Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

guten Verordnung durch mangelhafte Ausübung, völlige Nichtbeachtung und
geschickte Umgehung in ihr Gegenteil verkehrt. Einmal beförderte der Umfang
der Heimstätten den Raubbau, zu dem der Mnlee sowieso wegen seines nach¬
lässigen und leichtsinnigen Charakters neigt. Der Mangel an Respekt vor der
Natur, der drüben unsympathisch aus so vielem Menschenwerk spricht, fand
ganz natürlich auf einem Boden Nahrung, der einem als leichtcrworbnes
Geschenk gleichsam in den Schoß gefallen war. Die von dem Forstkultur¬
gesetz vorgesehene Anschonung von Wäldern unterblieb natürlich so gut wie
ganz. Die Maschen der Landgesetzgebung waren viel zu weit, als daß die
gefährlichsten Fische, die sogenannten "Landhaie," nicht hätten ungeniert durch¬
schlüpfe" köunen. Die Bodenspekulation, die schon vorher geblüht hatte, er¬
hielt, statt durch das Heimstüttengesetz unterbunden zu werden, nur neuen Auf¬
schwung. Der Schwur nämlich, den der Käufer nach den Intentionen des
Gesetzgebers leisten sollte, daß er das erstandne Grundstück ausschließlich für
sich bebauen und bewohnen wolle, ohne Fremden dadurch einen Vorteil zu¬
zuwenden, wurde die Grundlage zu einer wahren Industrie von Falscheiden.
Das Spekulatioussieber ergriff die Farmer. Es entstand die vagierende Klasse
von Landwirten, die so grundverschieden ist von dem Bauern im guten Sinne,
Menschen, die in keinem Gemütsverhültnis stehn zur Scholle, denen das zu¬
fällig erworbne Stück Land nur Mittel ist zum l-tra-soobing', die immer nur
an das Herausnehmen, niemals an das Hineinstecken und Verbessern denken,
die den Raubbau zur Kunst erhoben haben.

Und das Gesetz hat auch den andern Übelstand, den es nächst der Speku¬
lation vor allein verhindern wollte, erst recht möglich gemacht, nämlich die
Entstehung von Latifundien, desselben Großgrundbesitzes, der seinerzeit den
Süden ruiniert hatte, der durch leichtfertige Vergebung voll Staatslündereieu
an die großen Eisenbahngesellschaften stellenweise auch im Norden schon ent¬
standen war. Latifundien, die doch dem Charakter einer Demokratie durchaus
widersprechen, konnte sich nun jeder in der Union zusammenschachern, der ein
paar Falscheide auf sein Gewissen nahm oder sich durch bezahlte Agenten die
nötigen Besitztitel erschwindeln ließ.

Es ist dadurch in einzelnen Distrikten ein Landmonopol entstanden, das
dem der berüchtigten ostelbischen Großgrundbesitzer nichts nachgibt an Aus¬
schließlichkeit, das aber viel weniger historische Berechtigung hat. Der grund¬
besitzende Adel Preußens findet im großen und ganzen doch in der Bewirt¬
schaftung des von den Vätern ererbten Grund und Bodens Halt und Lebens¬
beruf. Die Bodenspekulation Nordamerikas aber gibt sich nur notgedrungen
mit der Landwirtschaft ab; oft leben diese Leute in der Stadt oder gar in
der Fremde. Die Neue Welt erlebt also den "Absentismus" der irischen
und schottischen Lords in erneuter Auflage.

(Fortsetzung folgt)




guten Verordnung durch mangelhafte Ausübung, völlige Nichtbeachtung und
geschickte Umgehung in ihr Gegenteil verkehrt. Einmal beförderte der Umfang
der Heimstätten den Raubbau, zu dem der Mnlee sowieso wegen seines nach¬
lässigen und leichtsinnigen Charakters neigt. Der Mangel an Respekt vor der
Natur, der drüben unsympathisch aus so vielem Menschenwerk spricht, fand
ganz natürlich auf einem Boden Nahrung, der einem als leichtcrworbnes
Geschenk gleichsam in den Schoß gefallen war. Die von dem Forstkultur¬
gesetz vorgesehene Anschonung von Wäldern unterblieb natürlich so gut wie
ganz. Die Maschen der Landgesetzgebung waren viel zu weit, als daß die
gefährlichsten Fische, die sogenannten „Landhaie," nicht hätten ungeniert durch¬
schlüpfe» köunen. Die Bodenspekulation, die schon vorher geblüht hatte, er¬
hielt, statt durch das Heimstüttengesetz unterbunden zu werden, nur neuen Auf¬
schwung. Der Schwur nämlich, den der Käufer nach den Intentionen des
Gesetzgebers leisten sollte, daß er das erstandne Grundstück ausschließlich für
sich bebauen und bewohnen wolle, ohne Fremden dadurch einen Vorteil zu¬
zuwenden, wurde die Grundlage zu einer wahren Industrie von Falscheiden.
Das Spekulatioussieber ergriff die Farmer. Es entstand die vagierende Klasse
von Landwirten, die so grundverschieden ist von dem Bauern im guten Sinne,
Menschen, die in keinem Gemütsverhültnis stehn zur Scholle, denen das zu¬
fällig erworbne Stück Land nur Mittel ist zum l-tra-soobing', die immer nur
an das Herausnehmen, niemals an das Hineinstecken und Verbessern denken,
die den Raubbau zur Kunst erhoben haben.

