann, daß geschlossene Ort¬
schaften davon ebenfalls getroffen werden können.

Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz werden mit Geldstrafe bis zu 300 Mark
und bei Vorsätzlichkeit bis zu 1000 Mark oder mit Haft bestraft; bei Zahlungs¬
unfähigkeit wird die Geldstrafe nach den Vorschriften des Strafgesetzbuchs in Frei¬
heitsstrafe umgewandelt.

Das Gesetz hat in diesen Bestimmungen unzweideutig zum Ausdruck gebracht,
daß die Erhaltung der Naturdenkmäler das öffentliche Interesse berührt, und die
Anerkennung dieser Auffassung ist der Grundgedanke des ganzen Gesetzes, soweit
der Naturschutz in Frage kommt. Für den Schutz der Kunst- und der Baudenk¬
mäler war das öffentliche Interesse schon vor diesem Gesetze nach verschiednen
Richtungen hin ausschlaggebend auch in andern Staaten, sodaß z. B. in Preußen
ohne obrigkeitliche Genehmigung keine alte Stadtmauer niedergerissen werden darf;
aber für den Naturschutz bietet das hessische Gesetz mit dem Grundsatz des öffent¬
lichen Interesses etwas ganz neues und beachtenswertes, und das ist insofern be¬
sonders wichtig, als die verständnislose Mehrheit des Volkes gar zu leicht geneigt
ist, den Naturschutz für eine Liebhaberei und nutzlose Schwärmerei von Gelehrten
und Künstlern zu halten; man lächelt über derartige Bestrebungen und verspottet
sie, ohne daran zu denken, daß es auch ideale Ziele im Volksleben geben muß, die
über die Sorge um das tägliche Brot hinausgehn. Es ist deshalb ein nicht zu
unterschätzendes Verdienst von Hessen, diesen Grundgedanken in dem Gesetz aus-
gedrückt und zum erstenmal zur Geltung gebracht zu haben, besonders in unsrer
so materiell gesinnten Zeit. Aus dem Grundsatze, daß der Naturschutz öffentliches
Interesse berührt, ergiebt sich vou selbst die Folgerung, daß dem Verfügungs¬
berechtigten und Eigentümer eines solchen Naturdenkmals zur Währung dieses all¬
gemeinen Interesses Beschränkungen in seiner Verfügungsgewalt auferlegt werden
können. Sie gipfeln in der höchst wichtigen Genehmigungspflicht, die bei Ver¬
änderungen der Bauten oder sonstigen Arbeiten an dem Naturdenkmal und dessen
Umgebung eingeholt werden muß, sofern sie geeignet sind, Verunstaltungen herbei¬
zuführen. Als eine weitere Folgerung ergibt sich die Anerkennung eines Schaden¬
ersatzes für die Verfügungsbeschränknug, also die sicherste Gewähr gegen weitgehende
Eingriffe des Staates, dessen Geldmittel immer nur beschränkt sind. Daß dieser nicht
geneigt ist, uuter alleu Umständen mit seinen Mitteln für den Natur- und anch
den Denkmalschutz einzutreten, geht schon aus der erwähnten Bestimmung hervor,
daß vor der Versagung eines Genehmignngscmtrags erst die verfügbaren Mittel
festgestellt werden müssen, die als etwaiger Entschädignngsanspruch bet der Ver¬
sagung dienen sollen. Sind die Mittel uicht bereit, so ist die Genehmigung zu
irgend welcher Veränderung oder Beseitigung des Naturdenkmals ohne weiteres zu
erteilen, und dieses wird eben dem Berechtigten preisgegeben. Wo kein Geld ist,
hört der Schutz auf, vorausgesetzt, daß die Höhe des Schadens angemessen und
anerkannt ist. Der Schadenersatz ist beim Ministerium geltend zu machen, und zwar
hat der Geschädigte die Wahl, entweder das Naturdenkmal dem Staat als Eigentum
zu überlassen und Entschädigung für die Befitzaufgebuug zu fordern oder einfach
Schadenersatz zu verlangen. Für die Bemessung der staatlichen Leistungen kommen
die Grundsätze des Enteignungsverfahrens zur Geltung, und dem Geschädigten steht
für die Höhe der Entschädigung der Rechtsweg offen.

Hieraus ergibt sich, daß für die Naturdenkmäler eine Enteignung nicht vor¬
gesehen und beabsichtigt worden ist, und daß das Eigentum daran nur dann auf
den Staat übergehn kann, wenn der Verfügungsberechtigte statt des Schadenersatzes
die Übernahme des Naturdenkmals beansprucht.

Alle diese einzelnen Bestimmungen sind so sehr mit gesetzlichem Schutz um-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Verunstalten, verboten und die Entfernung vorhnudner Aufschriften angeordnet
werden. Diese Bestimmung berührt sich mit dem vorhin erwähnten preußischen
Gesetz, jedoch mit den Unterschieden, daß erstens in Hessen schon die Ortspolizet-
behörde derartige Verordnungen treffen kann, und sodann, daß geschlossene Ort¬
schaften davon ebenfalls getroffen werden können.

Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz werden mit Geldstrafe bis zu 300 Mark
und bei Vorsätzlichkeit bis zu 1000 Mark oder mit Haft bestraft; bei Zahlungs¬
unfähigkeit wird die Geldstrafe nach den Vorschriften des Strafgesetzbuchs in Frei¬
heitsstrafe umgewandelt.

Das Gesetz hat in diesen Bestimmungen unzweideutig zum Ausdruck gebracht,
daß die Erhaltung der Naturdenkmäler das öffentliche Interesse berührt, und die
Anerkennung dieser Auffassung ist der Grundgedanke des ganzen Gesetzes, soweit
der Naturschutz in Frage kommt. Für den Schutz der Kunst- und der Baudenk¬
mäler war das öffentliche Interesse schon vor diesem Gesetze nach verschiednen
Richtungen hin ausschlaggebend auch in andern Staaten, sodaß z. B. in Preußen
ohne obrigkeitliche Genehmigung keine alte Stadtmauer niedergerissen werden darf;
aber für den Naturschutz bietet das hessische Gesetz mit dem Grundsatz des öffent¬
lichen Interesses etwas ganz neues und beachtenswertes, und das ist insofern be¬
sonders wichtig, als die verständnislose Mehrheit des Volkes gar zu leicht geneigt
ist, den Naturschutz für eine Liebhaberei und nutzlose Schwärmerei von Gelehrten
und Künstlern zu halten; man lächelt über derartige Bestrebungen und verspottet
sie, ohne daran zu denken, daß es auch ideale Ziele im Volksleben geben muß, die
über die Sorge um das tägliche Brot hinausgehn. Es ist deshalb ein nicht zu
unterschätzendes Verdienst von Hessen, diesen Grundgedanken in dem Gesetz aus-
gedrückt und zum erstenmal zur Geltung gebracht zu haben, besonders in unsrer
so materiell gesinnten Zeit. Aus dem Grundsatze, daß der Naturschutz öffentliches
Interesse berührt, ergiebt sich vou selbst die Folgerung, daß dem Verfügungs¬
berechtigten und Eigentümer eines solchen Naturdenkmals zur Währung dieses all¬
gemeinen Interesses Beschränkungen in seiner Verfügungsgewalt auferlegt werden
können. Sie gipfeln in der höchst wichtigen Genehmigungspflicht, die bei Ver¬
änderungen der Bauten oder sonstigen Arbeiten an dem Naturdenkmal und dessen
Umgebung eingeholt werden muß, sofern sie geeignet sind, Verunstaltungen herbei¬
zuführen. Als eine weitere Folgerung ergibt sich die Anerkennung eines Schaden¬
ersatzes für die Verfügungsbeschränknug, also die sicherste Gewähr gegen weitgehende
Eingriffe des Staates, dessen Geldmittel immer nur beschränkt sind. Daß dieser nicht
geneigt ist, uuter alleu Umständen mit seinen Mitteln für den Natur- und anch
den Denkmalschutz einzutreten, geht schon aus der erwähnten Bestimmung hervor,
daß vor der Versagung eines Genehmignngscmtrags erst die verfügbaren Mittel
festgestellt werden müssen, die als etwaiger Entschädignngsanspruch bet der Ver¬
sagung dienen sollen. Sind die Mittel uicht bereit, so ist die Genehmigung zu
irgend welcher Veränderung oder Beseitigung des Naturdenkmals ohne weiteres zu
erteilen, und dieses wird eben dem Berechtigten preisgegeben. Wo kein Geld ist,
hört der Schutz auf, vorausgesetzt, daß die Höhe des Schadens angemessen und
anerkannt ist. Der Schadenersatz ist beim Ministerium geltend zu machen, und zwar
hat der Geschädigte die Wahl, entweder das Naturdenkmal dem Staat als Eigentum
zu überlassen und Entschädigung für die Befitzaufgebuug zu fordern oder einfach
Schadenersatz zu verlangen. Für die Bemessung der staatlichen Leistungen kommen
die Grundsätze des Enteignungsverfahrens zur Geltung, und dem Geschädigten steht
für die Höhe der Entschädigung der Rechtsweg offen.

Hieraus ergibt sich, daß für die Naturdenkmäler eine Enteignung nicht vor¬
gesehen und beabsichtigt worden ist, und daß das Eigentum daran nur dann auf
den Staat übergehn kann, wenn der Verfügungsberechtigte statt des Schadenersatzes
die Übernahme des Naturdenkmals beansprucht.

