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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Lin Sommerurlaub in Pommern

Angst und Besorgnis. Der Hauslehrer, der den ganzen Schopenhauer durchgelesen
hatte, behauptete, uur wenn Friedrich nicht nüchtern sei, werde er höflich, während
die Gouvernante, die Lcmiartines UMitaticms ?c>stiauss rückwärts und vorwärts
hersagen konnte, optimistische Idealistin war und Friedrichs Höflichkeit für den
normalen Zustand, die Grobheit für bacchischen Furor ansah. Tante Nadiegeda
ging ihm unter allen Umständen aus dem Wege, wie sie glaubte, weil sie sich
vor ihm fürchtete, wenn dagegen der Oheim recht hatte, nur um deswillen, weil
sie fürchtete, über ihn lachen zu müssen, wenn sie ihn ansah. Getöse habe ich das
Rätsel auch nicht: infolge von dem, was ich gehört hatte, waren mir seine stete
Höflichkeit und Dienstbereitschaft immer etwas unheimlich, und ich würde mich
ebensowenig wundern, wenn ich erführe, daß ich ihn nie nüchtern gesehen hätte,
als wenn mir das Gegenteil versichert würde. Mit diesem Bekenntnisse, das mich
freilich nicht zum gebornen Seelenarzt stempelt, schließe ich diesen Beitrag zu Friedrichs
Personalbericht und die Klammer.

Begeistert Trangeruch wie Pulverdampf? Fast möchte ichs glauben, denn ich
hatte die Stiefel kaum probeweise an den Füßen, so ließ es mir keine Ruhe, ich
mußte -- gehn konnte ich ja nicht damit, weil sie mir von den Füßen fielen --
das Schlittschuhballett aus dem Propheten aufführen: radibum -- radibom --
radibim fallera. Der herrliche gewichste Fußboden, den Friedrich im ganzen Hause
blank erhielt, und an dem es auch im vorder" Giebelzimmer nicht fehlte, ersetzte
den Eisspiegel der überschwemmten Einhufer aufs beste, und ich war schon in einem
völligen Taumel radibum -- radibom, als der Oheim bei mir eintrat und sehr
überrascht war, den musikalischen Schlittschuhläufer in mir und nicht, wie man im
Hause allgemein angenommen hatte, in Friedrich zu entdecken. Man hatte, da der
Zustand diesesmal komplizierter Art war und in offenbare Raserei auszuarten
schien, den Oheim gebeten, seine Autorität, an die nur in den alleräußersten Fällen
appelliert wurde, geltend zu machen, und nachdem es geschienen hatte, als müsse
ein kleines Gebirge zur Welt kommen, war das erbärmliche Mäuschen, auf das in
Wirklichkeit alles hinauslief, nichts als der verrückte Einfall eines törichten Neffen.
Ich mußte natürlich, trotz der Erschöpfung, in der ich war, das Ballett sofort für
weinen Onkel wiederholen und ihm alle Schönheiten der Oper, die Windmühlen,
den Aufgang der elektrischen Sonne, den Krönungszug und die Schlußorgie haar¬
klein beschreiben, worauf sich, da Friedrich inzwischen aus dem Keller, wo er mit
Flaschenspülen beschäftigt gewesen war, zurückgekommen war und damit sein Alibi
bewiesen hatte, die ganze Familie bei mir einfand und nicht eher ruhte, bis ich
den Tanz, natürlich immer in meinen Booten, zum drittenmal aufgeführt hatte,
radibum... Es gibt im Völkerleben Wendepunkte, die man als epochemachende
Begebenheiten bezeichnet: eine solche war für meinen Forksdorfer Besuch der
^chlittschuhtcmz mit begleitenden Gesang. Tante Nadiegeda, die mich nicht kannte
und im Reiche ihrer Phantasie zu leben gewohnt war, mochte mich als guten
zahmen Jüngling geschildert haben, und nun hatte ich mich mit einemmal der großen
Tektosagenvergangenheit würdig gezeigt. Ich fühlte sofort, wie die Woge der
Popularität den Kiel meines Schiffes hob, und von dem einen Zwischenfall im
Pfarrhause abgesehen -- (ju->,nÄ<i<zuiz bonus äormitat Homsru8 -- habe ich, solange
ich jenseits der Peene weilte, dem Andenken der wilden ovidischen Gastfreunde
Ehre zu machen gesucht.