Und das Gesetz hat auch den andern Übelstand, den es nächst der Speku¬
lation vor allein verhindern wollte, erst recht möglich gemacht, nämlich die
Entstehung von Latifundien, desselben Großgrundbesitzes, der seinerzeit den
Süden ruiniert hatte, der durch leichtfertige Vergebung voll Staatslündereieu
an die großen Eisenbahngesellschaften stellenweise auch im Norden schon ent¬
standen war. Latifundien, die doch dem Charakter einer Demokratie durchaus
widersprechen, konnte sich nun jeder in der Union zusammenschachern, der ein
paar Falscheide auf sein Gewissen nahm oder sich durch bezahlte Agenten die
nötigen Besitztitel erschwindeln ließ.

Es ist dadurch in einzelnen Distrikten ein Landmonopol entstanden, das
dem der berüchtigten ostelbischen Großgrundbesitzer nichts nachgibt an Aus¬
schließlichkeit, das aber viel weniger historische Berechtigung hat. Der grund¬
besitzende Adel Preußens findet im großen und ganzen doch in der Bewirt¬
schaftung des von den Vätern ererbten Grund und Bodens Halt und Lebens¬
beruf. Die Bodenspekulation Nordamerikas aber gibt sich nur notgedrungen
mit der Landwirtschaft ab; oft leben diese Leute in der Stadt oder gar in
der Fremde. Die Neue Welt erlebt also den „Absentismus" der irischen
und schottischen Lords in erneuter Auflage.

(Fortsetzung folgt)