Alle diese einzelnen Bestimmungen sind so sehr mit gesetzlichem Schutz um-


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[0754] Maßgebliches und Unmaßgebliches Verunstalten, verboten und die Entfernung vorhnudner Aufschriften angeordnet werden. Diese Bestimmung berührt sich mit dem vorhin erwähnten preußischen Gesetz, jedoch mit den Unterschieden, daß erstens in Hessen schon die Ortspolizet- behörde derartige Verordnungen treffen kann, und sodann, daß geschlossene Ort¬ schaften davon ebenfalls getroffen werden können. Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz werden mit Geldstrafe bis zu 300 Mark und bei Vorsätzlichkeit bis zu 1000 Mark oder mit Haft bestraft; bei Zahlungs¬ unfähigkeit wird die Geldstrafe nach den Vorschriften des Strafgesetzbuchs in Frei¬ heitsstrafe umgewandelt. Das Gesetz hat in diesen Bestimmungen unzweideutig zum Ausdruck gebracht, daß die Erhaltung der Naturdenkmäler das öffentliche Interesse berührt, und die Anerkennung dieser Auffassung ist der Grundgedanke des ganzen Gesetzes, soweit der Naturschutz in Frage kommt. Für den Schutz der Kunst- und der Baudenk¬ mäler war das öffentliche Interesse schon vor diesem Gesetze nach verschiednen Richtungen hin ausschlaggebend auch in andern Staaten, sodaß z. B. in Preußen ohne obrigkeitliche Genehmigung keine alte Stadtmauer niedergerissen werden darf; aber für den Naturschutz bietet das hessische Gesetz mit dem Grundsatz des öffent¬ lichen Interesses etwas ganz neues und beachtenswertes, und das ist insofern be¬ sonders wichtig, als die verständnislose Mehrheit des Volkes gar zu leicht geneigt ist, den Naturschutz für eine Liebhaberei und nutzlose Schwärmerei von Gelehrten und Künstlern zu halten; man lächelt über derartige Bestrebungen und verspottet sie, ohne daran zu denken, daß es auch ideale Ziele im Volksleben geben muß, die über die Sorge um das tägliche Brot hinausgehn. Es ist deshalb ein nicht zu unterschätzendes Verdienst von Hessen, diesen Grundgedanken in dem Gesetz aus- gedrückt und zum erstenmal zur Geltung gebracht zu haben, besonders in unsrer so materiell gesinnten Zeit. Aus dem Grundsatze, daß der Naturschutz öffentliches Interesse berührt, ergiebt sich vou selbst die Folgerung, daß dem Verfügungs¬ berechtigten und Eigentümer eines solchen Naturdenkmals zur Währung dieses all¬ gemeinen Interesses Beschränkungen in seiner Verfügungsgewalt auferlegt werden können. Sie gipfeln in der höchst wichtigen Genehmigungspflicht, die bei Ver¬ änderungen der Bauten oder sonstigen Arbeiten an dem Naturdenkmal und dessen Umgebung eingeholt werden muß, sofern sie geeignet sind, Verunstaltungen herbei¬ zuführen. Als eine weitere Folgerung ergibt sich die Anerkennung eines Schaden¬ ersatzes für die Verfügungsbeschränknug, also die sicherste Gewähr gegen weitgehende Eingriffe des Staates, dessen Geldmittel immer nur beschränkt sind. Daß dieser nicht geneigt ist, uuter alleu Umständen mit seinen Mitteln für den Natur- und anch den Denkmalschutz einzutreten, geht schon aus der erwähnten Bestimmung hervor, daß vor der Versagung eines Genehmignngscmtrags erst die verfügbaren Mittel festgestellt werden müssen, die als etwaiger Entschädignngsanspruch bet der Ver¬ sagung dienen sollen. Sind die Mittel uicht bereit, so ist die Genehmigung zu irgend welcher Veränderung oder Beseitigung des Naturdenkmals ohne weiteres zu erteilen, und dieses wird eben dem Berechtigten preisgegeben. Wo kein Geld ist, hört der Schutz auf, vorausgesetzt, daß die Höhe des Schadens angemessen und anerkannt ist. Der Schadenersatz ist beim Ministerium geltend zu machen, und zwar hat der Geschädigte die Wahl, entweder das Naturdenkmal dem Staat als Eigentum zu überlassen und Entschädigung für die Befitzaufgebuug zu fordern oder einfach Schadenersatz zu verlangen. Für die Bemessung der staatlichen Leistungen kommen die Grundsätze des Enteignungsverfahrens zur Geltung, und dem Geschädigten steht für die Höhe der Entschädigung der Rechtsweg offen. Hieraus ergibt sich, daß für die Naturdenkmäler eine Enteignung nicht vor¬ gesehen und beabsichtigt worden ist, und daß das Eigentum daran nur dann auf den Staat übergehn kann, wenn der Verfügungsberechtigte statt des Schadenersatzes die Übernahme des Naturdenkmals beansprucht. Alle diese einzelnen Bestimmungen sind so sehr mit gesetzlichem Schutz um-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/754>, abgerufen am 24.11.2024.