Am nächsten Morgen war ich zur rechten Zeit fertig: eine weiße Hose, die
ja doch zum Gewaschenwerden auf der Welt war, und darüber die Wasserstiefel,
deren Boote als Ballast jedes ein halbes Dutzend Batisttaschentücher führten. Auf
diese Weise hatte ich am zweckmäßigsten Fühlung zwischen mir und meinen beiden
Fahrzeuge" herstellen zu können geglaubt. Der Oheim vertraute mir seine beste
Entenflinte (o^nÄrSisis) an, und wir gingen, von Knechten, die allerhand Bootgerät
trugen, gebilligt und beobachtet, sofort alle vier ins Wasser, der Förster, mein dritter
Vetter, der Hund und ich. Da ich ans meine Reputation Wert lege, wie dies jeder


Lin Sommerurlaub in Pommern

Angst und Besorgnis. Der Hauslehrer, der den ganzen Schopenhauer durchgelesen
hatte, behauptete, uur wenn Friedrich nicht nüchtern sei, werde er höflich, während
die Gouvernante, die Lcmiartines UMitaticms ?c>stiauss rückwärts und vorwärts
hersagen konnte, optimistische Idealistin war und Friedrichs Höflichkeit für den
normalen Zustand, die Grobheit für bacchischen Furor ansah. Tante Nadiegeda
ging ihm unter allen Umständen aus dem Wege, wie sie glaubte, weil sie sich
vor ihm fürchtete, wenn dagegen der Oheim recht hatte, nur um deswillen, weil
sie fürchtete, über ihn lachen zu müssen, wenn sie ihn ansah. Getöse habe ich das
Rätsel auch nicht: infolge von dem, was ich gehört hatte, waren mir seine stete
Höflichkeit und Dienstbereitschaft immer etwas unheimlich, und ich würde mich
ebensowenig wundern, wenn ich erführe, daß ich ihn nie nüchtern gesehen hätte,
als wenn mir das Gegenteil versichert würde. Mit diesem Bekenntnisse, das mich
freilich nicht zum gebornen Seelenarzt stempelt, schließe ich diesen Beitrag zu Friedrichs
Personalbericht und die Klammer.

Begeistert Trangeruch wie Pulverdampf? Fast möchte ichs glauben, denn ich
hatte die Stiefel kaum probeweise an den Füßen, so ließ es mir keine Ruhe, ich
mußte — gehn konnte ich ja nicht damit, weil sie mir von den Füßen fielen —
das Schlittschuhballett aus dem Propheten aufführen: radibum — radibom —
radibim fallera. Der herrliche gewichste Fußboden, den Friedrich im ganzen Hause
blank erhielt, und an dem es auch im vorder» Giebelzimmer nicht fehlte, ersetzte
den Eisspiegel der überschwemmten Einhufer aufs beste, und ich war schon in einem
völligen Taumel radibum — radibom, als der Oheim bei mir eintrat und sehr
überrascht war, den musikalischen Schlittschuhläufer in mir und nicht, wie man im
Hause allgemein angenommen hatte, in Friedrich zu entdecken. Man hatte, da der
Zustand diesesmal komplizierter Art war und in offenbare Raserei auszuarten
schien, den Oheim gebeten, seine Autorität, an die nur in den alleräußersten Fällen
appelliert wurde, geltend zu machen, und nachdem es geschienen hatte, als müsse
ein kleines Gebirge zur Welt kommen, war das erbärmliche Mäuschen, auf das in
Wirklichkeit alles hinauslief, nichts als der verrückte Einfall eines törichten Neffen.
Ich mußte natürlich, trotz der Erschöpfung, in der ich war, das Ballett sofort für
weinen Onkel wiederholen und ihm alle Schönheiten der Oper, die Windmühlen,
den Aufgang der elektrischen Sonne, den Krönungszug und die Schlußorgie haar¬
klein beschreiben, worauf sich, da Friedrich inzwischen aus dem Keller, wo er mit
Flaschenspülen beschäftigt gewesen war, zurückgekommen war und damit sein Alibi
bewiesen hatte, die ganze Familie bei mir einfand und nicht eher ruhte, bis ich
den Tanz, natürlich immer in meinen Booten, zum drittenmal aufgeführt hatte,
radibum... Es gibt im Völkerleben Wendepunkte, die man als epochemachende
Begebenheiten bezeichnet: eine solche war für meinen Forksdorfer Besuch der
^chlittschuhtcmz mit begleitenden Gesang. Tante Nadiegeda, die mich nicht kannte
und im Reiche ihrer Phantasie zu leben gewohnt war, mochte mich als guten
zahmen Jüngling geschildert haben, und nun hatte ich mich mit einemmal der großen
Tektosagenvergangenheit würdig gezeigt. Ich fühlte sofort, wie die Woge der
Popularität den Kiel meines Schiffes hob, und von dem einen Zwischenfall im
Pfarrhause abgesehen — (ju->,nÄ<i<zuiz bonus äormitat Homsru8 — habe ich, solange
ich jenseits der Peene weilte, dem Andenken der wilden ovidischen Gastfreunde
Ehre zu machen gesucht.