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0644" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240200"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_3500" prev="#ID_3499"> guten Verordnung durch mangelhafte Ausübung, völlige Nichtbeachtung und<lb/>
geschickte Umgehung in ihr Gegenteil verkehrt. Einmal beförderte der Umfang<lb/>
der Heimstätten den Raubbau, zu dem der Mnlee sowieso wegen seines nach¬<lb/>
lässigen und leichtsinnigen Charakters neigt. Der Mangel an Respekt vor der<lb/>
Natur, der drüben unsympathisch aus so vielem Menschenwerk spricht, fand<lb/>
ganz natürlich auf einem Boden Nahrung, der einem als leichtcrworbnes<lb/>
Geschenk gleichsam in den Schoß gefallen war. Die von dem Forstkultur¬<lb/>
gesetz vorgesehene Anschonung von Wäldern unterblieb natürlich so gut wie<lb/>
ganz. Die Maschen der Landgesetzgebung waren viel zu weit, als daß die<lb/>
gefährlichsten Fische, die sogenannten &#x201E;Landhaie," nicht hätten ungeniert durch¬<lb/>
schlüpfe» köunen. Die Bodenspekulation, die schon vorher geblüht hatte, er¬<lb/>
hielt, statt durch das Heimstüttengesetz unterbunden zu werden, nur neuen Auf¬<lb/>
schwung. Der Schwur nämlich, den der Käufer nach den Intentionen des<lb/>
Gesetzgebers leisten sollte, daß er das erstandne Grundstück ausschließlich für<lb/>
sich bebauen und bewohnen wolle, ohne Fremden dadurch einen Vorteil zu¬<lb/>
zuwenden, wurde die Grundlage zu einer wahren Industrie von Falscheiden.<lb/>
Das Spekulatioussieber ergriff die Farmer. Es entstand die vagierende Klasse<lb/>
von Landwirten, die so grundverschieden ist von dem Bauern im guten Sinne,<lb/>
Menschen, die in keinem Gemütsverhültnis stehn zur Scholle, denen das zu¬<lb/>
fällig erworbne Stück Land nur Mittel ist zum l-tra-soobing', die immer nur<lb/>
an das Herausnehmen, niemals an das Hineinstecken und Verbessern denken,<lb/>
die den Raubbau zur Kunst erhoben haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3501"> Und das Gesetz hat auch den andern Übelstand, den es nächst der Speku¬<lb/>
lation vor allein verhindern wollte, erst recht möglich gemacht, nämlich die<lb/>
Entstehung von Latifundien, desselben Großgrundbesitzes, der seinerzeit den<lb/>
Süden ruiniert hatte, der durch leichtfertige Vergebung voll Staatslündereieu<lb/>
an die großen Eisenbahngesellschaften stellenweise auch im Norden schon ent¬<lb/>
standen war. Latifundien, die doch dem Charakter einer Demokratie durchaus<lb/>
widersprechen, konnte sich nun jeder in der Union zusammenschachern, der ein<lb/>
paar Falscheide auf sein Gewissen nahm oder sich durch bezahlte Agenten die<lb/>
nötigen Besitztitel erschwindeln ließ.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3502"> Es ist dadurch in einzelnen Distrikten ein Landmonopol entstanden, das<lb/>
dem der berüchtigten ostelbischen Großgrundbesitzer nichts nachgibt an Aus¬<lb/>
schließlichkeit, das aber viel weniger historische Berechtigung hat. Der grund¬<lb/>
besitzende Adel Preußens findet im großen und ganzen doch in der Bewirt¬<lb/>
schaftung des von den Vätern ererbten Grund und Bodens Halt und Lebens¬<lb/>
beruf. Die Bodenspekulation Nordamerikas aber gibt sich nur notgedrungen<lb/>
mit der Landwirtschaft ab; oft leben diese Leute in der Stadt oder gar in<lb/>
der Fremde. Die Neue Welt erlebt also den &#x201E;Absentismus" der irischen<lb/>
und schottischen Lords in erneuter Auflage.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3503"> (Fortsetzung folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0644] guten Verordnung durch mangelhafte Ausübung, völlige Nichtbeachtung und geschickte Umgehung in ihr Gegenteil verkehrt. Einmal beförderte der Umfang der Heimstätten den Raubbau, zu dem der Mnlee sowieso wegen seines nach¬ lässigen und leichtsinnigen Charakters neigt. Der Mangel an Respekt vor der Natur, der drüben unsympathisch aus so vielem Menschenwerk spricht, fand ganz natürlich auf einem Boden Nahrung, der einem als leichtcrworbnes Geschenk gleichsam in den Schoß gefallen war. Die von dem Forstkultur¬ gesetz vorgesehene Anschonung von Wäldern unterblieb natürlich so gut wie ganz. Die Maschen der Landgesetzgebung waren viel zu weit, als daß die gefährlichsten Fische, die sogenannten „Landhaie," nicht hätten ungeniert durch¬ schlüpfe» köunen. Die Bodenspekulation, die schon vorher geblüht hatte, er¬ hielt, statt durch das Heimstüttengesetz unterbunden zu werden, nur neuen Auf¬ schwung. Der Schwur nämlich, den der Käufer nach den Intentionen des Gesetzgebers leisten sollte, daß er das erstandne Grundstück ausschließlich für sich bebauen und bewohnen wolle, ohne Fremden dadurch einen Vorteil zu¬ zuwenden, wurde die Grundlage zu einer wahren Industrie von Falscheiden. Das Spekulatioussieber ergriff die Farmer. Es entstand die vagierende Klasse von Landwirten, die so grundverschieden ist von dem Bauern im guten Sinne, Menschen, die in keinem Gemütsverhültnis stehn zur Scholle, denen das zu¬ fällig erworbne Stück Land nur Mittel ist zum l-tra-soobing', die immer nur an das Herausnehmen, niemals an das Hineinstecken und Verbessern denken, die den Raubbau zur Kunst erhoben haben. Und das Gesetz hat auch den andern Übelstand, den es nächst der Speku¬ lation vor allein verhindern wollte, erst recht möglich gemacht, nämlich die Entstehung von Latifundien, desselben Großgrundbesitzes, der seinerzeit den Süden ruiniert hatte, der durch leichtfertige Vergebung voll Staatslündereieu an die großen Eisenbahngesellschaften stellenweise auch im Norden schon ent¬ standen war. Latifundien, die doch dem Charakter einer Demokratie durchaus widersprechen, konnte sich nun jeder in der Union zusammenschachern, der ein paar Falscheide auf sein Gewissen nahm oder sich durch bezahlte Agenten die nötigen Besitztitel erschwindeln ließ. Es ist dadurch in einzelnen Distrikten ein Landmonopol entstanden, das dem der berüchtigten ostelbischen Großgrundbesitzer nichts nachgibt an Aus¬ schließlichkeit, das aber viel weniger historische Berechtigung hat. Der grund¬ besitzende Adel Preußens findet im großen und ganzen doch in der Bewirt¬ schaftung des von den Vätern ererbten Grund und Bodens Halt und Lebens¬ beruf. Die Bodenspekulation Nordamerikas aber gibt sich nur notgedrungen mit der Landwirtschaft ab; oft leben diese Leute in der Stadt oder gar in der Fremde. Die Neue Welt erlebt also den „Absentismus" der irischen und schottischen Lords in erneuter Auflage. (Fortsetzung folgt)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/644
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/644>, abgerufen am 24.11.2024.