Am nächsten Morgen war ich zur rechten Zeit fertig: eine weiße Hose, die
ja doch zum Gewaschenwerden auf der Welt war, und darüber die Wasserstiefel,
deren Boote als Ballast jedes ein halbes Dutzend Batisttaschentücher führten. Auf
diese Weise hatte ich am zweckmäßigsten Fühlung zwischen mir und meinen beiden
Fahrzeuge» herstellen zu können geglaubt. Der Oheim vertraute mir seine beste
Entenflinte (o^nÄrSisis) an, und wir gingen, von Knechten, die allerhand Bootgerät
trugen, gebilligt und beobachtet, sofort alle vier ins Wasser, der Förster, mein dritter
Vetter, der Hund und ich. Da ich ans meine Reputation Wert lege, wie dies jeder


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[0733] Lin Sommerurlaub in Pommern Angst und Besorgnis. Der Hauslehrer, der den ganzen Schopenhauer durchgelesen hatte, behauptete, uur wenn Friedrich nicht nüchtern sei, werde er höflich, während die Gouvernante, die Lcmiartines UMitaticms ?c>stiauss rückwärts und vorwärts hersagen konnte, optimistische Idealistin war und Friedrichs Höflichkeit für den normalen Zustand, die Grobheit für bacchischen Furor ansah. Tante Nadiegeda ging ihm unter allen Umständen aus dem Wege, wie sie glaubte, weil sie sich vor ihm fürchtete, wenn dagegen der Oheim recht hatte, nur um deswillen, weil sie fürchtete, über ihn lachen zu müssen, wenn sie ihn ansah. Getöse habe ich das Rätsel auch nicht: infolge von dem, was ich gehört hatte, waren mir seine stete Höflichkeit und Dienstbereitschaft immer etwas unheimlich, und ich würde mich ebensowenig wundern, wenn ich erführe, daß ich ihn nie nüchtern gesehen hätte, als wenn mir das Gegenteil versichert würde. Mit diesem Bekenntnisse, das mich freilich nicht zum gebornen Seelenarzt stempelt, schließe ich diesen Beitrag zu Friedrichs Personalbericht und die Klammer. Begeistert Trangeruch wie Pulverdampf? Fast möchte ichs glauben, denn ich hatte die Stiefel kaum probeweise an den Füßen, so ließ es mir keine Ruhe, ich mußte — gehn konnte ich ja nicht damit, weil sie mir von den Füßen fielen — das Schlittschuhballett aus dem Propheten aufführen: radibum — radibom — radibim fallera. Der herrliche gewichste Fußboden, den Friedrich im ganzen Hause blank erhielt, und an dem es auch im vorder» Giebelzimmer nicht fehlte, ersetzte den Eisspiegel der überschwemmten Einhufer aufs beste, und ich war schon in einem völligen Taumel radibum — radibom, als der Oheim bei mir eintrat und sehr überrascht war, den musikalischen Schlittschuhläufer in mir und nicht, wie man im Hause allgemein angenommen hatte, in Friedrich zu entdecken. Man hatte, da der Zustand diesesmal komplizierter Art war und in offenbare Raserei auszuarten schien, den Oheim gebeten, seine Autorität, an die nur in den alleräußersten Fällen appelliert wurde, geltend zu machen, und nachdem es geschienen hatte, als müsse ein kleines Gebirge zur Welt kommen, war das erbärmliche Mäuschen, auf das in Wirklichkeit alles hinauslief, nichts als der verrückte Einfall eines törichten Neffen. Ich mußte natürlich, trotz der Erschöpfung, in der ich war, das Ballett sofort für weinen Onkel wiederholen und ihm alle Schönheiten der Oper, die Windmühlen, den Aufgang der elektrischen Sonne, den Krönungszug und die Schlußorgie haar¬ klein beschreiben, worauf sich, da Friedrich inzwischen aus dem Keller, wo er mit Flaschenspülen beschäftigt gewesen war, zurückgekommen war und damit sein Alibi bewiesen hatte, die ganze Familie bei mir einfand und nicht eher ruhte, bis ich den Tanz, natürlich immer in meinen Booten, zum drittenmal aufgeführt hatte, radibum... Es gibt im Völkerleben Wendepunkte, die man als epochemachende Begebenheiten bezeichnet: eine solche war für meinen Forksdorfer Besuch der ^chlittschuhtcmz mit begleitenden Gesang. Tante Nadiegeda, die mich nicht kannte und im Reiche ihrer Phantasie zu leben gewohnt war, mochte mich als guten zahmen Jüngling geschildert haben, und nun hatte ich mich mit einemmal der großen Tektosagenvergangenheit würdig gezeigt. Ich fühlte sofort, wie die Woge der Popularität den Kiel meines Schiffes hob, und von dem einen Zwischenfall im Pfarrhause abgesehen — (ju->,nÄ<i<zuiz bonus äormitat Homsru8 — habe ich, solange ich jenseits der Peene weilte, dem Andenken der wilden ovidischen Gastfreunde Ehre zu machen gesucht. Am nächsten Morgen war ich zur rechten Zeit fertig: eine weiße Hose, die ja doch zum Gewaschenwerden auf der Welt war, und darüber die Wasserstiefel, deren Boote als Ballast jedes ein halbes Dutzend Batisttaschentücher führten. Auf diese Weise hatte ich am zweckmäßigsten Fühlung zwischen mir und meinen beiden Fahrzeuge» herstellen zu können geglaubt. Der Oheim vertraute mir seine beste Entenflinte (o^nÄrSisis) an, und wir gingen, von Knechten, die allerhand Bootgerät trugen, gebilligt und beobachtet, sofort alle vier ins Wasser, der Förster, mein dritter Vetter, der Hund und ich. Da ich ans meine Reputation Wert lege, wie dies jeder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/733>, abgerufen am 28.07.2024.